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Nur eine Nacht

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Inhaltsverzeichnis

Prolog:

Dieser Weg war einer der Schwersten, die er jemals genommen hatte. Hier stand er nun vor seiner Exfreundin, die von dieser Tatsache noch keine Ahnung hatte. Lange hatte er es sich überlegt, dieses Gespräch zu führen, doch etwas anderes war für ihn nach der letzten Nacht nicht in Frage gekommen.

Er sah sie an. Sie erwiderte seinen Blick.

„Sag, dass das nicht wahr ist“, flehte sie ihn an.

Er senkte den Blick und sagte leise: „Das kann ich nicht, denn dann würde ich lügen. Keine Lügen mehr.“

„Warum …?“, flüsterte sie.

 

Das ‚X-Fun’ war wie immer überfüllt und Jenny war schon gefahren. ‚Sind mir zu viele Spinner unterwegs’, hatte sie gesagt. So wie sie es meistens tat, wenn sie einfach keine Lust auf irgendwas hatte. Er wollte noch bleiben, da er auf seinen Kumpel Martin wartete. Kurz nachdem Jenny gefahren war, spürte er die Vibration seines Handys.

‚Jenny’, war ihm sofort durch die Gedanken gegangen. Doch als er sich mit seinem Handy in eine ruhige Ecke verzogen hatte, sah er, dass Martin sich gemeldet hatte. Diesem war es dann doch noch eingefallen, dass sie verabredet waren, doch leider hatte er seine Bude voller Leute sitzen und konnte deswegen nicht weg.

Ben fluchte. Er hasste seinen Kumpel manchmal dafür, doch eigentlich war er ja selbst schuld, dass er sich immer wieder auf Martin verließ. Sie beide kannten sich immerhin von frühster Kindheit an und waren einfach die besten Freunde.

Unschlüssig stand er da und blickte auf die Uhr. Jenny war wohl gerade in ihrer gemeinsamen Wohnung angekommen. Sie wäre wohl nicht erfreut, wenn er sie jetzt anrufen würde, sie solle ihn abholen. Und um ehrlich zu sein, hatte er auch noch keine Lust, nach Hause zu fahren. Also beschloss er, noch einige Zeit hier zu verbringen.

Immerhin bot der Laden hier alles, was das Herz begehrte. In dem großen Gebäude des ‚X-Fun’ waren unterschiedliche Diskotheken, eine Spielhalle und ein Kinokomplex untergebracht.

Er stürzte sich auf die überfüllte Tanzfläche seiner Lieblingsdisko und tanzte, bis er nicht mehr konnte. Dann ging er zur Theke und bestellte ein Wasser mit Zitrone, noch bevor er sich zur Bedienung umgedreht hatte.

„Willst du Eis dazu?“, fragte der Barkeeper.

Er sah ihn an und verlor sich in den blauen Augen des anderen.

„Willst du Eis dazu?“, wiederholte dieser die Frage.

Ben blinzelte kurz und der Barkeeper grinste. Er nickte leicht als Antwort und die Bedienung drehte sich weg und holte das bestellte Wasser.

Ben schluckte. ‚Was zum Teufel war das denn jetzt?’ Er konnte sich das nicht erklären, wieso er beinahe in den Augen des anderen versunken war. Dann stand dieser wieder vor ihm und reichte ihm das gewünschte Wasser.

„Wenn du noch mehr Zitrone willst, sag einfach Bescheid.“

Er zwinkerte ihm zu und wandte sich der übrigen Kundschaft zu.

Ben war total perplex. Er hatte einen Mann angestarrt. Okay, der Kerl sah wirklich gut aus, aber … er war immer noch männlich.

Mit seinem Wasser ging er rüber zur Treppe, die auf die Empore führte und setzte sich hin. Er brauchte erst mal einen Moment, um den Kopf wieder klar zu bekommen. Sein Blick wanderte zurück zur Theke. Der Barkeeper war im Moment von einigen Mädels umringt, die ihn alle anhimmelten. Ben senkte den Blick. Tief atmete er ein. Er verstand nicht, was mit ihm los war. Als er sein Glas leer hatte, stellte er es einfach auf der Treppe ab und verließ die Disko, um mit einem Taxi nach Hause zu fahren.

