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Kim & Louis

Teil 1

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“Shit, ich bin eingepennt.” Langsam öffne ich eines meiner Augen und blinzle in das grelle Licht, welches durch das große Fenster ins Zimmer fällt.

„Ich hasse es, wenn ich einschlafe. Das verkompliziert doch immer nur alles.“ Langsam hat sich mein Auge an das Hell gewöhnt und ich öffne vorsichtig das zweite. Ich spüre, dass ich gestern zu viel getrunken hatte und drehe entsprechend vorsichtige meinen Kopf zu Seite, um zu sehen, wer neben mir liegt.

Dunkelbraune, mittellange Haare und helle Haut leuchten mich an. Ein Gesicht ist nicht zu sehen, da er den Kopf von mir weggedreht hat. Ich versuche mich zu erinnern. „Steve, Kevin? Oder Marc? Wie war doch nochmal gleich sein Name?“

Naja, nebensächlich. Ich muss jetzt erst mal sehen, wie ich aus dieser Lage rauskomme, ohne dass der Typ neben mir wach wird. Langsam drehe ich meinen Kopf und versuche mich in dem Zimmer zu orientieren. Schaut aus, wie ´ne Studentenbude, Schlaf- und Wohnzimmer in einem. Relativ groß, ich bin überrascht. Gegenüber dem Bett befindet sich eine Tür. Das Bad, nehme ich an. Ansonsten ist nur die Wohnungstür zu erkennen, also keine weiteren Räume mehr.

Mein Blick geht weiter umher und ich suche nach meinen Klamotten. Als erstes finde ich mein T-Shirt, welches auffällig über der Stehlampe hängt, die in einer Ecke im Raum steht. Als nächstes finde ich meine Jeans, die noch halb unter der Couch herausschaut. Da ich meine Schuhe und Boxer nicht sehen kann, richte ich mich vorsichtig auf, stütze mich auf die Ellenbogen und versuche einen besseren Überblick zu gewinnen. Sofort regt es sich neben mir und der Kerl beginnt sich zu bewegen. Ich friere in meiner Bewegung ein und halte still. „Werd´ bloß nicht wach!“, schießt es mir durch den Kopf. Ich verharre eine kurze Zeit in dieser Position, bis ich ihn wieder regelmäßig atmen höre.

Noch vorsichtiger als zuvor, richte ich mich nun auf und schaue mich in dem Zimmer um. Da sehe ich plötzlich meine Schuhe und muss grinsen. „War wohl ´ne wilde Nacht gestern.“ Der eine Schuh liegt ziemlich schief in einem Bücherregal und der andere nicht weit davon entfernt auf dem Fußboden davor. Nur von meiner Boxer ist weit und breit nichts zu sehen.

Ich hebe die Bettdecke an und strecke ein Bein nach der Kante des Bettes aus. Das zweite folgt und fast geräuschlos arbeite ich mich aus dem Bett. Der Kerl neben mir scheint wieder fest zu schlafen. Ich sehe an mir hinunter und erkenne, dass ich meine Socken noch anhabe. Der Rest von mir ist nackt. Ich schleiche mich zu meinem T-Shirt, angle es von der Stehlampe und ziehe es mir schnell über. Danach bewege ich mich zu Couch und fische meine Jeans darunter hervor.

„Warum musste ich die gestern so schnell loswerden?“ Jetzt drehe ich Sie wieder auf rechts und versuche dabei kaum ein Geräusch zu machen. Bevor ich sie anziehe, schweift mein Blick nochmals durch den Raum, allerdings kann ich meine Boxer noch immer nicht sehen.

„Scheiß drauf“, denke ich mir und steige in meine Hose, „ein wenig Verlust ist immer und ich habe keine Zeit für eine lange Suche.“ Die Schuhe habe ich dann schnell an und bin, nachdem ich das Vorhandensein von Schlüssel und Geldbeutel überprüft habe, schon auf dem Weg aus der Wohnung. Im Vorbeigehen werfe ich nochmal einen Blick auf den Typen. Jetzt kann ich sein Gesicht erkennen und stelle mal wieder fest, dass ich doch einen sehr guten Geschmack habe. Feine Augenbrauen und lange Wimpern, dazu eine nicht zu große Nase und schwungvolle Lippen in einem sehr entspannten Gesicht. Die Wangen sind ein wenig gerötet, was wohl durch den Schlaf und die Wärme des Bettes kommt. Da die Decke ein wenig nach unten gerutscht ist, folgt mein Blick dem schönen Hals nach unten und ruht einen kurzen Moment auf der trainierten und haarlosen Brust. Ein wirklich schöner Anblick.

Als mir meine Gedanken bewusst werden, packt mich meine Unruhe und ich habe das Gefühl fliehen zu müssen. Sehr leise bewege ich mich nun Richtung Tür, drücke die Klinke nach unten und ziehe daran. Doch zu meiner Überraschung bewegt sie sich kein Stück.

„Abgeschlossen!“, schießt es mir durch den Kopf, „So ein Mist aber auch! Wer schließt denn bitte seine Tür ab, wenn er sich im Raum befindet?“ Ich spüre, wie ich feuchte Hände bekomme und mir langsam der Scheiß ausbricht. Langsam drehe ich mich und blicke mich in dem Raum um. „Wo hast du deinen verdammten Schlüssel hingelegt?“, frage ich mich in Gedanken.

