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Just a little love story...

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Heute auf den Tag genau ist es zwei Jahre her, dass ich Daniel kennen gelernt habe. Dies erachte ich als Grund genug, Euch meine Geschichte zu erzählen… Wer Daniel ist? Daniel ist meine grosse Liebe, mein Prinz, mein Schnuckel, mein wertvollster Schatz. Ach so, mich sollte ich auch noch kurz vorstellen: Mein Name ist Eric, ich bin mittlerweile 26 Jahre jung, 183 cm groß, habe dunkelbraune Haare und leuchtend blaue Augen. Beruflich bin ich als Werbefachmann für eine mittelgroße Werbeagentur tätig. Diesen Beruf schätze ich sehr, denn er gibt mir die Möglichkeit, meine ganze Kreativität auszuleben. Aber nun möchte ich Euch erzählen, was sich vor zwei Jahren genau zugetragen hat…

Der Stein kommt ins Rollen

Alles begann damit, dass mich eines schönen Herbstmorgens mein Chef zu sich ins Büro bat. ,Toll’ dachte ich, bestimmt hat Jörg (mein Chef) eine neue Kampagne an Land gezogen, die er mit mir besprechen möchte’.

In aufgeräumter Stimmung verharrte ich kurz vor der Türe des Chefbüros, strich mir noch kurz durch meine strubbeligen Haare, klopfte kurz an und trat ein.

„Ah, das ist ja mein Shootingstar der Werbebranche“, begrüßte mich Jörg freundlich. ‚Hmm, wenn Jörg sich zu solchen Aussagen hinreissen lässt, dann will er bestimmt was von mir’, schoss es mir durch den Kopf.

Ich zog es also vor, Jörg lediglich mit einem kurzen Kopfnicken zu begrüßen, um gleich in einem der schwarzen Ledersessel Platz zu nehmen, welchen er mir mit einer einladenden Armbewegung anbot.

Erwartungsvoll blickte ich in Jörgs Gesicht. „Zigarre?“, fragte mich Jörg, während er mir eine geöffnete Holzkiste gefüllt mit kubanischen Cohiba’s anbot. Etwas verwirrt schüttelte ich den Kopf und murmelte ein leises „Danke“. Jörg hatte mir noch nie eine seiner Zigarren angeboten, es musste sich also um eine wichtige Angelegenheit handeln, die er mit mir besprechen wollte.

Mein Chef liess es sich indes nicht nehmen, sich selbst eine Zigarre anzuzünden. Genüsslich lehnte er sich in seinem Sessel zurück, um den bläulichen Dunst Richtung Bürodecke steigen zu lassen. Während er den Rauchschwaden nachblickte, nahm er die Konversation erneut auf: „Sag mal, Eric, wie gefällt Dir eigentlich Genf?“

„Genf?“, fragte ich nach. „Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass unsere Agentur in Genf eine Filiale führt. Das ist dann aber auch schon alles.“

„Hmm“, erwiderte Jörg, während er sich nun in seinem Sessel aufrichtete und mir direkt in die Augen sah: „Das macht es umso einfacher, Eric, denn genau über unsere Filiale in Genf wollte ich mit Dir sprechen. Wie Du weißt, geht Luc (unser Agenturleiter in Genf) nächstes Jahr in Rente. Nun bin ich auf der Suche nach einem Nachfolger für Luc. Da Du bei uns bisher hervorragende Arbeit geleistet hast und sonst niemand für diesen Job in Frage kommt, habe ich an Dich als Nachfolger von Luc gedacht.“

Peng – Das hatte gesessen. Völlig perplex sah ich Jörg an. „Na, was ist, mein Junge? Was sagst Du dazu? Freust Du Dich denn nicht über dieses Angebot?“ Tausend Gedanken schossen gerade durch meinen Kopf. Ich sollte Lucs Nachfolge antreten? In Genf? Nichts gegen Genf, aber wie sollte das denn funktionieren? Mein Französisch ist nun wirklich nicht gerade das Beste, und alle meine Freunde sind hier in Zürich, und, und „Eric?“, sprach mich Jörg an. „Habe ich Dich damit etwas überrannt?“ – „Ähm, ja, also, wenn ich ehrlich bin, Jörg, ja. Ich hätte nie mit so was gerechnet. Natürlich freue ich mich über diese Ehre, aber naja, weißt Du, Genf…. Ich meine, ich kenne diese Stadt gar nicht, die Sprache beherrsche ich auch nicht perfekt, und…“ – „Du wirst sehen, das wird schon passen. Du bist ein cleverer Junge, Eric. Im nu sprichst Du fließend Französisch, hast neue Freunde gefunden und wirst den Laden problemlos schmeißen.“ Jörg war da wohl mehr von meinen Fähigkeiten überzeugt als ich selbst. „Komm, mein Junge, wir gehen einen trinken, dann besprechen wir das ganze in Ruhe“.

Am Samstagmorgen wachte ich mit trockener Kehle und grässlichen Kopfschmerzen auf. Jörg und ich hatten bis in die frühen Morgenstunden über das Jobangebot diskutiert. Nebenbei hatten wir natürlich das eine oder andere Bier gekippt. Schlussendlich (vielleicht half der Alkohol noch ein wenig mit…) sagte ich Jörg für den Job zu. Nun gab es kein zurück mehr. Zugesagt ist zugesagt. Bereits kommende Woche sollte ich mit dem Unzug meiner Wohnung beginnen. Jörg hatte wohl bereits im Vorfeld fest mit meiner Zusage gerechnet und mir bereits eine neue Wohnung in Genf reserviert. Um mir den Start in Genf etwas zu versüßen, übernahm die Agentur für das erste Jahr die Miete meiner neuen Stadtwohnung.