Das folgende Wochenende

Endlich war die Woche rum. Jenny hatte mal wieder ihre Kopfschmerzen, die sie gerne als Grund vorschob, irgendetwas nicht zu machen und wollte nicht mit ins ‚X-Fun’. Dafür wollte Ben umso mehr hin. Immerhin hatte Martin ihm diesmal fest zugesagt. Außerdem sollte der ihn abholen, was er dann auch tat. Um Punkt 22 Uhr stand Martin bei ihnen auf der Matte. Zusammen fuhren die beiden jungen Männer zum ‚X-Fun’. Martin wollte sich, kaum dass er im Eingangsbereich die Plakate gesehen hatte, den neusten Actionfilm ansehen, und da sich seine Freundin sowieso weigerte, irgendetwas Actionreiches anzuschauen, musste Ben herhalten. Es bot sich also an, dass sie beide hier waren. Martin grinste, als Ben ihm mit nicht ganz ernster Miene sagte, dass er sich als Kinobegleitung ausgenutzt fühlte.

Um ein Uhr war der Streifen dann zu Ende und sie verließen den Kinobereich. Nach kurzem Weg erreichten sie schließlich die Tanzfläche von Bens Lieblingsdisko. Wie jedes Wochenende war hier die Hölle los. Unweigerlich glitt Bens Blick zur Theke, doch er konnte die Bedienung mit den blauen Augen nicht ausmachen.

Er tanzte weiter und erblickte dann auf einmal Martin. Sein Kumpel Martin stand dort, mit einer Blondine und versuchte, sie mit seiner Zunge zu ersticken. Ben war überrascht, hatte er doch immer gedacht, Martin und Mel, seine Actionfilm verachtende Freundin, wären das perfekte Paar.

Dann stand sein bester Freund plötzlich neben ihm.

„Ich geh schon mal“, rief er ihm über die laute Musik zu.

Ben wollte was sagen, doch er verkniff es sich lieber.

In der Entfernung sah er, wie Martin mit der Blondine verschwand. Schon wieder war er alleine. Erneut streifte sein Blick zur Theke und doch hatte er kein Glück.

Warum erhoffte er sich eigentlich, dass der andere da war? War … es Sehnsucht? Ben schüttelte den Kopf und ging zurück auf die Tanzfläche. Er liebte es, sich dort komplett zu verausgaben.

Er tanzte bis in die frühen Morgenstunden, dann fuhr er nach Hause.

Eine Woche später

Gelangweilt saß er mal wieder im Kino des ‚X-Fun’. Diesmal allerdings in weiblicher Gesellschaft. Was hatten sich Jenny und Tina da mal wieder ausgesucht? Die beiden Freundinnen  saßen nebeneinander, beide waren den Tränen nahe. Unauffällig gähnte er hinter vorgehaltener Hand.

Als der Film schließlich zu Ende war, hatte Tina nun doch keine Lust mehr, noch etwas zu unternehmen und maulte so lange herum, bis Jenny ihr anbot, sie nach Hause zu bringen.

Als sie Bens Gesicht sah, was Bände davon sprach, dass er noch nicht daran dachte, die Diskothek zu verlassen, sagte sie nur knapp: „Du kannst ja noch bleiben und später ein Taxi nehmen.“

Er nickte und die beiden jungen Frauen gingen, nachdem er sie zum Ausgang begleitet und sich verabschiedet hatte.

Anschließend ging er endlich zur Tanzfläche und tanzte einige Zeit, bevor er zur Theke wechselte. Gerade wollte er seinen Wunsch äußern, als ein Glas Wasser mit einigen Zitronenscheiben und etwas Eis vor ihn gestellt wurde. Überrascht sah er auf.

Der Barkeeper mit den blauen Augen grinste ihn an.

„War doch richtig, oder?“, fragte er durch die Musik.

Ben nickte und sah ihn an. Der andere hatte schwarzes, langes Haar, das im Nacken zu einem Zopf gebunden war. Er trug eine schwarze, geschnürte Lederjeans und ein schwarzes Netzshirt, das seinen Waschbrettbauch betonte. Auf der linken Seite trug er einen Ohrring, einen Skorpion.

„Ich heiße David“, stellte sich die Bedienung vor und hielt ihm eine Hand entgegen.

Ben ergriff sie. Es war wie eine statische Entladung.

„Ich heiße Benjamin. Meine Freunde nennen mich Ben“, sagte er so laut, dass der andere ihn bei der Musik verstehen konnte.

Sie sahen einander an und keiner war gewillt die Hand des anderen wieder loszulassen. Dann trat jemand neben Ben.

„David, mach mir mal zwei Bier und einen Mix, wie immer“, bestellte der Fremde.

David zog seine Hand zurück und richtete die Getränke. Ben konnte sich nicht überwinden, den Mann zu betrachten, der da gerade bestellt hatte. David war also bekannt. Dem zufolge stellte er sich jedem vor, der hier öfter herkam.

