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Forgotten Friendship

Teil 3

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Vorwort

Und schon gibt es auch Teil 3 der neuen Story. Und wie immer kommt ein kleiner Kommentar vorher, der eigentlich immer wieder das gleiche enthält:

Alle Personen in dieser Geschichte sind frei erfunden und keines der hier beschriebenen Ereignisse hat jemals stattgefunden. Sollte sich doch jemand negativ angegriffen fühlen, so what? Kann ich nichts dran ändern und kann nur sage, dass es mir dann nicht leid tut ;-)

Sonst schreibt mir natürlich wie immer, was ihr von der Story haltet! Was ihr verbessern würdet! Und so weiter.

So jetzt geht's aber endlich weiter mit der Story und gleich zu Anfang wird nun geklärt, was Maik eigentlich verbrochen hat. Ich glaube, es wird eigentlich keine große Überraschung geben. Trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Chris

 

»… und du versprichst, wirklich niemandem davon zu erzählen?«

»Natürlich nicht. Wieso sollte ich?!«

Auf seinem Gesicht liegt wieder dieser scheiß Schatten. Er wirkt immer so traurig damit. Anscheinend geht ihm die Sache doch ziemlich an die Nieren.

»Nun komm schon. Ich werd dir ganz sicher nicht den Kopf abreißen.«

Er ist noch etwas eingeschüchtert. Er lässt den Kopf nach unten sinken, starrt zu Boden und beginnt dann doch leise, fast so leise, dass man es fast nicht verstehen kann, an zu erzählen.

»Es war vor etwa 6 Monaten. Es ist noch gar nicht so lange her. Ich glaube, es war vor etwa 6 Monaten. Ich hatte mich damals direkt auf den ersten Blick verliebt ...«

Er kommt bei diesen Worten ins Stocken und Tränen sammeln sich in seinen Augenrändern.

»Hey komm. Verlieben ist doch was Schönes. Das kann ja nicht das schlimme gewesen sein?!«, versuche ich ihn irgendwie wieder zu Wort zu bringen.

»Doch ist es anscheinend. Zumindest für einen großen Teil der Gesellschaft.«

»Wie soll ich denn das verstehen? Verlieben ist doch kein Verbrechen, deine Eltern haben sich ja schließlich auch mal aus den unergründlichsten Gründen ineinander verliebt. Sonst wärst du gar nicht auf der Welt.«

»Das ist ja auch was anderes!«

»Wieso soll das was anderes sein? Hast du kein Recht die zu verlieben?«

»Verlieben schon, aber nicht so wie ich!«

»Sorry, aber das versteh ich nicht? Wieso du nicht und vor allem nicht so?«

»Hast du es immer noch nicht verstanden?«

»Sorry, nein! Ich steh im Moment etwas auf dem Schlauch.«

»Mensch ich bin schwul.«, schreit er mir schon fast mit einer Affenlautstärke ins Gesicht. Zum Glück ist niemand in der Nähe, sonst wäre ihm das vielleicht noch peinlich gewesen. Erst mal ist das natürlich ein Schock. Damit habe ich nun überhaupt nicht gerechnet. Es folgen einige Minuten des Schweigens. Hab ich das richtig verstanden? Maik ist schwul? Und wieso soll das so schlimm sein? Ich bin es ja schließlich auch. Bloß ich hänge es nicht gleich an jede Glocke. Es herrscht komischerweise immer noch dieses unangenehme Schweigen. Wieso bekomm ich dazu eigentlich keinen Kommentar raus. Ist doch völlig normal. Aber ihn scheint es doch ziemlich mitzunehmen. Er liegt da, den Kopf in die Hände gestützt und es ist ein leichtes Schluchzen aus seiner Richtung zu vernehmen. Plötzlich reißt er den Kopf hoch und schaut mich mit blutunterlaufenen Augen an, aus denen wie heftig Tränen fließen.

»So jetzt weißt du es. So geschockt. Dann bepiss dich doch vor Lachen. Schrei es überall herum, aber verschwinde.«

Als ich keine Anstalten mache, ihm zu antworten oder mich aus dem Staub zumachen, springt er auf und will sich seine Sachen schnappen und abhauen.

