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Growing Up

Teil 2

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Erst nach einigen Momenten realisierte ich, wie um mich herum auf einmal ein kurzer Applaus aufkam. Als mein Blick auf unseren Alten fiel, bemerkte ich, dass selbst er kurz klatschte. Anscheinend hatte der Loser mal etwas richtig gemacht. Hoffentlich verlangen die solche Aktionen nicht öfter, so weich war mein Aufschlag schließlich auch nicht gewesen. Meine Glieder brummten zumindest schon heftig. »Hey, super gemacht Kleiner!«, gab diesmal auch Matthias wieder seinen Senf hinzu und streckte mir gleich die Hand zu, um mich hochzuziehen. Auf seinem Gesicht war ein breites Lächeln zu vernehmen.

Neben mir lag immer noch Sven, der sich erst jetzt begann aufzurappeln. Ich nahm Matthias Hand und er zog mich sanft nach oben. »Wirklich super gemacht«, wiederholte er sich noch mal und gab mir noch schnell einen Klaps auf den Hintern. »So und weiter. Ein Tor ist noch kein Sieg.« Wie immer typisch. Gewinnen, gewinnen und nochmals gewinnen! Was anderes scheinen die nicht im Kopf zu haben.

Er drehte sich um und verschwand auch schon wieder auf seine Spielposition. »Das bekommst du wieder, Wichser!«, zischte es mich einen Moment später von hinten an. Als ich mich umdrehte sah ich nur Sven, der mich wütend mit den Augen anfunkelte und an mir vorbei zur Mitte ging. »Micky komm schon, ab auf deine Position, wir haben hier nicht ewig Zeit«, kam es jetzt noch einmal als Nachdruck vom Alten. Naja, dann mal auf und keine zwei Sekunden später stand ich wieder in der Abwehr.

Anpfiff. Die Gegner hatten diesmal Mitte. Erst Sven, dann zu Daniel, zu Stefanie und wieder zu Sven. Unsere Abwehr hatte sich um den Torkreis aufgebaut und riegelte diesen nahezu komplett ab. Sven nahm den Ball wieder an und begann auf mich los zu dribbeln. Anscheinend hatte er jetzt das gleiche vor, wie ich vorher. Schon fast wie automatisch riss ich die Arme nach oben und setzte zum Sprung an, um einen Sprungwurf abzuwehren.

Doch plötzlich blieb Sven auf der Stelle stehen. Wie in Zeitlupe lief die Welt vor meinem Auge wieder ab. Er stoppte und ein Ruck durchzog seinen Körper. Er holte weit nach hinten mit dem Arm aus und ganz langsam bewegte sich seine Hand wieder nach vorne. Seine Muskeln waren so stark angespannt, dass man schon seine Adern hervorquellen sah. In diesem Ball saß so viel Kraft, dass man auf jeden Fall flüchten würde, wenn man nur kann. Ich wollte flüchten, konnte aber nicht. Ich war im Sprung und da kann man schlecht zur Seite gehen, so gern man auch will. Zudem war ich erst mal perplex und konnte selbst gar nicht reagieren, weil ich dazu einfach nicht in der Lage war.

Der Ball flog und flog und kam immer dichter. Es schien mir so, als wenn der Ball sich während des Fluges immer wieder leicht verformte, immer wieder von einem Ei in einer anderen Form, mal flacher mal runder, aber immer noch mit einer heftigen Kraft, die dahinter steckte.

Der Ball flog und flog und kam meinem Gesicht immer näher. Erst 10 Zentimeter vor meinem Gesicht setzte der normale Zeitablauf wieder ein. Mit einem heftigen Schlag kam der Ball genau zwischen den Augen auf der Nase auf. Ich merkte, wie ich nach hinten gedrückt wurde und unsanft auf dem Rücken aufkam und schließlich noch mit dem Kopf leicht aufschlug. Der Ball flog in einem hohen Bogen wieder zurück. Aus meiner Nase quoll sofort das erste Blut hervor. Als letztes sah ich noch, wie der erste Tropfen Blut von meiner Nase auf den Paketboden der Turnhalle viel. Dann wurde mir schwarz vor Augen.

»Hey Micky. Komm schon ...«, sanft tätschelte mich eine Hand auf meine Wange.»Hey, alles ok?« So langsam kommen auch die Bilder vor meinem Auge wieder. Erst etwas verschwommen, doch dann immer klarer. Vor mir kniet Matthias und schaut mich etwas besorgt an. »Hey, da bist du ja wieder! Geht's? Oder musst du doch zum Arzt?«

Er versucht mich etwas aufzumuntern, indem er mich etwas verlegen anlächelt. »Wird schon wieder. So leicht bekommt man mich nicht unter.«

»Komm erst mal mit in die Umkleide, da kannst du dich erst mal sauber machen und wieder zu Ruhe kommen.« Und wieder reicht er mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Wie häufig er dies wohl noch machen wird?! Naja, aber ganz alleine schaffe ich es dann doch nicht, und so bin ich dann doch ganz froh, dass mir einer hilft. Auch wenn es Matthias ist.

Vorsichtig zieht er mich hoch, und erst da merke ich, dass nicht nur meine Nase etwas abbekommen hat, auch mein Knöchel beginnt zu schmerzen und zwar so stark, als wenn man mir dort ein brennendes Eisen draufgelegt hat. So ist es auch kein Wunder, dass ich wieder einmal das Gleichgewicht verlor und schon zum zweiten Mal von Matthias aufgefangen wurde.

»Hey nicht ganz so wild. Hast zwar ein Tor geworfen, ist aber kein Grund dir gleich alle Knochen zu brechen«, raunt er mir leise ins Ohr, als er mich noch in den Armen festhält, damit ich nicht noch wirklich umfalle.