Der Umzug

Nun war der Tag der Abreise gekommen. Sämtliche Möbel waren bereits unterwegs zu meiner neuen Genfer Wohnung. In meiner alten Wohnung saß ich nun mit meiner Familie und meinen Freunden, um ein letztes Mal vor meiner Abreise gemeinsam ein Nachtessen zu genießen. Aufgrund der fehlenden Möbel saßen wir auf dem Fußboden, aßen Chinafood und tranken einen guten Wein dazu. Es war eine besondere Stimmung in der Luft, zwischen heiter und leicht bedrückt.

Am Schluss des Abends gab es natürlich die obligaten Abschiedsszenen, Umarmungen folgten Tränen, alle wünschten mir von Herzen einen guten Start in Genf. Als die letzten Gäste weg waren und die Türe hinter mir ins Schloss fiel, sank ich der Türe entlang zu Boden, vergrub mein Gesicht in meinen Händen und ließ meinen Tränen freien Lauf. Worauf hatte ich mich da eingelassen? Wollte ich das wirklich? In diesem Moment fühlte ich mich einsam, sehr einsam.

Welcome to Geneva

Samstag, 6. November 2004, 10.30 Uhr, Flughafen Kloten. Jörg ließ es sich nicht ausreden, mich mittels gechartertem Privatjet nach Genf bringen zu lassen. Mit gemischten Gefühlen stieg ich in die Maschine, drehte mich um, sog nochmals die Luft ein, um zu wissen, dass ich in Kürze mein neues Leben beginnen würde.

Der Flug verlief recht ruhig, nach rund einer halben Stunde Flugzeit setzte der Pilot bereits wieder den Landeanflug nach Genf an. Am Flughafen sollte Luc auf mich warten, um mich in Empfang zu nehmen. Luc war ein netter Kerl, ich hatte schon mehrmals die Gelegenheit, mit ihm kurz zu sprechen, wenn er wieder mal ein Meeting mit Jörg bei uns in Zürich hatte. Da Luc zweisprachig aufgewachsen war, sprach er fließend Französisch und Deutsch. Das erleichterte meinen Einstieg um einiges. Denn Luc sollte mich bis zu seiner Pensionierung hin umfassend in meine neue Aufgabe einführen. Da war es doch hilfreich, dass wenigstens auf dieser Ebene keine sprachlichen Hürden bestehen würden.

Kaum betrat ich die Ankunftshalle des Flughafens, sah ich bereits einen strahlenden Luc auf mich losstürmen. „Salut, Eric, schön, Dich zu sehen! Hattest Du einen guten Flug?“ – „Ja, Luc, danke der Nachfrage. Ich freue mich auch, Dich zu sehen. Ist eine Weile her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.“ – „Ja, Eric, da hast Du wohl recht. Freut mich, dass Jörg Dich als meinen Nachfolger bestimmt hat. Da hat er bestimmt die beste Wahl getroffen. Komm, gehen wir erstmal etwas zu Mittag essen, bevor wir Deine neue Wohnung besichtigen.“

Mit dieser Reihenfolge war ich sofort einverstanden, mir knurrte schon heftig der Magen und wollte doch zuerst eine warme Mahlzeit zu mir nehmen, obwohl ich natürlich am liebsten gleich meine Wohnung betrachtet hätte.

Der Lunch fiel ausgiebig und unterhaltsam aus. Luc hatte mir bereits erklärt, wie er sich unsere knapp einjährige Zusammenarbeit vorstellt, um mich Schritt für Schritt an die neue Aufgabe heranzuführen.

Seine Augen glänzten vor Freude, als er mir erzählte, dass er nach Übergabe der Agenturleitung an mich endlich mehr Zeit für seine Frau und Tochter finden würde.

„So, Eric, lass uns aufbrechen, Du bist sicher schon gespannt auf Dein neues Zuhause“. Mit diesen Worten beendete Luc unser Mahl und in der Tat wurde ich immer neugieriger auf mein neues „Nest“.

Nach einer halbstündigen Autofahrt stoppte Luc den Wagen in einem Wohnquartier vor einem altehrwürdigen Mehrfamilienhaus.

Wie mir Luc erklärte, handelte es sich um ein Gebäude aus dem Jahre 1922, in welchem drei Wohnungen untergebracht waren. Jörg hatte das Gebäude vor rund drei Jahren über die Agentur erworben und vollständig renoviert. Für mich war die Wohnung im obersten Stock reserviert. „Willkommen in Genf!“, sagte Luc und überreichte mir feierlich den Wohnungsschlüssel. Sofort öffnete ich die Türe und betrat die Wohnung.

Mit offenen Augen betrachtete ich dieselbe. Jörg hatte ganze Arbeit bei der Renovierung geleistet. Die ganze Wohnung war mit hochwertigem Parkett ausgelegt. Die Wände im Wohnzimmer zeigten sich in einem warmen, orangenen Farbton. Der Schwedenofen in der Wohnzimmerecke versprach gemütlich Abendstunden auf dem Sofa. Die Wohnung präsentierte sich genau nach meinem Geschmack. 140 Quadratmeter feinster Wohnlandschaft, um zu entspannen.

„So, dann lass ich Dich erst mal die neuen Eindrücke in Ruhe verarbeiten“, meinte Luc. „Wenn Du was brauchst, dann hast Du meine Nummer. Du kannst mich ruhig auch anrufen, wenn Du das Gefühl hast, Dir fällt die Decke hier auf den Kopf“. – „Danke Luc, nett von Dir. Wir sehen uns ja dann spätestens am Montag.“ – „Genau, Eric. Mach's gut, pass auf Dich auf!“.

Nachdem die Tür hinter Luc ins Schloss gefallen war, machte ich mich daran, meine Umzugskartons auszupacken und mein neues Zuhause wohnlich einzurichten.