Ich blicke zum Bett und stelle beruhigt fest, dass er noch schläft. Wieder wandert mein Blick durch das Zimmer und sucht den Schlüssel. Etwas perplex bleibt mein Blick an einer grünen Vase aus Glas hängen, auf deren Grund ich den Schlüssel erkenne. Ich frage mich erst gar nicht, wie dieser dort hingekommen ist, sondern bin schon auf dem Weg zu der gegenüberliegenden Wand und fische ihn heraus. Leider klimpert das Schlüsselbund dabei so laut, dass ich schon befürchte, der Kerl könnte gleich die Augen aufschlagen und mich zur Rede stellen, mich fragen, warum ich denn abhauen will.

Erleichtert stelle ich allerdings fest, dass er noch immer die Augen geschlossen hält. Schnell schleiche ich mich zurück zur Tür, schließe auf und bin draußen. Im Klacken des Zuziehens höre ich ein leises und verschlafenes: „Guten Morgen!“

Mit vom Schreck geweiteten Augen renne ich den Gang entlang Richtung Fahrstuhl und drücke panisch auf den Knopf. „Warum musste er denn jetzt wach werden? Das fehlte mir noch, dass er mir hinterher kommt.“ Mit einer gähnenden Langsamkeit scheint sich der Fahrstuhl zu bewegen. Mein Blick rast umher und späht nach der Treppe, welche sich meist in der Nähe des Fahrstuhls befindet. Im gleichen Moment, als ich diese entdecke, höre ich wie sich eine Wohnungstür öffnet. Mit einem Satz bin ich durch die Treppenhaustür, welche sich tatsächlich direkt neben dem Fahrstuhl befindet, und renne die Treppen hinunter.

„Fünfter Stock, es kann ja wohl kaum schlimmer kommen!“ Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, renne ich nach unten und durchbreche förmlich die Ausgangstür. Endlich im Freien, kann ich wieder in Ruhe durchatmen. Ich gehe nicht davon aus, dass mich der Typ nackt die Treppe hinunter verfolgen wird. Entsprechend entspannt versuche ich nun zum Parkplatz zu laufen und halte nach meinem Wagen Ausschau. Der modernen Fernbedienung sei Dank, ein kurzes Drücken, ein Leuchten der Blinker und ich habe mein Auto gefunden.

Wieder in Sicherheit, starte ich den Motor und wähle den Home-Button auf meinem Navigationssystem. Auch wenn ich meine Stadt liebe, leider ist sie doch so groß, dass ich mich nicht in allen Ecken auskenne. Nach kurzer Berechnung erscheint die Fahrzeit. Fünfundvierzig Minuten, ich befinde mich also fast am anderen Ende. Gemütlich rolle ich vom Parkplatz und fahre ruhig nach Hause.

Unterwegs halte ich noch kurz beim Hansebäcker und kaufe ein paar Brötchen fürs Frühstück. Dies hilft meinen Eltern immer ein wenig über die Situation hinweg, dass ich erst am nächsten Morgen wieder nach Hause komme. Auch wenn ich in unserem Haus die Einliegerwohnung mit separatem Eingang bekommen habe, so haben meine Eltern noch immer ein wachsames Auge auf mich. Besonders meine Mutter, auch wenn Sie zwischenzeitlich gelernt hat mich nicht mehr zu fragen, wo ich denn die Nacht über geblieben bin.

Ich stelle meinen Wagen im Carport ab und öffne die Tür zum Haus meiner Eltern. Meine Mutter hat gerade die Kaffeekanne ich der Hand, als ich mit den Brötchen die Küche betrete.

„Ah, da ist ja unser Brötchenjunge wieder“, begrüßt sie mich mit einem Lächeln und einem Küsschen auf die Wange. Auch wenn ich mittlerweile 18 Jahre alt bin, finde ich die Nähe zu meinen Eltern noch immer sehr angenehm. Bislang haben diese mich immer unterstützt und gefördert. Bei einigen Freunden habe ich festgestellt, dass dieser Rückhalt leider nicht so ausgeprägt ist. Daher bin ich meinen Eltern sehr dankbar und versuche hin und wieder auch etwas zurück zu geben.

„Ja, ich war heute schon früh unterwegs“, setze ich an, doch ernte nur das Augenzwinkern meiner Mutter. Ich spüre eine leichte Röte auf meinen Wangen und fühle mich von ihr ertappt. Die Brötchen übergebe ich daher schnell und mache mich direkt auf den Weg in mein eigenes Reich. Hier ist erst mal Pennen angesagt.