»Wenn du nicht gehst dann verschwind ich ...«

»Du bleibst hier!«, entfährt es mir, ohne ihn auch nur aussprechen zu lassen. Ich packe seine Hand und ziehe ihn wieder auf den Boden zurück. Er lässt sich fallen und schaut mich mit großen Augen an.

»Was hältst du denn von mir? Glaubst du deswegen würde ich mich lustig machen, oder dich links liegen lassen?«

Auf seinem Gesicht bildet sich ein großes Fragezeichen, das immer großer wird.

»Wieso solltest du nicht? Es ist doch was abartiges, perverses und verabscheuenswürdiges.«

»Wer hat dir denn diesen Scheiß erzählt?«

»Mirko und meine Eltern?«

»Was? Das ist nicht dein Ernst oder?«

»Doch!«

»Du willst mir doch nicht wirklich weiß machen, dass sie nur deswegen wieder zurückgekehrt sind? Etwa wirklich weil du schwul bist?«

Von ihm kommt nur ein Kopfnicken. In mir staut sich in diesem Moment alles auf. Ich glaube so viel Wut hatte ich noch nie zuvor in meinem Körper. Das kann doch nicht möglich sein.

Ich will es einfach nicht begreifen. Kann es heute noch so ein Thema geben?

»Was haben sie sich denn davon erhofft, dass sie wieder hierher sind?«

»Na ja, dass ich hier auf andere Gedanken komme, auf Gedanken mit Mädchen, so dass ich wieder normal werde.«

»Wie bitte? Wie soll denn das gehen? Wie kann ein normaler Mensch noch normaler werden? Und wieso glauben sie, dass es genau hier klappen wird?«

»Es hängt vor allem damit zusammen, dass mich meine Freunde in Köln sehr in meiner Homosexualität unterstützt haben und mir Mut gemacht haben. Für sie ist es etwas völlig normales, dass ich auf Männer stand.«

»Stehst.«

»Ja stehe. Ich weiß. Ich komme auch nicht aus meiner Haut!«

»Du hast vorhin gesagt, du hättest dich vor 6 Monaten verliebt? In wen denn?«

»Das war ja noch das schlimmste. Es war ein «Freund» aus meiner Klasse. Er sah und sieht wahrscheinlich immer noch zuckersüß aus ...«

»Und ihr wart zusammen?«

»Lass mich doch erst mal ausreden!«

»Sorry. Ich halte schon meinen Mund. Mach weiter.«

»Ich hatte mich also in Sascha, so hieß er, verliebt. Er war wirklich ein Traum von Mann. !,80 Meter groß, rehbraune Augen und ein Lächeln zum verlieben. Ich hatte mich vom ersten Tag an in ihn verliebt. Doch zu Anfang wollte ich es mir selber nicht eingestehen, ich hatte immer noch die Hoffnung es wäre ein Phase. Doch irgendwann konnte ich nicht mehr. Ich war innerlich fertig. Es war alles zu heftig für mich und irgendwann war ich dann soweit, es meiner besten Freundin zu erzählen.«

»Und wie hat sie reagiert?«

»Ich dachte ich kann ausreden?«

»Tschuldigung, aber ich bin halt etwas neugierig!«

»Schon in Ordnung.«, und lächelt mich leicht an. Er scheint mit meiner Neugier nicht gerechnet zu haben. »Ja, sie hat hat positiv reagiert. Sie hat mir sogar gesagt, sie hätte es schon lange gewusst. Sie wollte bloß, dass ich aus mir herauskomme und sie mich nicht dazu zwingt. Sie ist wirklich eine Liebe. Von Anfang an bekam ich von ihr Unterstützung. Natürlich habe ich ihr dann gleich auch meine Liebe zu Sascha gestanden, die der eigentliche Auslöser war, wodurch ich meine Homosexualität erkannte. Ich lag den Abend heulend in ihren Armen und sie hat mich einfach bloß getröstet gehabt. Ich vermisse sie am meisten.«