Vorsichtig beginnt er mich zu stützen und ich humple vorsichtig neben ihm her in die Umkleidekabine. Dort lässt er mich erst mal sanft auf eine der Bänke nieder und hockt sich vor mich.

»Alles ok?«, fragt er besorgt.

»Ja, geht schon, nur der Knöchel brennt noch etwas, aber die Nase ist soweit heil geblieben.«

»Warte ...« Er holt aus seiner Tasche ein sauberes Taschentusch, geht damit an eines der Waschbecken und lässt kaltes Wasser darüber laufen. Dann setzt er sich direkt neben mich, nimmt mit der einen Hand vorsichtig mein Kinn und dreht es so zu sich, dass er mir das Blut von der Nase wischen kann. Ganz sanft, geht er immer wieder über die Stelle und nimmt so auch die letzten Spuren.

Plötzlich springt die Tür auf und unser Alter kommt herein.

»Hier ist ein Verbandskasten«, sagt er nur etwas mürrisch, wirft ihn Matthias zu und verschwindet dann wieder zur Klasse. Anscheinend ist es ihm eher egal, was mit mir passiert ist, sein Liebling Sven hat natürlich gar nichts falsch gemacht. Man könnte es auch so bezeichnen, dass ich einfach in die Flugbahn des Balles gesprungen bin.

»So, dann werden wir mal sehen, was man machen kann.« Mit einem kleinen Knacken öffnet Matthias den Verbandskasten und kramt erst mal da drinnen rum.

»Mein Gott. Ich will nicht wissen, was ist, wenn sich wirklich jemand noch ernster verletzt. Der Kasten ist ja fast gar nicht zu gebrauchen. Ich glaube, da nehmen wir lieber einen anderen.«

Und wie auf ein Kommando lässt er den Kasten liegen, verschwindet aus der Kabine und lässt mich erst mal so zurück. Irgendwie komme ich mir blöd vor. Kann ich denn gar nichts selber. Hier wird man ja fast wie ein Baby behandelt. Zum Glück hat das keiner gesehen, sonst könnte ich mir das wahrscheinlich immer anhören.

Wenige Sekunden später springt wieder die Tür auf und Matthias kommt mit großen Schritten herein.

»So. Pack deine Sachen, ich bring dich erst mal nach Hause und verarzte dich dort!« Er sagt mir dieses, ohne mich überhaupt zu fragen, ob ich das überhaupt will. Eigentlich nicht, zumindest nicht von ihm. Denn garantiert wird er mir die nächste Zeit, wenn nicht sogar die nächsten Jahre, immer wieder unter die Nase binden, was er nicht alles für mich getan hat und wie er mir nicht doch geholfen hat.

Aber anscheinend war ich in diesem Moment einfach nicht ich selbst, sonst hätte ich garantiert irgendetwas zu ihm gesagt, aber ich nahm bloß meine »normalen« Sachen und stopfte sie sitzend in meine Sporttasche. Umziehen wollte ich mich dann hier doch nicht mehr, wahrscheinlich hätte er mir sogar dabei geholfen, aber das wäre mir dann doch zu weit gegangen.

»So. Fertig?«Von mir kommt daraufhin nur ein leichtes Nicken. Vorsichtig stützt er mich wieder ab und ich humple neben ihm her. Erst aus der Turnhalle heraus. Wieder durch das Waldstück, an der Schule vorbei, über den Parkplatz und dann ... Plötzlich hält er irgendwie abrupt an. Ich war so damit beschäftigt, irgendwie halbwegs normal zu gehen, dass ich darauf absolut nicht gefasst war und wieder fast nach vorne falle. Doch auch diesmal packt mich Matthias um die Hüften und zieht mich wieder vorsichtig in eine stabile Position.

»Hey, du bist heute irgendwie schwach auf den Beinen.«

»Wenn du auch so abrupt anhältst, was kann ich dann dafür?«, fauchte ich ihn erst mal kräftig an. Anscheinend kam mein normales Ich wieder zurück.

»Nun mal nicht gleich so grantig, ich meinte das doch nicht ernst.« Und etwas verlegen blickt er jetzt auf seine Fußspitzen hinab. Irgendwie freut mich das doch, der starke Matthias zeigt doch mal Schwächen. »Aber du willst doch sicherlich nicht noch den Rest nach Hause humpeln. Das würde dein Gelenk gar nicht mitmachen ohne Verband.«

»Und wie soll ich sonst nach Hause kommen. Fliegen?«

»Hey, ganz ruhig. Ich hab dir nichts getan.«

»Entschuldigung!« Ich glaub das war jetzt dann doch zu heftig, aber irgendwie wollte ich nicht wie ein Baby behandelt werden, schon gar nicht von ihm. Ohne auch nur weiter darauf einzugehen, geht er im Thema weiter.

»Ne fliegen nicht, aber vielleicht wäre es besser, wenn ich dich mit dem Moped nach Hause bring. Wäre zumindest für deinen Knöchel besser.«

Und erst jetzt bemerkte ich, wo wir eigentlich waren. Wir standen auf dem Parkplatz der Schule direkt neben der Reihe der ganzen Mopeds. Matthias schaute mich diesmal dann doch erst fragend an, bevor er schließlich doch das Moped anließ, nachdem ich ihm kurz zugenickt hatte. Langsam und auf meinen Knöchel bedacht setzte ich mich hinter ihn auf den Sitz und wollte mich an der Halterung des Mopeds festhalten.