So gegen 15 Uhr werde ich langsam wach und strecke mich genüsslich. „Ups, doch länger geschlafen, als gedacht. Naja, heute ist Samstag, von daher kein Stress.“ Kurz denke ich nach, ob noch irgendwelche Termine anstehen, aber für heute ist nichts weiter geplant. Ich schlurfe in meine Küche und koche mir erst mal ´nen Kaffee zum Wachwerden. In der Zwischenzeit gehe ich duschen, putze meine Zähne und lasse mich danach gemütlich auf mein Sofa fallen. Der Kaffee macht mich langsam munter und ich greife nach meinem Handy in meiner Hosentasche. Abrupt halte ich inne. „Scheiße, wo ist mein Handy?“ Der Stammplatz in der Hosentasche ist leer. Ich springe vom Sofa auf und renne in mein Schlafzimmer, sehe auf dem Nachttisch neben meinem Bett nach, hebe die Decke hoch….aber…nichts. Ich flitze in die Küche zurück und schaue, ob ich es dort habe liegen lassen. Aber auch da ist es nicht. „Auto“, schießt es mir durch den Kopf. Also Schuhe an und raus zum Carport. Leider werde ich dort auch nicht fündig. In Gedanken gehe ich den Weg meiner Stationen durch und klar, ich habe meinen Eltern Brötchen gebracht. Vielleicht habe ich es ja auch oben liegen lassen, wenn das auch etwas ungewöhnlich wäre. Auf mein Handy passe ich nämlich besonders auf, vor allem, weil da alle Nummern, Namen und Daten meiner Dates drin stehen. Man möchte ja schließlich keinem ein zweites Mal begegnen und sollte sich von denen einer mal melden wäre ich vorbereitet.

Also mache ich mich auf, in die Wohnung meiner Eltern. Ich rufe ein kurzes „Hallo“, welches von meiner Mutter aus dem Wohnzimmer erwidert wird. Ich gehe direkt in die Küche und fange dort an zu suchen. Irgendwann merke ich, dass meine Mutter an den Türrahmen gelehnt steht und mich mit einem leichten Lächeln beobachtet.

„Suchst du was?“, fragt sie mich nun. Nur leicht den Kopf hebend und weitersuchend antworte ich ihr: „Ja, ich habe irgendwo mein Handy hingelegt und weiß gerade nicht wohin. Im Auto und meiner Wohnung ist es nicht, von daher dachte ich, dass ich es vielleicht hier mit den Brötchen habe liegen lassen.“

„Hm“, kommt von meiner Mutter, „gesehen habe ich es hier nicht“. Leicht irritiert hebe ich nun nochmals den Blick und schaue meine Mutter an. Sie hatte dies so betont, also würde da noch ein „Aber…“ kommen, aber es kommt nicht. Sie schaut mich nur an…irgendwie mehr wissend.

„Aber….“, sage ich daher und schaue sie erwartungsvoll an. Das Lächeln meiner Mutter wird breiter und irgendwie fühle ich mich gerade dabei wie in meiner Kindheit.

Immer wenn ich was ausgefressen hatte und meine Mutter das schon wusste, bevor ich überhaupt nach Hause gekommen bin, sah sie mich auch so an. Sie hatte nie etwas gesagt, sondern immer nur abgewartet und beobachtet, bis ich es nicht mehr aushielt und es ihr beichtete. Die Reaktion von ihr war nie schlimm, von daher habe ich irgendwann einfach erzählt, wenn was vorgefallen war.

Aber heute? Was habe ich denn angestellt? Was sollte ich den beichten müssen? Etwas irritiert sehe ich sie an.

Als weiterhin keine Reaktion kommt, frage ich nur: „Was?“

Das Lächeln meiner Mutter wird noch breiter und dieses komische Gefühl in mir verstärkt sich immer mehr. Unsicher blicke ich zu meiner Mutter und frage mich, was hier im Busch ist. Als meine Mutter dann auch noch zu lachen beginnt ist meine Unsicherheit perfekt.

„Du müsstest gerade dein Gesicht sehen“, japst sie zwischen ihrem Lachanfall, „Du schaust mich an, wie damals, wenn du was ausgefressen hattest.“ Nun kann auch ich mir ein Grinsen nicht verkneifen und bewege mich in Richtung meiner Mutter. Diese beruhigt sich langsam und streicht mir, als ich vor ihr stehe, mit der Hand durchs Haar. Eine solche Berührung hatte es schon lange nicht mehr zwischen uns gegeben, dennoch finde ich das gerade sehr schön.

Meine Mutter schaut dabei aufmerksam in meine Augen, als ob sie irgendeine Antwort von mir erwartet. Ich habe leider noch immer keinen Schimmer, was sie denn hören möchte. Schließlich seufzt sie kurz und sagt dann: „Ich hatte heute Vormittag ein sehr nettes Telefonat mit einem gewissen Louis“, versucht sie mir eine Starthilfe zu geben.

In meinem Gehirn beginnt es zu rattern. „Louis“, schießt es mir durch den Kopf. Mit einem Louis kann ich nichts anfangen und entsprechend ratlos sehe ich meine Mutter an. Diese schaut mich sehr aufmerksam an, etwas überrascht, so kommt es mir vor. Offensichtlich hatte sie mit einer anderen Reaktion von mir gerechnet.

„Möchtest du mir vielleicht etwas zu diesem jungen Mann sagen?“ Beginnt nun meine Mutter offensichtlich Ihre Taktik zu verändern.

„Louis?“ Frage ich daher nach. „Wer soll das sein?“

Mit meiner Frage zeichnet sich Enttäuschung im Gesicht meiner Mutter ab. Dies tut mir weh, aber mit dem Namen Louis kann ich wirklich rein gar nichts anfangen.