Nach rund fünf Stunden Arbeit waren die gröbsten Arbeiten erledigt. Erschöpft ließ ich mich auf mein Sofa fallen. Und plötzlich war es wieder da, dieses mulmige Gefühl. Bin ich der neuen Aufgabe gewachsen? Finde ich mich in der neuen Umgebung zurecht? Aber die größte Sorge: Wann finde ich endlich meinen Traumprinzen? Wenn es mir schon am alten Wohnort nicht gelang, wie sollte es mir erst in dieser neuen Umgebung gelingen?

Je mehr ich über diese Fragen nachdachte, umso beengter fühlte ich mich in meinen vier Wänden. Ich musste dringend an die frische Luft.

Ich schnappte mir meinen Schal, meine warme Winterjacke und machte mich auf, um mein neues Revier zu erkunden.

Smaragdgrüne Augen

Ganz schön kalt war es mittlerweile. Nun gut, es war auch bereits November. Nach einem zehnminütigen Fußmarsch näherte ich mich dem Stadtzentrum. Mittlerweile hatte leichter Schneefall eingesetzt.

Für meinen ersten Abend in der neuen Stadt hatte ich mir vorgenommen, ein gemütliches Lokal zu finden, wo ich mich in Zukunft nach der Arbeit jeweils etwas entspannen konnte.

Auch in Zürich hatte ich ein solches Stammlokal. Es handelte sich um ein Kaffee- und Teehaus, welches sehr gemütlich eingerichtet war. Meistens saß ich jedoch nicht in den Sofas, sondern wählte einen Platz am Fenster des Lokals. Auf dem Hocker sitzend las ich meistens Zeitung oder arbeitete noch etwas an meinem Notebook.

Nach kurzer Suche fand ich auch an meinem neuen Domizil eine solche Lokalität. Ich bestellte einen Vanilletee und wählte einen Fensterplatz mit Blick auf die Strasse.

Gedankenverloren hielt ich die Teetasse in der Hand und starrte auf die Fußspuren, welche die Passanten auf dem schneebedeckten Gehsteig hinterliessen.

Als ich meinen Kopf wieder anhob, sah ich eine Person über die Strasse auf das Lokal zugehen. Die Person schien kein Freund der Kälte zu sein. Dies schloss ich daraus, dass die Gestalt den Kopf zwischen die Schultern gezogen und den Kragen der Jacke ganz hochgezogen hatte. Die Hände waren in Handschuhe gehüllt, der Kopf wurde durch eine graue Mütze bedeckt.

Von der Statur her musste es sich um einen Mann handeln. Die Person stand nun vor dem Fenster und schaute ins Innere des Lokals. Der Blick wanderte umher, anscheinend wollte er oder sie jemanden ausfindig machen. Etwas zögerlich schickte sich die Gestalt an, das Lokal zu betreten.

Neugierig wandte ich mich der Eingangstüre zu und beobachtete, wer da denn nun eintrat. Nachdem die Person sich nochmals kurz umgeschaut hattee, befreite sie sich von Jacke, Handschuhen und Mütze. Was nun zum Vorschein kam, raubte mir den Atem. Da stand ein wunderschöner, junger Mann mit verstrubbelten schwarzen Haaren im Raum und blickte etwas verloren umher. ‚Hm', dachte ich, ,da bist du den ersten Tag an deinem neuen Wohnort und schon siehst du einen hammersüßen Typen. Aber wahrscheinlich hat er sich mit seiner Freundin verabredet, dies würde jedenfalls seinen suchenden Blick erklären.’ Mit diesem Gedanken wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Zeitung zu.

Doch richtig konzentrieren konnte ich mich nicht auf meine Zeitung. Meine Unruhe wuchs, als ich im Augenwinkel bemerkte, wie sich dieser junge, schöne Mann in meine Richtung bewegte. Einen kurzen Augenblick schien er hinter mir stehen zu bleiben. Ich bildete mir ein, seinen Atem in meinem Nacken zu spüren. Entsprechend kriegte ich eine leichte Gänsehaut und meine Nackenhaare stellten sich auf. Ein süßlicher Duft nach Zitrusfrüchten stieg in meine Nase, als sich dieses wunderbare Wesen direkt neben mich setzte.

‚Oh Mann’, dachte ich, ‚jetzt setzt er sich nicht nur direkt neben mich, nein, er verbreitet auch noch diesen umwerfenden Duft seines Parfums, was mir fast den Verstand raubt.’

Verkrampft hielt ich mich an der Zeitung fest und versuchte, einen konzentrierten Eindruck zu erwecken.

Ab und zu wagte ich einen verstohlenen Blick auf meinen Sitznachbarn, drehte jedoch sofort wieder den Kopf zu meiner Zeitung hin, wenn er den Blick zu erwidern versuchte.

Dieses „Spiel“ dauerte rund zehn Minuten lang, bis sich der junge Schönling räusperte, um mich mit folgenden Worten anzusprechen: „Ähm, entschuldige bitte, bist Du „sunrise89“? – „Wie? Was? Wer soll ich sein?“, stotterte ich vor mich hin. – „Na, ich bin’s, „green_eyes“, wir haben uns im Chat für heute verabredet. Und da Du der einzige hier im Lokal bist, der eine deutschsprachige Zeitung liest, musst Du wohl „sunrise89“ sein.“

Mein Blick traf zwei funkelnde, smaragdgrüne Augen. In Kombination mit seinem pechschwarzen Haar, seinem blassen Teint und den roten, vollen Lippen gab er ein göttliches Bild ab. Unfähig, etwas zu sagen, starrte ich ihn einfach mit offenem Mund an. Sein Lächeln verschwand langsam aus seinem Gesicht, stattdessen gewann es an Röte. Offensichtlich schien er bemerkt zu haben, dass ich nicht sein Date war. „Entschuldige bitte, hier scheint wohl ein Missverständnis vorzuliegen, ich, ähhh, sorry…“, stotterte der Junge.