»Halt dich ruhig an mir fest. Ist kein Problem. So wie du dich jetzt festhältst wirst du mir bloß noch einmal herunter fallen.« Er drehte sich um und lächelte mich dabei herausfordernd an. Mit einem Ruck drehte er sich noch einmal zu mir um. »Ach ja.« Er nahm seinen Helm ab und setzte ihn mir auf. »Wir wollen ja nicht, dass dir noch mehr passiert.« Gleich danach drehte er sich um und wartete. »Hey, nun halt dich schon richtig fest, vorher fahr ich nicht los, das ist mir zu gefährlich für dich.«

Zaghaft und etwas ängstlich fasste ich ihm leicht um die Hüften. Er fuhr daraufhin einmal kurz an und bremste sofort wieder ab. Ich wurde durch den Ruck nach vorne geworfen, direkt an seinen Rücken und aus Angst herunterzufallen, klammerte ich mich direkt an ihn.

»So ist es besser«, war der einzige Kommentar, der daraufhin von ihm zu hören war.

Diesmal gab er daraufhin jedoch richtig Gas und fuhr jetzt normal, ohne noch einmal zu bremsen direkt bis vor meine Haustür. Während der Fahrt fiel mir auf, wie schön doch der Himmel heute ist. Kein Wölkchen, rein gar nichts, nur die Sonne strahlte mit voller Kraft auf die Erde hinab, zum ersten Mal dieses Jahr schien es ein Sommertag zu werden. Der Wind wehte mir durch die Kleidung, aber er war schon warm und es war ganz angenehm, nicht nur die Sonne die ganze Zeit auf der Haut brennen zu haben. Die Luft war leicht und süß. Die ersten Sommerblumen waren zu riechen. Während der Fahrt klammerte ich mich die ganze Zeit fest an Matthias und jedes Mal, wenn ich ein bisschen locker ließ, gab er Gas, so dass ich vor Schreck gleich wieder fester zupackte.

Langsam ließ er schließlich das Moped auf einen Parkplatz direkt vor meiner Haustür ausrollen. »So, jetzt bringen wir dich erst mal rein und verarzten dich!«

»Ich glaube, das kann ich wohl jetzt allein.«

»Glaubst du? Naja ich nicht, bevor du dich auch nur am Knöchel wirklich verbunden hast, sind die Nerven wohl vor Schmerz abgestorben!«

»Aber ...«

»Vergiss es, es gibt jetzt keine Widerreden, ich bringe dich hoch, verarzte dich schnell und bin dann auch schon wieder verschwunden.« Und ohne auch nur ein weiteres Nein zu akzeptieren, hielt er mich am Arm und ich humpelte neben ihm her. Zum Glück nur etwa 5 Meter, einmal über die Straße. Ich schloss dann die Haustür auf und schon standen wir in meinem Hausflur.

»Wir müssen da die Treppe hinauf!«

»Ich weiß!«

»Woher denn das?«

»Vielleicht kannst du dich noch zurückerinnern, bis vor 3 Jahren haben wir alle 8 Mann immer gemeinsam Geburtstag gefeiert und da war ich dann doch öfters hier, oder was glaubst du woher ich zum Beispiel wusste, wo du überhaupt wohnst?«

Eins zu null für ihn. Das hatte ich tatsächlich schon vergessen Aber das ist auch eher unwichtig, Vergangenheit ist und bleibt Vergangenheit.

Und schon erwartete mich das zweite Problem, die Treppe. Ich hätte eigentlich eine ziemlich steile Treppe nach oben gehen müssen, aber mit meinem Fuß, na ja, ich glaub mit Druckverband kein Problem, oder besser gesagt weniger Probleme, aber so ohne alles, nur mit einem dicken Fuß.

Als mir der Gedanken durch den Kopf schoss, sah ich gleich zu Matthias und hatte einen wirklich schlechten Gedanken.

»Nein, nein. Das meinst du nicht ernst.« Von ihm wiederum kam nur ein teuflisches Grinsen, das immer breiter wurde. Er kam auf mich zu, nahm mich auf die Arme, so als wenn er seine zukünftige über die Schwelle tragen würde und brachte mich die Treppe hinauf.

»Siehst du, war doch halb so schlimm und so bald dein Druckverband drauf ist, schaffst du das auch alleine«, sagte er, als wir oben waren und setzte mich auf mein Bett im oberen Geschoss.

»So und jetzt erklärst du mir, wo ihr euren Medizinschrank habt und alles was ich benötige.«

In diesem Moment hatte ich schon aufgegeben, egal was ich auch sagen würde, er setzt sich doch immer durch. So langsam ging mir dies doch ganz schön auf die Nerven, ich bin schließlich kein kleines Kind, für das noch entschieden werden muss.

»Den Flur gerade aus in der Abstellkammer rechte Hand«, kam es doch gleichgültiger aus meinem Mund, als es hätte eigentlich klingen sollen. Dennoch, Matthias verzog nur einmal kurz sein Gesicht, so als ob er einfach nicht verstand, was ich mit dieser Stimmung meinte, aber war dann auch gleich verschwunden, um die ganzen Sachen zu holen.

»So bin schon wieder da und wenigstens habt ihr die nötigen Sachen parat. Ich werd mich Morgen erst mal in der Schule beschweren, so etwas darf es eigentlich gar nicht geben. Egal, zeig mal deinen Fuß her!«

Ohne eine Widerrede streckte ich schon gleichgültig den Fuß hin. Langsam und vorsichtig öffnete er die Schnürsenkel, um mir dann den Schuh auszuziehen.

»Autsch«, durchfuhr es mich einmal, als er wahrscheinlich ein bisschen zu barsch daran ging.

»Oh, entschuldige.« Auf seinem Gesicht konnte man wirklich lesen, wie sehr es ihm leid tat. Ich habe zwar keine Ahnung warum ihm das so peinlich war, aber er lief leicht rot an.

Vorsichtig zog er mir dann die Socke aus und betrachtete erst mal mein Gelenk.