Entsprechend ernst fährt meine Mutter fort. „Louis hat heute Vormittag hier angerufen. Er entschuldigte sich, dass er uns angerufen hat, aber er wüsste nicht, wie er dich anders erreichen sollte.“

Noch immer blicke ich ungläubig zu meiner Mutter. Warum wollte mich dieser Louis erreichen?

Meine Mutter seufzt erneut, als ich noch immer nicht reagiere.

„Kim, ist es denn wirklich so schwer?“ Eine kurze Pause entsteht, dann setzt meine Mutter hinterher: „Oder machen wir es dir so schwer? Ich dachte, dass zwischen uns alles in Ordnung ist und du dich hier nicht verstecken brauchst.“

Jetzt verstehe ich nur Bahnhof. Was ist denn plötzlich los? Was ist denn in sie gefahren? Bis vor ´ner Minute war doch noch alles zwischen uns in Ordnung, so zumindest mein Gefühl. Klar, ich bin schwul und meine Eltern wissen darüber Bescheid. Nach kurzer Zeit war dies für sie auch nie ein Problem gewesen. Aber wie kommt sie denn jetzt darauf, dass ich ihnen in der Beziehung nicht mehr trauen würde? Und was hatte dieser Louis damit zu tun?

„Sorry, Mama, aber ich verstehe gerade nicht was los ist. Ich habe überhaupt gar keinen Plan, wie du darauf kommst?“, gebe ich entsprechend verunsichert zurück.

„Ach Kim,“ seufzt meine Mutter und bekommt leicht glasige Augen.

„Hoffentlich fängt sie jetzt nicht an zu weinen“, schießt es mir durch den Kopf. Das wollte ich nun am allerwenigsten.

„Heute Vormittag hat Louis hier angerufen und fragte nach Dir. Du hättest dein Telefon bei ihm vergessen, warst aber heute Morgen so schnell weg. Er ist dir noch hinterher, aber du hättest ihn nicht mehr gehört.“

Jetzt trifft es mich wie ein Schlag. Erschrocken mache ich einen Schritt rückwärts und entferne mich von meiner Mutter. „Ich bring ihn um!“, ist mein erster Gedanke, „Der hat Nerven, hier einfach so anzurufen und meine Eltern zu belästigen!“

Meine Mutter interpretiert meine Reaktion natürlich als Rückzug und dass ihre Befürchtung richtig seien, ich ihnen nicht vertrauen würde. Sie beißt sich auf die Lippen, schaut mich schmerzerfüllt und ängstlich an. Schnell habe ich mich aber wieder gefangen und mache nun einen Schritt auf meine Mutter zu, nehme sie in den Arm.

„Mama, hey“, beginne ich. „Mach Dir keine Sorgen, natürlich liebe und vertraue ich euch.“

Die Frage ist nur, wie kann ich ihr erklären, dass Louis nicht mein Freund ist, so wie sie dies gerade annimmt?

Vorsichtig setze ich daher an: „Weißt du, Mama, Louis ist nicht mein Freund.“ Etwas verlegen spreche ich weiter: „Naja, ehrlich gesagt, bis eben wusste ich ja nicht mal seinen Namen.“

Dies beschert mir natürlich einen ungläubigen Blick meiner Mutter, welche mich etwas fassungslos aus unserer Umarmung heraus anschaut. Schnell bemühe ich mich weiterzusprechen: „Wir haben uns gestern Abend kennengelernt und ich habe die Nacht mit ihm verbracht. Hey, komm, jetzt schau mich nicht so an, das war nur ein One-Night-Stand, mehr nicht. Und offenbar hab ich bei ihm mein Handy vergessen, das ist alles.“

„Das ist alles?“, fragt meine Mutter und windet sich aus unserer Umarmung. Noch immer wirkt sie leicht entsetzt über dieses Geständnis.

„Ja.“

„Aha.“

„Was soll ich denn dazu noch sagen? Jetzt tu nicht so überrascht, hattest du denn noch nie einen One-Night-Stand?“, frage ich etwas provokativ, um die Situation etwas aufzulockern und meine Mutter aus der Reserve zu locken. Entsprechend ertappt schaut sie mich an und fängt an zu Grinsen.

„Mein lieber Herr Sohn, du hast es faustdick hinter den Ohren“, sagt sie und knufft mich auf den Arm. Die Frage lässt sie natürlich unbeantwortet und ehrlich gesagt, möchte ich darauf auch keine Antwort. Eltern sollten diese sexlosen Wesen bleiben, die man sich als Kind so vorstellt. Wahrscheinlich ist es für meine Mutter auch nicht leicht so einfach mit dem Sexleben Ihres Sohnes konfrontiert zu sein.

Ich wechsele schnell das Thema und frage: „Wie komme ich jetzt an mein Handy? Hat er was gesagt?“

„Ja, du kannst es dir heute gegen Abend bei ihm abholen. Seine Adresse hättest Du ja, sagte er.“

„Okay, dann werde ich später nochmal zu ihm fahren“, sage ich, drücke meine Mutter nochmals und mache mich wieder auf den Weg in meine Wohnung.