»Bist du nun eigentlich mit Sascha zusammengekommen?«

Ein Schatten viel über Maiks Gesicht. »Nein! Eines Tages konnte ich es einfach nicht mehr aushalten und so habe ich zusammen mit meiner Freundin einen Brief an Sascha geschrieben, in dem ich ihm gestand, dass ich in ihn verliebt sei. Keiner von uns wusste ja, ob er nun schwul, hetero oder bi war und zudem bildete ich mir ein, er würde mir Signale schicken, wenn er mich mal länger von der Seite anschaute, oder wenn er mit mir die ganze Zeit rumalberte. Aber dem war nicht so. An dem Morgen sah ich aus wie eine Leiche. Mein Herz flatterte und ich war käsebleich. Keine Ahnung was mich dazu trieb, ihm dann den Brief zu geben. Aber irgendwie schaffte ich es doch. Ich steckte ihm einfach den Brief in die Tasche und irgendwann würde er ihn garantiert finden. Und so war es auch. Die erste Stunde saß ich zitternd in der Schule konnte keinen Gedanken fassen und hatte einfach bloß Angst vor einer Abweisung. In der ersten Pause war dann auch die Gelegenheit da. Seine Tasche stand unbeobachtet da und so ergriff ich die Chance und ließ den Brief einfach in die Tasche fallen.

Die Minuten darauf waren einfach bloß grausam. Ich stand im Zwiespalt. Sollte ich den Brief doch noch wieder zurücknehmen oder sollte ich ihn dort stecken lassen? Ich stand da und wusste nicht, was ich machen soll. Ich muss wie ein bekloppter den Tag ausgesehen haben.»

»Das geht gar nicht! Du wirst nie wie ein Bekloppter aussehen!« Kurzfristig fällt ein leichtes Lächeln auf seine Lippen und in seinen Augen ist ein leichter Glanz zu erkennen.

»Auf jeden Fall beendete die Klingel meine Zweifel. Alle kamen wieder auf ihre Plätze zurück und so war für mich die Chance vergeben, das Briefchen wieder aus seiner Tasche zu fischen. Ich saß eingeschüchtert und verängstigt auf meinem Platz und traute mich nicht umzuschauen. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, dass Angst vor dem bösen Onkel Doktor hat. Aber es war schlimmer. Mein Herz flatterte und ich schwitzte wie bescheuert.

Man hätte mich wie einen feuchten Lappen auswringen können. Es waren wohl die schwersten Minuten in meinem bisherigen Leben. Die Stunde verging schneller als mir lieb war. Die Minuten rannten nur so davon. Ich hatte Angst, dass die Stunde zu Ende geht, denn dann hätte ich mich ja umdrehen müssen und hätte gesehen, ob und wie er auf das Briefchen reagiert. Ich wollte es einfach nicht. Mir stand das Wasser bis zum Hals. Aber leider konnte ich die Zeit nicht anhalten. Es ging einfach nicht und irgendwann ertönte die Klingel. Ich blieb aber sitzen. Keinen Millimeter rührte ich mich. Ich wollte einfach nicht die Reaktion sehen. Erst als mich mein Lehrer fragte, ob noch etwas sei, als schon alle das Zimmer verlassen hatten, begann ich meine Sachen zusammenzupacken und verließ schleichend und ängstlich das Zimmer. Als ich auf dem Flur stand und hinter mir die Tür geschlossen wurde, war mir klar, ich hatte etwas Falsches gemacht. Ich stand auf dem Flur und von allen Seiten schauten mich die Menschen an. Sie starrten auf mich und machten große Augen. Ich wäre am liebsten in dem Moment in einem Mauseloch verschwunden. Doch ich wusste nicht, warum sie mich angestarrt hatten. Ich schlich den Flur entlang und wollte eigentlich zu meiner besten Freundin, da kam ich am schwarzen Brett vorbei. Ein Blick dorthin genügte und ich wusste sofort was los war. Mit Nadeln war dort mein Brief ausgefaltet und fein säuberlich festgemacht. Jeder konnte lesen, was in meinem Innersten vorging, was mit mir los war. Jede einzelne Kleinigkeit stand da drin. Mein ganzes Gefühlsleben war zugänglich für die Menschen geworden. Ich stand vor dem Brett und starrte meinen Brief an. Ich konnte einfach nicht fassen, dass er so etwas drauf hatte. Ich konnte und wollte es einfach nicht. Ich stand davor und starrte einfach nur den Brief an. Alle Kraft war aus meinem Körper gewichen und ich konnte keine Bewegung mehr ausführen und um mich bildete sich schon eine Menschentrauben. Hinter mir hörte ich plötzlich eine Mädchenstimme, die freudig meinen Namen rief, doch als sie neben mir stand wich auch aus ihrem Gesicht die Farbe, sie stand da und starrte den Brief an, den ich mit ihr zusammen geschrieben hatte. ‚Scheiße' war nur von ihr zu hören.