»Schön angeschwollen! Das wird 'ne Weile dauern, bis es abgeheilt ist, aber sieht dennoch schlimmer aus, als es ist.«

Er nahm eine Tube zur Hand und machte sich einen Klecks davon in die Handinnenflächen und verrieb die Salbe in seinen Händen. Vorsichtig und ganz sanft legte er jetzt seine Hände auf mein Gelenk und begann ganz langsam die Salbe einzumassieren. Ganz zärtlich strich er dabei immer wieder über meine Haut. Immer wieder den Fuß hinab und wieder hinauf. Es war ein wunderschönes Gefühl. Auf meinem Rücken bildete sich eine kleine Gänsehaut und zeitweise durchfuhren mich sogar kleine Schauer. Immer wenn ich zusammenzuckte, sah er mich besorgt an, als wenn er etwas falsch gemacht hätte. Aber da konnte ich ihn beruhigen, er hat absolut nichts falsch gemacht, eher das Gegenteil. Ich genoss es vielmehr. Es fühlte sich einfach bloß phantastisch an.

»So und fertig sind wir?« Was er will doch jetzt nicht etwa aufhören? Menno, damit hätte er ruhig den ganzen Tag weitermachen können. Als ich an meinem Bein herab sah, da viel mir erst jetzt auf, dass da schon ein Druckverband darum gewickelt war. Vorsichtig stellte er meinen Fuß jetzt auf den Fußboden.

»Steh mal bitte auf!«, befahl er mir in einem freundlichen Ton.

»Wow, kaum noch etwas zu spüren«, stellte ich fest, als ich aufstand.

»Tja, anscheinend hatte mein kleiner Massagekurs doch etwas gebracht.«

»Wie? Du hast massieren gelernt?«

»Ja, vor etwa einem Jahr. Wurde mir von meinem Vater angeboten. Davon hing ein bisschen Werbung in seiner Praxis und da hab ich dann einfach mitgemacht. Sicherlich, ich bin kein wirklich guter Masseur, aber anscheinend ist doch noch etwas hängen geblieben.«

»Nun stell mal dein Licht nicht unter den Scheffel. Das war perfekt. Ich habe noch nicht mal gemerkt wie du den Verband umgelegt hast.«

»Tja, gekonnt ist eben gekonnt!«

»Aber ich wusste gar nicht, dass man da auch so was lernt. Ich dachte da eher an Methoden der Muskelentspannung und viel mehr eher an die Rückenpartie.«

»Tja, also dafür ist es nun eigentlich auch nicht gedacht. Aber durch meinen Vater hatte ich mal gelernt, wie man Druckverbände anlegt, oder besser gesagt festere Verbände, so wie zum Beispiel bei Verstauchungen, und das habe ich dann mit der Massage kombiniert. Normalerweise wird dir das Gel nur drauf geklatscht und das war es.«

»Tja, da kann man nur froh sein, dass ich an dich geraten bin und nicht an deinen Vater!«, grinste ich Matthias dann doch eher provokativ an.

Doch ihm war das im Moment doch anscheinend etwas peinlich, er lief zumindest wieder leicht rot an und überging einfach die Anspielung.

»Wollen deine Eltern nicht morgen in Urlaub fliegen?«

»Ja schon, aber wieso fragst du?«

»Ich dachte eigentlich, dass sie dann hier immer herumspringen würden und wie wild ihre Klamotten zusammen suchen!«

»Das wir auch bald beginnen. Ab 14 Uhr hat meine Mutter frei und wird so schnell wie möglich alles auf den Kopf stellen. Halt normal für sie.«

»Ui, dann werd ich mich mal losmachen, sind ja nur noch 10 Minuten bis deine Mutter hier aufschlägt. Aber du kommst doch sicher heute Nachmittag, oder?«

»Wieso denn? Ich kann weder richtig laufen, noch schwimmen, noch baden noch sonst irgendetwas. Was soll ich dann da?«

»Also wetten, du kannst mit diesem Verband sogar Frisbee spielen kannst. Bitte komm doch wenigstens vorbei. Es wird auch garantiert für dich lustig. Und außerdem müssen wir uns sowieso noch wegen der Hausaufgabe für morgen zusammensetzten.«

Irgendwie sah er ja süß aus, wie er schon fast bettelnd so vor mir stand und auf jede Weise versuchte mich umzustimmen. Ich hatte eigentlich wirklich keine große Lust mehr, dahin zu gehen, der Tag war schon beschissen genug. Aber irgendwie konnte ich dann doch nicht widerstehen und schließlich hatte er ja wegen den Hausaufgaben recht.

»Mal sehen, ob es sich einrichten lässt. Kann aber im Moment ...«

»Ok, ich hol dich dann heute um 15 Uhr hier ab und wir gehen gemeinsam dahin!«

»... noch nichts definitives sagen«, wollte ich ursprünglich den Satz beenden. Aber währenddessen war Matthias schon verschwunden. Er wollte wohl ein Nein nicht akzeptieren. Tja da muss ich mich wohl meinem Schicksal fügen.

»Hallo Großer, was ist denn hier passiert?«, stand jetzt meine Mutter in meiner Tür. #187;Matthias hat mich ja fast umgerannt?«

»Ach nichts, er hatte es bloß eilig.«

Ihr nächster Blick viel auf meinen Knöchel und erschrak leicht. »Was ist denn damit passiert?«

»Ach, ich hatte nur einen kleinen Sportunfall und hab mir dabei den Knöchel verstaucht. Deswegen war Matthias ja auch da?«

»Wieso, du sprichst ein wenig wirr. Was war nun los?«

»Ach nichts. Ich hab mir nur beim Handball den Fuß verstaucht und Matthias hat mich dann nach Hause gefahren und mir den Verband angelegt, sein Vater ist schließlich Arzt.«

»Dann sag ihm, wenn du ihn das nächste Mal triffst, auch noch ein Dankeschön von mir!«