Dort angekommen gehen mir unzählige Gedanken durch den Kopf. Die Frage warum er angerufen hat, ist ja nun geklärt. Viel interessanter aber ist, wie hat der den Wischcode meines Handys knacken können, so dass er überhaupt an die Nummer meiner Eltern gekommen ist? Die ist ja nicht so schwer zu finden, wenn ‚Eltern‘ im Kontaktfeld des Adressbuches steht. Bei dem Gedanken trifft mich allerdings ein neuer Geistesblitz und ich bleibe abrupt stehen. Wenn er den Wischcode knacken und meine Eltern anrufen konnte, so hatte er auch Zugriff auf all meine anderen Daten bzw. meine anderen One-Night-Stands. Shit, was bekommt er denn da für ´nen Eindruck von mir? Der muss ja denken, dass ich voll die Schlampe bin. Gut, so viele sind es dann auch wieder nicht, aber immerhin, so um die zwanzig werden es wohl sein. Immerhin bin ich erst 18, fast 19.

Ich war eben ein Frühstarter. Mit 16 hatte ich meinen ersten Kontakt mit Matze in einer Jugendfreizeit. Der war sogar ganz süß und wir schlichen fast die ganzen 14 Tage der Freizeit umeinander herum, bis er sich ´nen Ruck gab und mich einfach küsste. Er hatte mich damals auf einen Spaziergang eingeladen, der zu unserem kleinen See führte, welcher in der Nähe des Ferienhauses in den Niederlanden lag. Als wir dann alleine waren und nebeneinander auf dem Bootssteg saßen, war es dann soweit. In dem Moment als er mich küsste, waren alle Zweifel abgefallen und ich wusste, dass ich schwul war. Mir brannten alle Sicherungen durch und ich hätte Matze ewig küssen können. Es brach mir das Herz, als wir uns am nächsten Tag verabschieden und nach Hause fahren mussten. Er wohnte achtzig Kilometer von mir entfernt, eine Strecke die für zwei sechzehnjährige eine unüberwindliche Distanz darstellt. Erst recht, wenn man seinen Eltern nichts über all das erzählen kann. Was würden die über einen denken? Matze und ich schrieben noch eine Weile Emails, allerdings verlor sich dann nach und nach der Kontakt. Aber noch heute fühle ich den Schmerz, wenn ich an ihn zurückdenke. So ganz konnte ich ihn nicht vergessen. Was er wohl heute so macht? Ob er glücklich ist? Verheiratet oder auch schwul ist?

Wie immer schiebe ich diese Gedanken schnell beiseite, so langsam wird es Zeit mein Telefon abzuholen und Louis gegenüberzutreten. Ich schwanke noch immer zwischen ihn zur Sau machen oder einfach nur danke sagen und umdrehen. Definitiv aber hatte er verschissen, das mit meinen Eltern ging gar nicht, auch wenn mir selbst kein anderer logischer Weg einfiel, wie er mit mir in Kontakt hätte treten können. Immerhin weiß er weder wo ich wohne, noch wo ich studiere oder sonst was von mir.

Auf der Fahrt zu ihm stelle ich fest, dass ich gerade dabei war, eine meiner Grundregeln zu brechen. Ich sehe einen One-Night-Stand ein zweites Mal. Aber Moment, eigentlich breche ich die Regel ja nicht, ich hole nur mein Telefon ab und bin dann wieder weg. Von daher ist es ja kein wirkliches zweites Treffen, erstrecht ohne Sex.

Mit mir selbst wieder im Reinen, komme ich an seinem Wohnheim an. Glücklicherweise gibt es Navigationsgeräte, welche die letzten Fahrten speichern, so dass ich den Weg zu ihm schnell gefunden habe. Ich steige aus, orientiere mich kurz und mache mich dann auf den Weg zu dem Hauseingang, aus dem ich heute Morgen so schnell geflüchtet war.

Es ist dennoch ein komisches Gefühl plötzlich wieder hier zu sein und Louis nochmals gegenüberzutreten. Gerade nach meinem schnellen Abgang. Wie soll ich ihm das erklären? Am besten gar nicht. Handy nehmen und dann ab nach Hause. So ist mein Plan.

Als ich im Eingangsbereich des Hauses stehe und mir die Klingelanlage betrachte, kommt mir ein anderer Gedanke. Louis heißt er ja, aber wie mit Nachnamen? Welche der unzähligen Klingeln soll ich denn drücken? Dem Schicksal sein Dank, kommt gerade jemand aus dem Haus, so dass ich durch die offene Tür schlüpfen kann. Den Weg im Gebäude kenne ich ja noch, so dass ich wenig später vor seiner Tür stehe. Als ich auf die Klingel drücke, lese ich den Nachnamen. „Held“, steht dort in einer Standardschrift gedruckt.

Ich drücke den Klingelknopf und warte geduldig, bis sich die Tür öffnet. Louis schaut mich an und grüßt mit einem Lächeln. „Komm doch rein“, sagt er, wobei er die Tür weiter öffnet. Ich bin von dem Gedanken gar nicht begeistert, will nur mein Handy zurück.