‚Hey Schwanzlutscher! Willst du mal mein Ding sehn?'

‚Soll ich dir schnell noch in den Arsch ficken, damit es dir wieder besser geht? Auf so was steht ihr doch ...' kamen lauter solche dämlichen Kommentare von Leuten hinter uns.

Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Aus meinen Augen kamen die Tränen wie reißende Flüsse und mein Gehirn gab nur noch dummes Zeug von sich. Ich nahm meine Beine in die Hand und rannte davon. Ich wusste nicht mal wohin ich lief, nur erst mal raus aus dieser Schule. Meine Umwelt nahm ich nur verschwommen wahr. So passierte es auch, dass ich den einen oder anderen in meiner Eile umrannte. Ich wollte bloß noch weg, weg von diesem Ort, weg aus dieser Zeit. Ich lief und lief und lief und irgendwann stand ich dann vor meiner Wohnungstür. Mit zittrigen Händen öffnete ich das Schloss, rannte in mein Zimmer und schloss mich dort ein. Ich wollte alleine sein. Ich wollte nichts mehr von meiner Umwelt mitbekommen. Einfach bloß noch Stille und kein Gesicht mehr, welches mich an den heutigen Tag erinnert. Kurze Zeit später klingelte es an der Tür. Ich hatte keine Lust zu öffnen, aber irgendwie hab ich mich dann doch noch aufgebaut und zur Tür geschleppt. Mel, meine beste Freundin, stand davor. Sie war genau wie ich vor der Meute geflüchtet. Sie konnte es einfach nicht mit ansehen, wie ich hier alles verlor. Meinen Glaube an die Menschheit, meine Fröhlichkeit, alles.

Ich war auch nahe davor alles einfach fallen zu lassen und abzubauen. Doch zum Glück zeigte Mel mir die Bilder von Menschen, denen ich doch sehr am Herzen lag und sie zeigte mir nicht nur Bilder. Schon kurze Zeit später stand unsere gesamte Clique vor meiner Haustür. Ein Wunder wie ich die alle in mein Zimmer hinein gequetscht habe. Aber es kam eine leicht aufbauende Stimmung auf. Jeder hatte einen guten Ratschlag, was ich jetzt machen sollte, doch wirklich geholfen hat mir nur, als ein Freund plötzlich sagte: »Sascha ist ein Arschloch. Der hat dich gar nicht verdient!« Es war einfach zu schön für solche Kommentare, sie gingen und gehen runter wie Öl. Meine Freunde haben es dann doch geschafft, mich aus meiner Verzweiflung zu bringen. Ich wollte an diesem Nachmittag einfach nicht weiter darüber nachdenken, wie es in der Schule abgelaufen war. Die Stunden mit ihnen taten richtig gut. Ich vergaß, wie die Leute mich angepöbelt hatten, wegen meiner Homosexualität. Mich freute es einfach, dass ich so offen von ihnen behandelt wurde. Für sie war es absolut kein Problem, dass ich schwul bin. Die Kommentare von ihnen waren inhaltlich immer die gleichen »Ja und? Ist das etwa etwas besonderes?« Es war einfach schön zu wissen, dass es Leute gibt, die in jeder Lebenssituation ohne wenn und aber zu einem stehen und dafür keine Gegenleistung außer deiner Freundschaft verlangen. Es war wirklich der einzige Lichtblick an diesem Tag. Wobei die Uhr schon vor geschritten war. Knapp 19:30 als ich dann alle bat zu gehen, weil meine Eltern gleich kommen würden und vor allem weil ich doch noch etwas Ruhe brachte, um alles zu verdauen. Dieser Tag war wirklich heftig. Knapp waren alle aus meinem Zimmer heraus, da standen auch schon meine Eltern mit Mirko in der Tür. Doch sie sahen ziemlich angefressen aus und der Grund dafür wurde mir gleich offen auf den Tisch gelegt.
Mirko hatte aus der Schule meinen Brief vom schwarzen Brett genommen und ihn einfach meinen Eltern gezeigt. Ich hatte noch nie erlebt, dass er so hinterfotzig mir gegenüber war. Aber anscheinend verstand er nicht, wie ich denke. Der Abend war aber dennoch heftiger als der ganze Tag in der Schule. Mein Vater schrie das ganze Haus zusammen, während mir meine Mutter mir und sich immer wieder Vorwürfe machte, was sie falsch gemacht habe. Doch auch mein Beruhigen, dass sie nichts damit zu tun hatte, dass ich schwul bin, wollte sie nicht beruhigen. Sie wurde stattdessen immer aggressiver und gab mir zum Schluss noch eine Ohrfeige. Immer und immer wieder hörte ich mir von meinem Vater an, was für ein verkommener Sohn ich doch sei. Ich würde das Familienansehen mit diesem Brief in den Augen aller Menschen in den Dreck ziehen. Sie könnten angeblich nicht mehr auf die Straße gehen ohne gleich von jedem auf meine Homosexualität angesprochen zu werden. Mirko saß mir stumm gegenüber und ließ keinen Kommentar ab, aber man merkte ihm an, dass er mich dafür hasste, dass ich schwul sei. Er wollte es einfach nicht, einen anormalen, perversen, arschfickenden Bruder zu haben. Doch ich kann ja nicht gegen mich selber kämpfen.

