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Engelstränen

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Eigentlich war es ein ganz normaler Sommer, bis auf die Tatsache, dass mich etwas bedrückte.

Es war die Zeit der nackten Kerle und ich musste mich doch in Schweigen hüllen, denn niemand sollte erfahren, welche Neigung ich hatte. Mir war es schon immer peinlich, wenn die anderen mich hänselten, denn die wussten es schon, oder zumindest ahnten es, dass ich anders war als sie. Es war für mich schon schwer genug, aber es sollte sich schon bald alles ändern ...

Ich fand einen Boy in meiner Clique schon immer sehr interessant, aber ich traute mich nicht, ihn anzusprechen. Wir unterhielten uns zwar, aber ein tieferes Verlangen sagte mir, das ich mehr wollte.

Sein Körper, sein Charakter, seine Selbstdarstellung ... einfach alles faszinierte mich. Wenn wir alleine waren, erzählte er mir immer, dass er sich verliebt hätte. Auf meine Frage, wer es denn sei, bekam ich nie eine Antwort. Er machte immer diverse Anspielungen, wie zum Beispiel die Aussagen, das man mit mir immer lachen könnte und ich ihm gefallen würde. Für einen kleinen Augenblick waren da dann immer meine Gefühle da, welche mich in den Himmel beförderten. Und doch, schnell waren diese wieder verdrängt. Allein der Gedanke daran, dass er eventuell etwas von mir wollte, war völlig inakzeptabel, zumal das Thema der Homosexualität bei uns in der Clique immer abgelehnt wurde.

Es war irgendein Tag als wir, wie so oft, alle aus dem Schwimmbad kamen. Alle waren guter Dinge, als wir uns auf irgendwelchen Parkbänken niederließen. Das Schicksal wollte es wohl so, dass Marko und ich alleine waren. Wie immer saßen wir da und unterhielten uns über Gott und die Welt, als er mich umarmte und sanft küsste. Mir wurde erst heiß und dann wieder kalt, Gedanken, welche sich in meinem Kopf formten, wurden mir bewusst ...

Was ist, wenn uns jemand sieht?

Im nächsten Atemzug dachte ich allerdings gar nichts und genoss einfach Markos Zärtlichkeiten. So schnell wie ich den Kuss erhielt endete dieser auch und ich schaute Marko irritiert und doch glücklich an. Er stand auf und ging.

Ich weiß nicht, warum ich nichts sagte, mir gefiel es, aber ich konnte keinen klaren Satz bilden.

Recht durcheinander ging ich nach Hause. Ich dachte an Marko, was würde er jetzt wohl gerade machen. Ich dachte aber auch über den Kuss nach, warum hatte er dies getan? Bin ich etwa diese besagte Person, in die er sich verliebt hatte? Viele Gedanken irrten durch meinen Kopf, bis ich schließlich zu Hause einschlief.

Am nächsten Tag trafen wir uns alle wie gewohnt wieder, alle bis auf Marko. Ich fragte nach, was mit ihm sei, ob jemand etwas wüsste, doch ich bekam nur die Antwort, dass er schon kommen werde. Ich glaubte ich war der Einzige, der wusste, warum er nicht kam ...

Er kam wegen mir nicht.

Ich verabschiedete mich von den Leuten, denn ich wollte nur zu Marko. Ich wollte Antworten auf Fragen haben, welche ich mir die Nacht davor immer und immer wieder überlegt hatte. Ich lief zu ihm nach Hause, wo ich ihn aber nicht antraf. Ich erinnerte mich, dass er oft von einem Ort sprach, an den er mich schon öfters mitnehmen wollte, es aber noch nie die Gelegenheit gab.

Ich wusste in etwa, wo dieser besagte Ort war und so bin ich los. Die Zeit verging und schließlich fand ich diesen auch. Ich war richtig froh, Marko da anzutreffen. Es war für wahr ein richtig schöner Ort. Ein See, darum nur Wald und wir mittendrin. Ich war doch recht erstaunt, als Marko zu mir sagte, dass er es gewusst hat, dass ich hierher finden würde. Mir irrten so viele Fragen durch den Kopf, wollte diese alle mit einmal fragen, aber er hielt seinen Finger auf meinen Mund und sagte jetzt weißt du, in wen ich verliebt bin.

Ich war so glücklich darüber da er es mir endlich gesagt hatte zumal ich es nicht konnte. Während die Sonne hinter den Bäumen unterging, lag ich in seinen Armen und genoss die stille Zweisamkeit.

Die Tage darauf waren wir des Öfteren zusammen unterwegs. Wir waren sehr oft am See und ich war der glücklichste Mensch auf Erden. Das Glück war auf dem Höhepunkt und doch, jedes Mal, wenn unsere Freunde dabei waren, verhielten wir uns wie immer ... bis zu meinem Geburtstag ...

An diesem Tag war ich über glücklich. Es sollte eine große Party geben. Ich saß wie sooft in unserem Treff und ich wartete bis alle da waren. Sie alle waren gekommen, alle bis auf Marko. Es machte mich schon etwas traurig, da ich ja mit ihm feiern wollte. Kurze Zeit später erfuhr ein Freund von uns, das Marko einen Verkehrsunfall gehabt hätte. Ein paar Leute wollten darauf gleich ins Krankenhaus fahren. Als ich mich entschied mitzufahren, wurde ich zurück geschoben mit der Aussage, dass ich Geburtstag hätte und ich doch feiern sollte. Mit einem unguten Gefühl blieb ich zurück. Ich hatte auf einmal keine Lust mehr zu feiern und das steckte auch die restlichen Leute an. Die Stimmung erreichte ihren Tiefpunkt.

Meine Gedanken nur noch bei Marko ... Wie geht es ihm jetzt? ... Ist er schwer verletzt? ...

Ich wollte mit irgendjemanden reden, doch ich konnte nichts sagen ...

Nicole, eine gute Freundin, schlug mir vor, dass wir etwas spazieren gehen könnten und so liefen wir los. Sie fragte mich, ob ich weinen würde und mit zitternder Stimme antwortete ich ihr mit ja. Sie fragte mich, was passiert ist und so erzählte ich ihr alles, was in den letzten Tagen passiert war. Sie versprach, ohne ein Wort zu sagen, das kleine Geheimnis für sich zu behalten. Als Nicole meine Hand nahm, wurde mir ganz anders, aber ihr Lächeln verriet, dass sie es scheinbar schon längst wusste. Wir gingen zu den anderen zurück.

Die Stimmung war bei den anderen Leuten auch nicht besser geworden. Alle waren traurig oder gar bestürzt. Einige entschuldigten sich bei mir, weil die Party redensartig ins Wasser fiel. Einer von den ungebeteten Gästen lies wieder einen seiner »selbstformulierten« Späße los. Dann fiel der Satz ...

„Na ja, wenn Marko ins Gras beißt, isses halt ein Brotfresser weniger ...“

Ich dachte ich höre nicht richtig.

Meine Tränen flossen nur so und ich erzählte allen und besonders ihm, was zwischen mir und Marko entstanden war und das er doch seinen Mund halten sollte, denn immerhin hatte ich Geburtstag.

Ich hatte mich in so einen Wut- und Verzweiflungsausbruch noch nie gesehen.

Eine kurze Stille trat in den Raum ...

Ein Staunen, dann Entsetzen ging durch die Runde. Ich glaube, ich hätte nichts sagen dürfen, aber in diesen Moment war es mir egal. Es ging mir immerhin etwas besser. Die Stille war dennoch nur von kurzer Dauer, denn dieser Typ zog weiter über Marko und mich her. Ich brach unter Tränen zusammen, während die anderen ihn hinaus beförderten. Nachdem ich wieder etwas zu mir fand, fragte ich in die Runde, ob sie keinen Ekel mir gegenüber empfanden, denn immerhin outete ich mich gerade. Doch zu meinem Erstaunen sagten sie, dass sie mich verstehen könnten. Mir war klar, dass sie es durchaus nur aus Mitleid gesagt haben, aber vielleicht war es auch ernst gemeint. Es war mir egal, denn meine Gedanken waren längst wieder bei Marko.

Es vergingen zwei Tage und unsere Clique traf sich wieder.

Sie fragten mich, wie es mir ginge, aber eine Antwort hörten sie nicht. Mein ungutes Gefühl war geblieben und ich ahnte Schlimmes. Meine Trauer blieb, denn ich konnte nicht zu Marko. Meine Freunde, zumindest ein paar, wollten mich etwas aufmuntern und so sind wir zu Markos Eltern. Es wollten alle wissen, wie es ihm wohl gehe ...

Bei seinen Eltern angekommen, trafen wir niemanden an. Der Gedanke, endlich ins Krankenhaus zu fahren, war nun stärker denn je und so sind wir los. Dort angekommen sahen wir seine Eltern vor einem Zimmer sitzen. Zögernd gingen wir auf sie zu und fragten, wie es Marko ginge. Die Mutter von Marko hob kurz den Kopf und senkte ihn darauf wieder. Sah ich da etwa Tränen in ihren Augen? Eine Antwort erhielten wir dennoch nicht. Hatte sich mein Gefühl bestätigt? War etwas Schlimmes passiert? Ahnte ich bereits, was geschehen war? Nein, der Gedanke war völlig inakzeptabel. Ich ging auf die Mutter zu und flehte sie an, sie sollte uns doch sagen, wie es Marko erginge.

Sie hob ihren Kopf. Mit schmerzverzerrter Stimme sagte sie mir, dass Marko letzte Nacht verstorben sei. Zugleich fing sie an mit weinen. Als ich sie so sah, wurde mir bewusst, welche Gedanken sich in mir entwickelten. Ich wusste nicht, was ich als Erstes denken sollte. War ich wütend? War ich traurig? Was war ich überhaupt? Ich wollte nur noch weg. Ich drehte mich um und ging. Ein paar Leute wollten mich aufhalten, sie sagten, ich solle nichts Dummes tun. Aber ich wollte doch nur weg?! Ich lief und lief ohne zu wissen wohin. Plötzlich bemerkte ich, dass ich in Richtung See lief. Ich setzte mich an die Stelle, wo ich einst so glücklich war. Meine Tränen begannen von alleine an zu fließen und ich ließ meiner Trauer freien Lauf. Von weiten hörte ich Stimmen, es waren gar Rufe, welche mich riefen. Ich wollte niemanden um mich herum haben, dennoch fanden sie mich und sagten, dass sie mich nicht alleine lassen wollten. Wir blieben stillschweigend am See sitzen bis spät in die Nacht. Irgendwann brachten sie mich nach Hause. Wir verabschiedeten uns und verblieben bis morgen, doch ein Morgen gab es nicht ...