„Was ist los? Soll ich dich über die Schwelle tragen oder kommst Du von allein rein?“ wiederholt Louis die Aufforderung spitz. Ich murmele ebenfalls eine Begrüßung und betrete zögerlich die Wohnung. „Gibst du mir mein Handy? Dann kann ich wieder gehen“, frage ich ziemlich schroff. Louis steht noch immer an der Tür und ist von meiner rauen Art irritiert. Einen solchen Umgang ist er offenbar nicht gewohnt.

„Louis, hast du mein Handy irgendwo? Deshalb bin ich schließlich hergekommen.“

Louis findet wieder zu sich, greift auf seinen Nachttisch und nimmt das Handy in seine Hand. Er reicht es allerdings nicht gleich an mich weiter, sondern setzt sich aufs Bett, streicht mit dem Finger das mir bekannte Muster und drückt ein paar weitere Male auf das Display.

Ich verfolge das Geschehen und bin mir nicht sicher, was Louis damit bezwecken will. Plötzlich kommt mir wieder die Frage in den Kopf, wie er meinen Wischcode auf dem Handy entschlüsseln konnte. Augenblicklich zucke ich zusammen, denn mir wird wieder bewusst, dass Louis alle meine Daten auf dem Handy lesen konnte, sowie auch alle Emails, da ich ja auch die Emailfunktion auf meinem Smartphone eingestellt hatte.

Louis ist weiter mit dem Handy beschäftigt, allerdings bekomme ich den Eindruck, dass sich seine Fröhlichkeit auflöst und er einen eher nachdenklichen Ausdruck bekommt.

„Sollte ich mir Gedanken machen und vorsichtshalber einen Arzt aufsuchen?“ Louis hebt seinen Blick und schaut mir offen ins Gesicht?“ Als ich nicht antworte fährt er fort: „Ich meine, naja, wir haben zwar ein Gummi benutzt, aber wenn man das“, dabei hält er mein Handy hoch, „so liest, dann wird man schon nachdenklich. Ich dachte mir schon, dass du kein Kind von Traurigkeit bist, aber das überraschte mich schon ein wenig.“

Ich bin zu perplex um auf diese Unterstellung zu reagieren. Louis wendet seinen Blick von mir ab und schaut auf den Boden vor sich.

„Warum ist das immer das Gleiche mit euch Typen?“ fragt er mehr zu sich selbst. Plötzlich klappt in mir ein Schalter um und ich spüre eine enorme Wut in mir hochkochen.

„Was fällt Dir ein? Erst knackst du meinen Handycode, liest dann meine privaten Nachrichten und Daten und machst mir dann auch noch Vorwürfe, weil dir der Inhalt nicht gefällt? Ich glaub, du hast ´nen Schuss. Los, gib mir mein Handy und dann bin ich weg. Sowas brauche ich mir nicht anhören.“

Louis zuckt vor Schreck zusammen und wirft mir das Handy zu. Einen solchen Ausbruch hat er mir wohl nicht zugetraut.

„Offenbar haben ich mich in dir schwer getäuscht. Aber was habe ich denn auch erwartet?“ fügt er mit enttäuschter Stimme hinzu.

Ich fang mein Handy auf und wende mich von ihm ab. Kurz checke ich nochmals, ob ich nun alles beisammen habe und gehe zur Tür. Moment, meine Boxer sind ja noch hier.

„Hast du meine Boxer noch irgendwo gesehen?“ frage ich kaum weniger aggressiv und drehe mich zu Louis um. Dieser hebt erst gar nicht den Blick, sondern deutet nur einmal quer durchs Zimmer in Richtung Küche. Dort liegen sie fein säuberlich zusammengefaltet auf der Ablage. Noch immer aufgebracht stapfe ich dort hin und nehme sie an mich. Auf dem Weg zur Tür streife ich nochmals mit meinem Blick Louis, welcher seine Position auf dem Bett noch immer nicht geändert hat. Dennoch fällt mir auf, dass Louis Tränen in den Augen stehen.

Augenblicklich tut mir mein Ausbruch leid. Ich wollte Louis nicht wehtun, fand aber die Art und Weise wie das hier alles abgelaufen ist, so gar nicht in Ordnung. Was hat er sich nur dabei gedacht in meinen privaten Sachen zu schnüffeln und mir diese auch noch vorzuwerfen? Dennoch will ich ihn so nun auch nicht sitzen lassen, immerhin scheint ihm die Situation zu schaffen zu machen.

Ich seufze, gehe auf Louis zu und setze sich zu ihm aufs Bett.

„Tut mir leid, dass ich Dich gerade angeschrien habe“, sage ich nun ruhiger. „Ich kann es nicht ab, wenn jemand in meinen Sachen stöbert. Zudem war ich noch aufgebracht, dass du mit meiner Mutter telefoniert hattest. Ich meine, ja, es war die einfachste Möglichkeit mich zu finden. Aber das hätte auch ganz schön nach hinten losgehen können.“

Langsam hebt er den Blick und schaut mich mit geröteten Augen an.

„Was ist denn passiert? Hast du Ärger bekommen, weil ich bei ihr angerufen hab?“

„Nein, Ärger nicht, aber meine Mutter hat mich ganz schön zur Rede gestellt. Sie ging davon aus, dass du mein Freund bist und ich dich verheimlichen wollte.“

„Wieso das denn? Ich habe ihr nur gesagt, dass du dein Telefon bei mir vergessen hast und ich dich nicht mehr erreicht habe“, wendet Louis ein.