Die Bedienung stellte dem anderen die Getränke hin und buchte den Betrag auf die Mindestverzehrkarte. Ben spürte, dass der Fremde ihn ansah, hob den Kopf aber nicht.

„Ist alles okay mit dir?“, fragte David, als der andere mit den Getränken gegangen war.

Ben blickte zu dem Schwarzhaarigen auf und lächelte ihn verlegen an.

„Bist du noch länger da? Ich bin in etwa einer Stunde mit meinem Dienst fertig“, rief dieser ihm zu, als es langsam etwas voller an der Theke wurde.

Ben suchte kurz Augenkontakt und nickte erneut.

David ging also weiter seiner Arbeit nach und Ben blieb noch einige Zeit an der Theke stehen, bis der Schwarzhaarige wieder mal von einer Herde Mädchen belagert wurde. Also stand Ben auf und ging rüber zur Treppe, die zur Empore und dem Catwalk führte.

Wieso hatte er so ein bedrücktes Gefühl? David war immerhin ein Mann und das andere waren Frauen. War er eifersüchtig, dass David so viele Mädchen zur Wahl hatte?

Wieder sah er zur Theke und musste feststellen, dass David weg war. Verdammt, wo war der andere hin? Hatte der gesehen, wo er hingegangen war? Ben verfluchte sich dafür, dass er dem Barkeeper nicht Bescheid gesagt hatte, dass er hier an der Treppe auf ihn warten würde.

Er stand auf, sah sich um und erblickte ihn nach einiger Zeit. David, und bei ihm einige Mädels. Wieder ein Stich tief in ihm. Dann wandte David ihm seinen Blick zu und kam direkt auf ihn zu, noch immer die Mädels im Schlepptau.

„… doch zusammen tanzen“, hörte Ben die eine sagen.

„Tut mir leid, ich habe eine Verabredung“, antwortete David.

Die Mädels sahen dem Schwarzhaarigen hinterher, als er zu ihm kam. David hielt Ben die Hand hin.

„Alles okay?“, fragte er wieder und musterte den Blonden.

Ben nickte. Die Schar junger Frauen hatte sich inzwischen wieder verstreut.

„Lass uns hoch gehen.“

„Aber … der Bereich ist doch heute gesperrt“, erwiderte er sofort.

Der obere Bereich war oft nur zu Veranstaltungen geöffnet. Und dies war eben heute nicht der Fall.

„Du vergisst, dass ich zum Personal gehöre“, sagte der Schwarzhaarige vergnügt.

Ben lächelte und folgte David, der die Absperrung passierte, ihn die Treppe hinauf führte und sie erreichten die Empore. Ben sah sich um. Er war noch nie hier oben gewesen, denn meist war es zu den Events so voll, das er lieber unten geblieben war.

Hier oben stand eine geschwungene Theke und ein vom Boden bis zur Decke reichendes Gitter trennte diese Empore vom Raum darunter und den Zugängen zum Catwalk, der über die Tanzfläche führte, ab, damit niemand auf die Idee kam, sich von der Brüstung zu stürzen. Er folgte David, der ihn zur Gittertür führte, die den Gittersteg über der Tanzfläche verschloss, auf dem bei den Events die GoGo - Tänzer und - Tänzerinnen ihr Können zeigten.

„Hast du Lust zu tanzen?“, fragte der Schwarzhaarige ihn mit einem Blick auf die untere Etage.

Ben sah ihn verwundert an. Sie hatten doch gerade eben erst den Bereich mit der Tanzfläche hinter sich gelassen und waren hier hoch gekommen. Gerne hätte er sich hier oben noch ein wenig umgesehen. Doch anstatt die Empore wieder zu verlassen, öffnete David eine der Gittertüren, packte ihn am Arm und zog den Blonden hinter sich her auf den Catwalk.

„Oder willst du nicht?“, fragte er ihn.

Doch Ben nickte. Er war eigentlich nicht so der Typ, der gerne im Mittelpunkt stand, aber hier oben war er mit David ja alleine. Und der fing gerade an, sich zur Melodie zu bewegen.

Langsam tat Ben es ihm gleich, schloss die Augen und bewegte sich zur Musik. Hier oben fühlte er sich um einiges freier als unten. Als er die Augen wieder öffnete stellte er fest, dass je ein Scheinwerfer auf ihn und David gerichtet war. Unter ihnen jubelte die Menge. Ben geriet ein wenig ins stocken.

„Mach einfach weiter, die da unten finden es super“, rief David zu ihm und er tat es.

Irgendwann spürte er, wie er am Arm gepackt wurde. Überrascht öffnete Ben die Augen.