Kapitel 2

Eine Woche später lag eine Karte im Briefkasten. Es war die Mitteilung zur Beerdigung von Marko. Als ich die Einladung in den Händen hielt, war mir nicht recht bewusst, ob ich hingehen sollte. Das Datum rückte näher ...

Es klingelte ...

Ein paar Freunde wollten mich abholen. Ihre Begründung, warum ich mitgehen sollte, war, dass ich mich von Marko verabschieden sollte. Aber warum sollte ich dies denn tun? Ich wollte keinen Abschied nehmen, denn dann würde er doch in Vergessenheit geraten und das wollte ich nicht. Die Leute ließen nicht locker und so bin ich dennoch mitgegangen.

Nach der Beerdigung kam der Leichenschmaus. Irgendwann kam seine Mutter auf mich zu und fragte, wer denn der „Angel“ sei. Ich überlegte einen kurzen Moment, ob ich antworten sollte, das bin ich. Waren meine Worte. Sie gab mir ein kleines Päckchen. Mit einem kleinen Lächeln sagte sie, dass es wohl ihrer Meinung nach mir gehören würde.

Was war denn das? In Gedanken öffnete ich es. Als ich die darin findende Karte las, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Es war Markos Geburtstagsgeschenk. Ich wollte weg, aber wohin? Nach Hause? Alles erinnerte mich an Marko und so ging ich einfach los. Es war mir egal, Hauptsache so weit wie möglich von hier weg.

In den darauf folgenden Tagen waren noch ein paar Freunde da, zumindest sagte mir das meine Mutter. Es war mir aber egal. Ich wollte mit niemandem mehr etwas zu tun haben. Und doch, sie ließen nicht locker ...

Warum ließen sie mich nicht einfach in Ruhe? Ich wusste, ich würde wahrscheinlich genauso handeln wie sie, denn immerhin waren es meine Freunde. Dennoch, ich wollte niemand um mich herum haben. Der Schmerz saß einfach zu tief. Ich versteckte mich in meinem Zimmer, wollte einfach meine Ruhe.

Warum musste er gehen? Warum hat er mich alleine gelassen? Warum konnten wir unser Glück nicht finden? Wieso blieb es uns verwehrt?

So viele Fragen irrten durch meinen Kopf, aber ich fand keine Antworten.

Eines Tages traute ich mich doch wieder unter die Menschen.

Das Leid und den Schmerz konnte ich verdrängen. Ich wusste nicht, was ich hätte machen können und so fuhr ich zum See. Dort saß ein Mädchen, welches sehr traurig war, zumindest hatte es den Anschein. Ich lief auf sie zu. Als sie ihren Kopf hob, dachte ich zuerst, dass sie weinen würde, was aber nur eine Täuschung war. Ich setzte mich neben sie und fragte sie, was sie an so einem traurigen Ort sucht. Sie antwortete mir, dass dies ein See voller Tränen wäre und jeder neuer Tropfen, der aufschlägt, sind Tränen eines Engels. Ich verstand nicht ganz, was sie damit meinte, dennoch fragte sie mich, warum ich alleine hier wäre. Mir wurde bei der Frage etwas mulmig. Sie erzählte mir, dass sie mich und einen anderen Jungen des Öfteren hier gesehen hatte. Bei dem Anblick, so fuhr sie fort, wurde es ihr immer ein wenig warm um das Herz. Sie senkte den Kopf und sagte leise und jetzt ist alles anders. Als sie ihren Kopf wieder hob, lief eine Träne aus ihrem Auge. Obwohl ich jeden Tag hier war, so seid ihr nicht mehr gekommen. Ich habe auf euch gewartet, aber es ist wohl etwas passiert? Fragend schaute sie mich an.

Ich kannte das Mädchen gar nicht. Ich sah sie hier das erste Mal, aber es schien mir, als wüsste sie über mich und Marko recht gut Bescheid.

Nach kurzem Überlegen fragte sie mich, ob ich mich mit dem Jungen gestritten hätte oder warum war ich nun alleine hier. Ich zögerte erst eine Weile, bevor ich antwortete. Ich erzählte ihr, was vorgefallen war, von meinem Geburtstag an bis zur Beerdigung und meine Gefühle, die Gedanken die mich quälten.

Sie hörte mir zu und schaute immer zu auf die Wasseroberfläche.

Mit einmal riss sie ihre Augen auf und zeigte auf einen Ring, der sich im Wasser bildete. Eine Engelsträne, sagte sie.

Nun verstand ich, was sie meinte, der See sei voller Tränen. Sie sagte mir, die Engel wären jetzt überall und in diesem Augenblick würden sie uns zu hören. Auch Marko wäre nun ein Engel, welcher nicht mehr von meiner Seite weichen würde. Schließe deine Augen, sagte sie. Ich schloss diese. Sie nahm meine Hand und hielt diese an ihr Gesicht. Mir war nicht recht zu Mute. Was hatte sie vor? Ich wollte meine Hand wegreißen, konnte es aber nicht. Diese Wärme, welche von diesem Mädchen ausging, war mir bekannt. Ich empfand diese erst einmal. Es fühlte sich an wie die Wärme und Geborgenheit von Marko. Das machte mir Angst. Du brauchst keine Angst zu haben, sagte sie.

Es bildete sich eine Silhouette vor meinen Augen. Ich riss diese auf, aber da stand niemand als dieses Mädchen. War es nur Einbildung? Was hatte ich da gesehen? Ich wusste es nicht.

An diesem Tag nahm ich das Mädchen einfach mit. Mit ihren großen Augen schaute sie mich überglücklich an, aber warum? Warum schaute sie immer so?

Wir liefen eine Weile, als sie zu mir sagte, dass sie Markos Grab sehen wollte und so liefen wir zu dem Friedhof, wo Marko beerdigt wurde. Mir standen die Tränen schon am Tor in den Augen. Mir wurde bewusst, dass ich seit der Beerdigung nicht mehr hier war. Ich heiße im Übrigen Doreen und du musst nicht mitgehen, wenn du nicht willst, sagte sie. Und dennoch, ich lief einfach mit. Mein Wille war es nicht, aber eine unsichtbare Macht zog mich förmlich hinter ihr her. Was war das für eine sonderbare Person? Ich hatte keine Zeit, mir diese Frage zu beantworten, da ich bemerkte, dass sie zielgenau auf Markos Grab steuerte. Woher wusste sie, wo dieses war? Ich entschied mich nicht direkt mit zu dem Grab zu gehen, da der Schmerz zu groß war. Doreen ging darauf zu, während ich mich an einen naheliegenden Baum lehnte. Ohne ein Wort zu sagen, schaute ich ihr zu, wie sie das Grab schmückte. Sie entfernte die welken Blumen und von dem Nachbargrab nahm sie ein paar rote Rosen. Ich musste doch etwas leicht schmunzeln, als ich das sah, aber es verging auch schnell wieder. Doreen wollte, dass ich auch zu dem Grab gehe. Ich lehnte ab. Sie fragte mich, warum ich nicht hingehen wollte. Ich sagte ihr, dass ich mich nicht verabschieden will und es einfach zu wehtun würde. Ich bin doch bei dir und außerdem würde sich Marko über einen Besuch von dir sicherlich freuen, sagte sie.

Langsam lief ich auf das Grab zu. Mit jedem Schritt, den ich ging, schnürte es meine Kehle immer mehr zu. Nun stand ich davor. Dieser kalte Stein, diese Blumen ... alles erinnerte mich an eine Abschiedsfeier ... es tat so weh. Mir liefen die Tränen über das Gesicht, ich konnte sie nicht mehr halten. Der Schmerz, die Qual ... einfach alles schien in mir hochzukommen. Doreen stand auf und nahm mich in den Arm. Mit ihrer beruhigenden Stimme sagte sie, es wird alles wieder gut. Ich musste mich setzen. Sie führte mich zu einer Bank. Während ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischte, sah ich erneut etwas, was ich für mich unvorstellbar war. Ich dachte zu sehen, dass ihr Flügel wuchsen. Ich redete mir ein, dass alles nur eine Sinnestäuschung war. Ich rieb mir die Augen. Als ich wieder klar sehen konnte, war Doreen verschwunden.

Hatte ich etwa geträumt? Ich zwickte mir in den Arm. Der Schmerz, den ich durch das Zwicken verspürte, sagte, mir, dass ich wach war. Wenn es aber kein Traum war, was war es dann? Wer war dieses Mädchen? Ihr Name war Doreen? Was hatte ich da gesehen? Viele Gedanken irrten durch meinen Kopf, dennoch fand ich keine Antwort. Irritiert lief ich nach Hause.

Kapitel 3

Die darauf folgenden Tage verliefen ruhig. Ich war des Öfteren etwas spazieren und schaute mir meine vertraute Gegend an.

Alles war anders geworden seit Marko nicht mehr da war und dennoch machte ich mir Gedanken, wer Doreen war. Eine Antwort fand ich nicht und fragen konnte ich sie auch nicht, denn am See traf ich sie nicht mehr an.

Eines Tages trieb es mich sehr früh zum See. Die ersten Sonnenstrahlen schimmerten durch die Bäume, die Vögel zwitscherten, es war ein ganz normaler Morgen. Im nächsten Augenblick wurde es totenstill. Ich bekam etwas Angst und das, obwohl ich mich noch nie in einem Wald gefürchtet habe und es hell war. Ich lief schneller denn je zum See. Dort angekommen war ich nicht recht erstaunt, was ich da sah. Auf der Wasseroberfläche waren viele Ringe zu sehen. So etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen. Mir hallten Doreens Worte durch den Kopf ... das sind tränen eines Engels ...

Wie viele Engel mussten da gerade weinen? Immer mehr Ringe bildeten sich, ein Ring verschwand und dafür entstanden zwei neue. Der Anblick machte mich etwas traurig. Ich setzte mich und starrte auf die Wasseroberfläche. Nach einer Weile schloss ich meine Augen und meine Gedanken schwanden zurück in die Vergangenheit. Die Erinnerung an den Kuss von Marko kam zurück. Auch seine Stimme hallte mir durch den Kopf. Ich spürte seine Berührungen, seine Wärme, sogar seinen Atem an meinem Hals vernahm ich. Mit einem Lächeln auf den Lippen fiel ich in das Gefühl der Geborgenheit.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen als ich, ich wusste, dass du zurückkommen wirst, hörte. Mir war die Stimme bekannt, wollte diese dennoch nicht wahr haben. Hey, träumst du, wurde ich gefragt und öffnete meine Augen. Es war Doreen, welche mich schmunzelnd anschaute. Du hast doch bestimmt Hunger, fragte sie mich. Das hatte ich in der Tat.

