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Im Kaffeehaus

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Informationen

 

Ich sitze in meinem Lieblingskaffeehaus in Salzburg, zwischen Neutor und Pferdeschwemme – weltberühmt für deren Milchrahmstrudel mit hausgemachter Vanillesauce. Das Café ist recht gut besucht, nur wenige Tische sind noch frei. Die beiden Bedienungen, zwei nette Damen, sind recht freundlich und bedienen die Kunden rasch und gekonnt. An meinem Nebentisch sitzen zwei Herren um die 65, die sich recht vertraut unterhalten. Ich denke an meinen langjährigen, besten Freund Clemens. Ob wir auch einmal so hier sitzen werden? Bei diesem Gedanken huscht mir ein Lächeln ins Gesicht. Noch einen Tisch weiter, in der linken Ecke einer Nische, sitzt ein Ehepaar, welches sich wohl eher weniger zu sagen hat.

Menschen zu beobachten ist meine Lieblingsbeschäftigung! Ich liebe es einfach! Die Tür öffnet sich und zwei junge Burschen betreten das Café, gehen händchenhaltend an mir vorbei und setzen sich an den freien, rechten Ecktisch gegenüber dem Ehepaar. Meine Güte, wie die beiden Jungs strahlen. Ach, Liebe ist einfach etwas Schönes! Ich schätze die Beiden auf um die 16. Die Bedienung nimmt freundlich die Bestellung auf und huscht grinsend davon. Ich denke mir noch: Harmonie pur! Und die Servicekraft hat wohl auch ihre Freude daran. Ich schweife meinen Blick. Die beiden älteren Herren tuscheln und einer deutet ganz verdeckt zu den beiden. Die Bestellung wird gebracht. Es dürfte sich um einen Partner-Eisbecher handelt. Ein großes Gefäß, ein Duo-Strohhalm aus Kunststoff in Herzform und zwei Löffel. Die Bedienung wünscht den Beiden lächelnd guten Appetit. Glücklich schauen sich die Beiden in die Augen und geben sich ein Küsschen auf die Lippen. Dann bleiben meine Blicke bei dem Ehemann hängen, der alles andere als freundlich schaut.

Ups! Ich sehe Ablehnung, Hass, Wut! Ich beginne nervös auf meinem Sessel hin und her zu rutschen und mache mich innerlich bereit, den Turteltäubchen zur Hilfe zu eilen. Der Ehemann redet sich offensichtlich bei seiner Frau in Rage. Wie ein Dampfkessel, der jeden Moment explodiert. Offensichtlich hören die beiden älteren Herren, was da aus dem Mund des aggressiven Mannes kommt und schütteln den Kopf. Hm, weshalb schütteln sie ihren Kopf? Wegen der Jungs oder dem Ehemann? Allmählich spitzt sich die Lage zu, doch die Jungs sind so miteinander beschäftigt, dass sie das nahende Unheil gar nicht mitgekommen. Händchenhaltend, Küsschen gebend und glücklich schlürfen und löffeln sie ihr Eis. Ich erblicke die beiden Bedienungen und erkenne in deren Gesicht die Sorge um die Burschen. Plötzlich, ohne Vorwarnung bricht es über das Liebespärchen herein.

„Ihr abnormalen Drecksäue, schämt ihr euch denn gar nicht! Ihr seid so etwas von abstoßend. So etwas Grauseliges gehört doch verboten! Ihr gehört doch erschlagen und auf den Müll geworfen, ihr Abschaum, perverse Missgeburten!“

Ich will gerade aufspringen, da eilt ein ca. 40 jähriger Mann an mir vorbei, stellt sich zwischen die Beiden und den Aggressor. Die Jungs sind zuerst geschockt, dann laufen beiden die Tränen über ihre Wangen.

„Meine Frau und ich würden gerne mit Ihnen den Tisch tauschen, der ist am anderen Ende des Lokals“, sagt der Mann und deutet in die Richtung. Doch der Ehemann überhört das Angebot einfach und poltert weiter.

Da fällt ihm der Mann ins Wort und sagt, er habe drei Kinder, die alle in glücklichen Beziehungen sind. Das ist doch das schönste, was Eltern erleben dürfen.“ Weiter kommt er nicht, der Ehemann steht jetzt auf und wird jetzt richtig laut! Gerade in dem Moment, in dem ich aufstehen wollte, steht einer der älteren Herren am Nebentisch auf, stellt sich hinter einen der Jungs, legt seien Hände auf dessen Schulter und brüllt ganz laut mit sonorer Stimme: „R U H E“. Der Ehemann verstummt und schaut den älteren Herrn verdutzt an. Ruhig fängt dieser wieder zu reden an:

