zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Notbremse

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

vom Autor:

Die folgende Story ist von vorn bis hinten frei erfunden, bla, bla, bla... Irgendwann gehen sich zwei Jungs, die sich lieben, gegenseitig in die Wäsche. Nix, was nicht in jedem zivilisierten Land vollkommen legal wäre. Wenn Du meinst, das wäre etwas Schlimmes, oder wenn Dich Geschichten langweilen, in denen es nicht gleich in allen Details zur Sache geht, dann sprich in Deinem eigenen Interesse mit einem Jugendpsychologen, bevor Du hier weiter liest. Ich behalte mir das Copyright an der Geschichte vor. Sie darf im Internet auf nicht-kommerziellen Websites veröffentlicht werden, solange dieser Hinweis und die Geschichte selbst nicht verändert werden. Das ist meine erste deutsche Geschichte und ich würde mich riesig freuen, zu hören, wie sie Euch gefallen hat.

Notbremse

Yann schaltete die Innenbeleuchtung aus, tippte zweimal kurz die Klingel an und trat auf das Fahrpedal, um die Straßenbahn nach der letzten Tour für diesen Abend von Wasseigne zurück ins Depot nach Goppignies zu fahren. Der Tag war heiß gewesen, und die etwas kühlere Luft, die der Fahrtwind durch das Seitenfenster blies, tat gut. Hektisches Flackern in der Taste des Sandstreuers zeigte, dass die Fahrsteuerung alle Mühe hatte, die Räder beim Beschleunigen am Durchdrehen zu hindern - keine einfache Sache bei den 600 PS der beiden Motoren und Yanns jugendlichem Elan. Natürlich machte er so etwas nur, wenn sonst niemand im Wagen war.

Gab es eigentlich etwas schöneres, als nachts in den leeren Straßen den ganzen Wagen für sich zu haben?

Ein Spinner...? Ach was.

Viele Jungs wollen Formel-1-Fahrer werden oder Astronaut, andere vielleicht Pilot eines Düsenjets. Seit Yannick Dewaere laufen und das erste Mal den wachsamen Augen seiner Mutter entwischen konnte, war er aus dem kleinen Depot der Überlandstraßenbahn hinter dem Haus seiner Eltern kaum noch herauszuholen. Gerade groß genug, um sich allein auf die unterste Stufe am Einstieg zu hangeln, gab es für ihn nichts größeres, als wenn die Fahrer ihn beim Rangieren auf dem Hof ein paar Meter weit an die Kurbel ließen. Andere Jungs träumten von Porsche und Ferrari. Yanns Traumschlitten waren etwas größer und hatten einen Bügel auf dem Dach.

Ich muss Euch wohl nicht erzählen, wo er irgendwann mit 13 oder 14, spät abends nach Betriebsschluss, als alles dunkel und niemand in der Nähe war, seine ersten Flecken auf die Sitze machte.

Seither waren auch die letzten alten Triebwagen mit ihren Ledersitzen und der schönen Holztäfelung durch moderne Gelenkwagen ersetzt worden. Yann war zu einem hübschen Jungen von 21 Jahren herangewachsen. Mittelgroß, schlank, mit dunklen Haaren und wunderschönen braunen Augen. Und vor einem Jahre war der Traum seiner Kindheit in Erfüllung gegangen. Er wurde Fahrer auf einer der letzten Überlandlinien.

Er liebte diesen Beruf, und das merkte man. Die Leute mochten ihn und sein freundliches Lächeln, mit dem er auch beim schlimmsten Mistwetter seinen Dienst versah. Oft genug saßen Mädchen auf der Sitzbank gleich hinter der Glasscheibe zu seiner Kabine, und er bemerkte, wie sie versuchten, seine Blicke über den Innenspiegel auf sich zu ziehen. Sie konnten ja nicht ahnen, dass ihre ganze Mühe ins Leere ging, denn viel lieber hätte er die Jungs dort sitzen gesehen. Aber die blieben am hintersten Ende des Wagens und demolierten dort in jugendlichem Unverstand ihre einzige Möglichkeit, in die Stadt zu kommen.