„Komm mit, wir hören auf. Wir wollen bald für heute schließen. Sperrstunde“, erklärte er ihm.

Die Musik war leiser geworden und der Blonde war erschöpft. David schloss die Tür zum Catwalk wieder ab und brachte ihn an die Theke hier oben.

„Wasser?“, fragte der Schwarzhaarige ihn.

Ben nickte. Ja, das war das, was er jetzt brauchte.

David zog ihn hinter die Theke.

„Da drüben müsste Eis drin sein“, sagte er zu ihm und Ben öffnete die Schranktür. Er fand das Gesuchte. David hielt ihm zwei gefüllte Gläser entgegen.

„Zitrone habe ich leider keine.“

„Wird schon so gehen“, sagte er und warf in beide Gläser etwas Eis.

Als der Blonde gerade bezahlen wollte schüttelte David den Kopf. „Hey, ich habe dich eingeladen“, grinste er ihn an.

Ben nickte mal wieder nur. Der andere machte ihn sprachlos.

„Hey, was macht ihr denn hier oben“, kam plötzlich eine Stimme von der Treppe her.

Einer der Türsteher kam zu der Theke und blieb schließlich stehen, als er David erkannte.

„Ach du bist es, David. Zeigst du einem Freund die Disko?“

David nickte. „Wir haben eben ein wenig getanzt und jetzt brauchen wir ne Stärkung.“

„Sollen wir noch warten, bis …“ fragte der Mann von der Security.

David sah Ben an und schüttelte den Kopf.

„Nein, ich lasse ihn raus.“

Ben sah ihn an.

Unten wurden die letzten Gäste vom DJ aufgefordert, zum Ausgang zu gehen. Der Mann von der Security sah sich hier oben noch mal um und ging dann die Treppe wieder runter.

„Bekommst du keinen Ärger mit deinem Chef?“, fragte Ben.

„Nein, der ist ganz nett, wenn man ihn besser kennt“, sagte David mit einem verschwörerischen Gesichtsausdruck.

Ben sah ihn fragend an und konnte sich keinen Reim darauf machen.

„Was?“, fragte er schließlich und klang gereizter, als er es beabsichtigt hatte.

„Du weißt es echt nicht?“, fragte David überrascht.

„Was weiß ich nicht?“, hakte der Blonde nach.

David sah ihn jetzt wieder zweifelnd an.

„Ich dachte, deswegen …“, begann er den Satz, führte ihn aber nicht zu Ende.

„Weswegen was?“, fragte Ben ihn, inzwischen wirklich verstört.

Unten wurden die Musik und die Lichter ausgemacht. Nur die Notlichter blieben an. David setzte sich auf die Anrichte, schaute auf den Boden und überlegte. Dann sah er wieder zu Ben.

„Mir gehört der Laden hier“, gestand er schließlich leise.

„Was???“, fragte Ben überrascht.

„Ein Geschenk von meinem Dad. Eigentlich hatte er gehofft, ich würde das ‚X-Fun’ zu Grunde richten, doch irgendwie hänge ich an meinem Laden“, sagte David.

„Er hat dir …?“, Ben sah ihn immer noch ungläubig an.

David nickte ihm zu. „Eigentlich wollte mein alter Herr hier einen Einkaufspark hinbauen. Allerdings war eine Bedingung, die an den Kauf des Gebietes geknüpft war, dass dieses Gebiet nicht eingeebnet werden darf, solange das ‚X-Fun’ läuft. Und da mein Dad dachte, ich würde es sowieso zu Grunde richten, hat er es mir überschrieben.“

Jetzt war Ben wirklich sprachlos.

David sah ihn schweigend an und lächelte.

„Ich wusste es wirklich nicht“, hauchte Ben.

„Ja, das ist mir inzwischen auch klar“, sagte David mit einem Grinsen.

Schließlich lehnte sich Ben an eine der Anrichten und sah David an. Der andere war so … verdammt anziehend. Er konnte es sich selbst nicht erklären.

Plötzlich stand der Schwarzhaarige unmittelbar vor ihm und sagte: „Du siehst aus, als würdest du jeden Moment einschlafen.“

Ja, er war wirklich müde. Es wurde Zeit, dass er nach Hause fuhr.

„Willst du … hier schlafen?“, fragte David plötzlich. „Drüben, zu dem Privatbereich, gehört auch meine Wohnung.“

Ben sah ihn an. Sie kannten sich gerade mal drei oder vier Stunden namentlich und er lud ihn schon zum Übernachten oder besser zum Übertagen ein. Okay, vielleicht wäre es wirklich besser, wenn er nicht mehr fahren würde.