»Kannst du ihm nachher auch selber sagen. Er holt mich gegen 15 Uhr ab, unser Gruppe trifft sich heut zum Schwimmen.«

»Wie willst du Schwimmen? Und außerdem fahren wir doch schon um 17 Uhr zum Flughafen, ich dachte du bleibst noch so lange hier?«

»Sorry Mum, aber Matthias und die anderen wollen unbedingt, dass ich auch komme und na ja es wird auch so gehen, nicht unbedingt schwimmen, aber alles andere geht schon, der Verband ist gut und außerdem ist das Wetter einfach zu gut, als hier herumzuhängen.«

»Ja, aber du hast doch die nächsten zwei Wochen für dich alleine, was willst du mehr?«

»Ihr fliegt doch jetzt nicht zum ersten mal alleine weg. Also was soll dagegen sprechen.«

»Aber ...«

»Mum, ich werd in einem Monat 17. Wie alt muss ich noch werden, damit du dir endlich mal keine Sorgen machst.«

»Ich glaub so alt kannst du gar nicht werden.«

»Klar, aber ich will da heute hin. Ob ich hier nun 2 Stunden länger im Weg stehe oder nicht ist auch egal!«

»Naja, egal nicht, aber du hast schon recht. Also verschwind, bevor ich es mir anders überlege!«

»Tja das Risiko muss ich eingehen. Ich werd doch erst nachher von Matthias abgeholt.«

»Egal, ich werd mich jetzt ans Kofferpacken machen. Also du weißt ja. Mach hier keinen Unfug. Machst du ja nie und wenn irgendetwas ist. Die Telefonnummer vom Hotel liegt in der Küche auf dem Tisch!«

»Danke Mum«, und in diesem Moment machte sie genau das, was man in der Öffentlichkeit gerne unterdrückt. Sie nimmt mich einfach in den Arm und drückt mich noch einmal, bevor sie aus dem Zimmer verschwindet und in ihr Reich geht, um die Koffer zu packen.

Nun hatte ich noch genau eine dreiviertel Stunde, bis Matthias wieder auf der Matte stehen sollte. Was macht man da? Um groß etwas Neues anzufangen lohnt es sich gar nicht. Da fiel mir zum Glück ein, dass ich noch in meinen miefigen Sportklamotten stecke und auch nicht gerade angenehm roch. Ich weiß nicht wie manche Leute auf Schweißgeruch stehen können, mich turnt dies eher ab als an. Genauso jetzt. Das erste was ich mir suchte waren natürlich frische Klamotten und zu dem eine Plastiktüte. Wozu fragt ihr jetzt? Ganz einfach um den Fuß beim Duschen doch weitestgehend trocken zu halten. Sicherlich ganz trocken wird es nicht bleiben, aber auf ein paar Tropfen Wasser kommt es da auch nicht an. Ich will ja schließlich auch nicht müffeln wie ein Elch.

Plastiktüte finden? Kein Problem. Plastiktüte um den Fuß wickeln, so dass kein Wasser durchkommt? Auch kein Problem. Viel schwieriger war es da dann doch in der Dusche selbst zu stehen. Es ist glatt und nass und vor allem kann ich nur auf einem Bein stehen. Vor allem wegen der Plastiktüte, denn darin stehen ist so wie einen Salto nur auf einem gesunden Fuß zu machen. Fast unmöglich. Irgendwie schaffe ich es dann doch. Irgendwie liege ich vielmehr beim Duschen leicht gegen die Wand und stütze mich mit dem gesunden Fuß auf der anderen Seite der Dusche ab. Und endlich kommen das warme Wasser und der Schaum.

Wer die Dusche erfunden hat, sollte zum König der Welt erkoren werden. Was gibt es besseres, als die Warmen Wassertröpfchen über seine verspannten Muskeln perlen zu lassen? Und dazu das Duschgel, was nach einer Zeit in schäumende Seifenblasen übergeht? Ohne die Dusche wäre ich wohl in den nächsten Stunden irgendwann vor Erschöpfung zusammengeklappt. So was bringt mich irgendwie immer wieder sofort auf Hochtouren und macht einen wach. Mich zumindest.

Ding-Dong. Scheiße. Das ist doch noch nicht ... ?

»Micky! MATTHIAS IST DA!«, schrie meine Mutter in voller Montur durchs Haus. Und wieder einmal hatte sich meine Vorahnung bestätigt und wieder mal war ich einfach zu langsam. Bin ja schon dafür bekannt, dass ich bei so was gern die Zeit vergesse, aber trotzdem fällt es immer negativ auf. Was jetzt machen? Blieb eigentlich nur eine Sache übrig.

So schnell wie möglich sprang, ob man das so benennen kann ist eine andere Sache, ich aus der Dusche und versuchte mich so schnell wie möglich anzuziehen. Hätte ich mich im Spiegel betrachtet, wäre ich wohl vor Lachen umgekippt, so dämlich muss ich ausgesehen haben. Was ich sonst in vielleicht 2 Minuten geschafft hätte, war diesmal in 10 Minuten Minimum möglich.

Irgendwann ging ich dann doch einigermaßen normal und vor allem ohne Plastiktüte, wäre ja noch schöner, wenn ich die auch vergessen hätte, aus dem Bad und in Richtung Haustür. Zum Glück stand er immer noch davor und wartete brav wie ein Schoßhund.