Selbst wenn sie gleich hinter ihm gesessen hätten, er hätte sich wohl kaum getraut, einen anzusprechen. Nicht etwa, dass er nicht wusste, was er wollte. Dafür waren Jungs schon zu lange der Mittelpunkt seiner heimlichen Fantasien, und er hatte schon vor Jahren ohne großen Kampf akzeptiert, was bei ihm Sache war. Aber Yann war viel zu schüchtern und deshalb noch völlig unerfahren.

Draußen auf dem freien Feld bis zum nächsten Ort trat er das Fahrpedal durch, und der schwere Wagen flog förmlich durch die Landschaft. Hier waren keine Autos oder Fußgänger im Weg, und so begann er, die restlichen Fahrkarten und die Einnahmen in seiner Tasche zu verstauen, um bei der Ankunft im Depot alles fertig zu haben.

Er fuhr gerade durch die enge Kurve hinter Sainte Sévérine, kramte in der Tasche nach seinem Autoschlüssel, als er aus dem Augenwinkel heraus bemerkte, dass weiter vorn etwas auf den Schienen lag. Nein, nicht etwas... Jemand!!! Mit einem Aufschrei trat er das Bremspedal bis zum Anschlag durch, die Schienenbremsen knallten aufs Gleis... Sand... das ganze Arsenal...

Er konnte nur noch hilflos zusehen, wie die Person, die quer über dem Gleis lag, in einer nervenzerreißenden Zeitlupe immer näher kam und unter der Nase des Zugs aus seinem Blickfeld verschwand, bis er Sekundenbruchteile später... ihm schienen sie wie eine Ewigkeit... zum Stillstand kam.

Es dauerte etwas, bis Yanns Denken seine Reflexe eingeholt hatte. Ihm war plötzlich eiskalt. Sein Herzschlag lärmte in seinen Ohren wie ein Presslufthammer, und ihm war schwindlig, als er aus seiner Kabine schwankte.

"Lass ihn leben... bitte... lass ihn leben...", war alles, was er denken konnte, als er in den Schotter sprang und zur Front des Wagens stolperte. Dort, Millimeter vor der ersten Achse, lag mit dem Gesicht zum Boden ein zitternder, schluchzender Haufen Mensch. Jeans, ein hellbrauner Pullover, Turnschuhe und dunkelblonde Locken, waren alles, was Yann erkennen konnte. Ein Junge wohl.

Yann hatte Mühe, einen Ton herauszubekommen. "Bist Du verletzt?"

Keine Antwort.

"Verdammt nochmal, sag was! Bist Du OK?"

Noch lauteres Schluchzen war die einzige Reaktion, aber es war soweit klar, dass dem Jungen nichts passiert war und Yann versuchen konnte, ihn da unten herauszuholen. Er kroch unter den Wagen und legte eine Hand auf die Schulter des Jungen, der sein Gesicht verbarg.

"Warum... hast Du... gebremst...", kam eine verzweifelte Stimme, "...lass mich allein."

Yann griff den Jungen mit beiden Händen, rollte ihn auf den Rücken, und zog ihn nach vorn unter dem Wagen heraus. Im Licht der Scheinwerfer sah er, dass er vielleicht 17 Jahre alt war, mit halblangen, lockigen Haaren, Sommersprossen und dem traurigsten Blick, den Yann jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Außer Atem vom Schreck und der Anstregung ließ sich Yann im Schneidersitz zwischen die Schienen sinken. Instinktiv nahm er den Jungen in seine Arme, drückte dessen Kopf an seine Schulter und strich ihm übers Haar.

"Wie konntest Du....?" Yann hatte einen heftigen Kloß im Hals, als ihm so richtig bewusst wurde, wie knapp sie beide einem entsetzlichen Unglück entgangen waren.

"Sie hassen mich...", kam als Antwort, und der Junge schluchzte laut auf, "...sie hassen mich und sie haben gesagt, ich soll's tun."