Noch bevor ich etwas erwidern konnte, stürmte der Junge Richtung Ausgang, schnappte sich im Vorbeigehen seine Jacke und Mütze und stürzte sich in die kalte Nacht hinaus.

Verwirrt über diese Reaktion starrte ich immer noch auf die Tür, durch welche er gerade eben den Raum verlassen hatte. Mein Blick streifte die Hutablage der Garderobe, als ich ein Paar Handschuhe erblickte. Es waren seine Handschuhe. Schnell sprang ich von meinem Platz auf, schnappte mir die Handschuhe und versuchte, den schönen Unbekannten einzuholen. Doch leider erwies sich mein Vorhaben als hoffnungslos. In der dunklen Nacht und dem dichten Schneegestöber hatte ich keine Chance zu sehen, in welche Richtung er gelaufen war.

Enttäuscht ging ich zurück an meinen Platz, nahm meine Zeitung, zog Schal und Jacke an und machte mich auf den Heimweg.

Zuhause angekommen, zog ich mich schnell aus, deponierte die Handschuhe des Unbekannten an der Garderobe und machte mich anschliessend bereit, schlafen zu gehen. Erschöpft von den heutigen Ereignissen ließ ich mich in mein Bett fallen. Kurz bevor ich in einen tiefen Schlaf fiel, ließ ich noch mal die Begegnung mit dem schönen Unbekannten Revue passieren. Wer war er? Woher kam er? Werde ich ihm jemals wieder begegnen?

Der Alltag beginnt

Der nächste Montag kommt bestimmt oder so ähnlich heißt es. In meinem Fall bedeutete dies, die neue Herausforderung als künftiger Agenturleiter in Angriff zu nehmen.

Nach einer herzlichen Begrüßung zeigte mir Luc kurz die Agentur und stellte mich den einzelnen Mitarbeitern vor. Anschließend zogen wir uns in sein Büro zurück, um den Ablauf der kommenden Tage zu besprechen. Wie ich feststellen musste, hatte Luc meine erste Arbeitswoche bereits minutiös verplant.

Ich sollte alle wichtigen Kunden kennen lernen, damit die Übergabe möglichst reibungslos für unsere Klienten ablaufen würde. Ein Kundenbesuch jagte den nächsten; dazwischen Bussinesslunches über Mittag und oft auch am Abend. Mein Alltag bestand nun aus arbeiten, schlafen und essen. Jeden Abend kam ich nudelfertig nach Hause und fiel immer gleich in einen tiefen Schlaf.

Aber auch diese anstrengende Zeit legte sich mit der Zeit; nach drei Wochen hatte ich das Schlimmste von diesem Marathonprogramm hinter mir, ich konnte mich endlich ein wenig mehr meiner Freizeit widmen. Und damit begannen auch meine Probleme. Kontakte zu knüpfen im Ausgang erschien sich schwieriger, als ich dachte. Nicht, dass die Überwindung der sprachlichen Hürde genug wäre, nein, nur schon der Zugang zu den Genfern fiel mir sehr schwer. Alle waren zwar nett zu mir und wechselten ein paar Worte mit mir, aber wirklich tiefer gehende Kontakte konnte ich nicht knüpfen.

Also zog ich mich zunehmend von meiner Umwelt zurück. Ich saß oftmals zuhause vor dem Computer oder Fernseher, fühlte mich einsam und ging oft mit einem traurigen Gefühl ins Bett. Wie sehr vermisste ich meine Freunde und Familie in Zürich, wie sehr wäre ich nun wieder in meinem alten Umfeld. Je mehr ich darüber nachdachte, umso beschissener fühlte ich mich.

Und immer wieder tauchte in meinen Träumen der Junge mit den smaragdgrünen Augen auf, den ich zu Beginn in diesem Kaffeehaus angetroffen hatte. Was er wohl gerade macht? Ob er seiner Verabredung doch noch begegnet ist? Ob ich ihn nochmals sehen werde?

Es waren tausend Gedanken, die mir in dieser schwierigen Zeit durch den Kopf schossen. Antworten konnte ich keine auf meine Fragen finden, was mich fast zum Verzweifeln brachte.

Verblüffungen

Nun war es bereits eine Woche vor Weihnachten, und meine traurige Stimmung nahm zu. Weihnachten, das Fest der Liebe, der Familie, der gemütlichen Stunden. Und ich fühlte mich hier immer noch einsam in meiner neuen Umgebung. Luc hatte mir zwar angeboten, ich könne Weihnachten bei ihm und seiner Familie feiern, damit ich nicht so alleine wäre über die Tage. Aber ich war nicht so angetan von der Idee, schließlich gehörte diese freie Zeit seiner Familie, da wollte ich nicht stören und würde mich sowieso als Fremdkörper fühlen.

Also beschloss ich, über die Feiertage zurück nach Zürich zu fahren. Das erste Mal würde ich meine Familie und meine Freunde wieder treffen, seit ich von Zürich weggezogen war. Bei diesem Gedanken hellte sich meine Stimmung bereits wieder spürbar auf. Beschwingt von diesen positiven Gefühlen konsultierte ich meine Agenda, was denn nun für Termine in dieser letzten Woche vor Weihnachten anstehen würden.