Scheinbar hatte seine Antwort ein wenig auf sich warten lassen, denn David sah ihn fragend an.

Ben nickte.

10 Stunden später

Er wachte auf und versuchte sich zu orientieren. Wo war er?

„Guten Morgen“, hörte der Blonde eine ihm vertraute Stimme.

Sein Blick fiel zur Seite. Er lag auf einem breiten Bett, das in der Mitte der Rückwand stand. Ihm gegenüber, an der Wand, stand ein Sofa, auf dem David lag.

„Du bist ja genauso verpennt wie ich“, sagte David wieder.

„Ja, die Nacht war anstrengend. Habe sonst nie so lange getanzt“, erwiderte er.

David lächelte. „Hätte auch schlimmer sein können.“

Ben musterte sein Gegenüber und wunderte sich noch immer, wieso David ihm das Bett angeboten hatte. Allerdings war er am frühen Morgen nicht in der Lage gewesen, noch lange zu diskutieren.

Ein guter Monat später

Wieder mal hatte Ben bei David übernachtet. Für ihn war es wesentlich angenehmer, als noch nach Hause zu fahren und David schien nichts dagegen zu haben. Jenny hatte in letzter Zeit sowieso keine Lust, um mit ihm weg zu gehen oder unternahm lieber was mit Tina und den anderen Frauen und so war er eben alleine unterwegs.

Sie lagen, wie immer, einer auf dem Bett und einer auf der Couch und sahen sich an. Und plötzlich bemerkte Ben, dass sich David selbst streichelte. Erschrocken wandte er den Blick ab.

„Stört es dich?“, fragte David leise.

„Ich …“, Ben brachte keinen Ton heraus.

„Du … gefällst mir“, erklärte der Schwarzhaarige.

Nun sah Ben ihn wieder an. Das war ein Scherz, oder? Doch David sah nicht so aus, als hätte er einen Scherz gemacht.

„Ist es schlimm?“ Wieder Davids Stimme.

„Nein“, kam die klägliche Antwort des Blonden

Beide sahen einander in die Augen. David sah aus, als würde er erwarten, dass der andere aufsprang und flüchtete. Doch Ben hatte nicht die Absicht, das zu tun. Sie verharrten einige Minuten schweigend.

„Ich geh duschen“, sagte David, stand auf und verschwand im Bad.

Ben wurde abwechselnd heiß und kalt. Er gefiel dem anderen? Sollte das heißen, dass David … schwul war? David sah nicht danach aus. Und weiter? David gefiel ihm schließlich auch. Und je öfter sie zusammen waren und auf dem Catwalk tanzten oder einfach nur miteinander quatschten, desto stärker wurde das Verlangen, dass er ihn gerne Berühren würde.

Während er noch überlegte, tauchte der Schwarzhaarige wieder im Zimmer auf, ein Handtuch um die Hüften. Wassertropfen standen auf seiner nackten Haut. Er lächelte ihm entgegen. Ben konnte nicht anders, er erwiderte das Lächeln.

„Das Handtuch steht dir“, wisperte Ben, von sich selbst überrascht.

David blieb neben dem Bett stehen.

„Es würde dir wahrscheinlich auch nicht schlecht stehen“, sagte David und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Es macht dir nichts aus, wenn ich dein Bad stürme?“, fragte Ben zaghaft nach.

Bislang hatte er sich immer geduscht, als er heimkam. Aber heute. Er wollte nicht nach Hause. Also stand er nach Davids Zustimmung auf und ging auf die Badezimmertür zu.

„Ben“, rief ihm David hinterher.

Als er sich umdrehte, landete ein Duschtuch in seinem Gesicht.

Etwa eine halbe Stunde später

Mit dem Handtuch um die Hüfte betrat er wieder das Schlafzimmer. Überrascht blickte er aufs Bett. David saß da und hatte ein Tablett mit einem reichhaltigen Frühstück neben sich stehen.

„Lust auf Frühstück?“, fragte er mit einem Grinsen.

Ben nickte.

„Dann komm“, sagte David und klopfte auf den freien Platz im Bett.

Ben sah ihn an, nickte schließlich und setzte sich zu David ins Bett. Dieser hob das Tablett zwischen sie.

Ihr Frühstück dauerte fast eine Stunde. Immer wieder sahen sie sich an. Zwischendurch berührten sich ihre Hände beim Griff zur Marmelade oder zur Kaffeekanne.

Ben wurde nervös. Wann immer sie sich berührten, verspürte er ein Kribbeln in seinem Körper und in ihm wuchs das Verlangen, den anderen zu berühren. Richtig zu berühren.

David sah ihn wieder mit diesem hinreißenden Lächeln an.