„Das reichte doch schon aus“, sage ich mit einem leichten Grinsen im Gesicht. „Ich bin heute Morgen mit Brötchen nach Hause gekommen und somit war klar, dass ich die Nacht nicht in meiner Wohnung verbracht habe. Und wenn dann noch jemand bei meinen Eltern anruft und sagt, dass ich mein Handy bei ihm vergessen habe….Mann…zähl doch einfach mal eins und eins zusammen.“

„Ups“, entfährt es Louis. Darüber hatte er tatsächlich nicht nachgedacht.

„Wie hast du überhaupt den Wischcode aufbekommen?“ Will ich nun doch von ihm wissen.

„Das ist relativ einfach“, erklärt Louis, nun wieder etwas munterer. „Auf den Glasdisplays hast Du fast immer einen Fettfilm. Wenn du das Handy ein wenig ins Licht hältst und dann auf die Spiegelung guckst, kannst Du meist das Muster erkennen, welches mit den Fingern gezeichnet wurde. Ist mir irgendwann bei meinem eigenen aufgefallen, woraufhin ich einen anderen Code wählte, der etwas komplizierter ist.“

„Wow, das war clever. Darauf wäre ich so einfach nicht gekommen. Ich dachte immer, die Dinger sind einigermaßen sicher.“

Es tritt eine Pause ein, in der keinen von uns beiden etwas sagt oder sich bewegt.

„Und, willst du jetzt schon wieder los?“, durchbricht Louis die Stille.

Ich denke kurz nach. Im Grunde habe ich wieder alles beisammen und Louis scheint sich ja auch wieder gefangen zu haben.

„Du kannst auch gern noch etwas bleiben, wenn du willst. Ich habe heute Abend nichts weiter vor und wollte mir nur noch was zu essen machen. Du kannst gern bleiben und mitessen, ist genug für zwei.“

Louis scheint über das spontane Angebot seinerseits selbst überrascht zu schein, denn er schaut mich mit großen Augen an und beißt sich auf die Zunge. Ich versteife mich auch schon, was natürlich Louis nicht verborgen bleibt.

„Ich glaube…“

„Warum bist du heute Morgen so schnell verschwunden?“ platzt es aus Louis heraus, während ich gerade im Begriff bin aufzustehen und mich verabschieden will.

Ich lasse mich nochmals aufs Bett sinken und hole tief Luft. Wie graut mir immer vor dieser Frage. Gut, bislang kam ich nie in die Situation, eine Antwort darauf geben zu müssen. Meist bin ich schon weg, bevor die Typen wach werden oder habe sie bereits gleich in der Nacht verlassen. Manche akzeptierten es einfach und die, die hätten Fragen können, waren meist so überrascht, dass sie es nicht taten. Nur ich selbst stelle mir diese Frage hin und wieder, fand aber bislang keine klare Antwort darauf bzw. wollte sie auch nicht beantworten.

„Ich weiß nicht“, beginne ich stockend zu antworten. „Wahrscheinlich weil ich lieber in meinem Bett schlafe“, versuche ich einen Erklärungsansatz.

Louis blickt mich nur an und ich kann in seinen Augen lesen, dass er mir nicht glaubt.

Wieder Schweigen wir.

„Lag es an mir? Habe ich irgendwas falsch gemacht?“ Durchbricht Louis wiederholt die Stille.

„Quatsch, was sollst du denn falsch gemacht haben?“

„Ich weiß ja nicht, vielleicht war der Sex so schlecht, dass du deshalb verschwunden bist.“

Ich kann mich zwar nicht mehr an viel erinnern was in dieser Nacht geschehen ist, aber ich habe nicht das Gefühl dass der Sex schlecht war. Im Gegenteil, so kommt es mir langsam wieder in den Sinn, der war gut, richtig gut sogar.

„Nein, definitiv nicht. Mach dir darüber keine Gedanken, der Sex war nicht das Problem.“

Wieder schweigen.

„Weißt du, Louis“, beginne ich nun stockend, „ich bleibe bei keinem Date länger als eine Nacht. Deshalb bin ich heute Morgen gegangen.“ Aus welchem Grund ich dieses offene Geständnis mache, ist mir selbst gerade nicht wirklich bewusst.

„Warum?“ kommt es überrascht von Louis.

„Prinzip.“

Schweigen.

„Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe“, sage ich und stehe endgültig auf.

„Sicher, dass du wirklich gehen möchtest?“ Fragt Louis und lässt sich dabei nach hinten aufs Bett fallen. Langsam streicht er mit seinem Arm über das Bett und schaut mir dabei schüchtern in die Augen.

„Scheiße, sieht der gerade niedlich aus“, schießt es mir durch den Kopf. Aber Stopp, das geht nicht, Prinzip ist Prinzip. Ich kann nicht einfach hier bleiben und meinem Trieb nachgeben. Ein One-Night-Stand ist ein One-Night-Stand und keine Wiederholungsserie.

Louis erkennt den inneren Kampf in mir, greift nach meiner Hand und zieht mich sanft zu sich aufs Bett. Meine Gegenwehr ist scheinbar geringer als wir beide erwartet haben und somit folge ich ihm langsam aufs Bett.