Während wir da saßen und etwas zu uns nahmen, fragte ich sie, wo sie an dem Tag, als wir auf dem Friedhof waren, hingegangen sei. Sie lächelte nur, sagte aber nichts.

Ich überlegte eine Weile, als sie sagte, dass ich dies noch früh genug erfahren würde.

Was für eine sonderbare Person, dachte ich mir. Sie war aus Fleisch und Blut und doch anders. Wenn ich in ihrer Nähe war, fühlte ich mich wohl.

Den Tag verbrachten wir am See. Ich war seit langem wieder etwas glücklich, ich konnte sogar ein paar Mal Lachen. Gegen Abend entzündeten wir ein kleines Feuer und unterhielten uns so, als ob wir schon jahrelang befreundet wären.

Ich hatte wieder eine Freundin gefunden.

Die Tage darauf verbrachten wir häufig zusammen und doch, die meiste Zeit waren wir am See. Ich genoss die Zeit und, wie ich bemerkte, Doreen auch.

Eines Tages, wir waren wie so oft am See, fragte ich sie, warum sie oft am See wäre. Sie zögerte etwas, bevor sie mir antwortete. In ihrer Familie gab es immer nur Streit, sagte sie. Ich hörte ihr zu. Sie erzählte mir von ihrer Mutter, deren Exmann und neuem Freund. Ihre Stimmlage veränderte sich und Doreen fing an mit weinen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und so nahm ich sie in die Arme. Ich flüsterte ihr zu, dass alles wieder gut werde. Ich versprach ihr, dass sie von nun an nicht mehr alleine sein werde und ich immer für sie da bin. Was hatte ich da versprochen? Ich wollte doch gar nichts sagen und dennoch fielen diese Worte über meine Lippen. Nachdem ich diesen Satz sagte, dass sie nicht mehr alleine sei, stand sie auf und ging zum Ufer des Sees. Die Stille der Nacht drang zu uns vor und schaute irritiert zu Doreen. Einige Zeit verging.

Sie drehte sich um und mit einem Lächeln im Gesicht sagte sie danke.

Noch immer schaute ich verdutzt. Danke, dass du für mich, obwohl du selbst zu kämpfen hast, für mich da bist, sagte sie weiter.

Mit einer abwinkenden Geste teilte ich ihr mit, dass es schon in Ordnung sei. Sie kam zum Feuer zurück. Wir blieben eine ganze Weile noch sitzen u8nd lauschten der Nacht.

Ein Jahr verging.

An jenen Tag lernte Doreen einen Kerl kennen, welchen ich nicht leiden konnte. Es dauerte nicht lange und sie verliebte sich in ihn. Ich geriet in Vergessenheit.

Jeden Tag lief ich zu ihr nach Hause, wollte sie etwas fragen, doch ich traf sie nicht an. Eines Tages traf ich sie auf dem Weg zu ihr. Die erste Frage, die ich stellte, war, warum wir uns nicht mehr treffen würden. Ihre Antwort war, dass sie nun wichtigere Dinge zu tun hätte. Lasse mich bitte in Ruhe, sagte sie. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sie sich um und ging. Mit fragendem Blick schaute ich ihr hinterher. Fragen schossen mir durch den Kopf, welche ich mir nicht beantworten konnte. Hatte sie sich wegen so einem Typen so stark verändert? Was hatte ich falsch gemacht? Ich wusste es nicht.

Mit Gedanken, welche mich quälten, lief ich nach Hause, wo ich schon erwartet wurde. Nicole erwartete mich bereits. Warum war sie nach so langer Zeit zu mir gekommen. Ich wollte doch mit den Leuten nichts mehr zu tun haben und so versuchte ich sie zu ignorieren.

So bleib doch bitte stehen, ich muss mit dir reden, sagte sie. Ich drehte mich um und fragte sie, was wir noch zu bereden hätten. Sie antwortete mit einem Lächeln und sagte komm, lass uns etwas spazieren gehen!“. Widerwillen gingen wir los. Wir unterhielten uns über viele Dinge, wobei sie mir auch erzählte, dass sie mit der alten Clique nichts mehr zu tun hätte. Sie bestand auch darauf, mich ihren neuen Freunden vorzustellen. Ich blieb stehen. Sie drehte sich um und lachte. Damit du mal unter Leute kommst, sagte sie.

Mir war nicht recht zu mute bei dem Gedanken neue Leute kennen zulernen, aber ihre Überredungskünste glichen einem Profi. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag.

Kapitel 4

Nicole dachte wohl, ich würde kneifen und so holte sie mich von zu Hause ab. Ich war doch recht erstaunt, da sie ganz in Schwarz gekleidet war. Es war an sich nichts Besonderes, nur Nicole und ganz in Schwarz? Ich dachte mir meinen Teil. Sie fragte mich, ob ich mich nicht vielleicht auch ganz schwarz anziehen könnte. Ohne darüber nachzudenken, tat ich es. Als ich vor dem Spiegel stand und mich betrachtete, gefiel es mir immer mehr. Es hatte so eine dunkle Ausstrahlung.

Die Zeit drängte und so sind wir los.

Unglücklicherweise liefen wir am alten Treff vorbei und ich blieb stehen. Ich schaute lange hin. Seit über einem Jahr war ich nun nicht mehr hier gewesen. Und dennoch hatte ich keine Erinnerung mehr an diesen Ort, kein Gedanke kam in mir hoch. Dennoch wusste ich, dass mein Schicksal an diesem Ort begonnen hatte. Nicole sagte leise, dass ich mir keine Gedanken machen sollte. Sie erzählte mir, dass es da niemanden mehr gibt, den ich etwas zu sagen hätte. Wo sie Recht hat, hat sie Recht, zumindest war es die Redensart und dennoch kamen mir bei dem Gedanken, dass da mal meine Freunde waren, Erinnerungen in mir hoch. Nicole sagte weiter, dass es unsere alte Clique nicht mehr geben würde. Ich fragte warum. Sie erzählte mir, das, nachdem Marko gestorben war, es nur noch Streitereien gab. Es war für sie Grund genug zu gehen. Später hörte sie, dass alle ihre eigenen Wege gegangen wären. Nachdem sie mir das alles erzählte, verschwanden die Gedanken und ich verspürte rein gar nichts mehr. Nicole zeigte auf ihre Uhr, ich nickte und so liefen wir weiter. Auf halbem Wege kamen uns ein paar schwarze Gestalten entgegen. Sie begrüßten erst Nicole dann mich. Es kam mir so vor, als ob wir uns schon ewig kennen und ich empfand ein wenig Glück dabei, welches aber nur von kurzer Dauer war. Es sind schon ein paar oben, sagte ein Typ. Nicole entschied, dass wir uns der kleinen Gruppe anschließen und so liefen wir wieder Richtung alten Treff. Hatte sich Nicole mit den neuen Leuten ihrerseits da eingefunden? Als wir davor standen, schaute ich sie fragend an. Wenn du nicht mit hinein möchtest, ist das Okay, sagte sie. Mit einem Hoffnungsschimmer in ihren Augen sagte sie, dass sie sich aber freuen würde, wenn ich mitkäme. Obwohl alles in mir sich sträubte, willigte ich ein. Nicole nickte und so gingen wir hinein.

Drinnen angekommen bemerkte ich, dass noch alles so war, wie ich es das letzte Mal gesehen hatte. Die Luftschlangen, die Luftballons, welche ihre Luft verloren hatten, die große Sechszehn ...

Alles lag irgendwo herum. Nicole sagte mir, dass seit dem Vorfall von damals hier keiner mehr aufgeräumt hatte. Instinktiv setzte ich mich auf meinen alten Platz und schaute irritiert in den Raum. Ich bemerkte nicht, dass einer der Typen auf mich zukam. Er streckte mir die Hand entgegen und sagte, Hallo, ich bin der Micha. Ich schaute ihn kurz an und murmelte wer ich bin. Interessanter Name, sagte er und setzte sich neben mich. Nicole hat diesen Platz hier immer frei gehalten, sagte er. Ich schaute ihn an, sagte aber nichts. Bist wohl nicht allzu gesprächig, fragte er. Ich stand, ohne eine Antwort zu geben, auf und ging raus. Draußen angekommen holte ich erst mal tief Luft. Ich ging ein paar Schritte und ließ mich schließlich einfach fallen. Da lag ich so und schloss meine Augen. Es war wohl doch die falsche Entscheidung hierher zu kommen, dachte ich mir. Ich stand auf und lehnte mich an die Wand. Erinnerungen kamen zurück. Ich dachte an meinen sechszehnten Geburtstag, dachte an Marko und Doreen.

Ich hatte wieder alle Gedanken mit einmal in meinem Kopf. Zuletzt dachte ich an den Typen. Wie war gleich sein Name, Micha, glaub ich war es. Ich dachte immer mehr an ihn. Ich hatte ihn wohl etwas zu grob behandelt. Ich sollte mich bei ihm entschuldigen, dachte ich mir. Ich zögerte. Ein eigenartiges Gefühl überkam mich. Der Micha sah gar nicht mal so schlecht aus. Mir fielen seine braunen Augen auf. Ich verdrängte den Gedanken. Er hatte es nur gut gemeint, dachte ich. Ja, ich muss mich entschuldigen, sagte ich so vor mich hin. Ist schon gut, sagte eine Stimme hinter mir, erschrocken drehte ich mich um. Es war Micha. Seine braunen Augen schauten mich an. Ich kenne deine Geschichte und kann gut verstehen, warum du so reagiert hast. Ich schaute ihn fragend an und er sagte mir, dass er diese von Nicole wüsste. Er wurde still und etwas rot im Gesicht, als er mich fragte, ob ich nicht einen Ort kenne, wo wir ungestört wären. Verdutzt schaute ich ihn an, sagte aber dass ich einen kennen würde. Wir brachen auf.