„Woran denkst du gerade?“, fragte der Schwarzhaarige plötzlich, fast flüsternd.

Ben sah ihn ertappt an.

„Dass du wunderschön bist“, gab Ben zurück.

„Willst du noch was essen?“, fragte David zusammenhangslos.

Als Ben verneinte, stellte er das Tablett neben sich auf den Boden. Kein Hindernis mehr zwischen ihnen.

„David … ich“, begann Ben stotternd.

„Du hast eine Freundin“, flüsterte David, da Ben ihm schon einiges von ihr erzählt hatte.

Ben nickte und antwortete: „Aber … das mein ich nicht.“

David sah ihn an. Leicht zitternd streckte Ben die Hand nach ihm aus und berührte ihn an der Wange. Der Schwarzhaarige schloss für einen Moment die Augen und rührte sich nicht.

„David“, sagte Ben.

Der blickte zu ihm auf. „Ben, sag nichts … Bitte.“ Seine Stimme klang kläglich. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt. „Das ist nicht gut“, sprach der Schwarzhaarige weiter, „gar nicht gut. Ich … bemühe mich schon seit der ersten Nacht, die du hier warst, das zu verhindern. Seit ich dich das erste Mal auf der Tanzfläche gesehen habe.“

Ben sah ihn erstaunt an.

„Du wirst zu ihr gehen und … dort bleiben“, flüsterte sein Gegenüber weiter.

Noch immer war es ihnen nicht gelungen die Blicke von einander zu nehmen.

„Wahrscheinlich… nicht“, sagte Ben noch immer von den blauen Augen gefangen.

Eigentlich, wenn er ehrlich zu sich selbst war … sehnte er sich nach ihm. Mehr als nach Jenny. … Er wollte ihn, nicht sie. Darüber erlangte er immer mehr Gewissheit.

„Bitte tu es nicht“, bat David, als Ben ihm sanft über die Wange hinunter über den Arm streichelte.

Ben strich bis zu Davids Hand und ließ seine Finger zwischen die des anderen gleiten.

„Ich will es aber“, flüsterte er.

David senkte den Blick und begann zu erzählen: „Vor drei Jahren habe ich mein Herz schon mal an einen Typen mit Exfreundin verloren. Er merkte, dass ich ihn nett fand und fing an, mich zu umgarnen. Und ich verliebter Idiot habe versucht, ihm die Sterne vom Himmel zu holen. Angefangen mit einer Geburtstagsparty, die ich im ‚X-Fun’ für ihn ausrichtete und er mit fast 100 Leuten aufwartete, ein Kino-Event, das ich nur für uns gestartet hatte und er mit einigen Freunden dann auftauchte. Er schwärmte mir vor, wie gerne er mal Zeit mit mir alleine verbringen wollte, doch immer, wenn es eine Gelegenheit dafür gab, musste er dann doch weg, oder hatte leider ein paar Freunde im Schlepptau. Nie hat er hier übernachtet, geschweige denn mich auch nur mal in den Arm genommen.“

Davids Stimme spiegelte den Schmerz, der an diesen Erinnerungen hing, wieder.

„Naja, hin und wieder mal eine kumpelhafte Umarmung. Ich war so geblendet. Einzig und alleine mein Geld wollte er. Und ich habe es nicht kapiert. Wenn wir in der Stadt waren und er immer wieder plötzlich dieses: *Oh, so was hätte ich auch gerne* drauf hatte. Ich dachte, ich mache ihm eine Freude und habe es gekauft.“

David schluckte schwer: „Und dann habe ich ihn mit seiner Exfreundin erwischt. Die zwei waren hinten in der ‚Chill-Out’-Disko und dort auf einer Couch am Rumknutschen. Ich hatte ja vorne noch Dienst und es bestand nicht die Gefahr, dass ich sie hier sehen würde. Nur, dass uns der Wodka ausgegangen war und ich schnell rüber bin, um im ‚Chill’ eine Flasche zu holen. Die zwei waren nie getrennt und es war alles nur gelogen. Die zwei haben es mir natürlich sofort auf die Nase gebunden, mich ausgelacht und ich habe anschließend nichts mehr von ihm gehört.“

Ben konnte nicht anders, legte einen Arm um Davids Schultern und drückte ihn an sich. Gestärkt von dieser Geste sprach er weiter.