Besonders ins Auge stach mir der Termin, welcher am letzten Arbeitstag vor dem ersten Weihnachtstag eingetragen war: Vorstellungsgespräch Herr Berger. Erstaunt sah ich Luc an: „Ich wusste gar nicht, dass Ihr den Personalbestand ausbauen wollt?“ – „Nun ja, Eric, ich muss Dir da wohl kurz erklären, was sich bei uns verändert hat, seit Jörg Dich zu meinem Nachfolger ernannt hat. Kurz nachdem ich die Belegschaft informiert habe, reichte mir Pierre seine Kündigung ein. Er hatte wohl auf meine Position spekuliert und fühlte sich nun übergangen. Nun benötigen wir einen Ersatz für Pierre.“ – „Und wer entscheidet darüber, ob wir den einstellen?“, fragte ich neugierig. „Na ja, eigentlich sind Jörg und ich uns bereits einig, wir durften Herrn Berger bereits kennen lernen und sind von seiner Person und seinen Fähigkeiten überzeugt. Wir wollen jedoch auch Deine Meinung hören, schließlich musst Du dann mit dem neuen Mitarbeiter klar kommen.“

Erst jetzt wurde mir bei Lucs Worten wieder klar, welche verantwortungsvolle Rolle ich hier übernehmen werde. Obwohl die Anstellung dieses Bergers eine reine Formsache zu sein schien, fand ich echt klasse, dass man mich bereits in diese Entscheidung mit einbezog.

Entsprechend unruhig war mein Schlaf in der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag. Meine Gedanken kreisten um das Vorstellungsgespräch mit Herrn Berger. 22 Jahre alt war er, hat mir Luc verraten. Also nur zwei Jahre jünger als ich. Wie er wohl auf so einen jungen, zukünftigen Chef reagieren würde? Wie er wohl aussah? Hoffentlich nicht allzu gut, sonst würde ich mich in diesem Gespräch wieder wie der letzte Depp aufführen.

Erbarmungslos riss mich mein Wecker am Donnerstagmorgen aus dem Schlaf. Insgesamt hatte ich wohl nur drei Stunden richtig geschlafen, weil mich das anstehende Tagesprogramm die ganze Nacht durch in meinen Gedanken beschäftigte. Eine Dusche sowie eine Rasur später stand ich mit einem Handtuch um meine Hüfte vor dem Kleiderschrank im Schlafzimmer und überlegte mir, was ich wohl anziehen sollte. Ich entschied mich für einen klassischen, italienischen Anzug. Eigentlich trage ich fast nie einen Anzug, aber für den heutigen Tag schien mir dies angemessen zu sein.

„Hey, Eric, fesch siehst Du aber heute aus!“, begrüsste mich ein grinsender Luc. „Wusste gar nicht, dass Du so was trägst“, fügte er an. – „Meinst Du, ich trage damit etwas zu dick auf?“, fragte ich Luc. – „Nein Eric, ich hab Dich einfach noch nie so gesehen. Sieht aber toll aus. Komm, lass uns nochmals die wichtigsten Punkte besprechen, bevor Herr Berger eintreffen wird.“

Wir gingen nochmals die Bewerbungsunterlagen von Herrn Berger durch und sprachen uns ab, wer dem Kandidaten welche Fragen stellen wollte. Wir hatten gerade den Fragenkatalog fertig zusammengestellt, als Lucs Telefon klingelte. „Ah, schon hier, ja, sehr gut, soll eintreten“, hörte ich Luc in den Hörer sprechen. Anscheinend wartete der junge Mann bereits vor der Türe.

Als ein zaghaftes Klopfen an der Bürotüre zu hören war, drehte ich meinen Kopf gespannt in diese Richtung. Die Türfalle bewegte sich nach unten, die Türe wurde vorsichtig geöffnet und mein Blick fiel zuerst auf ein paar säuberlich geputzte Schuhe. Mein Blick wanderte den Beinen entlang weiter nach oben. Auch der Bewerber hatte sich für heute einen klassischen Anzug gewählt, obwohl wir in der Werbebranche ja eher einen sportlich-eleganten Kleiderstil bevorzugen. Nun wollte ich mir den Kandidaten jedoch als Gesamtbild zu Gemüte führen und blickte in das leicht angespannte Gesicht dieses Mannes.

Und wieder stockte für einen Bruchteil einer Sekunde mein Atem. Durch diese Tür trat niemand anders als der schöne Unbekannte, den ich vor kurzem in der Kaffeelounge getroffen hatte. Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt, meine Wangen röteten sich, meine Handflächen wurden feucht.

„Herr Berger, willkommen, treten Sie ein!“, rief Luc gut gelaunt dem jungen Mann zu. Nach wie vor stand ich regungslos im Raum, unfähig, etwas zu sagen. Luc schien dies jedoch nicht sonderlich zu stören. „Herr Berger, ich freue mich, Ihnen meinen Nachfolger und Ihren zukünftigen Chef vorstellen zu dürfen: Herrn Eric Lehmann.“

Der Blick von Berger erfasste nun erstmals meine Person. Wie in einem offenen Buch waren seine Gedanken in seinem Gesicht zu lesen. Zuerst schien er zu grübeln, woher er mich kannte. Dann schien er sich zu erinnern. Und gleich darauf folgte ein erstaunter Gesichtsausdruck, bevor ihm das Blut in den Kopf schoss.

Luc folgte dem Blick von Herrn Berger und schaute über seine Schulter in meine Richtung. Etwas irritiert betrachtete mich Luc, ich stand nach wie vor mit offenem Mund da. Nachdem ich ein kleines Räuspern von Luc und seinen fragenden Blick realisiert hatte, fasste ich mich wieder und machte einen Schritt auf Berger zu und streckte meine Hand aus: „Ja, ähm, guten Tag, Herr Berger, ich ähm, es freut mich, Sie kennen zu lernen. Ich meine, ähm, also, hier kennen zu lernen“, stotterte ich zusammen.

‚Na toll’, dachte ich, ‚das hast du fein hingekriegt. Jetzt denkt der Neue bestimmt, was für einen Volltrottel er als zukünftigen Chef erhält. Kann nicht mal einen ganzen Satz fehlerlos formulieren.’

