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Fallen Angel

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Vorwort

Hi zusammen, nachdem ich eigentlich schon ziemlich lange ein stiller Konsument der vielen Geschichten hier bin, möchte ich nun die Gelegenheit ergreifen und auch mal eine Geschichte bei euch einreichen.

Diese Geschichte unterliegt dem üblichen Copyright und alle hier vorkommenden Figuren und Ereignisse sind rein fiktiv. Sie ist schon etwas älter und deshalb irgendwie ziemlich düster geraten. Über Lob, Kritik, und sonstige Kommentare zu dieser Story würde ich mich freuen

 

...let it end...please....I had enough....

Benommen rieb er sich die Augen, streifte die Spuren der letzten Tränen ab. Die Kerze war schon erloschen und draußen begann es langsam heller zu werden. Er war wohl eingenickt. Vorsichtig öffnete er die Hand, das Foto darin hatte ein wenig gelitten... Sanft strich er es wieder glatt. Er hatte von ihm geträumt, doch er war sich nicht mehr sicher was er geträumt hatte. Wie so häufig in letzter Zeit. Es war sehr schwierig für ihn geworden, die Realität von seinen Illusionen zu unterscheiden. Allerdings, ... wollte er es überhaupt? War es nicht viel einfacher und schöner, in seiner eigenen Welt zu verweilen? Langsam begann er seine Glieder wieder zu spüren.

Er setze sich auf und strich sich leicht verwirrt über die Haare. Neben ihm lag noch immer das durchsichtige Tütchen, das er dort hatte fallen lassen. Er musste bald wieder Nachschub holen, nur noch drei Tabletten waren übrig geblieben. Wenn er Pech hatte, würde das nicht einmal mehr für einen Tag reichen. Er ließ eine der drei kleinen roten Kapseln in seine Hand rollen, das war sein Leben, er konnte es einfach so in der Hand halten... Ohne dieses unscheinbare Detail, war seine Existenz ohne Sinn. Es war schon faszinierend, wie widersprüchlich alles sein konnte. Gab er doch an frei und unabhängig zu sein und doch bestimmte diese kleine Kugel sein Dasein voll und ganz.

Heute war sein Tag, er hatte sich schon so lange darauf vorbereitet und ihn so sehnsüchtig erwartet. Doch im Moment war er sich nicht mehr so sicher, ob dies wirklich der beste Weg für ihn war. Er nahm den restlichen Inhalt der Tüte in die Hand, doch seine Hand gehorchte ihm noch nicht ganz. Ein Zittern durchlief sie, die Tabletten fielen auf den Boden, rollten unter den Schrank. Er hätte es wissen müssen… hatte er wirklich erwartet, etwas würde bei ihm gut laufen? Er ließ sich wieder zurück in die Kissen fallen. Ein toller Start...er hatte es so satt!

Dieser ganze Scheiß ging ihm so auf die Nerven. Er wünschte sich all das hinter sich zu lassen, aufzubrechen in eine bessere Existenz. Wieder sah er sich das Foto in seiner Hand an. Trotz der Dunkelheit konnte er alles genau erkennen, es war als hätte sich sein Bild in seinen Sehnerv gefressen, egal was er tat, egal wo er war, überall sah er ihn.

Es war schmerzlich ihn überall zu sehen und trotzdem zu wissen, dass er nirgends davon war. Es brachte ihn beinahe um den Verstand, so nah bei ihm zu sein und ihn doch gleichzeitig so weit entfernt zu wissen. Ihm war bewusst, dass er nicht das gleiche für ihn empfand, wie er für ihn. Ja, eigentlich war er sich nicht mal im Klaren darüber, ob er überhaupt etwas empfand...

Heute würde er ihm die Wahrheit zeigen und hoffen, dass das »Glück«, das ihn bis jetzt immer verfolgt hatte, ihn endlich einmal verließ. Es war noch zu früh, um ihn anzurufen, er musste warten, auch wenn er es hasste. Was konnte er anderes tun? Wie oft hatte er sich gewünscht, die ganze Welt zu verändern, die Geschichte neu zu schreiben, oder auch einfach nur sich selbst verändern zu können.

Irgendetwas drückte auf seine Wirbelsäule... Er zog es hervor. Sein Cutter...wie passen, wenn er schon die eine Sucht nicht besiegen konnte, dann wollte er wenigstens die andere lindern. Ja, er hatte versucht aufzuhören, hatte es für ihn tun wollen, doch er war nicht stark genug gewesen.

Doch im Moment spielten alle seine Vorsätze keine Rolle. Er schob die Klinge ein wenig heraus, in der wenigen Licht seines Zimmers, glänzte das kühle Metall matt. Es lag schwer in seiner Hand... Er setzte die Schneide an...

Die weiße Haut darunter strahlte für ihn eine gewisse Faszination aus. Er schnitt, immer länger, immer tiefer, immer öfter. Langsam perlte das rot über die seidig glänzende Haut, tropfte still hinunter. Diese Ästhetik des dunklen auf dem hellen Fleisch, die Faszination des Blutes.

Das sollte die Kraft des Lebens sein, die den Körper aufrecht erhält? Der Körper eines Menschen ist so schwach und zerbrechlich, so einfach zu zerstören, wenn man nur wollte. Fast schien es, als ob schon ein Augenzwinkern ausreichen würde, um ihn zu Asche zerfallen zu lassen. Das nächste mal als er sich selbst bewusst wurde, war die Sonne schon aufgestiegen. Wie lange er wohl so vertieft in Gedanken dagesessen hatte?

Die Schnitte an seinem Arm hatten sich schon verschlossen und das Blut, das sich am Boden gesammelt hatte, hatte schon begonnen zu trocknen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, das er es nun wagen riskieren konnte, ihn endlich anzurufen. Oder vielleicht sollte er lieber einen Brief schreiben?