Ich versuchte ihnen klar zu machen, dass ich schwul bin und daran sich nichts ändern kann und dass dies auch nichts Schlimmes ist. Alle meine Freunde hatten es ja einfach hingenommen ohne murren und verstanden auch nicht, wie man solch eine Aufregung darum machen konnte. Als ich das erzählte drehte mein Vater total durch. Er warf meinen Freunden vor, sie hätte mich erst dazu überredet schwul zu sein. Sie würden mich bloß so beeinflussen, damit ich für sie alles täte. Er war so aufgebracht, am liebsten wäre er aus der Wohnung gestürmt und hätte sich jeden einzeln von ihnen vorgeknöpft. Er konnte einfach nicht verstehen, dass es Menschen gab, die Homosexualität als etwas völlig normales ansehen.

Er wollte es einfach nicht wahr haben. Er redete sich immer mehr in Rage. Beschimpfte meine Freunde vor mir aufs derbste und wollte von mir keine Widerworte hören. Doch ich konnte nicht anders. Ich schrie zurück, dass sie wenigstens da waren, als es mir schlecht ging und mich aufheiterten, ohne irgendeine Gegenleistung zu verlangen und mich einfach bloß so akzeptieren wie ich bin. Da bekam ich von meinem Vater so eine gescheuert, dass ich zurück viel und unsanft auf dem Boden landete. ‚So bist du nicht!', schrie er und wollte mir klar machen, dass ich mir das alles nur einbildete. Er wollte mir zeigen, dass Homosexualität etwas schlimmes sein. Etwas Verachtungswürdiges. Doch als ich stur blieb, da wurde er bloß noch aggressiver. Am liebsten hätte er mich wohl vermöbelt, doch ich saß schon heulend auf dem Boden und wusste nicht mehr, wie mir geschah. Mirko saß immer noch so da wie vorhin, bloß dass sich jetzt ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht bildete. Er dachte wohl, meine Eltern würden so richtig handeln. Er denkt bis zum heutigen Tage so, dass Schwule einfach bloß pervers sind. Der Abend ging so aus, dass sich mein Vater irgendwann wieder beruhigt hatte, aber dennoch seine ersten Entscheidungen gefällt hatte. Er verbat mir den kompletten Umgang mit meinen bisherigen Freunden und würde er mich auch nur einmal etwas länger mit ihnen erzählen sehen, da würde er mich windelweich schlagen. Ich saß wie geschockt da und konnte nicht glauben, dass vor mir der Vater saß, der mich noch vor 10 Jahren auf seine Schultern genommen hat, mit mir durch die Wohnung getobt ist und zu dem ich immer kommen konnte, wenn ich ein Problem hatte. Ich konnte einfach nicht versehen, wie er so reagieren kann. Mir meine Freunde wegnehmen war das Schlimmste, was er tun konnte.