„Nein….“, versuche ich es noch einmal.

„Ssschhhh“, macht Louis und verschließt meinen Mund mit dem seinem.

Gott fühlt sich das gut an, stelle ich fest. Die weichen und doch bestimmten Lippen von Louis rauben mir schier den Atem. Zärtlich spüre ich auch Louis Zunge und öffne meinen Mund. Willig ergebe ich mich in den folgenden Zungenkuss und plötzlich schaltet mein Gehirn ab. Louis übernimmt das Kommando und ich folge jeder seiner lieblichen Befehle mit Wonne.

Nachdem unser Liebesspiel beendet ist, liegen wir Arm in Arm. Louis ist kurz danach eingeschlafen, nur ich hänge meinen Gedanken nach und starre an die Decke. Noch immer habe ich nicht begriffen, wie einfach ich mich Louis ein zweites Mal hingegeben habe und meine Prinzipien dabei völlig ignorierte. Heute Morgen bin ich aus diesem Bett geflüchtet und wenige Stunden später wieder darin gelandet. Warum?

Ich hätte mehrfach gehen und Louis hier alleine lassen können. Es hatte mich doch noch nie gekümmert, was eines meiner Dates über mich dachte oder mir gar böse sein könnte. Warum ist es dieses Mal anders? Über meine Grübeleien hinweg falle auch ich in einen tiefen Schlaf. Unbewusst kuschle ich mich in der Nacht immer wieder an Louis an und wir schlafen beide eng umschlungen.

Am nächsten Morgen wacht Louis vor mir auf. Während ich noch schlafe beobachtet er mich ein wenig. Unterbewusst nehme ich wahr, dass er neben mir was murmelt: „Warum habe ich gestern zum ersten Mal in meinem Leben all meinen Mut zusammengenommen und habe es gewagt um dich zu kämpfen? Ganz offensichtlich gibt es bei dir etwas, was dich davon abhält, dich näher auf eine andere Person einzulassen. Dennoch habe ich deutlich gespürt, dass es da mehr gibt und du auch mehr wolltest.“ Louis seufzte. „Mann, aber warum suche ich mir gerade jemanden aus, der sich das offensichtlich nicht eingestehen kann?“

Louis verstummt abrupt, als ich meine Augen aufschlage und ihn perplex anstarre. Schlagartig wird mir bewusst, dass ich schon wieder in seinem Bett liege.

„Scheiß, nicht schon wieder!“, ist das erste was ich denke. Während ich mir der Situation bewusst werde, begrüßt mich Louis mit einem kleinen Kuss und haucht mir ein „Guten Morgen“ ins Ohr. Auf der einen Seite fühlt sich das gerade verdammt gut an, aber auf der anderen Seite will ich so schnell wie möglich von hier fliehen. Gegen meinen Willen läuft eine Gänsehaut über meinen Körper, wie ich sie noch nie gespürt habe. Innerlich am Kämpfen, versuchte ich weiter Herr über meine Gedanken zu werden. Ich ringe mich ebenfalls zu einem „Guten Morgen“ durch und rolle mich dann aus dem Bett.

„Nicht schon wieder“, höre ich es aus dem Bett von Louis kommen, der sich dabei die Hände vors Gesicht schlägt.

Ertappt schaue ich zu ihm runter.

„Das ist echt nicht dein Ernst, oder? Willst Du schon wieder abhauen?“

„Ähm“, suche ich schnell nach Worten, „nein, ich…ich wollte nur kurz zur Toilette.“ Schnell mache ich mich auf den Weg und schließe die Tür hinter mir. „Scheiße, was ist denn bloß los mit mir. Warum habe ich ihm nicht einfach gesagt, dass ich hier raus will. Ich kann das einfach nicht, dass ist mir einfach viel zu eng.“ Seufzend lasse ich mich auf das WC nieder und vergrabe mein Gesicht in den Händen.

Während ich im Bad bin, steht auch Louis auf, bereitet ein kleines Frühstück vor und kocht Kaffee.

Nachdem ich mich wieder einigermaßen gesammelt habe, komme ich aus dem Badezimmer und setze mich zu Louis an den Tisch. Etwas erfreut bin ich schon, dass er das kleine Frühstück vorbereitet und Kaffee gekocht hat. Ganz meiner Gewohnheit folgend, trinke ich einen schwarzen Kaffee, welcher mir von ihm freundlich angeboten wird.

Wir reden wenig miteinander, werfen uns aber hin und wieder einen beobachtenden Blick zu. Jeder für sich und so, dass der andere es nicht offensichtlich mitbekommt. Dennoch breitete sich eine unangenehme Spannung aus, welche keiner von uns beiden durchbrechen kann. Entsprechend schnell ist das Frühstück beendet und ich bereit zum Aufbrechen. Ich verabschiede mich von Louis und bin schon aus der Tür, darauf achtend, dass ich dieses Mal auch wirklich nichts vergessen habe.

Ich gehe zu meinem Auto, ohne mich nochmals zur Wohnung umzudrehen, aber mit dem Gefühl im Rücken, dass Louis mir vom oben nachschaut. „Spinner!“, denke ich nur bei mir. Seufzend lasse ich mich hinters Steuer sinken und fahre davon.

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