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Der Bulle und der Pfleger

Teil 3

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Silvester 2006

Mittlerweile hatte ich etwas Abstand gewonnen von der weihnachtlichen Aktion. Meine Eltern, Éthans Familie und er selbst taten alles Mögliche um mich abzulenken.

Mutti und Oppi hatten kurzfristig beschlossen, die Jahreswende bei Éthis Familie zu verbringen, da Beli eh mit Flocke um die Häuser zog und ich Silvester nun wirklich nicht mit kreischenden Tunten in der Szene verbringen wollte.

Ich fuhr bereits in der Früh nach Strasbourg, während meine Eltern im Laufe des Nachmittags eintreffen wollten.

Ein riesengroßes Hallo aus mehreren Kehlen stellte die Begrüßung dar. Küsschen hier, Küsschen da, hier gewuselt, da geknuffelt, hier gedrückt, da geknuddelt. Welch eine herzerfrischend bekloppte Familie.

Éthi musste nochmals kurz zu seiner Dienststelle. Und endlich war für mich DIE Gelegenheit gekommen:

„Hm, Papa?“

„Oui?“

„Ich mein, ich kann ja mehr oder weniger perfekt französisch, aber kann es sein, dass es bei euch Ausdrücke gibt, die ich nicht kenne? Ich meine in Bezug auf Spitznamen oder Kosenamen?“

„Warum fragst du?“

„Hm, nun ja, Éthi bezeichnet mich immer als Fahrgestell?“

„Wie?“

„Na ja, er sagt immer 'Chassis' zu mir?“

4 Sekunden Stille – Lachflash

hatte ich mal erwähnt, dass ich ab und zu Kreislaufprobleme habe?

· fahle Blässe

· gesättigte Röte?

Ja?

Ok.

„Ooooh Cedric; kennst du die Bezeichnung 'Chouchou'?“

„Hm, ja, bedeutet, so glaub ich, Liebling?“

„Oui. Und kennst du die Bezeichnung 'mon trésor'?“

„Hm, ja, bedeutet mein Scha …“

Und dann bekam ich einen Lachflash. Ich hatte anschließend wirklich Bauchschmerzen und Tränen in den Augen.

Im französischen Wortschatz gibt es keine Worte, die mit einem 'Z' gesprochen werden.

Bei 'chez' (bei) wird das 'Z' überhaupt nicht ausgesprochen und bei Worten wie Cezanne wird das 'Z' wie ein 'S' ausgesprochen.

Éthi meinte folglich die gesamte Zeit 'Schatzi' und sprach halt nun mal es als 'Schassi“ aus, woraus ich aufgrund der Aussprache folgerte, dass er das 'Chassis' meinte.

Als er mittags nach Hause kam, habe ich - nach einer leidenschaftlichen Begrüßung - ihn sofort in die Mangel genommen:

„Hm, Éthi, kannst du Englisch?“

„Wie? Wieso fragst du? Ja klar. Ist bei uns im Polizeidienst Voraussetzung.“

„Gut. Sag doch mal let's go.“

„Waaaas? Spinnst du?“

„Sag's doch einfach mal bitte. Bitte.“

„Let's go“

„Bon. Und genau mit diesem 'z' wird im Deutschen 'Schatzi' ausgesprochen.“

„Ooooh? Schatzi? Aaaaaaaaaaaaaaaaaaahh. Du meinst … ooooh … d'accord.“

„Chapeau“

Ab diesem Zeitpunkt hat das mit dem 'Schatzi' auch bestens funktioniert. *fg*

Gegen 18 Uhr kamen auch meine Eltern an. Im Strasbourger Münster war der Jahresabschlussgottesdienst angesagt. Éthi blieb jedoch bei mir, da ich ja (siehe Teil 2) keine Kirche mehr besuchte.

„Weißt du was Liebling?“

„Was, Schatzi?“

„Wir feiern unseren eigenen, privaten Jahresabschluss. Nur du und ich.“

„Oooooh, sehr gute Idee.“

Und wir feierten ihn! *sfg*

Es entwickelte sich eine ausgelassene, lustige Party und um Mitternacht begrüßten wir fröhlich feiernd, umarmend, küssend das neue Jahr.

Éthi und ich hatten noch die restliche Woche frei. Und so machten wir Tagesausflüge in andere Städte verbunden mit ausgedehnten Einkaufsbummeln und Restaurantbesuchen.

Freitag musste ich kurz ins Kanti fahren wegen der Dienstplangestaltung auf meiner neuen Station. Während der Krankenpflegeausbildung wird man auf verschiedenen Stationen eingesetzt und zum Januar 2007 wechselte ich auf eine Kinderchirurgische Station.