‚Wir werden gemeinsam gegen diese abartige Krankheit vorgehen', schwor er mir, als er mich dann in mein Zimmer schickte. Ich war so enttäuscht von meinen Eltern und so am Boden zerstört, dass ich nur noch in mein Zimmer kroch. Es war alles zu viel. Von einem Tief zum Hoch und dann in ein noch schlimmeres Tief als vorher. Es war zum Kotzen, am liebsten wäre ich weggelaufen, doch mir fehlten an diesem Abend die Kraft und der Mut dazu. Ich lag auf meinem Bett und die Tränen liefen wie reißende Ströme über meine Wangen. Ich konnte nicht verstehen, was alles geschehen war. Aber eins wusste ich schon da. Ich werde immer schwul sein und es gibt kein Mittel dagegen. Es ist einfach so und meine Freunde werde ich mir auch nicht wegnehmen lassen, nie. Vom Wohnzimmer her hörte ich immer wieder die Schreie meines Vaters, wie er mit meiner Mutter über die Maßnahmen diskutiert. Er war immer noch auf 180, doch mir war das so was von scheißegal. Irgendwann bin ich dann über meinen Gedanken und Tränen eingeschlafen und erst am nächsten Morgen aufgewacht. Und gleich da erwartete mich der nächste Schock. Zu Anfang eröffnete mir mein Vater, er werde für mich einen Therapieplatz suchen und so lange wird mein Bruder auf Schritt und Tritt hinter mir her sein und aufpassen, dass ich keinen Kontakt mehr zu den Leuten habe und auch keinen »Mist« mehr baue. Ich hätte kotzen können, als ich das hörte. Der will mich doch tatsächlich fertig machen, schoss es mir durch den Kopf. Aber immer wieder hörte ich von ihm ‚Gemeinsam schaffen wir es diese Krankheit zu besiegen!' Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt bei diesem Satz, doch das konnte ich nicht, dann hätte ich mich gleich ins Krankenhaus einliefern lassen können. Die nächsten Tage waren der Horror. Jeden Schritt, den ich tat, überwachte mein Bruder. Er wich erst von meiner Seite, als es zur Stunde klingelte und stand beim nächsten Klingeln schon wieder vor der Tür, um mich abzuholen. Am liebsten wäre er noch mit auf Toilette gekommen, um auch zu kontrollieren, dass ich nichts anderes mache als pissen. Ich hätte ihn umbringen können. So lief es die ersten Tage und Wochen, bis es mir und meinen Freunden irgendwann reichte. Sie griffen sich meinen Bruder und scheuchten ihn weg, damit sie endlich mal wieder mit mir reden konnten. Doch genau dies war ein großer Fehler, denn kaum wurde es Abend petzte mein geliebter Bruder alles meinen Eltern und ihnen fehlte nur noch dieser Funken, um endgültig zu beschließen, wieder zurückzukehren. Die drei folgenden Tage darauf saß ich zu Hause und musste widerwillig meine Sachen für den Umzug packen. Ohne auch nur Abschied von meinen Freunden nehmen zu können, fuhren wir 3 Tage später hierher und sind seitdem hier. Das ist die ganze Geschichte.»

Maik sitzt vor mir mit Tränen in den Augen. Ihn nimmt es wieder mit, auch nur davon zu Berichten, es ist alles noch viel zu frisch. Ich sitze da und kann einfach nicht verstehen, dass es wirklich so abgelaufen ist. Ist das der Mirko, der vor 10 Jahren mein bester Freund war? Mit dem ich alle meine Geheimnisse teilte? Gott, soll ich mich so in ihm geirrt haben? Ist wirklich so ein verhasster Mensch aus ihm geworden?