»Sorry, aber ich hatte die Zeit vergessen!«

»Kein Problem. Ich war auch eigentlich 10 Minuten zu früh da, du hättest also noch gar nicht mit mir rechnen können.«

»Trotzdem Entschuldigung. Meine Ma hätte dich wenigstens rein lassen können, aber die saust im Moment auch wie ein aufgescheuchtes Karnickel durch das Haus. Dad und sie werden ja schon in zwei Stunden zum Flughafen los müssen.«

»Ich dachte erst morgen?«

»Ja morgen werden sie auf den Malediven ankommen, aber losfliegen werden sie schon heute Nacht.«

»Achso. Komm lass uns schon mal losgehen. Die anderen sind sicher schon da!«

Gemeinsam gingen wir, was man unter gehen bezeichnen kann, also los in Richtung Badestelle im Wald. Erst gingen wir eher schweigend nebeneinander, ohne dass sich einer von uns beiden traute etwas zu sagen. Es lag irgendwie so eine unangenehme Spannung zwischen uns. Irgendetwas nicht ausgesprochenes.

»Und du fährst gar nicht mit deinen Eltern mit?«

»Nein, schon seit Jahren nicht mehr. Das ist mir einfach zu nervig. So gut meine Eltern auch sind, aber 24 Stunden am Tag und dass 2 Wochen lang auf einer kleinen Insel im Indischen Ozean? Nein danke, da nehme ich mir lieber gleich den Strick.«

»Ach, nun übertreibst du aber. Deine Mutter ist doch sau nett, mit der hält man es ganz sicher mehr als nur 2 Stunden aus!«

»Wollen wir es ausprobieren? Wir können ja gerne mal tauschen!«

»Gerne, bloß mit meinen Eltern ist das ziemlich schlecht zu vereinbaren.« In seiner Stimme lag in diesem Satz irgendetwas trauriges. Sie war etwas tiefer, und auf mich machte er den Eindruck, als wenn er innerlich in diesem Moment wieder zu Boden sackte.

»Wieso das?«, fragte ich dann doch, aber eher etwas schüchtern und leise, nach.

»Naja, wie will man tauschen, wenn sowieso nie einer da ist. Mein Vater arbeitet den ganzen Tag und meine Mutter, na ja die ist immer auf irgendwelchen wichtigen Festen, oftmals auch mit meinem Dad zusammen. Wenn wir mal Glück haben, sehen wir uns vielleicht 5 Minuten am Tag und das war es.«

»Klingt ja nicht gerade begeistert!«

»Ist es auch nicht, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran, manchmal ist es einem sogar ganz lieb, wenn man für sich alleine sein will, um einfach mal bloß nachzudenken. Einfach bloß ungestört über sein Leben philosophieren. Was man vermisst? Wie man sich doch verändert hat? Und so weiter und sofort. Kennst du vielleicht nicht, aber ich hab des Öfteren diese Phasen.«

Wir kamen nun an das Ende der Straße, wo schließlich der Wald begann. Durch den Wald führte nur ein kleiner, schmaler Weg. Überall lagen noch kleine Äste im Weg und es knirschte und knackte, sobald man nur ein paar Schritte tat. Die Bäume trugen aber schon ihr grün.

Die Sonne viel leicht schimmernd durch das Blättergerüst. Die Strahlen sahen traumhaft aus, so als wenn sie direkt von den Engeln geschickt wurden. Und rechts vom Weg plätscherte das Wasser des Sees, ganz sanft und zart, so als wollen sie etwas mitteilen, so als wollen sie singen. Am Wasser selbst lagen ein paar Bootshäuser direkt im Wald versteckt. Viele versuchten solche Bootshäuser zu bekommen. Sie lagen einfach im Wald versteckt und man hatte immer einen Zufluchtsort, wenn man einmal Ruhe brauchte.

Zwischen Matthias und mir lag wieder ein Schweigen. Diesmal aber war es anders. Es war ein angenehmeres. Es war einfach so, als wenn wir uns nichts sagen mussten, um uns zu verständigen. Jeder von uns wusste, was der andere gerade dachte. Es war wirklich angenehm.

»Deinem Fuß geht es aber anscheinend schon viel besser!«, unterbrach Matthias als erster das Schweigen.

»Ja, ein bisschen!«

»Nun erzähl mal nicht, du kannst schon um einiges besser gehen als heute Mittag. Das fiel mir schon vorhin auf, als wir losgingen.«

»Und wenn es so ist, dann liegt das einzig und allein an deiner Behandlung.«

»Ach Quatsch.«

»Kein Quatsch. Allein schon ohne die Bandage könnte ich gar nicht richtig auftreten. Stell mal dein Licht nicht unter den Scheffel!«

Plötzlich schlug jemand von hinten auf unsere Schulter und vor Schreck verlor ich fast wieder mein Gleichgewicht, bloß was soll ich sagen. Sicher, ihr wisst es garantiert. Matthias fing mich wieder einmal auf.

»Hey. Ich dachte vorhin wäre das letzte Mal gewesen, aber anscheinend willst du ja immer wieder aufgefangen werden«, raunet er mir ins Ohr und grinste ein bisschen provokativ.

»Oh Sorry. Ich wollte euch beide nicht erschrecken!«, kam es jetzt von jemandem hinter uns, der uns anscheinend auf die Schulter geklopft hatte. Als wir uns umdrehten sahen wir Melanie und Marcus, die wieder Arm in Arm durch die Welt schlenderten.

»Das nächste mal ein bisschen vorsichtiger!«, fauchte ich leicht gereizt in die Richtung zurück. Irgendwie passte es mir im Moment überhaupt nicht, dass wir von den beiden heimgesucht wurden.

»Hey, nun mal nicht so wild großer Held!«, kam es jetzt etwas abwehrend von Marcus.

»Wieso großer Held?«, fragte ich leicht ungläubig.

»Naja, ihr hättet Sven heute nach dem Unterricht sehen sollen, wie fuchsteufelswild der war. Der hat sich fast nicht mehr eingekriegt und hätte am liebsten wild um sich geschlagen.«

»Und was hab ich damit zu tun?«

»Na was wohl? Wer hat den ungekrönten König des Handball an unserer Schule durch ein grandioses Tor zum ersten Mal im direkten Kampf besiegt? Und vor allem hatte er danach nicht die Möglichkeit irgendwie auszugleichen. Er hat dich, na ja, sportunfähig gemacht und somit 1 : 0 verloren und so was verkraftet eine arme Proletenseele wie die seinige nicht.«

»Woher wisst ihr das denn alles?«, fragte jetzt auch Matthias nach.