Nach der Begrüßung setzten wir uns auf die Sitzgruppe in Lucs Büro. Luc war der Meinung, so sollte das Gespräch einen etwas entspannteren Charakter gewinnen. Davon spürte ich jedoch zurzeit gar nichts.

„Nun, Herr Berger“, startete Luc mit der ersten Frage, „weshalb haben Sie sich gerade für unsere Agentur in Genf beworben?“ – „Nun ja, ich wollte mal was anderes sehen, als meine gewohnte Umgebung. Und gleichzeitig sehe ich hier die Chance, meine Französisch-Kenntnisse aufzubessern“, antwortete der Schnuckel auf Lucs Frage.

„Ah, siehst Du, Eric, da hättest Du mit Herrn Berger gleich jemand, mit dem Du zusammen üben könntest! Sie müssen nämlich wissen, Herr Berger, dass unser Herr Lehmann auch noch nicht so ein Profi ist, was Französisch anbelangt“, fügte Luc an.

Diese Bemerkung von Luc reichte aus, um mich an meinem Wasser zu verschlucken. Daniel lief rot an wie eine Tomate und auch Luc schien nun zu bemerken, dass seiner Äusserung eine gewisse Zweideutigkeit anhaftete. Gekonnt fügte er jedoch die weiteren Fragen nahtlos an, um das peinliche Schweigen so schnell wie möglich zu brechen.

Wie in Trance hörte ich Lucs Fragen, die er dem Herrn Berger stellte. Zu sehr war ich in diese smaragdgrünen Augen versunken, zu sehr zogen mich seine Augen in den Bann, ich wollte in ihnen versinken.

„Eric? Eric! Eeeeeeric, halloooo!“, riss mich Luc plötzlich aus meinen Gedanken. „Ähh, ja bitte?“ – „Hast Du meine Frage nicht gehört?“ – „Ja, doch, ich meine, wie war noch gleich Deine Frage, Luc?“ – „Ob Du noch etwas von Herrn Berger wissen möchtest?“ – „Nein, ich denke das genügt. Wir müssen noch etwas Bedenkzeit haben, Herr Berger. Sie hören von uns“, ließ ich ziemlich kühl von mir verlauten. Luc schaute mich irritiert und mit großen Augen an. Berger blickte abwechselnd von mir zu Luc und wieder zurück. „Sie finden selbst raus?“, fragte ich Berger. „J-Ja.. na-natürlich“, stotterte dieser und seine Gesichtsfarbe änderte sich von rot in weiß.

Nach einer kurzen Verabschiedung verließ Berger relativ hastig den Raum. Einige Sekunden stand ich reglos da und starrte die Türe an, durch die Berger soeben das Büro verließ. Luc hingegen starrte mich entgeistert an. „Sag mal, was ist denn mit Dir los? Was ziehst Du denn hier für eine Show ab? Zuerst starrst Du den Berger an und bist wie weggetreten, anschließend schmeißt Du ihn mehr oder weniger elegant aus dem Raum! Hast Du Fieber, oder was?“

Völlig irritiert starrte ich nun Luc an. Was hatte er gesagt? Ich hätte Berger angestarrt? Oh je, er hat es bemerkt. Nun gibt es kein zurück mehr, ich muss ihm reinen Wein einschenken.

Also ließ ich mich in den Sessel sinken und begann Luc alles zu erzählen. Unter welchen Umständen ich Berger das erste Mal getroffen hatte, was ich danach für Gefühle hatte, wie einsam ich mich hier in Genf fühlte. Und ausgerechnet der tolle Typ, den ich angetroffen hatte, musste sich hier bei uns vorstellen. Es konnte doch nicht sein, dass wir einen Typen einstellen, in den ich mich vom ersten Augenblick an verliebt hatte. Das ging doch nicht.

Geduldig hatte Luc mir zugehört. Als ich fertig erzählt hatte, blickte ich Luc ins Gesicht und konnte erkennen, dass er mein heutiges Verhalten langsam zu verstehen begann. „Mensch, Eric, warum hast Du mir das nicht früher erzählt? Dass Du Dich so einsam fühlst? Vor lauter Arbeit habe ich das gar nicht bemerkt. Es tut mir so leid! Aber, willst Du jetzt nicht los?“ - „Wieso? Was meinst Du? Wo soll ich denn hin?“ – „Na, dem Herrn Berger nach, der hat unser Haus ja völlig geknickt verlassen. Du hast was gut zu machen.“ – „Du hast recht, Luc, ich werde ihm gleich nach und ihm für den Job zusagen.“ – Luc sah mich nachdenklich an: „Nicht der Job steht im Vordergrund, Eric. Herr Berger wird uns sicher nicht so schnell abspringen, was das Jobangebot angeht. Viel wichtiger ist, dass er Dir nicht als möglicher Freund durch die Latten geht. Los, nun geh ihn schon suchen, bevor ihn Dir ein anderer wegschnappt!“

Flugs sprang ich auf, stürmte aus dem Büro in den kalten Winterabend hinaus. Wo ich Berger wohl finden würde? Mist, ich hatte verpasst, Luc nach Bergers Adresse und Telefonnummer zu fragen. Verärgert über meinen Übereifer streifte ich durch die Strassen. Auf dem Nachhauseweg lief ich am Kaffeehaus vorbei, welches mittlerweile zu meinem neuen Stammlokal wurde.