„Und dann, vor ein paar Wochen, taucht dann dieser Typ bei mir an der Theke auf. Glaub mir, bei mir gingen sofort alle Alarmglocken an. Ich fand dich total anziehend und toll, doch etwas später sah ich dich mit einem Mädchen Arm in Arm ins Kino gehen. Glaub mir, ich wollte eigentlich den Kontakt abbrechen, doch dann warst am diesem Abend wieder bei mir an der Theke. Die ganze Sache sollte ein Test sein. Ich wollte rausbekommen, ob du wusstest, wer ich bin und dass du wahrscheinlich nur deshalb auf mich reagiert hast.“

„Hab ich bestanden?“, kam es kleinlaut von Ben.

„Bestanden. Mit Auszeichnung. Du hast mich einfach nur als Kumpel gesehen. Die letzten Wochenenden waren für mich eine Qual. Du warst so nah und ich durfte dich nicht berühren.“

„Und ich habe dich ausgenutzt, indem ich den Service mit dem Übernachten angenommen habe“, sagte Ben dann nachdenklich.

„Hey, dazu habe ich dich ja rausgefordert. Aber heute Morgen als wir in die Wohnung gegangen sind, habe ich mir geschworen, dir endlich die Wahrheit zu sagen. Ich war dir nach der ersten Nacht, die du hier übernachtet hast, total verfallen.“

Ben sah ihn an und drückte ihn gleich noch einmal an sich.

„Tu mir nicht weh“, forderte David leise, „das überstehe ich nicht.“

Ben sah ihn an und nickte. Er wollte David nicht wehtun. Er wollte … bei ihm sein, mit ihm zusammen sein, darüber war er sich in der letzten Zeit immer klarer geworden. Und jetzt, da er ihn berührte, war es, als wäre Jenny kilometerweit von ihm entfernt.

David schloss die Augen und lehnte den Kopf in Bens Richtung und Ben begegnete ihm. Ihre Lippen trafen sich für einen scheuen Kuss. Hauchzart berührten sich ihre Lippen immer wieder. Auch Ben hatte inzwischen die Augen geschlossen und gab sich dem Kuss hin. Das hier war stark, stärker, als er es jemals vorher erlebt hatte. Nicht mal mit Jenny.

Sie lösten sich von einander.

„Ben“, hauchte David und schmiegte sich an ihn. Seine Stimme lag voller Sehnsucht. David legte nun einen Arm um den Blonden.

Der folgende Tag

Jenny sah ihn noch immer ungläubig an.

„Weil ich mich verliebt habe.“

„Ich dachte du liebst mich“, sagte sie und hatte Tränen in den Augen.

Eigentlich hatten sie sich in den letzten Wochen auseinander gelebt. Sie selbst hatte sich von ihm zurückgezogen. Hatte seine SMS nicht beantwortet, ihn alleine gehen lassen, oder abgelehnt, wenn er mit ihr etwas unternehmen wollte. Doch jetzt schien sie es wieder anders zu wollen.

„Das dachte ich auch, Jenny. Und so war es auch die ganze Zeit. Aber jetzt … Mein Herz gehört dir nicht mehr“, gestand er.

„Wo hast du sie kennen gelernt? Kenn ich sie?“, fragte sie und starrte ihn fassungslos an.

„Wir haben uns im ‚X-Fun’ getroffen“, erzählte er. „Aber ich dachte die ganze Zeit, dass ich zu dir gehöre. Ich wollte es nicht wahr haben.“

„Also warst du immer bei ihr, auch wenn du angeblich bei einem Bekannten übernachtet hast? Es war alles gelogen?“

„Nein, es war …“

„Dann war sie also auch da.“

„Nein, …“

Wieder fiel sie ihm ins Wort. „Sie war wahrscheinlich sogar da, wenn ich mit dir im ‚X-Fun’ war und …“ Tränen rannen ungehalten über Jennys Wangen.

Er drehte sich um, weil er ihre Tränen nicht ertragen konnte und sah aus dem Fenster. Dort unten stand sein Wagen und darin die Person, wegen der das hier gerade stattfand. ‚David’, es war, als würde er alleine bei dem Gedanken Kraft schöpfen können.

Plötzlich stand sie neben ihm und folgte seinem Blick.

„Ist sie dabei? Warum ist sie nicht mitgekommen, damit sie sieht, was sie zerstört.“

Jenny ließ ihn am Fenster stehen und verließ die Wohnung. Er folgte und bremste sie im Treppenhaus.

„Was hast du vor?“

„Ich werde ihr meine Meinung sagen“, fauchte die junge Frau.

„Jenny!“

Doch sie hatte das Treppenhaus bereits verlassen und war zum Auto gelaufen. Dort angekommen, riss sie die Tür auf und erstarrte. Ihre Augen ruhten auf David, der sie überrascht ansah. Ben kam dazu und der Schwarzhaarige stieg aus.