Am See angekommen, lief ich zum Ufer und Micha folgte mir. Ich tat genau das, was sonst immer Doreen tat. Ich schaute traurig auf die Wasseroberfläche und sagte, dass dies ein See voller Tränen wäre. Tränen vieler Engel, sagte ich leise. Micha legte seinen Arm um mich und spendete mir Trost. Er fragte mich, ob ich nicht über das reden möchte, was mich bedrückte. Es soll ja bekanntlich helfen, sagte er. Zögernd setzte ich mich. Ich erzählte ihm alles. Er zog mich erneut an sich heran. Als die Sonne unterging, schauten wir uns dieses an. Ich hatte eine lange Zeit nicht auf so etwas Schönes geachtet, aber heute? Ja, heute war alles anders. Mit einem tiefen Seufzer lehnte ich mich an Micha an. Es ist etwas ganz Normales, dachte ich mir. Gegen Abend schaffte er mich nach Hause. Ich fragte ihn, ob wir uns morgen erneut treffen könnten. Er sagte nichts, sondern nahm mich erneut in die Arme und flüsterte mir etwas ins Ohr. Ich verstand es nicht.

Dann ging er.

Als ich im Bett lag, konnte ich nicht einschlafen. Ich musste fortwährend an Micha denken. Seine braunen Augen, dieser Oberkörper, seine Hände und die Art zuzuhören. Es faszinierte mich so sehr, das ich mir wünschte, ihn wiederzusehen. Mit einem Hoffnungsschimmer schlief ich ein.

Am nächsten Morgen wachte ich schon früh auf. Ich hatte einen recht sonderbaren Traum. Etwas durcheinander wollte ich gerade frühstücken, als es klingelte. Recht erstaunt öffnete ich die Tür. Mir verschlug es die Stimme, da Micha vor der Tür stand. Entschuldige, aber hast du schon gefrühstückt, fragte er grinsend. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und so stammelte ich etwas vor mich hin. Du brauchst nicht zu stottern, lachte Micha. Der hatte leicht reden, dachte ich mir. Ich stand bekleidet mit Boxershorts und einem T-Shirt in der Tür. Ich war gerade aufgestanden und noch recht vom Schlaf benommen. Des Weiteren stand Micha vor der Tür. Sein T-Shirt zeigte mir die Konturen seines Oberkörpers. Ich verschwand, für einen kurzen Augenblick, in meinen Gedanken. Hey, schläfst du noch, fragte er mich, erschrocken schaute ich ihn an und verneinte dies. Ich bat ihn, etwas zu warten, was er auch tat. Ich machte mich im Bad etwas frisch, zog andere Klamotten an und ging mit etwas Herzklopfen an die Tür. Micha lächelte und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte mit ihm und den anderen zu frühstücken. Ich stimmte zu. Sie sind am See, sagte er.

Am See angekommen, begrüßten sie uns. Es waren recht viele Menschen da. Wir setzten uns und aßen erst mal etwas.

Nach dem Essen fragte Micha mich, ob ich nicht Lust hätte, etwas spazieren zu gehen. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte und so schaute ich Nicole fragend an. Sie nickte mir zu und lachte. Ich stimmte zu und wir liefen in den Wald. Micha fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn er mich wieder in den Arm nehmen würde. Ich verneinte dies. Etwas irritiert fragte ich ihn, was er mir am Vortag ins Ohr geflüstert hatte. Ich sagte ihm, dass ich es nicht verstanden hatte. Er behauptete, dass er es nicht mehr wüsste und lachte. Ich dachte mir, dass er es schon noch weiß, es mir aber nicht sagen wollte. Wir kamen auf eine Lichtung, wo wir uns niederließen. Ich lehnte mich zurück und schaute in den blauen Himmel. Micha beugte sich über mich und schaute mir ins Gesicht. Nach einer Weile fragte er mich, ob ich an Liebe auf den ersten Blick glauben würde. Ich wünschte, ich hätte etwas anderes gesagt, aber ich verneinte dies. Ist es wegen Marko, fragte er mich. Ich sagte ja. Schließe bitte deine Augen, sagte er. Ich runzelte die Stirn und mein Gesichtsausdruck verriet, dass ich etwas skeptisch war. Und doch wünschte ich mir, dass er mich endlich küsste. Mit dem Gedanken schloss ich meine Augen. Leise sagte Micha, ich solle ihm vertrauen. Ich nickte. Im nächsten Augenblick spürte ich seine Lippen auf den meinen.

Mir wurde heiß und kalt. Mich drehte es. Ich fühlte das, was ich schon lange nicht mehr verspürte. Micha zog mich auf sich und wir lagen eng umschlungen im Gras. Etwas verunsichert schaute ich ihn an, aber als mich seine braunen Augen anstrahlten, konnte ich nicht Wiederstehen. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust. Seine Umarmung gab mir ein Gefühl von Geborgenheit und ich dachte er will mich nicht mehr wieder loslassen. Es war ein schönes Gefühl. Ich genoss seine Streicheleinheiten. Als seine Hand über meine Hose glitt, zog ich mich erschrocken zurück. Nein, das konnte ich noch nicht tun. Micha schaute mich liebevoll an und lächelte. Ich glaube er verstand es. Ohne ein Wort weiter zu verlieren, legte ich meinen Kopf zurück auf seine Brust. Mit der Zeit wurde ich neugierig, wie sich sein Körper anfüllt. Und obwohl ich nicht wollte, fingen meine Hände an, seinen Körper zu erforschen. Zentimeter für Zentimeter ...

Micha zog mich noch näher an sich heran und wir küssten uns erneut. Obwohl ich warten wollte, fragte ich ihn, ob er mit mir schlafen will. Er nickte. Mein Körper reagierte nicht mehr auf mich, all die Zweifel, die Ängste, einfach alles war vergessen. Ich möchte auch mit dir schlafen, sagte ich ihm. Er nickte erneut.

Warum sagte er nichts?

Ich wurde etwas unsicher, doch Micha war sehr liebevoll zu mir. Ich fühlte mich richtig wohl. Es war ein schönes Gefühl.

Es dämmerte langsam. Von weiten hörten wir Nicole und ein paar andere, welche uns riefen. Micha lag mit verschlossenen Augen auf mir. War er etwa eingeschlafen? Er öffnete seine Augen. Leise sagte er mir, dass er sich in mich verliebt hätte, erschrocken schaute ich ihn an. Sein Lächeln, diese braunen Augen, einfach alles verunsicherte mich. Ich bekam Angst. Er fragte mich, ob wir zurückgehen wollen. Ich sagte ja, meinte aber nein. Ich wollte nicht gehen, es war so schön auf der Lichtung.

Hand in Hand gingen wir dennoch zurück. Meine Angst verschwand, als uns die Leute erneut begrüßten. Nicole kam auf mich zu, lachte und sagte na endlich. Was meinte sie damit?

Die Leute bauten die Zelte auf und fragten mich, ob ich nicht die Nacht über mit hier bleiben würde wollen. Micha schaute mich an und ich konnte in seinen Augen ablesen, was er dachte. Nicole redete auf mich ein, dass ich bleiben sollte. Bei diesem Betteln und Flehen bleib ich natürlich, sagte ich. Die Nacht über schlief ich bei Micha mit im Zelt. Mitten in der Nacht wachte ich auf. Ich kletterte leise aus dem Zelt und lief zum Ufer. Es dauerte nicht lange und Micha kam hinzu. Er setzte sich neben mich. Zwei Ringe bildeten sich auf der Wasseroberfläche und ich dachte zu hören, dass jemand sagt, es seien Engelstränen. Ich schaute erschrocken in die Dunkelheit. Micha fragte mich, ob ich etwas gehört hätte und ich bejahte dies. Ich fragte ihn, ob er etwas gesagt hätte, aber schüttelte den Kopf. Vielleicht war es nur eine Einbildung, sagte ich. Gemeinsam schauten wir ins Dunkle, sahen aber nichts.

Ich bemerkte, dass es langsam hell wurde und schnell waren irgendwelche Gedanken verschwunden. Micha und ich schauten uns den Sonnenaufgang an. Die anderen wurden langsam wach. Verschlafen schauten sie uns an und fragten uns, ob wir überhaupt geschlafen hätten. Wir lachten und der Tag begann.

Gegen Mittag wurde ich ruhig, mir wurde bewusst, dass Micha mir aus dem Weg ging. Er hatte mich den ganzen Tag nicht einmal beachtet. Nicole bemerkte dies und kam auf mich zu. Was ist mit dir los, fragte sie mich. Ich erzählte ihr, was Micha zu mir gesagt hatte, dass er sich in mich verliebt hätte und wir miteinander geschlafen haben und jetzt, jetzt tut er so, als ob wir uns nicht kennen. Sie fragte mich, was ich denn auf seine Aussage geantwortet hätte, als mir gestand, dass er mich liebt. Ich schaute auf den Boden. Sage nichts, sagte sie, du hast nichts gesagt, stimmts, fragte sie. Ich nickte. Hast du Gefühle für ihn, fragte sie weiter. Ich schaute sie an, bemerkte, wie mir ein paar Tränen in die Augen schossen, und nickte. Na lasse mich das mal machen, sagte sie.

Gegen Abend schlug Nicole vor, dass ich und Micha doch Holz sammeln könnten, da wir ein Lagerfeuer entfachen wollten. Wir liefen stillschweigend eine Weile durch den Wald, ist das wahr, das du Gefühle mir gegenüber hast, fragte er mich. Ich blieb stehen. Micha drehte sich um und schaute mich an. Ich nickte. Ja, ich habe Gefühle, weiß aber nicht, ob diese gut sind, sagte ich. Ich weiß nicht, ob das so okay ist, wie es ist, sagte ich. Micha kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Du brauchst keine Angst zu haben, es ist alles in Ordnung. Als er mich küsste, war mir klar, dass ich wieder richtig glücklich war. Nach einer Weile gingen wir mit viel Holz zurück. Die anderen lachten, denn das Lagerfeuer brannte bereits. Micha und ich schauten uns an und lachten dann auch.

Wir setzten uns ans Feuer und strahlten bis über beide Ohren. Ich genoss die Zweisamkeit, obwohl die anderen Leute auch da waren. Ich fiel in alte Gedanken.

War ich wieder glücklich? Damals war alles anders. Würde ich mich mit den Leuten ... Nicole riss mich aus meinen Gedanken. Hey, es sind schon alle in den Federn, sagte sie. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Zeit verging. Ich krabbelte zu Micha ins Zelt, wo ich nicht recht erstaunt schaute. Er war gänzlich ausgezogen. Wäre es hell gewesen, hätte man meinen knallroten Kopf gesehen. Ich zog mich auch aus und krabbelte in seinen Schlafsack. Es dauerte nicht lange und unsere Hände fingen erneut an den Körper des anderen zu erkunden. Die Luft knisterte vor Erotik und wir schliefen erneut miteinander. Später schliefen wir engangekuschelt zusammen ein.