Nachdem ich mich an der Garderobe meines Wintermantels entledigt hatte, steuerte ich in Gedanken versunken in Richtung meiner Lieblingsecke des Lokals. Mist, dachte ich, da sitzt schon wer. Doch war das Häuflein Elend, das da auf dem Sofa in der Ecke saß, nicht Berger? Als ich mich weiter näherte, hatte ich die Gewissheit, dass es Berger war. Ohne ein Wort zu sagen, setzte ich mich auf einen Sessel, welcher seitlich zum Sofa stand, auf welchem Berger saß und noch immer auf den Boden starrte. „Der ist besetzt“, sprach er, ohne auch nur aufzublicken. „Jetzt schon, entgegnete ich.“ Meine Stimme ließ den jungen Mann unweigerlich aufblicken. Ich sah in ein paar traurige, smaragdgrüne Augen, welche leicht gerötet waren. Oh je, ging mir durch den Kopf, ob er geweint hat? Wegen mir? „Was wollen Sie von mir, Herr Lehmann?“, entgegnete Berger trotzig. Das Wort „Herr“ betonte er besonders. Da war wohl wirklich jemand sauer auf mich.

„Nun, Herr Daniel Berger“, entgegnete ich (nicht ohne das Wort „Herr“ wie mein Gegenüber besonders zu betonen), „ob Sie die freie Stelle nach meinem Verhalten gegenüber Ihnen bei uns besetzen werden, weiß ich nicht. Aber was ich weiß, ist, dass ich mich in Dich verliebt habe, als ich Dich das erste Mal hier getroffen habe. Dir das zu sagen, braucht meinen ganzen Mut, aber es musste gesagt werden. Wenn Du mich nun weiterhin auf den Mond schießen möchtest, dann brauchst Du nur zu sagen, dass ich verschwinden soll, und schon bin ich weg.“

Nun war ich es, der verlegen den Boden anstarrte und kein Wort mehr sagte. Bis in die Haarspitzen angespannt wartete ich auf eine Reaktion von Daniel. In meinem Kopf spielte ich sämtliche möglichen Szenarien durch, wie Daniel sich nun verhalten würde.

Nach einigen Sekunden spürte ich eine Hand auf meinem rechten Arm. Es war Daniels Hand, die mich berührte. „Was haben Sie da, ich meine, was hast Du da gerade gesagt? Willst Du mich noch mehr verarschen, reichte das heute noch nicht?“

Nun traute ich mich, meinen Blick vom Fußboden auf Daniels Gesicht zu wenden. „Nein, Daniel. Ich verarsche Dich nicht, es ist mein bitterer Ernst. Die Situation heute hat mich einfach überfordert. Warum nur muss ausgerechnet der Bewerber für die offene Stelle gleichzeitig der Junge sein, in den ich mich unsterblich verliebt habe? Da habe ich einfach überreagiert und versucht, meine Gefühle abzuschalten. Es tut mir so Leid, Daniel, ich wollte das nicht. Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“

„Nein! Geh nicht weg, bleib hier!“, entgegnete Daniel. „Ich, ich war mir nicht sicher, ob Du es wirklich ernst meinst. Denn Du musst wissen, dass ich mich auch gleich in Dich verliebt habe, als wir uns das erste Mal hier gesehen haben. Ich hatte mir an diesem Abend so sehr gehofft, dass Du mein Blinddate bist und war bitter enttäuscht, als ich den Irrtum bemerkte.“

„Komm, Daniel, lass uns zu mir gehen, ich wohne gleich hier um die Ecke, ich glaube dann können wir besser über alles reden. Hier drin ist mir zu laut und es hat zu viele Leute.“

Nachdem ich das Geld für Daniels Cappuccino auf den Tisch gelegt hatte, verließen wir das Lokal und marschierten eiligst durch die kalte Nacht zu meiner Wohnung. Als wir vor der Haustüre angelangt waren, zögerte ich einen Moment und drehte mich zu Daniel um: „Du, Daniel, nicht dass Du mich falsch verstehst, ich will nicht im Rausch unserer Gefühle die Situation ausnutzen und Dich bei mir verführen. Ich bin nicht so einer, und zudem noch recht unerfahren, was Jungs anbelangt.“

Daniel blickte mich mit einem schelmischen Lächeln an. „ Du bist süß. Natürlich glaube ich Dir. Hätte ich einen solchen Eindruck von Dir gewonnen, würde ich Dich niemals zu Dir nach Hause begleiten“, sprach er und zog mich an sich heran, um mir einen Kuss auf den Mund zu drücken.

Aufgrund meiner Schüchternheit lief ich kurz rot an, was Daniel zu einem weiteren Schmunzeln verleitete. Ich schloss die Türe auf und bat meinen Gast herein. „Fühl Dich wie zu Hause, Daniel. Komm, wir setzen uns drüben auf das Sofa. Trinkst Du einen Weihnachtstee mit mir?“ – „Ja, gerne“, entgegnete Daniel und machte es sich auf dem Sofa bequem.

Nachdem ich uns den Tee zubereitet hatte, machten wir es uns gemütlich auf dem Sofa und tranken ihn. Es war eine angeregte, witzige Unterhaltung. Wir erzählten einander über unsere Familien, wie wir aufgewachsen sind, was wir für Hobbys hatten. Nur dieser Abend genügte mir, um mich vollends in Daniel zu verlieben und mir das Gefühl zu geben, Daniel schon ewig zu kennen.

Als wir beide etwas müde waren und auch schon das eine oder andere Mal gähnten, schaute ich kurz auf die Uhr. Mittlerweile war es kurz nach Mitternacht. Daniel schaute ebenfalls kurz auf seine Armbanduhr, bevor er meinte, dass er langsam nach Hause gehen wolle.