Yann war erst einmal froh, den Jungen überhaupt am Reden zu haben.

"Wer sind 'sie', und was sollst Du tun?"

"Meine Eltern... sie haben mich rausgeworfen... und mein Vater hat gesagt... sowas wie ich würde sich besser vor die nächste Bahn werfen."

Langsam wurde der Junge ruhiger. Yann wiegte ihn leicht in seinen Armen. "Die spinnen ja wohl. Wie kommen die auf so etwas?"

"Weil ich... ich bin...", der Rest ging in herzzerreißendem Schluchzen unter.

"Na komm schon...", Yann drückte den Jungen fest an sich, "...so schlimm kanns doch nicht sein."

"Ich bin ein Arschficker... eine schwule Sau... deshalb!"

"Na und? Ich auch..." sagte Yann, bevor ihm überhaupt klar wurde, was er da gesagt hatte.

Der Junge sah Yann zum ersten Mal richtig an. "Du bist.....?"

"Genau wie Du...", Yann nahm den Kopf des Jungen in seine Hände, küsste ihn leicht auf die Stirn und war über sich selbst überrascht, "...und gerade habe ich das zum ersten Mal jemandem gesagt."

"Du hasst mich nicht?"

"Blödsinn. Wir sind so, weil wir uns lieben sollen, nicht hassen."

Und zum ersten Mal in seinem Leben brachte Yann Liebe mit einer bestimmten Person in Verbindung. Nicht wirklich bewusst. Er war noch viel zu durcheinander, aber irgendwo tief in seinem Unterbewusstsein tat sich etwas. So nah war er einem anderen Jungen noch nie gewesen. Aber es war, als hätte es schon immer so sein sollen.

Yann strich ihm mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht. "Und jetzt..?"

Die Oberlippe des Jungen zitterte. "Bring mich zur Polizei, oder was weiß ich..."

Yann stand auf, reichte dem Jungen seine Hand, zog ihn hoch und führte ihn zum Einstieg. Er wies auf die vorderste Sitzbank. "Setz Dich dahin und rühr Dich nicht vom Fleck!"

Er mochte ihn jetzt dort nicht allein lassen, wenn auch nur die Trennscheibe zwischen ihnen sein würde. Aber sie konnten schlecht die ganze Nacht auf den Schienen verbringen, und der Kollege im Depot wollte auch nach Hause. Yann fuhr zügig ein, schnurstracks in die Wagenhalle, rüstete den Wagen ab und senkte den Bügel. Die großen Lüfter der Fahrmotoren unten im Wagen verstummten, und es war plötzlich ganz still in der Halle. Er schloss die Fahrerkabine ab und sah den Jungen an.

"Na komm erst einmal nach Hause."

"Ich kann nicht nach Hause. Da will mich niemand mehr."

"Zu mir nach Hause." Yann lächelte den Jungen an. Der nickte.

Sie stiegen in Yanns alten Renault und waren wenigen Minuten später in seiner kleinen Wohnung. Jetzt erst bemerkte Yann, wie verschwitzt und fertig er war. Höchste Zeit für eine Dusche. Als er in Turnhose und T-Shirt aus dem Bad zurückkehrte, saß der Junge immer noch so auf dem Sofa, wie er ihn zurückgelassen hatte.

"Du bleibst erst einmal hier. Möchtest Du duschen?"

"Oh ja, bitte."

Yann zeigte ihm das Bad und ließ ihn allein. Er holte eine zweite Turnhose und ein T-Shirt, klopfte an die Tür des Badezimmers und öffnete sie ein Stück weit.

"Ich lege Dir hier was zum Anziehen hin."

"Danke", kam es von hinter dem Duschvorhang.

Kurz darauf kam der Junge in Yanns Sachen aus dem Bad und setzte sich zu ihm auf das Sofa. Yann hätte gern den Arm um ihn gelegt, aber hier, in der gewohnten Umgebung, war plötzlich seine alte Schüchternheit wieder im Weg. Er schloss seine Augen, holte tief Luft, und bevor er sich noch weiter den Kopf zerbrechen konnte, fühlte er die Lippen des Jungen auf seinen. Sie sanken sich in die Arme.