»Frag lieber danach, wer es an unserer Schule noch nicht weiß. Jeder von der 5. bis zur 13. Klasse hat davon gehört. Was glaubst du, warum Sven so sauer ist. Anscheinend wurde er in seinen Augen blamiert. Kann ich zwar nicht nachvollziehen aber: Männer!«, kam es mit einem Seufzer aus tiefster Seele von Melanie.

Endlich einmal jemand der mich versteht. Männer. Oftmals sehe ich da als eines der selbigen Wesen nicht mehr durch. Dieser ganze Rudeltrieb. Jeder muss der Beste sein und jeder muss das geilste Weib haben. Hauptsache man gibt sich vor niemandem auch nur irgendeine Blöße.

Während des Gespräches sind wir dann aber auch schon weitergegangen und kamen mit dem Ende des tiefen Seufzers von Melanie auch schon an unserer Badestelle an. Mitten im Wald ein kleines Stückchen Wiese. Umrandet von großen mächtigen Ahornbäumen. Das Grün der Wiese war jung und frisch. Jede Kuh hätte sich mit Liebe an diesem Gras vergangen.

An einem Ende der Wiese war ein kleiner feiner Sandstrand, der direkt zwischen dem Schilf in den See führte.

»Hallo ihr vier!«, rief uns jetzt Sandy entgegen und winkte uns zu einem Platz, wo die anderen vier schon ihre Decken ausgebreitet hatten und sich in der Sonne aalten.

»Ah, da kommt ja unser Held!«, kam es diesmal von Christina.

»Komm schon! Nicht du auch noch. Ich frag mich echt, was daran so bedeutend ist. Ich könnte echt darauf verzichten, wenn dafür wenigstens mein Knöchel wieder ganz wäre«, gab ich etwas genervt zurück.

»Ist ja schon gut, wer keine Lorbeeren will, der bekommt auch keine«, zickte sie dann mal wieder etwas rum.

»Schluss jetzt ihr beiden«, viel uns Melanie wieder ins Wort, »streiten könnt ihr noch genug, dann aber bitte ohne uns!«

»Wer kommt jetzt mit Schwimmen?«, rief jetzt Marcus und von fast allein kam ein einstimmiges Ja. Bis auf Matthias und Sandy.

»Warum du denn nicht?«, fragte ich etwas erstaunt. »Du warst doch so wild darauf.«

»Ich kann dich doch hier nicht so mutterseelenallein lassen. Wärst du gesund, kein Problem, dann hättest es nicht anders verdient, wenn du nicht mitkommst, aber so!«

Etwas schüchtern und mit einem Dackelblick in den Augen sah er mich an.

»Ich bin ja auch noch da. Ich war vorhin schon im Wasser und es ist mir einfach zu kalt. Ich kümmere mich schon um unseren Schwerstkranken, also verschwind endlich!«, schaltete sich in diesem Moment Sandy ein, die dicht neben uns stand.

»Kann ich?«, fragte er mich jetzt direkt.

»Hab ich irgendetwas zu sagen? Ich glaube nein. Verschwind endlich!«, grinste ich ihn an.

Auf seinem Gesicht bildete sich ein leichtes Lächeln, das immer breiter und breiter wurde.

»WER ZU LETZT IM WASSER IST, IST EIN WEICHEI!«, schrie er daraufhin in die Runde. Schmiss seine Sachen hin und rannte so schnell es geht in Richtung Strand. Die anderen standen noch etwas perplex da, bevor sie merkten, was verlangt war.

Wie von der Tarantel gestochen, entledigten sie sich auch der restlichen Kleidung, bis auf Badesachen natürlich, und rannten Matthias hinterher. Als sie jedoch alle am See waren und ihre Zehen ins Wasser steckten, schreckten erst mal restlos alle zurück. Egal wie hart der ein oder andere Kerl auch wirken wollte, aber alle zuckten. Plötzlich nahm Marcus aber Anlauf und rannte einfach in den See hinein, bis ihm das Wasser bis zum Halse stand.

Nach einem leichten Zögern der anderen nahm daraufhin jeder so schnell es ging Anlauf und rannte Marcus einfach hinterher. Keiner wollte schließlich das Weichei sein.

»Komm lass uns hinsetzten!«, forderte mich Sandy nach einer Weile neben mir auf, »ich will hier schließlich keine Wurzeln schlagen.« Sie legte sich auf ihre Decke auf den Bauch und klopfte mit der linken Hand neben sich. Ich folgte ihr also und legte mich neben sie.

Das Kinn auf die Arme gelegt, sah ich die ganze Zeit zum Wasser hinunter und verfolgt das Treiben. Alle waren wieder im etwas flacheren Wasser, wo das Wasser nur noch höchstens bis zum Bauchnabel geht und bespritzten sich gegenseitig mit Wasser.

»Hey, alles in Ordnung?«, fragte mich Sandy plötzlich.

»Ja. Wieso nicht?«

»Du bist heute so still. Es scheint, als wenn dich irgendetwas bedrückt?«

»Nein, wirklich, mir geht es ausgezeichnet. Zumindest besser als heute Morgen. Den ersten Teil des Tages hätte ich wirklich in den Müllcontainer werfen können, aber der zweite Teil gefällt mir immer mehr ...«

»Wieso eigentlich?«

»Wieso eigentlich was?«

»Wieso gefällt dir der Tag immer besser?«

»Keine Ahnung warum, aber irgendwie geht es mir bedeutend besser, vielleicht ist es ja das Wetter oder vielleicht auch einfach deine Anwesenheit«, versuchte ich sie aufzuziehen und drehte dabei meinen Kopf zu ihr und sah sie direkt an.