Der darauffolgende Tag fing richtig gut an. Die Sonne lachte, ich wachte in Michas Armen auf und war richtig glücklich. Ein paar Frühaufsteher waren bereits einkaufen und brachten zum Frühstück Kuchen mit.

Als ich in ein Stück Kuchen beißen wollte, lachte Micha und sagte, dass ich einen Bärenhunger haben musste. Ich verstand, was er meinte und schmiss mein Stück Kuchen ihm mitten ins Gesicht. Natürlich blieb es nicht aus, dass die anderen zurückschossen. Aus dem netten Frühstück wurde eine Kuchenschlacht. Man rief mich, ich drehte mich um und schon hatte ich Kuchen an mir. Zum Schluss sahen wir alle aus, wie der Kuchen, der eigentlich zum Essen da war. Ich schaute die Leute an und sagte, dass sie ja alle richtig zum Anbeißen aussehen würden. Micha trotzte rum und die Leute sagten nur, dass ich mich selber anschauen sollte. Wir sind alle erst mal ins Wasser gegangen um uns den Kuchen abzuwaschen und das Gelächter war im ganzen Wald zu hören. Alle lachten herzhaft auch ich.

Als ich auf die andere Seite des Sees schaute, verstummte ich. Dort stand Doreen. Ich rief sie, aber sie drehte sich um und ging. Ich wollte aus dem Wasser, aber die anderen hielten mich fest. Lasse sie, sagten sie. Ich rief sie noch ein paar Mal, aber Doreen antwortete nicht. Traurig setzte ich mich an das Ufer und meine Gedanken holten mich ein. Ich hatte mit einmal keine Lust mehr auf die Leute, hatte keine Lust auf irgendwas. Ich dachte wieder an Micha und auch an Doreen. Alles hatte hier an diesem See begonnen.

Nach einer Weile stand ich auf, entschuldigte mich und sagte, dass ich nach Hause gehen mag. Sie packten die Sachen und sagten, dass sie mitgehen.

Zu Hause angekommen verabschiedete mich von allen und wir verblieben bis morgen.

Ich legte mich in mein Bett und schloss meine Augen.

In dieser Nacht hatte ich einen Traum.

Kapitel 5

Ich träumte von Marko und Doreen ...

Es war alles wieder normal. Ich lief zum See und wartete auf die Leute, welche ich kennen gelernt hatte. Es war niemand da. Dann kam Marko auf mich zu und umarmte mich. Jetzt bist du wieder glücklich und das freut mich, sagte er. Marko drehte sich um und ging. Ich rief nach ihm, aber kein Laut kam aus meinem Mund. Ich setzte mich traurig hin und schaute ihm nach, wie er wieder verschwand. Ich senkte meinen Kopf. Sei nicht traurig, es ist alles so okay, wie es ist. Ich schaute auf und Doreen stand vor mir. Wir werden uns wiedersehen, sagte sie. Auch Doreen drehte sich um und ging. Ich fing an mit weinen. Ich stand auf und rannte Doreen hinterher, ich versuchte sie einzuholen, schaffte es aber nicht. Erschöpft brach ich zusammen und weinte. Ich schrie ihre Namen, aber ich hörte keine Antwort. Ich weinte so sehr, das ich drohte darin zu ertrinken.

Erschrocken wachte ich auf. Schweißgebadet schaute ich in den dunklen Raum. Ich bemerkte, wie die Tränen mir in die Augen schossen. Mir wurde bewusst, dass ich die beiden noch immer vermisse. Warum waren sie nicht mehr da? Warum haben sie mich alleine zurückgelassen? Ich fand keine Antwort. Da ich die Nacht nicht mehr schlafen konnte, verfasste ich einen Brief an Doreen.

Ich schrieb alles in diesen Brief, was mir gerade einfiel. Ich schrieb und schrieb. Ich schrieb, dass ich neue Leute kennen gelernt habe, aber sie trotz alledem vermisse. Ich wiederholte dieses immer wieder. Es wurde langsam draußen hell und es schien, als würde es wieder schönes Wetter geben, da die Sonne hinter den Häusern hervor kam. Ich schaute zu.

Ich zog mich nach einer Weile an und ging zu Doreen. Ich steckte den Brief in den Briefkasten und ging wieder. Auf halbem Wege traf ich sie. Doreen schaute weg. Ich sagte zu ihr Hallo, aber sie reagierte nicht. Ich lief ein Stück hinter ihr her und sagte, bleib doch bitte mal kurz stehen. Sie tat es. Ich sagte ihr, dass sie einen Brief im Briefkasten von mir hätte und ich sie bitten möchte, diesen auch zu lesen. Sie nickte nur, drehte sich um und ging. Ich wollte ihr noch etwas sagen, das ich sie vermisse, wusste aber nicht, wie ich es sagen sollte und so ließ ich sie gehen.

Ich ging wieder nach Hause. Ich wurde bereits von Nicole und Micha erwartet. Hab ich mich gefreut. Sie fragten mich, wie es mir heute ginge und ich antwortete, dass es mir jetzt wieder gut ginge. Wir gingen in mein Zimmer. Ich legte eine CD auf und wir unterhielten uns. Ich erzählte den Zweien, was ich die Nacht geträumt hatte, ich erzählte, dass ich Doreen getroffen hatte und dass mir das alles wehtue. Sie hörten mir zu. Nicole fragte mich, ob sie nicht mal mit Doreen reden solle, aber ich lehnte ab. Ich überlegte, warum ich das Angebot ablehnte, denn immerhin wollte ich mit ihr doch befreundet sein.

Nicole ließ nicht locker, sie fragte mich regelrecht über Doreen aus und ich erzählte die ganze Geschichte.

Ich erzählte, wie wir uns kennen gelernt haben, die Sache am Grab von Marko ... einfach jede Kleinigkeit.

Beide hörten aufmerksam zu. Ich überlegte, warum ich das alles erzählte, ich tat es einfach.

Gegen Abend sagten sie mir, sie hätten noch etwas vor und fragten mich, ob es okay wäre, wenn sie jetzt gehen. Ich nickte und so verabredeten und für den nächsten Tag. Ich sollte gegen Mittag am See sein.

Am nächsten Morgen wachte ich erst spät auf. Als ich auf den Wecker schaute, war es schon gegen Mittag. Ich zog mich an und eilte zum See. Ich wusste, dass sie alle auf mich warten. Als ich am See ankam, war niemand da. Ich wunderte mich ein wenig, aber ich dachte mir, dass sie vielleicht noch kommen. Ich setzte mich an das Ufer. Die Zeit verstrich, aber ich blieb alleine. Was war denn los? Hatten sie mich wirklich versetzt? Ich wusste es nicht. Ich überlegte, ob ich nicht nach Hause gehen sollte und da auf sie warte. Ich dachte, wenn ich jetzt gehe, dann verfehlen wir uns vielleicht und ich wollte sie doch wieder sehen. Die Sonne ging hinter den Bäumen unter, aber es kam niemand. Ich wurde traurig.

Hatten sie mich wirklich versetzt? Bin ich am falschen Ort zur falschen Zeit? Hatte ich etwas falsch gemacht? Verwirrende Gedanken schossen mir durch den Kopf.

Da, auf dem Wasser, schau, wieder zwei Ringe ...

Engelstränen nicht wahr? Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Diese war mir sehr wohl bekannt, es war Doreen. Ich drehte mich um, sagte aber nichts. Sie kam auf mich zu und setzte sich neben mich.

Bei mir war heute ein Mädchen, sagte sie leise, sie sagte mir, ich solle heute mal an den See fahren, da würde jemand auf mich warten, sagte sie weiter, nun hier bin ich ...

Mit wem redete sie? Etwa mit mir? Ich schaute sie fragend an. Ich sah, wie sich in ihren Augen Tränen bildeten. Es tut mir leid, sagte sie und fing an mit weinen. Ich nahm sie in den Arm und fragte sie, warum sie sich so ruckartig von mir distanziert hatte. Sie erzählte mir, was passiert war und ich hörte ihr zu.

Können wir noch einmal von vorn beginnen, fragte sie mich. Ich nickte. Wir schauten eine lange Zeit auf das Wasser. Dorren fragte mich, ob ich noch ab und zu an Marko denken würde. Ja, sehr oft sogar, antwortete ich ihr. Sie erzählte mir einen Traum von sich. Sie hatte geträumt, dass ich neue Leute kennen gelernt habe, was sie auch gesehen hatte. Sie stand auf und sagte, nun brauchst du mich nicht mehr. Ich drehte mich zu ihr um und schaute sie fragend an. Doch, ich brauche dich. Nenne mir einen Grund, sagte sie. Ich will die Freundschaft zu dir nicht missen, sagte ich. Ich will, dass wir Freunde bleiben, sagte ich weiter. Mir fielen viele Gründe ein und doch war keiner ein wirklicher Grund, es war einfach so.

Ich fragte sie, wie sie auf so eine absurrte Idee kommen kann. Woher kommt deine Entscheidung, fragte ich sie. Hat vielleicht dein Freund damit etwas zu tun? Hat er etwas über mich gesagt? Ich fragte ihr Löcher in den Bauch. Sie schüttelte nur mit dem Kopf. Mit Trauer erfüllter Stimme sagte sie, dass sie einen Fehler gemacht hat, einen Fehler, den man nicht mehr rückgängig machen kann. Sie hat mich einfach stehen gelassen, obwohl sie mir versprochen hatte, dass wir uns nicht mehr trennen, sagte sie. Ich stand auf, nahm ihre Hand und sagte ihr, dass alles wieder gut werden kann, wir müssten es nur wollen.

Mit zitternder Stimme fragte sie mich, ob ich ihr vergeben könnte. Ich antwortete nur ...

„Du blöde Kuh, das hab ich schon längst!“

Kaum hatte ich diesen Satz gesagt, fiel sie mir um den Hals und sagte, dass sie mich nie wieder hergeben will, mich nie wieder verlieren mag. Ich verstand erst nicht, was sie damit meinte, allerdings, als ich in ihre Augen schaute, war es mir klar. Sie wollte einen Neuanfang. Ich war glücklich, dass ich sie wieder hatte und doch zugleich war ich traurig, da ich gehofft hatte, Micha wieder zu sehen.

Von weiten hörten wir Stimmen und ich schaute nicht schlecht, wer da alles kam. Micha, Nicole und die anderen Leute, alle liefen lachend durch den Wald. War das etwa geplant? Irritiert schaute ich Doreen an und sie mich. Sind das deine neuen Freunde, fragte Doreen mich. Mit einem kurzen Ja antwortete ich und lief auf Micha zu. Alle sagten mir Hallo, aber auch Doreen wurde freundlich begrüßt. Der Abend wurde noch richtig lustig. Doreen machte ihre Späße, welche mich immer zum Lachen gebracht hatten, aber auch die anderen lachten.