„Es ist völlig egal, ob jemand hetero- oder homosexuell ist. Wenn die Liebe aufrichtig, ehrlich und tief ist, dann ist es eben so richtig. Die beiden haben Ihnen und keinem hier etwas getan! Für mich ist es schön, dass junge Menschen diese Liebe empfinden und sie sollen es auch zeigen dürfen. Und wenn Gott, so wie sie sagen, es abartig findet, dann frage ich mich allerdings, warum er diese Beiden mit so viel Schönheit, Anmut, Liebe und wahnsinnig geilen Körpern ausgestattet hat. Außerdem wurden sie auch nicht vom Blitz erschlagen oder sonst irgendwie von Gott bestraft. Ich für meinen Teil, bin stolz auf meinen Enkel, dass er zu seiner Liebe zu diesem Jungen steht. Ich verlange nicht von Ihnen, dass Sie sich bei meinem Enkel und dessen Freund entschuldigen, aber ich erwarte von Ihnen, dass Sie jetzt zahlen und dann gehen, denn sonst kann und will ich für Ihre Gesundheit nicht mehr garantieren, denn Sie sollten wissen, dass ich bis zu meiner Pensionierung bei einer Spezialeinheit des Bundesheeres Ausbilder für Nahkampf war und wenn Sie nicht augenblicklich verschwinden, dann Gnade IHNEN Gott!“ Den letzten Teil brüllt der ältere Herr eher, als dass er es sagt. Der Junge lässt seinen Kopf in den Nacken fallen und schaut den Mann von unten an. „Opa?!“, haucht er völlig überrascht. Mehr bringt er nicht heraus.

Die Bedienung steht bereits zum Kassieren bereit, hat schon die Rechnung in der Hand, das Paar zahlt und verlässt das Lokal. Der Junge springt auf und fällt seinem Opa um den Hals. Der wiederum streichelt seinem Enkel übers Haar und sagt grinsend: „Darf ich euch beiden zu eurem außergewöhnlich guten Geschmack gratulieren!“, dabei zwinkert er dem Zweiten zu und spricht ihn an: „ Na komm her, mein Junge, lass dich von deinem Schwiegeropa umarmen.“ Opa, Enkel und Freund bedanken sich bei dem Mann, der dann wieder auf seinen Platz zurück geht.

Nun dreht sich der ältere Herr um und geht auf seinen Tisch zu. Als er seinen Freund auffordert, sich doch zu den Jungs zu setzen, sieht er mir in die Augen, aus denen gerade ein paar Tränen über meine Wangen laufen.

„Ist Ihnen nicht gut?“, fragt er mich. Ich kann im Moment nichts sagen, und gebe ihm mit der Hand ein Zeichen, sich nicht um mich zu kümmern. Ich wische mir die Tränen weg, räuspere mich und versuche wieder, meine Fassung zurück zu gewinnen.

Zwischenzeitlich sitzen die vier zusammen am Tisch und unterhalten sich angeregt. Immer wieder sehen abwechselnd der ältere Herr und dann wieder sein Enkel zu mir herüber. Ich lächle den Jungen an und rufe die Bedienung, damit ich zahlen kann.

Dieser dürften auch vorhin meine Tränen aufgefallen sein, entschuldigt sich für den Vorfall und legt die Rechnung vor. Ich frage sie, ob der Eisbecher der Beiden schon bezahlt sei, was sie verneint. Ich gebe ihr zu verstehen, dass ich diesen mitzahle, was sie wiederum mit einem breiten Grinsen quittiert. Sie dreht sich um, geht zum Tisch der vier Männer und räumt diesen ab, wobei sie etwas sagt und zu mir deutet.

Die beiden älteren Herren lächeln zu mir, die beiden Jungs freut es offensichtlich und rufen mir gleichzeitig mit einem breiten Grinsen „DANKE“ entgegen. Ich ziehe mir meine Jacke an und gehe doch noch zu dem Vierertisch.

„Ich wünsche euch beiden viel Glück! Leider werden euch immer wieder solche A***löcher das Leben vermiesen wollen. Steht zueinander und werdet glücklich! Das wünsche ich euch von ganzem Herzen.“ Ich spüre schon wieder meine Augen davonschwimmen, drehe mich um und gehe aus dem Kaffeehaus.

Weiter laufen mir Tränen über mein Gesicht. Ich liebe meine Frau und meine Kinder über alles! Das tue ich wirklich und ich möchte sie keinesfalls missen! Und doch … Warum habe ich vor 30 Jahren nicht zu meiner Liebe zu Jungs und meiner „Neigung“ gestanden und stattdessen, diese Gefühle unterdrückt? Jetzt ist es zu spät! Mein Herz wir schwer. Wieder spüre ich den Schmerz in meiner Brust.

Es brennt in meinem Herzen eine immer lauter werdende Sehnsucht, die ich niemals zu stillen im Stande sein werde, bis ich meine Augen für immer schließe …

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