»An mir oder einer anderen Person?«

»Wie meinst du das?«

»Ach nichts ...«

»Nun komm schon, was meinst du?«

»Ich soll was meinen? Ich bin doch blond. Vergiss es!«

Irgendwie stand ich auf dem Schlauch, ich begriff einfach nicht, was sie genau meinte, oder besser gesagt, ich wollte es nicht begreifen. So hatte ich dies auch schnell vergessen und mein Blick wanderte wieder gerade aus in Richtung Badestelle.

Matthias hatte gerade Christina auf den Schultern und machte Reiterkampf gegen Melanie und Marcus. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war, dass Melanie Christina so schnell wie möglich und so gut wie möglich von Matthias Schultern holt, damit sie etwas abkühlt. Warum ich das dachte? Keine Ahnung, es ging mir einfach durch den Kopf.

»Was macht eigentlich dein Freund?«, wandte ich mich jetzt wieder Sandy zu.

»Welchen Freund meinst du?«

»Daniel. Du weißt schon der ... Scheiße ... Entschuldigung!« Auf ihrem Gesicht lag ein leichter Schatten und ihre Mundwinkel hingen für einen Moment nach unten.

»Schon ok, halb so schlimm!«

»Seit wann ist es denn mit ihm vorbei?«

»Ich habe am Wochenende Schluss gemacht!«

»Du? Warum denn das? Ich dachte immer, er wäre dein Traummann!«

»Dachte ich zu Anfang auch, na ja, aber jeder darf sich doch täuschen. Mir wurde immer mehr klar, dass ich ihn nicht mehr liebte. Wir waren ja nur noch aus Gewohnheit zusammen. Unternommen hatten wir schon seit langem nichts mehr, was uns beiden auch Spaß machte.« Sandy machte eine kleine Pause und führte dann fort: »Zudem hatte ich ihn letztes Wochenende zufällig gesehen, wie er sich mit einer anderen verabredet hat. Groß, schlank, lange schwarze Haare, leicht gebräunte Haut, also genau das Gegenteil zu mir. Blond, klein und hellhäutig.«

»So ein Arsch«

»Ach, schimpfe nicht nur auf ihn! Ich bin ja genauso Schuld. Wir haben uns einfach auseinander gelebt, da kann keiner was für. Weder er noch ich. Es wäre sowieso auseinandergegangen. Hätte er sich nicht eine neue gesucht, dann hätte ich es wohl nächste Woche oder übernächste Woche. Einer ist nun mal der erste und diesmal war es er.«

»Ach, komm schon, ich merke doch, dir geht es doch jetzt viel näher, als du zugeben willst!«

Ich legte zärtlich einen Arm um sie und zog sie an mich heran. In ihren Augenwinkeln funkelten kleine Tränen. Ich drückte sie erst mal ganz eng an mich. »Hey, kein Problem, wenn irgendetwas ist, dann melde dich einfach bei mir. Ich bin immer für dich da, dass weißt du. Egal wann, egal wie.«

»Danke, du bist ein echter Freund«

»Das hoffe ich«, antwortete ich und versuchte sie etwas aufzumuntern. »Hast du ihn wenigstens einmal auf diese Frau angesprochen?«

»Nein, nie. Ich hab ihm einfach gesagt, es sei Schluss und so besser für uns.«

»Kann es vielleicht sein, dass du dich da verrennst. Vielleicht war es auch nur eine Bekannte von ihm. Sprich lieber noch einmal mit ihm. Vielleicht lässt sich ja noch etwas retten!«

»Ich bin mir ganz sicher. Er hat sie schließlich geküsst!«, wurde sie jetzt doch eher wütend, als dass sie noch traurig war.

»Wie hat er sie denn geküsst? Auf die Wange, auf den Mund?«

»Auf die Wange.« Und auf einmal wurde Sandy ganz kleinlaut. Ihr wurde auf einmal klar, dass sie sich da in etwas verrannt hatte. Ein Küsschen auf die Wange kann schließlich alles bedeuten. Vielleicht eine gute Freundin, vielleicht eine Verwandte und so weiter und so fort, da gibt es so viele Varianten.

»Danke«, kam es ganz leise von hier.

»Nichts zu danken.«

Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und schaute wieder zu den anderen nach unten. Ein kleines, ironisches Lachen kam von ihr.

»Wie kann man nur so blöd sein!«

»Ach komm schon, jeder ist einmal eifersüchtig und wenn wirklich nichts war, dann hat er auch keinen Grund, nicht wieder alles ins rechte Lot zu bringen, also Kopf hoch, wird schon wieder. Wenn er es nicht mal versucht, so hat er dich nicht verdient.«

»Danke«, schaut sie mir direkt mit ihren blauen Augen in die meinigen. »Danke, dass es dich gibt.« Und wieder ziehe ich sie ganz dicht an mich heran.

»Kein Problem. Wird schon wieder.«

Beide Köpfe wandern wieder nach vorne und schauen auf den See. Die Sonne steht schon etwas tiefer. Sie taucht den See in ein buntes Farbenspiel, vor allem die Orangetöne sind vertreten und es scheint, als wenn die restlichen 6 in einem Meer aus Gold baden.

Erst jetzt fällt mir auf, wie Matthias zu uns beiden heraufschaut. Seine Mundwinkel sind starr und sein Blick ist traurig und wütend zugleich. Aber im selben Moment, wo ich seinen Blick fragend erwidere, wendet er sich ab und beginnt wieder mit Christina, Melanie und Marcus einen Reiterkampf. Es dauert auch nicht lange, bis sie wieder aus dem See kommen und sich zu uns in die Sonne lümmeln.

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