Wir blieben bis spät in die Nacht am See. Ich schaute des Öfteren zu Doreen und ich hatte den Anschein, als ob ihr die Leute gut taten. Irgendwann sind wir dann nach Hause gegangen. Auf dem Heimweg erzählte mir Doreen, dass sie einen der Typen richtig niedlich findet und ich doch mal nachfragen sollte, ob er eine Freundin hätte. Ich lachte, sagte ihr aber, dass ich mal fragen werde. Unsere Wege trennten sich und jeder ging nach Hause ...

Als ich im Bett lag, dachte ich noch mal über den Tag nach. Ich dachte auch noch mal kurz an Marko und mit einer Träne im Auge schlief ich ein.

Kapitel 6

Am nächsten Morgen ging es mir richtig gut. Ich wusste, dass ich mich mit Doreen und den anderen treffen würde. Sie ließen nicht lange auf sich warten. Da das Wetter nicht besonders war, gingen wir in den Treff. Doreen machte wieder ihre Späße und alle lachten, alle bis auf Micha. Es kam mir so vor, als ob er gar nicht da war. Ohne ein Wort zu sagen, stand er auf und ging. Ich dachte mir nichts weiter dabei, vielleicht wollte er nur Luft schnappen. Ich unterhielt mich unter dessen mit Nicole, als ich bemerkte, dass Micha nicht wieder kommt. Ich ging ihm hinterher. Ich fand ihm auf einer Bank sitzen. Ich fragte ihn, was los sei, aber er antwortete nicht. Er schaute mich nur traurig an. Ich stellte mir selber die Frage, was mit ihm los sei, aber ich fand keine Antwort, so fragte ich ihn erneut. Er schrie mich an, dass alles keinen Sinn mehr hat, alles sei verloren insbesondere sei er verloren, schrie er. Was sollte denn das jetzt? Ich schaute ihn erschrocken an und sah, wie er sich die Tränen aus dem Gesicht wischte.

... meine Eltern ...

Er sprach nicht weiter. Ich sagte ihm, dass wenn er reden möchte, ich jederzeit für ihn da wäre. Als ich ihn umarmen wollte, stieß er mich weg, nichts sagend stand er auf und ging. Ich sah noch, wie ihm Tränen aus den Augen liefen. Ich rief ihn, er solle doch bitte stehen bleiben, aber er tat es nicht. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, ich saß wie angewurzelt da. Ich konnte mich nicht rühren, kam mir so hilflos vor. Ich bekam Angst.

Ich lief zurück zu den anderen und erzählte Nicole, was passiert war. Sie schaute mich mit großen Augen an. Mache dir keine Gedanken, sagte sie und ging. Verunsichert setzte ich mich hin. Doreen wollte mich trösten, aber ich ließ niemanden an mich heran. Zwei Stunden später kam Nicole wieder. Im Schlepptau hatte sie Micha. Ohne ein Wort zu sagen, nahm ich ihn in die Arme. Ich hielt ihn so fest, als wenn ich ihn in jenen Moment wirklich verloren hätte. Ich wollte ihn nicht wieder gehen lassen. Komm, lasse uns etwas spazieren gehen, sagte er leise, was wir auch taten.

Mit zitternder Stimme sagte er mir, dass es ihm leidtäte, das er mich angeschrien hat. Ich sagte ihm, dass es schon in Ordnung sei. Er nahm mich in die Arme und sagte leise, dass er mich immer lieben würde. Ich schaute ihn an und sagte, dass ich dies doch wüsste. Ich nahm seine Hand und sagte weiter, dass ich immer für ihn da wäre, egal was ist. Er nickte nur und drückte mich noch näher an sich heran.

Wir entschlossen uns zurückzugehen. Einige Leute waren schon nach Hause gegangen, als wir ankamen.

Es verging noch etwas Zeit und wir waren alleine, aber auch meine Zeit kam, dass ich nach Hause gehen musste. Micha schaffte mich noch nach Hause. Er sagte, dass er noch etwas im Treff bleiben würde und wenn ich kann, dass ich noch mal vorbei kommen könnte, was ich dann auch tat. Da ich sehr leise war, hörte ich ihn weinen. Als ich ihn da so sitzen sah, ging dies mir so sehr ans Herz. Ich wollte für ihn da sein, wusste aber nicht, was ich hätte tun können. Als ich ihn so sah, musste ich an Marko denken, aber warum dachte ich gerade jetzt an ihn. Ich wusste es nicht. Mir liefen die Tränen über die Wangen. Als Micha das sah, kam er auf mich zu und umarmte mich. Er versprach mir, dass alles wieder gut werde. Ich nickte und hielt ihn fest. Um mich herum stand in diesem Moment die Zeit still. Und dennoch, sie lief mir davon. Ich musste wieder nach Hause. Micha sagte mir, dass er die Nacht hier bleiben wird. Ich nickte und versprach ihn morgen früh gleich wieder zu kommen, da wäre er nicht so lange alleine. Micha nickte. In Gedanken lief ich nach Hause. Mit etwas Hoffnung wünschte ich mir, dass es schon morgen ist. Ich hätte ihn am liebsten mit zu mir genommen, aber es ging nicht, wegen meiner Mutter. Zu Hause angekommen legte ich mich unruhig in mein Bett. Des Öfteren wurde ich in dieser Nacht wach, ich hatte Angst. Ich hoffte, dass Micha nichts passiert war.

Am Morgen darauf ging ich bei Zeiten in den Treff. Als ich dort ankam, war aber niemand da. Ich dachte mir, dass Micha vielleicht nach Hause gegangen ist und das tat ich auch wieder. Ich rief Nicole an und fragte sie, ob wir uns heute treffen könnten. Ich aß noch schnell etwas und dann traf ich mich Nicole. Sie fragte mich, ob ich Micha gesehen hätte, ich verneinte dies. Als ich ihn das letzte Mal sah, das war gestern Abend, sagte ich ihr. Seine Eltern haben bei mir angerufen, sagte sie weiter. Ich wurde kreidebleich. Ich wusste, dass Micha nicht zu Hause war. Nun machte ich mir wirklich Sorgen. Ich blieb den ganzen Tag im Treff, ich hoffte, dass Micha noch kommt. Gegen Abend war er immer noch nicht da gewesen und ich wurde traurig. Die Leute waren alle gegangen und ich saß alleine da. Ich schrieb ihm einen kleinen Zettel, bitte klingle bei mir, egal wie spät ist. Angel, waren die Worte und legte diesen auf den Tisch. Ich ging traurig nach Hause. Er hatte doch mir zugestimmt, dass wir uns heute treffen ...

Gegen spät abends klingelte das Telefon, es war Nicole. Sie wollte wissen, ob sich Micha bei mir gemeldet hatte. Ich sagte ihr, dass ich, obwohl ich gewartet habe, ihn nicht angetroffen hätte. Sie sagte mir, dass sie ihn auch vergebens versucht hat zu erreichen. Ich verabschiedete mich bei ihr und ging in mein Bett. Als ich im Bett lag, konnte ich nicht schlafen, meine Gedanken waren bei Micha. Wo war er? Ist ihm etwas passiert?

Ich zog mich an und ging erneut in den Treff. Der Zettel, welchen ich ihm geschrieben hatte, lag noch so auf dem Tisch, wie ich diesen hingelegt hatte. Er war nicht gekommen. Ich entschloss mich, die Nacht im Treff zu verbringen, da ich mir dachte, das er eventuell noch kommen würde. Ich wurde müde und schlief ein. Am Morgen darauf bemerkte ich, das Micha immer noch nicht ad war. Warum kam er nicht? Ich fand keine Antwort.

Die Tage darauf verliefen ähnlich. Ich saß immer wieder im Treff, auch wenn niemand da war und wartete, aber Micha kam nicht. Doreen und Nicole machten sich Sorgen um mich, konnten mir aber nicht helfen. In traurigen Gedanken fuhr ich zum See. Ich überlegte wieder viel zu viel, aber das war mir egal. Ich fand erneut mein Glück und jetzt wurde es mir wieder weggenommen. Ich schaute auf das Wasser. Mir irrten Tränen aus den Augen, ich weinte. Mit leiser Stimme sagte ich vor mich hin ...

Nun weint ein Engel ... Marko, ein Engel weint ... Marko, dein Engel weint!“

Ich sah auf dem Wasser, wie sich zwei Ringe bildeten. Marko weint auch, sagte eine Stimme. Doreen stellte sich neben mich. Sie schaute mich traurig an. Lasse den Kopf nicht hängen, sagte eine weitere Stimme. Auch Nicole stellte sich neben mich. Du bist nicht alleine, sagte eine weitere Stimme. Ich drehte mich um. Sie alle waren gekommen. Ich fragte, warum erst Marko und jetzt Micha gehen mussten. Ich fragte, ob nicht jemand wüsste, wo Micha ist. Ich fragte so viele Dinge. Doreen nahm meine Hand und mit einem Lächeln auf den Lippen sagte sie mir, dass niemand eine Antwort auf meine Fragen hätte, aber eins kann ich dir sagen, sagte sie, ich weiß, dass du sie alle wiedersehen wirst. Ich wusste auch, dass ich sie irgendwann wieder sehen werde, aber ich wollte sie jetzt sehen. Gedanken irrten durch meinen Kopf, hatte ich etwa aufgehört zu leben? Hatte ich aufgehört zu lieben? Es schien mir, als wäre alles nur noch eine Illusion des Lebens. Ich bat die Leute, dass sie mich bitte alleine lassen würden. Widerwillig gingen sie fort.

Die darauf folgenden Tage und Wochen sagte ich alle Verabredungen ab, ich konnte nicht mehr. Ich wollte alleine sein, wollte meine Ruhe haben.

Einige Zeit verging und mein Geburtstag rückte näher.