Was sollte er tun, wenn seine Befürchtung wirklich eintreffen sollte? Könnte er es einfach so weg stecken und weiter machen, wie zuvor auch? Sollte er es überhaupt wagen mit ihm zu reden? Wäre es besser, alles so zu belassen, wie es war? Könnte er es weiter ertragen? Oder würde es ihn einfach innerlich zerfressen?

Er beschloss, vor dem Telefonat noch einmal in den Chatroom zu sehen, denn wenn er online war, hatte es keinen Sinn bei ihm anzurufen. Eigentlich hatte er keine Lust auf großartige Gespräche mit den anderen, deswegen wählte er einen seiner unbekannten Nicks aus. Er betrat den Raum, sofort fiel ihm sein Name auf.

Er würde ihn immer erkennen, egal wo er stand und es wäre immer er! Er schien sich gut mit einer der anderen Anwesenden zu unterhalten. Bis der schicksalhafte Satz, »Ich liebe dich«, fiel. Schwer musste er schlucken, hatte er wirklich richtige gelesen? Er hätte irgend so einem Arsch seine Liebe gestanden? Es DURFTE einfach nicht wahr sein. Warum nicht ihn?? War er es denn nicht wert, begehrt und geliebt zu werden?

Der Entschluss ihn anzusprechen war schnell gefasst, auch da er sich als ein Bekannter ausgab war es nicht schwierig, ihn auf ihre Beziehung anzusprechen. Die gesamte Unterhaltung mit ihm durchlebte er wie ihn Trance. Dieser erklärte ihm, dass er ihn nur benutzte, denn er brauchte jemanden, der alles für ihn tat, für den er jedoch nichts tun brauchte. Ja, er lachte ihn sogar seiner Dummheit wegen aus! An einen solchen Menschen hatte er sein Schicksal gekettet? Ihm sein Herz geschenkt?

Er war für ihn bereit gewesen, clean zu werden. Er wäre für ihn gestorben! Und das dachte er über ihn? Wie hatte er nur so verdammt naiv sein können? Für seine Leichtgläubigkeit hasste er sich selbst, hatte er sich doch geschworen gehabt, nie wieder zu vertrauen, nie wieder jemanden zu lieben. Warum hatte er seine Grundsätze so einfach über Bord geworfen?

Er spürte, wie sich das Fehlen der Droge in seinem Körper ausbreitete. Ihm wurde kalt - und doch schwitze er, als ob er starkes Fieber hätte, begann zu zittern. In seinem Kopf schienen Insekten zu wohnen, die ihn innerlich zerfraßen, ihn stachen und bissen, dass er glaubte den Verstand zu verlieren. Er konnte nicht mehr klar sehen, gerade noch erkennen wie er schrieb, wie lächerlich er in seinen Augen doch sei... Konnte nicht mehr denken...alles drehte sich, verschwand in blutigem Nebel, verzerrte sich.

Beinahe schien es, als würde die Welt über ihn lachen. Die entstellten Fratzen aus denen ihn das Leben höhnisch verspottete, waren für ihn nicht mehr zu ertragen. Er wollte, dass sie aufhörten! Schrie sie an ihn in Ruhe zu lassen. Schlug mit Fäusten auf sie ein, trat nach ihnen und sah doch nur Feindseligkeit. Warf mit allem was er fand nach ihnen, wankte vorwärts um ihnen zu entkommen. Sank kraftlos auf die Knie, versteckte die Augen unter den Händen. Hört auf! Was wollt ihr von mir? Was habe ich euch denn getan? Warum ich?

Er konnte nicht mehr, so viele Stimmen in seinem Kopf...so viele Gedanken? Wer war in seinem Körper?? Er war nicht allein... Die Schmerzen hörten nicht auf... panisch sah er sich um - nichts um seine Qual zu lindern. Er krümmte sich auf dem Boden. Warum half ihm keiner? Warum kam keiner um ihn zu retten? Er wollte doch auch nur geliebt werden... Was war denn so falsch daran? Warum was es ihm nicht vergönnt?

Das stechen in seinem Körper wurde immer stärker, es zersprengte ihn, riss ihn auseinander, ohne jedoch seine Schmerzen zu beenden. Die glitzernde Klinge des Cutters funkelte in faszinierend an, doch als er versuchte sie zu greifen war das Zittern seiner Glieder zu stark... Schwer zog er sich an einem Tisch hoch und stolperte schwankend aus dem Zimmer, aus der Wohnung, auf die Straße...

Irgendwie hatte er es bis zu eine Autobahnbrücke geschafft. Immer bei ihm, seine höhnische Stimme, die verzerrt über ihn lacht.. die Stimmen seiner so genannten »Erzeuger«, die ihm immer und immer wieder einimpften, dass er ein Versager ist, niemals etwas zustande bringen könne. Er würde es ihnen allen zeigen, es würde es zu Ende bringen! Bilder zogen vor ihm auf...

All sein Leiden früherer Zeit hatte sich gegen ihn vereint und stürzte nun geballt auf ihn ein, ohne das er auch nur die Chance hatte sich zu verteidigen... Hört auf! Die Verzweiflung in seiner Stimme schein die Welt erbeben zu lassen, doch änderte nichts. Die Tiefe unter ihm, schien ihn zu rufen, ihn zu locken, ihm die ersehnte Erlösung zu verheißen. So tief - so vertrauensvoll Er breitet die Arme aus - Konnte er fliegen? Wenigstens versuchen wollte er es...was hatte er zu verlieren? - ließ sich fallen.... †††

Vielleicht erinnern sich nicht viele an ihn, doch die, die ihn gekannt hatten und die seine Freunde waren, würden ihn sicher niemals vergessen.

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