Ich bekam kein vernünftiges Wort mehr raus. Ich war von seiner Geschichte einfach nur geschockt, ich wollte einfach nicht wahr haben, dass aus dieser lieben Familie von damals, dieses etwas übrig geblieben ist. Maik tat mir bloß leid. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen und getröstet, doch ich konnte es mir noch verkneifen. Ich weiß nicht, wie lange wir so schweigend da saßen, aber plötzlich drang von hinten eine Stimme an uns heran.

»Hey, na wie geht's? Schon schön Sonne getankt?«, kam Mirko auf uns zu.

Ach du Schande, waren wirklich schon 2 Stunden vergangen? So lange sitzen wir hier schon und erzählen? Hinter Mirko marschierte komischerweise noch ein ganzer Trupp von Leuten hinterher.

»Ihr habt doch nichts dagegen, dass ich noch ein paar Leute aus meiner Klasse mitgebracht habe? Wir wollen uns alle ein bisschen besser kennen lernen und ein bisschen Spaß haben!«

»Nein, kein Problem, von mir aus!«, gab ich als Antwort zurück. Wobei es mir natürlich was ausmachte. Ich bin im Moment eigentlich nicht zum Feiern aufgelegt, nachdem ich alles erfahren habe.

»Habt ihr beiden eigentlich die Schwanzlutscher vorne am Tor gesehen. Die sind so abartig und pervers.« Kommt es plötzlich von Mirko.

»Pass bloß auf, dass sie dir im Pool nicht gleich in den Arsch ficken!«, kommt es von irgendeinem Idioten aus der Gruppe, die er mit angeschleift hat.

In diesem Moment springt Maik auf, schnappt sich seine Sachen und dampft ab.

»Toll gemacht Herr Schlaumeier.«, fauche ich Mirko an, doch der schaut mich mit unschuldigen Augen an.

»Was hab ich denn schlimmes gemacht, bitte schön?«

»Das müsstest du wohl am besten wissen. Schwanzlutscher auch nur in den Mund zu nehmen in der Gegenwart deines Bruders. Ich frag mich echt wie kalt man sein kann ...«

»Ach, du hast doch keine Ahnung.«

»Oh doch, jetzt schon!«

»Ach, hat er dir von seiner angeblichen Homosexualität erzählt? Das wird sich schon wieder legen. Ist bloß so eine kindische Phase von ihm!«

»Ich frag mich bloß eins: Wer von euch beiden ist eigentlich das Kind. Maik macht auf mich eigentlich einen ziemlich reifen Eindruck, im Gegensatz zu anderen.«, zische ich ihn an, krall mir meine Sachen und laufe in die Richtung, in die Maik verschwunden ist.

Ich erwische ihn noch vor dem Tor des Freibades, wie er gerade sein Fahrrad schnappen und davonfahren will.

»Maik! Warte bitte einen Moment!«

Erschrocken dreht er sich zu mir um und schaut mir in die Augen.

»Was ist?«

»Komm bleib noch etwas und lass Mirko einfach links liegen. Er ist einfach bloß ein Arschloch. Keine Ahnung wie er so werden konnte.«

»Sorry, aber ich bin heute nicht mehr in der Stimmung dazu und schon gar nicht, wenn diese Typen dabei sind.«

»Ist verständlich.«

»Bleib du noch wenn du willst, aber ich fahr nach Hause. Ich brauch erst mal meine Ruhe.«

»Ok, nehme dir die Zeit. Tut dir vielleicht ganz gut. Aber grüble nicht so viel, dass schadet bloß deinem schönen Kopf und lässt dich viel schneller altern.«

Auf seinen Lippen entsteht wieder eines dieser kurzen Lächeln, über dich ich mich schon immer als Teilerfolg freue.

»Wenn du irgendetwas auf dem Herzen hast. Komm einfach bei mir vorbei. Wir können über alles reden. Ok?«

»Ok gemacht!«

Ich gab ihm noch schnell meine Adresse und Wegbeschreibung, er wusste ja nicht wo ich wohnte und schon dampfte er ab. So stehe ich nun allein vor dem Freibad. Doch richtig Lust wieder hineinzugehen, habe ich auch nicht, schon gar nicht, nachdem ich erfahren habe wie Mirko wirklich ist. So schnappe ich mir mein Rad und fahre einfach nach Hause.

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