„Was…“ setzte Jenny an.

„Das ist es doch, was ich dir die ganze Zeit sagen will.“

„Du meinst…“

Ben nickte. David sah ihn an, trat zu ihm und legte zaghaft einen Arm um den Blonden, der sich dankbar an ihn lehnte.

„Ich habe… mich in ihn verliebt. Und“, er sah David an, „und er sich in mich.“

Sie saßen zu dritt in der Wohnung. Er hatte Jenny nach oben gebracht und David war mitgegangen. Sie saß ihnen gegenüber und sah beide finster an.

„Du … verlässt mich … wegen einem Mann?“

„Wir haben uns in der letzten Zeit immer weiter voneinander entfernt. Dafür bin ich ihm immer näher gekommen“, erklärte Ben.

Er war froh, dass David hier neben ihm saß. Er spürte, wie der andere ein Bein gegen seins drückte.

„Wie lange geht das schon?“, fragte sie misstrauisch.

„Seit diesem Wochenende“, gestand Ben.

„Habt ihr schon…?“, begann sie ihre Frage.

„Nein“, unterbrach Ben sie sofort. Gestern Morgen, als sie zusammen im Bett gefrühstückt hatten, war nichts passiert. Außer, dass er sein Herz verloren hatte und sie sich immer wieder leidenschaftlich geküsst hatten.

Das folgende Wochenende

Er lag gegen den warmen Körper neben sich geschmiegt.

Das letzte Wochenende war ziemlich chaotisch ausgegangen. Jenny hatte sie schließlich rausgeschmissen und gesagt, er solle bleiben, wo der Pfeffer wächst. Sie würde die Wohnung alleine behalten und er solle das, was er noch haben wollte, möglichst bald abholen. Sie war einfach zu sehr gekränkt.

Und so hatte er dieses Wochenende seine Sachen aus der gemeinsamen Wohnung geholt und war, nachdem er seinen Wohnungsschlüssel auf den Küchentisch gelegt hatte, da Jenny nicht daheim war, mit zu David gefahren, bei dem er die letzten Tage untergekommen war. Die Kartons standen jetzt in einem Lagerraum der Disko. Die Möbel hatte er mit Jenny gemeinsam gekauft und seinetwegen sollte sie die behalten. Wenn, wollte er komplett neu anfangen.

„Woran denkst du?“

„Wie das jetzt weitergehen soll“, antwortete Ben.

„Du kannst gerne hier bleiben“, antwortete David, „aber erwarte nicht, dass ich noch mal auf der Couch schlafe.“

Er lächelte ihn an.

„Nein, so fühlt sich das sowieso viel besser an.“

David küsste ihn zärtlich und streichelte sanft über seinen Bauch.

Epilog:

Ben war an diesem Morgen früh aufgestanden. Auf dem Heimweg vom Bäcker grüßte er freundlich die Nachbarn. Diese hatten sich inzwischen an den Anblick des jungen Paars gewöhnt. Nachdem der Diskothekenkomplex nicht klein zu kriegen war, hatte Davids Vater begonnen, in der Gegend eine Wohnsiedlung aus dem Boden zu stampfen, an deren Rand, umgeben von einem großzügigen Grundstück, das ‚X-Fun’ lag.

Leise schloss er die Wohnungstür auf und richtete das Frühstück. Das erste Mal damals war es David gewesen, der das Frühstück gerichtet hatte und seither erinnerte der Schwarzhaarige so an ihren Jahrestag. Sie waren jetzt seit acht Jahren ein festes Paar und dieses Jahr wollte Ben seinen Liebsten überraschen.

Schnell stieg er unter die Dusche und kam schließlich mit einem Handtuch um die Hüfte und dem Tablett in der Hand zu David ans Bett. Dieser blinzelte ihm verschlafen zu.

Er lächelte ihn an.

„Warte einen Moment“, sagte David schlaftrunken, schlüpft aus dem Bett und verschwand im Bad. Keine zehn Minuten später stand er da, ebenfalls mit einem Handtuch um die Hüften. Auf seinem Körper glänzten Wassertropfen.

„Das Handtuch steht dir“, flüsterte Ben.

„Dir auch“, antwortete David und kletterte zu ihm ins Bett.

Ja, in dieser Nacht hatte alles angefangen. Und nur eins hatte sich seit dem Frühstück beim ersten Mal geändert. Das Tablett stand nicht zwischen ihnen, sondern jeweils über einem ihrer Beine.

„Acht Jahre“, stellte David fest.

„Und ich habe es immer noch nicht bereut“, antwortete Ben.

Ende

Danke an Matthias fürs Betalesen.

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