Etwas traurig schaute ich an jenen Tag an meinen Kalender. Ich hatte tatsächlich heute Geburtstag. Was ist schon die Zahl Achtzehn? Ich zuckte die Schultern und begann diesen, mit Trauer und Depressionen gefüllten Tag. Ich wollte diesen Tag nicht feiern, im Jahr davor, fiel dieser gänzlich ins Wasser. Ich wollte gerade in mein Zimmer, als es an der Tür klingelte. Ich öffnete diese. Doreen stand davor. Mit ihrem bekannten Lächeln schaute sie mich an und fragte, ob ich sie nicht hineinbitten würde wollen. Ich nickte nur und ließ sie hinein. Sie wünschte mir alles Gute zum Geburtstag und ich dankte ihr. Sie sagte, dass sie wüsste, wie es mir gerade ergehen würde und da wollte sie in meiner Nähe bleiben. Was trieb sie dazu. Ich hätte jegliches Mitleid nicht gebrauchen können, aber Doreen blieb. Sie versuchte mich auf zu muntern, was aber fehlschlug. Ich schaute den ganzen Tag traurig drein. Ich wollte eigentlich meine Ruhe haben, aber Doreen ließ nicht locker. Sie schlug vor, dass wir zum See fahren könnten. Sie hätte schon Lust dazu und das Wetter war auch super, sagte sie. Da es mir egal war, sind wir los. Am See angekommen, war alles anders. Keine schönen Erinnerungen drangen in mir hinauf, nicht ein schönes Erlebnis schlich sich in meine Gedanken. Mit leerem Blick schaute ich auf den Boden. Was um mich herum passierte, war mir egal. Ich setzte mich nieder und blieb sitzen. Es war alles anders geworden. Ich verlor mich in mir selbst. Hatte ich etwa aufgehört zu existieren, war ich nur noch ein Teil meines gehassten Lebens? Ja, ich hasste mein Leben. Jegliches Glücksempfinden war verschwunden und ich lachte nicht mehr. Doreen schaute mich ernst an und sagte, wenn du jetzt nicht lachst, klatsch ich dir ein paar. Ich musste schon etwas lachen, aber dieses war nicht real. Sie sagte, dass sie es wüsste, dass mein Lachen nicht real war, aber sie verstand, warum ich nicht mehr lachen würde. Ich schaute sie an, aber kein Wort drang aus meinem Mund. Doreen sagte mir, ich solle endlich wieder anfangen mit leben, aber es war nun mal nicht so leicht. Nein, im Gegenteil es war fürchterlich schwer. Ich wollte es gar nicht mehr. Mir war danach zu laufen und so sagte ich zu Doreen, dass sie bitte auf mich warten sollte, ich würde gleich wieder kommen. Bedenklich nickte sie und sagte, dass sie hier auf mich warten würde. Ich stand auf und ging.

Ich lief in Richtung der Lichtung, da wo ich einst mit Micha so glücklich war. Ich weiß nicht, warum ich gerade dahin lief, ich tat es einfach. Dort angekommen, versuchte ich mich an die Zeit mit ihm hier zu erinnern. Es war schön mit ihm hier zu liegen, einfach nur so. Ich setzte mich, ließ mich gänzlich fallen. Ich versuchte mich zu erinnern, aber es ging nicht. Ich konnte keine Erinnerung in mir finden, die diesen Platz noch redenswert machte. Hatte ich es schon vergessen? Ich schaute in den Wald.

Einige Zeit später stand ich auf und ging zu Doreen zurück. Sie erwartete mich hoffnungsvoll. Ich sagte ihr, dass ich nach Hause gehen wollte, was wir dann auch taten. Bei mir vor dem Haus angekommen, fragte sie mich, ob sie noch mit hinaufkommen sollte, aber ich lehnte ab. Ich möchte alleine sein, sagte ich. Sie nickte und sagte, wenn du jemanden zum Reden brauchst, ich bin für dich da, egal wie spät es ist. Ich verabschiedete mich von ihr. In meinem Zimmer angekommen, legte ich mich in mein Bett und schloss die Augen.

Kapitel 7

In dieser Nacht hatte ich wieder einen Traum. Diesmal war er aber realer, als die Träume davor, welche mich Nacht für Nacht quälten.

Alles begann wie so oft am See. Alle waren da, Marko, Doreen und Micha, aber auch Nicole und ihre Clique. Wir unterhielten uns alle, aber ich verstand kein Wort von dem, was sie sagten. Es kam mir so vor, als ob sie mich anschreien würden. Es machte mir Angst. Ich ging ein, zwei Schritte zurück, drehte mich um und lief so schnell ich konnte. Das Ufer des Sees war nicht weit entfernt, dennoch kam es mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich da ankam. Am Rand angekommen setzte ich mich nieder. Erneute Tränen liefen mir aus den Augen, rollten über meine Wangen, bis sie schließlich im Wasser verschwanden. Mir wurde bewusst, dass die Ringe, welche sich bildeten, Doreens Engelstränen waren.

Die Erinnerung an damals kam zurück.

Meinte sie etwa, dass diese Engelstränen von mir kamen, meinte sie mich als Engel zu bezeichnen? Bezog sich ihre Aussage gar nicht auf Marko?

Ich starrte auf die Ringe, sie wurden größer und verschwanden. Doreens Spiegelbild erschien im Wasser. Sie zwinkerte mir zu und formte mit ihren Lippen Worte. Ich konnte diese nicht deuten. Ich drehte mich um und wollte sie fragen, was sie sagen wollte, doch ich saß alleine da. Alle waren verschwunden.

Schweißgebadet wachte ich auf.

Sollte der Traum bedeuten, dass ich sie alle verloren hatte, oder bedeutete dieser, dass ich sie alle wieder sehen werde. Die Qual, welche die Frage mit sich brachte, entwickelte den Willen spazieren zu gehen. Da meine Müdigkeit wie weggeblasen war, entschied ich mich dazu.

Die Nacht war ruhig. Bis auf das laue Lüftchen, was ab und zu an mir vorbei wehte, war nichts zu bemerken. Es tat richtig gut. Ich lief bei Doreen vorbei, schaute nach, ob sie noch munter sei, was aber nicht der Fall war. Schulterzuckend drehte ich mich um und ging weiter. Ich kam bei einer Bank an und setzte mich. während ich eine Zigarette rauchte, schaute ich in den Himmel. Wo war Marko jetzt? Was Micha jetzt wohl macht? Gedanken irrten erneut durch meinen Kopf. Es wurde langsam hell.

Ich schaute mir den Sonnenaufgang an. Seit langem sah ich so etwas Schönes wieder. Die ersten Vögel begannen zu zwitschern und das Leben kehrte in den jungen Tag ein. Ich hatte ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, als ich mir das Schauspiel betrachtete. Ich stand auf und ging wieder nach Hause. Die Müdigkeit kam wieder und ich legte mich noch etwas schlafen. Zufrieden, aber dennoch etwas traurig, schlief ich wieder ein.

Die darauf folgenden Nächte lief ich bis in den Morgenstunden draußen herum. Diese Ruhe, sie tat einfach nur gut.

In jener Nacht lief ich wieder meine Runde. Bei Doreen vorbei, bis ich bei der Bank ankam. Ich bemerkte, dass mich zwei Gestalten verfolgten, was mich zunächst nicht störte. Bei der Bank angekommen, setzte ich mich wie so oft. Einige Zeit später sah ich zwei Silhouetten auf mich zukommen. Als diese Schatten näher kamen, hörte ich meinen Namen. Ich reagierte nicht, vielleicht gingen sie dann wieder. Ein wenig Angst hatte ich schon, da sich nur zwei schwarze Flecken auf mich zu bewegten. Eine Person kam näher und ich erkannte, wer es war. Es war Doreen. Sie gab mir ein Stück Papier, drehte sich um und ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, weg. Einige Zeit später ging ich auch nach Hause. Was hatte sie mir da gegeben? Ich holte den Zettel aus meiner Hose und begann mit lesen. Sei morgen gegen drei Uhr nachmittags am See, stand da. Warum sollte ich denn dahin kommen? Was wollte sie von mir? All die Zeit hatte ich nichts von ihr gehört und jetzt soll ich wegen so einem Stück Papier gleich springen?

Tag darauf entschloss ich mich, dennoch zum See zu fahren.

Als ich da ankam, sah ich sie bereits am Ufer sitzen. Ich wollte wieder gehen, als sie sich umdrehte und mich fragte, ob ich wieder gehen will. Ich bejahte dies. Sie kam auf mich zu und fragte mich, ob ich mich noch daran erinnern könnte, wie wir uns kennen gelernt haben. Ich schaute sie fragend an. Sie zeigte auf den See und sagte schau mal. Ich ging zum Ufer und wollte schauen, was es zu sehen gab. Als ich sie fragen wollte, was es zu sehen gab, bemerkte ich, dass sie nicht mehr da war. Ich beschloss zu gehen, als Doreen und eine zweite Person aus dem Wald stolperten. Erstaunt schaute ich, als ich diese Person erkannte. Es war Micha. Mit einem Augenzwinkern sagte sie, dass sie uns jetzt mal alleine lassen wird. Doreen verschwand und ich stand noch immer vor Micha. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, sollte ich weinen oder lachen?

Schweigend liefen wir zum See. Eine Stille umgab uns. Keine Vögel waren zu hören, kein Plätschern des Wassers war zu hören, es schien als würde alles die Luft anhalten. Stillschweigend starrten wir auf den See. Als ich ihn fragen wollte, wo er die ganze Zeit war, warum er mich alleine gelassen hat, ...

Ohne ein Wort zu sagen nahm er mich in die Arme. Ich legte meinen Kopf in seinen Schoß und schaute erneut auf die Oberfläche des Sees. Ein Tropfen schlug mir auf die Wange. Ich schaute nach oben und sah, dass Micha weinte. Warum weinte er? Hatte ich ihn mit meinen Fragen gequält? Ich weiß jetzt, wie du dich gefühlt haben musst, sagte er. Ich stand auf, lief ein Stück, drehte mich um und fragte ihn, warum er ausgerechnet jetzt wieder auftaucht? Ich fragte ihn, ob er eine Ahnung hatte, wie sehr er mir mein Herz gebrochen hatte. Er schüttelte den Kopf. Nein, das weiß ich nicht, sagte er. Ich hoffe du kannst mir verzeihen, sagte er leise. Er stand auf und kam mit fragendem Blick auf mich zu. Ich umarmte ihn, sagte aber nichts. In diesem Moment, wo ich Micha in den Armen hielt, begannen die Geräusche des Waldes. Die Vögel zwitscherten wieder, das Wasser schlug an das Ufer und der Wind blies durch die Bäume. Es kam mir so vor, als ob sie applaudierten. Es war ein wahnsinniges Gefühl. Micha sagte mir leise ins Ohr, Danke.