Mit Éthi hatte ich ausgemacht, dass wir uns am Feldberg bei Freiburg zum Skifahren treffen, da ich ja eh noch meine Skier in Lörrach holen musste.

Also, ab nach Hause, umgezogen, Schuhe und Skier eingepackt und ab zum 'Fahler Loch'.

Warten

Warten

Mein Handy klingelt.

„Schatzi, ich warte auf dich?“

„Aha, sag mal Éthi, wo bist du denn momentan?“

„Wie? Natürlich am Lift. 'Grafenmatt'.“

„Ééééééééééthan! …“

„Schatzi?“

„Ta geule. Wir hatten 'Fahler Loch' ausgemacht. DU DEPP!“

„Ooooh. Warte. Ich eile.“

Mann, Mann, Mann, dieser Chaot kostete mich Nerven. Es war ja nicht das erste Mal.

Verabredeten wir, dass er mich auf der Arbeit abholen sollte, wartete er bei mir zuhause auf mich.

Wir hatten uns mal an der Basler Messe verabredet. Wo wartet er? Am Kanti.

Wir hatten uns am Freiburger Münster verabredet. Wo wartet er? Bei Angie.

„Éthi, du bist doch Bulle?“

„Ja.“

„Erklär mir doch mal bitte, wie du zu einem Einsatzort kommst? Fährst du anstatt zur Eishalle zum Europaparlament oder wie?“

„Ooooh. Ich habe doch fast immer meine Kollegin dabei. Und Navigationssysteme haben wir auch.“

*grrrrrrrrrrrrrrrr*

Das Schlimme war ja: Ich konnte dem Kerl gar nicht böse sein. Zog er seinen Schmollmund, war bei mir eh alles zu spät. Und wurde er nervös, wanderte seine Zunge immer von einem Mundwinkel zum anderen, während die Zungenspitze herausschaute. Und in dem Moment konnte ich ihn nur küssen.

Samstagabend fuhren wir wieder nach Strasbourg. Montags mussten wir ja wieder arbeiten und daher hatten wir für Samstag eine Runde durch die Strasbourger Szene geplant.

Gegen 22 Uhr fuhren wir zu einer Schwulen-Disse und blieben dort bis gegen 2 Uhr. Wir hatten uns ausgelassen auf der Tanzfläche ausgetobt.

Auf dem Weg zum Auto mussten wir ca. 2 km laufen. Unterwegs erschienen plötzlich 5 dubiose Gestalten.

Und ehe ich reagieren konnte, hatte ich einen Tritt im Bauch und lag auf der Schnauze.

Ich hörte eine Stimme, deren Eiseskälte und Härte ich noch nie in meinem Leben vernommen hatte.

Es war tatsächlich Éthi.

„Va fati, encula!“

(kann man am ehesten mit 'Verrecke, du Sau' übersetzen)

Ich erholte mich zum Glück ziemlich schnell, und dann trumpften wir auf.

Aus meinem Augenwinkel bemerkte ich, dass einer dieser 5 Faschos sich nicht traute, sich einzumischen und eher durch Passivität glänzte.

Ok.

Waren erst mal nur 4 Idioten zu bändigen.

Es wurde für sie ein Desaster.

Nun ja, die wussten ja nicht, dass Éthi aufgrund seines Berufes sehr wohl in Selbstverteidigung unterrichtet war. Hinzu kamen seine zusätzlichen 'Lehrstunden' bei seinem Vater. Dieser war nämlich Offizier bei der Fremdenlegion (in Strasbourg befindet sich eine Aufnahme-Kaserne der Legion). Und bei diesen 'Lehrstunden' lernte er natürlich noch andere Tricks und Raffinessen.

Und dass ich jahrelang in diversen asiatischen Kampfsportarten sportlich tätig war, hatte ich mir ja nun auch nicht zwingend auf meiner Stirn eintätowieren lassen.

Irgendwann lagen 3 dieser Schwachmaten am Boden, der 4. torkelte nur planlos herum und der 5. war plötzlich verschwunden.

„Éthi? On y va.“

„Ok. Aber meine Kollegen sind wohl schon unterwegs.“

„Mir egal. Ich habe nun eben überhaupt keinen Bock auf eine popelige, ungemütliche Amtsstube auf irgendeinem popeligen, ungemütlichen Polizeirevier.“

„Schatzi? Bei uns haben wir einen Raum mit einer Couch.“

*AAAAAAAAAAAAAAAAAAAHH*

„Lass uns gehen. Denen war das hoffentlich eine Lehre.“

„Ok. Aber ich werde dezent Erkundigungen einziehen und notfalls nähere Angaben machen und aussagen.“

„Chapeau“

Wir fuhren dann nach einem Abstecher in ein Flammkuchen-Restaurant zu Éthi.