Nachdem wir uns vom Sofa erhoben hatten, streifte mein Blick kurz das Wohnzimmerfenster. Draußen schneite es immer noch heftig. Wenn es nun die ganze Zeit geschneit haben sollte, dann würde draußen ganz viel Schnee auf den Straßen liegen. Ein genauerer Blick durch das Fenster bestätigte meine Vermutung. Draußen lagen bestimmt 20cm Neuschnee. „Sag mal, Daniel, wohnst Du weit weg von mir?“ – „Hmm, dürften wohl so 15 Minuten Fussmarsch sein von hier. Weshalb fragst Du?“ – „Schau mal nach draußen. Ich glaube nicht, dass Du bei diesen Wetterverhältnissen in 15 Minuten zu Hause bist. Zudem gefällt mir der Gedanke nicht, dass Du alleine um diese Zeit da draußen rumlaufen musst. Wenn Du möchtest, dann kannst Du bei mir Übernachten. Ich nehme die Couch und Du kannst in meinem Bett schlafen. Ich zieh nur schnell noch frische Bettwäsche für Dich an.“ – „Hmm, Du hast wohl recht, Eric. Ich nehme Dein Angebot gerne an. Aber lass mich zuerst das Bett anschauen.“ Etwas verwundert war ich über seinen Wunsch, aber führte ihn selbstverständlich zu meinem Schlafzimmer. Als er das Bett sah, meinte Daniel: „Und wieso möchtest auf der Couch schlafen, Eric? In Deinem Bett haben wir sicher beide Platz. Und dann bräuchtest Du auch nicht extra frische Bettwäsche anziehen. Außer Dir gefällt mein Vorschlag nicht??“

Erneut verfärbte sich mein Gesicht leicht rot. Soviel Offenheit hatte ich von Daniel nicht erwartet. „Ähem, doch ja, natürlich finde ich deinen Vorschlag gut. Es ist nur so, dass ich Dich nicht überrumpeln oder in eine für Dich unangenehme Situation bringen wollte.“ – „Ach Eric, wir lieben uns doch. Und wenn wir uns lieben, dann möchte ich Dich auch heute Nacht in meiner Nähe haben. Ich möchte ja auch nicht zu schnell voran gehen, aber heute Nacht will ich Deine Wärme und Deine Nähe spüren. Und Deinen Geruch wahrnehmen.“

Für diese lieben Worte musste ich meinen Schatz einfach küssen. Aus einem anfänglich sanften, zaghaften Kuss entwickelte sich ein leidenschaftlicher, zärtlicher Kuss, der mich fast um den Verstand brachte. Langsam zogen wir uns bis auf die Shirts und Boxershorts aus und krochen unter die Decke. Nach einem weiteren Gute-Nacht-Kuss hielt ich meinen Schatz ganz fest im Arm und ein Gefühl der Zufriedenheit durchströmte mich.

„Sag mal, Eric“, setzte Daniel nach einigen Minuten des Schweigens an, „was machen wir jetzt eigentlich wegen dem Job der bei Euch zu vergeben ist?“ – „Hm, gute Frage“, antwortete ich. „Das haben wir ja vor lauter Liebeleien völlig ausser acht gelassen. Also, den Job kriegst Du natürlich, wenn Du immer noch annehmen willst. Nicht, weil wir jetzt zusammen sind, sondern weil Deine Bewerbung die Beste von allen Kandidaten ist. Unser Chef in Zürich und Luc haben sich ja bereits vor Deinem Vorstellungsgespräch für Dich als Favoriten entschieden.“ – „Hmm, das ehrt mich, Eric. Natürlich nehme ich den Job gerne an, nur bin ich mir nun nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee ist. Immerhin liebe ich ja jetzt meinen zukünftigen Chef. Meinst Du nicht, dass das Probleme geben könnte?“ – „Ich verstehe Deine Bedenken, Daniel. Natürlich sollten wir unsere Liebe im Büro nicht zu stark zeigen. Es könnte Neid und Missgunst bei den Kollegen auslösen. Du wärst dann natürlich immer der Lover vom Boss und natürlich bevorzugt. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir es trotzdem versuchen sollten. Wichtig ist, dass Du erst mal praktische Erfahrungen in dieser Branche sammeln kannst. Sollte es dann trotz unseres professionellen Verhaltens unser Betriebsklima oder unsere Beziehung belasten, dann kannst Du immer noch einen Wechsel in eine andere Agentur ins Auge fassen. Und mit ersten praktischen Erfahrungen ist ein solcher Jobwechsel um ein Vielfaches einfacher.“

„Also gut, dann nehme ich Ihr Jobangebot gerne an, Herr Lehmann!“, kicherte Daniel. - „Freut mich, Herr Berger. Aber was gibt’s denn da zu kichern?“ – „Ich musste gerade daran denken, dass ich mit meinem neuen Chef im Bett liege. Wie sagt der Volksmund manchmal: Da hat sich jemand im Job hochgebumst…“ Nun musste auch ich lachen. Nach einem weiteren Schmatzer für mein Schnuffi schliefen wir engumschlungen ein. Zum ersten Mal war ich glücklich in Genf, und ich würde zum ersten Mal Weihnachten mit einem Freund an meiner Seite verbringen.

Am nächsten Morgen weckten mich die ersten Sonnenstrahlen, welche durch das Fenster ins Schlafzimmer fielen, und meinen Oberkörper wärmten. Ich spürte den sanften Druck auf meiner Brust und drehe den Kopf zur Seite. Friedlich schlummernd lag mein Schatz neben mir. Sein Arm hatte mich fest umschlungen, sein Kopf lag auf meiner rechten Schulter. Sanft streichelte ich ihm durchs Haar, erntete ein friedliches Knurren von ihm, bevor er seine Augen aufschlug, um mir sein schönstes Lächeln zu schenken, während ich ihn sanft auf die Stirn küsste, um gleich in seinen tiefen, braunen Augen zu versinken.

Leise brachte ich ein „Danke, Weihnachtsmann, für die schönsten Weihnachten meines Lebens“ über die Lippen. Eine Träne lief mir langsam über die Wange; als Ausdruck meiner tiefen Freude. Sanft strich Daniel die Träne von meiner Wange, um mich sogleich wieder fest in die Arme zu nehmen.

ENDE

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