Minuten später war der Junge an Yanns Schulter eingeschlafen. Yann ahnte, dass sie auf dem schmalen Sofa morgens völlig gerädert wach werden würden. Irgendwie schaffte er es, den Jungen im Halbschlaf in sein Bett zu bugsieren, und er selbst schlief auch schon fast, als sein Kopf auf dem Kissen landete.

. . .

Yann hielt den Jungen immer noch im Arm, aber jetzt waren sie plötzlich mitten im Depot auf dem Hof. Er versuchte verzweifelt, eine Straßenbahn daran zu hindern, sie beide zu überfahren. Aber er war wie gelähmt, und die Bahn kam mit schrillem Klingeln immer näher. Sie klingelte noch ein paar Mal, bis er soweit aufwachte, dass er begriff, was los war. Der Junge in seinen Armen war durchaus real, aber sie waren nicht im Depot sondern in seinem Bett, und nebenan im Zimmer klingelte das Telefon.

Es war Lucio, Yanns Nachbar, der ihn aus dem Büro anrief und um einen Gefallen bitten wollte. Sie unterhielten sich noch eine Weile, als Yann einfiel dass Lucio doch Sozialarbeiter war. Er schilderte ihm in groben Zügen, was in der Nacht passiert war, und fragte, was man für den Jungen tun könne. Lucio versprach, sich am Abend bei den beiden zu melden.

Yann ging ins Schlafzimmer zurück und dankte dem Schicksal dafür, dass er nun erst einmal zwei Tage frei hatte. Der Junge blinzelte und räkelte sich unter der Decke. Yann beugte sich zum ihm hinab und gab ihm einen Kuss.

"Morgen....", sagten beide unisono und stockten, denn erst jetzt bemerkten sie, dass keiner den Namen des anderen kannte.

"Ich heiße Yann."

"Ich bin Phillipe."

"Und? Wie gehts Dir heute morgen?" fragte Yann.

"Ich weiß nicht... ich habe Angst, das könnte alles nur ein Traum sein."

Yann kroch zu Phillipe unter die Decke und schloss ihn in seine Arme.

"Ist es nicht."

Ganz langsam begannen sie, zaghaft und vorsichtig, den Körper des anderen zu entdecken. Eine Hand auf nackter Haut unter dem T-Shirt, ein Herzschlag durch eine Brust, die sich langsam hob und senkte, die Wärme und der Geruch eines anderen Menschen, so sinnlich, wie er nur aus allernächster Nähe wahrzunehmen ist. Empfindungen, die sie noch nie gekannt hatten.

Ihre Lippen fanden wieder zueinander, aber diesmal öffneten sie sich, und ihre Zungen berührten sich. Ungeahnte Reflexe, wohlige Schauer, als sich Lippen, Nacken, Fingerspitzen, Brustwarzen zum ersten Mal berührten. Ein lustvolles Seufzen, als Yann instinktiv Phillipes Ohrläppchen zwischen seine Lippen nahm und zärtlich daran knabberte, während uralte Triebe die beiden Jungen durch die erste Erfahrung dessen leiteten, welch wunderschöne Gefühle sich zwei Menschen geben können, die sich lieben.

Lange lagen beide danach beieinander, Phillipes Kopf auf Yanns Brust. Erschöpft, aber glücklich.

"Ich liebe Dich, Phillipe."

Über Phillipes Wangen kullerten zwei Tränen, aber sein Mund lächelte.

"Ich liebe Dich auch, Yann."

In einer innigen Umarmung wälzten sie sich im Bett, gleichzeitig lachend und weinend, mit kleinen zärtlichen Küssen, gemurmelten Zärtlichkeiten, völlig überwältigt von ihren Gefühlen, glücklich, geborgen, und sicher, dass alles gut werden würde.

... Ende? ...

Lesemodus deaktivieren (?)