„Liebling, war vorhin nicht von einer Couch die Rede?“

„Oooooooh. Jaaaaaaa.“

34 Sekunden später lagen wir auf selbiger. Umarmend, streichelnd, küssend.

Nach gefühlten 2 ½ Stunden Küsserei gingen wir ins Bett – und schliefen 4 Stunden später überglücklich ein.

Am Montag war wieder Arbeit angesagt, und somit auch die alltäglichen, abendlichen Telefonate.

Auf der neuen Station hatten wir einen Krankenpfleger, irgendwas störte mich an diesem Typ. War es seine penetrante, forsche Art? Waren es seine dümmlichen Sprüche? Waren es seine anzüglichen Bemerkungen?

Im Gegensatz zu mir sah man ihm das Schwulsein schon 10 km gegen den Wind an. Mich hätte es nicht gaunter, wenn er aufgrund der Kälte mit einer weißen Federboa herumgeschwebt wäre.

„Cedriiiiiic?“

*grrrrrrrrrrrrrrrrr*

„Ja?“

„Sage mal, hast du eine Freundin?“

„Nein“

„Sage mal, hast du einen Freund?“

„Ja.“

„Oh la la. Habe ich dir schon mal gesagt, dass du geil aussiehst?“

„Ja.“

„Und?“

„Lass mich in Ruhe.“

„Wollen wir mal zusammen ausgehen?“

„Nein. DU NERVST!“

„Nun tu doch nicht so. Wir könnten viel Spaß zusammen haben.“

„Nein!“

„Das muss doch dein Freund nicht erfahren.“

Und dann tickte es bei mir aus.

Ich packte in an der Gurgel, drückte ihn gegen die Wand, und sagte gaaaaaaanz leise zu ihm:

„Herr Kai Dubbelbibbeldabbel, du bringst meinen Kreislauf in sehr ungesunde Wallungen. Sprech mich einfach nie wieder an, es sei denn du hast mir dienstlich etwas zu sagen. Fick, wen du willst. Aber verschone mich. Für mich sind Vertrauen und Treue die Grundvoraussetzungen einer Beziehung. Basta. Und jetzt verschwinde aus dem Dunstkreis meiner Atmosphäre. Ansonsten bist du die nächsten 2 Wochen arbeitsunfähig.“

Ich knallte ihn gegen seinen Spind und verließ die Umkleide.

Zu seinem Glück hat er mich nie wieder angesprochen.

Am Abend erzählte ich Éthi den Vorfall.

„Oh, Schatzi, hab ich dir schon gesagt, dass du krass bist?“

„Ja, hast du. Ja und? Muss ich mir alles gefallen lassen? Und wenn manche Schwule meinen, sie könnten trotz einer Beziehung auch noch mit anderen rumvögeln, so ist das deren Problem. Du weißt, wie ich darüber denke. Ich liebe dich; meinen Mann. Und niemand anderen. Und solche dämlichen Sprüche wie 'Sex ohne Liebe ist kein Fremdgehen' sind mir sehr zuwider. Sowas ekelt mich nur noch an.“

„Hm, Schatzi, warte mal kurz, ich rufe gleich zurück.“

„Ok.“

Und 90 Minuten später stand dieser bekloppte, liebenswürdige, von mir geliebte Kerl an meiner Haustür.

„Oh Schatzi, ich liebe dich so sehr.“

Und er bewies es mir.

Ostern 2007

Wir hatten beide 1 Woche Urlaub und hatten beschlossen, unser Weihnachtsgeschenk von Mutti und Oppi einzulösen.

1 Woche Paris, Flug und Hotel.

Ein unvergessliches Erlebnis. Wir hatten uns im 'Relais Montmartre' einquartiert, da es sehr günstig am Montmartre lag und wir relativ zügig an die diversen Orte gelangten, welche wir besuchen wollten.

Ich war in diese Stadt sofort verliebt.

Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Bezeichnung 'Paris – Stadt der Liebe' mehr als berechtigt war.

Ich war so euphorisch, impulsiv, aufgedreht, dass Éthi mich öfters 'beruhigen' musste.

Na ja, seine Art und Weise, mich zu 'beruhigen' hat auch meistens nicht geklappt. Das lag aber eher daran WIE er mich beruhigen wollte. *fg*

Zumindest war ich aber 'danach' doch etwas ruhiger. Na ja, ein klein wenig.

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