Unsere einsame Zweisamkeit wurde schnell wieder gestört. Doreen fluchte durch den Wald. Scheiß Gestrüpp, wird Zeit, dass du im Feuer loderst, hörte man sie von weiten sagen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen sagte sie, dass sie einkaufen gewesen ist. Für Essen und Trinken war also gesorgt. Während Micha und ich die mitgebrachte Decke ausbreiteten, hörten wir vom Ufer ein lautes Platsch. Doreens Sachen lagen am Ufer und ein frech lachendes Gesicht schaute aus dem Wasser. Es ist herrlich, sagte sie und verschwand unter der Wasseroberfläche. Kopfschüttelnd legten wir uns auf die Decke. Einige Zeit verging, bis Doreen wieder aus dem Wasser kam. Ihr braucht euch nicht zu genieren, vielleicht kann ich noch etwas lernen, sagte sie. Sie lachte. Zufrieden kuschelte ich mich an Micha heran. Zu dritt schauten wir uns die untergehende Sonne an. Es wurde langsam Zeit ein Lagerfeuer zu entzünden, was wir auch taten. Die Zeit verging wie im Fluge. Wir blieben die ganze Nacht wach und redeten.

Tags darauf, die Sonne stand schon längst am Himmel, stand Doreen ohne ein Wort zu sagen auf. Etwas benommen noch vom Schlaf, schaute ich sie an. Mir war klar, dass sie baden wollte. Sie schaute mich an und fragte, was los sei. Kopfschüttelnd sagte ich ihr, dass nichts sei. Wenn ihr wollt, könnt ihr mit baden kommen, sagte sie und verschwand im Wasser. Micha stand hinter mir, packte mich an und schmiss mich ins Wasser. Doreen revanchierte sich für mich und planschte so sehr im Wasser, das Micha nass wurde. Mit einem Sprung war er auch im Wasser und Doreen und ich schauten etwas dumm aus der Wäsche. Wir hatten das verdrängte Wasser ins Gesicht bekommen. Wir lachten und waren guter Dinge.

Es dauerte nicht lange und es kamen zwei, uns unbekannte Personen, auf uns zu. Doreen konnte sich nicht zurückhalten und redete sie an. Ein kurzer Namensaustausch und der Spaß ging weiter.

Die Tage vergingen wie im Fluge ...

Eines Tages, Doreen kam nicht zur verabredeten Zeit, fuhren Micha und ich alleine zum See. Am See angekommen, trafen wir Patrick und Floh. Die Zwei hatten wir Tage davor kennen gelernt. Ich fragte sie, ob sie Doreen gesehen hätten, was sie aber verneinten. Kurze Zeit später vernahmen wir ein Fluchen in der Ferne. Es konnte sich nur um Doreen handeln. Mit Reisetasche und Radio bepackt, stolperte sie auf uns zu und sagte Entschuldigung für meine Verspätung, aber ich war noch einkaufen. Meine Mutter hat mich gleich gefahren, sagte sie weiter.

Schnell war ihre Verspätung vergessen und der Spaß ging von neuem los.

Gegen Abend wollten wir ein Lagerfeuer entzünden und so gingen alle Holz suchen. Alle brachten Äste mit, außer Doreen. Sie brachte nur Heu, Stroh und einen Baumpilz mit. Trotz bereits brennendem Feuer schmiss sie die Dinge ins Feuer. Die Flammen erstickten und dicker, grauer Qualm stieg hervor. Sie drehte sich um und sagte, dass sie das nicht gewesen sei. Na ja, gibt es eben Räucherwürstchen, sagte ich und lachte. Als wir aßen, trafen die ersten Regentropfen auf die Erde. Schnell bauten wir die Zelte auf, kaum waren wir damit fertig, begann es richtig mit regnen. Die ersten Blitze zuckten über den Himmel und wir entschlossen uns in die Zelte zu gehen. Während Doreen mit Patrick und Floh in einem Zelt war, blieb ich alleine mit Micha in dem anderen. Wir lauschten einige Zeit lang Doreen und den beiden Jungs, wie sie sich um den Platz stritten, dann war Ruhe. Ich legte mich wie so oft auf Michas Brust und genoss die Stille. Ich lauschte dem Regen, der auf das Zelt prasselte und dem Donner, der ab und zu über den Himmel grollte. Ich schloss meine Augen. Etwas später, ich muss wohl eingeschlafen sein, öffnete ich meine Augen. Ich lag alleine im Zelt. Draußen vernahm ich immer noch den Regen, aber alles andere, was ich noch hörte, war die Stille der Nacht. Wo war Micha? Ich zog mir etwas an und machte mich auf den Weg ihn zu suchen. In meinem Kopf entwickelten sich Gedanken, die mich auf dem Weg quälten.

Schnell war ich durchnässt, aber es störte mich nicht. Ich wollte ihn wieder finden, egal zu welchem Preis. Ich blieb kurz stehen, versuchte mich zu erinnern, wo er sein könnte und lief schließlich zur Lichtung, da wo wir einst so glücklich miteinander waren. Dort angekommen, sah ich Micha. Trotz des Regens, hörte ich, dass er weinte. Leise sagte ich seinen Namen. Er drehte sich um, sagte aber nichts. Die Konturen seines Körpers konnte man durch die nassen Sachen gut sehen, dennoch machte mich der Anblick traurig. Ich fragte ihn, warum er weggelaufen ist und ob er weinen würde. Er antwortete nicht. Ich schrie ihn an, fragte ihn, warum er nichts sagte. Keine Antwort kam von ihm. Ich starrte auf den Boden. Ich überlegte, was ich machen sollte. Ich wusste nicht, was ich sagen, denken oder tun sollte. Micha kam auf mich zu. Ich hob meinen Kopf und schaute in seine traurigen Augen. Ich wusste nicht, ob es Regen oder ob es Tränen waren, aber dieses Szenarium machte mich traurig. Ich spürte, wie Tränen in meine Augen schossen und ich traurig wurde. Er sagte immer noch nichts, schaute mich nur an. In seinen Augen spiegelte sich die Angst, die er gerade wohl verspürte. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er meine Hand und hielt diese fest. Mit trauriger Stimme fragte er mich, ob ich mich noch daran erinnern könnte, wie alles begann. Tränen flossen aus seinen Augen und ich verspürte einen tiefen Schmerz in meiner Brust. Ich wollte ihm antworten, doch ich bekam kein Wort zustande. Ich fing bitterlich an mit weinen. Micha umarmte mich. Ja, ich kann mich erinnern, sagte ich ihm leise. Wie könnte ich dies auch vergessen, fragte ich ihn. Micha antwortete nicht. Ich lasse dich nie wieder alleine, sagte er. Ein erneuter Schmerz raste durch mein Herz. Ich hielt mich an ihm fest, so fest es nur ging. Ich dachte, ich falle jeden Moment um, doch er hielt mich fest. Er hob meinen Kopf und gab mir einen langen Kuss. Alles um mich herum begann sich zu drehen und doch fühlte ich mich wohl.

Wollt ihr nicht langsam mal ins Zelt gehen, wurden wir gefragt. Doreen stand mit einer Decke über dem Kopf da und schaute uns fragend an. Ihr holt euch noch eine Erkältung, sagte sie, drehte sich kopfschüttelnd um und ging. Sie murmelte sich noch etwas vor sich hin, was wir aber nicht verstanden. Durchnässt liefen wir zurück. Doreen schaute aus dem zweiten Zelt heraus und lachte. Ich konnte es nicht ganz verstehen, warum sie lachte, doch als ich in unserem Zelt war, lachte ich auch. Wir waren mittlerweile so durchnässt, dass man jede Kontur unserer Körper sehen konnte. Sowohl Micha als auch ich zogen uns trockene Sachen an. Mir war etwas kühl und so krabbelte ich zu Micha in den Schlafsack, kuschelte mich an ihn heran und schlief ein.

Am nächsten Morgen wurden wir mit einem lauten Platsch geweckt. Micha schaute aus dem Zelt und lachte. Doreen war wieder mal im Wasser. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es wirklich an der Zeit war aufzustehen. Mit zusammen gekniffenen Augen krabbelte ich aus dem Zelt. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und es war sehr warm geworden. Hey Angel, komme doch mit hinein, es ist herrlich! Doreen schaute mich fragend an. Ich lehnte ab uns so planschte sie alleine weiter. Ich beschloss einen kleinen Spaziergang zu machen und so lief ich los. Ich lief, ohne einen Gedanken zu denken, durch den Wald. Ich fand einen großen Felsen, auf welchen ich mich setzte. Ohne ein Wort zu denken, schaute ich in den Wald. Für einen kurzen Augenblick vernahmen meine Augen eine Person, aber im nächsten Moment war es nur eine Täuschung.

Einige Zeit verging ...

Die Sonne wurde schwächer und ich sah von weitem Micha kommen. Als er mich erblickte, lachte er und fragte, ob ich nicht zu ihm herunter kommen möchte. Ich lehnte ab und fragte ihn, ob er nicht zu mir herauf kommen mag. Er kam. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, lehnte ich mich bei ihm an und genoss seine Streicheleinheiten. Die Stille wurde unterbrochen, als Micha mich fragte, ob ich glücklich wäre. Ich nickte und fragte ihn das Gleiche, auch er nickte. Das Funkeln in seinen Augen verriet mir dennoch mehr.

Die Dämmerung trat ein ...

Micha schlug vor, dass wir zurückgehen könnten, was wir auch taten. Ich nahm Michas Hand und hielt sie fest. Ich wollte ihn nicht wieder verlieren, nein auf keinen Fall, sagte ich leise vor mich hin. Er fragte, ob ich etwas gesagt hätte, lehnte dieses aber kopfschüttelnd ab. Bei Doreen angekommen, schauten wir nicht recht erstaunt, als wir sahen, wer gekommen war. Nicole und ihre Clique waren erschienen. Es dauerte nicht lange und all der Kummer, der mich auf dem Weg zurück zum Nachdenken brachte, war verschwunden. Ich musste lachen.

Diesen Tag, so sagte ich vor mich hin, werde ich wohl nie vergessen. Für einen Moment lang war ich glücklich.

Die Zeit verging ...

Eines Tages klingelte es bei mir. Verschlafen öffnete ich die Tür. Ich war hellwach, als ich sah, wer vor der Tür stand. Es war Micha, der mit einem ernsten Blick mir sagte, er müsste mit mir reden. Ich zog mich an und ging mit ihm vor die Haustür. Über was willst du denn mit mir reden, fragte ich ihn. Er antwortete eine Zeit lang nicht, atmete tief durch, und sagte mir, dass sein Vater in einer anderen Stadt Arbeit gefunden hat und sie umziehen würden. Ich wusste nicht recht, was ich darauf sagen sollte. Etwas durcheinander fragte ich ihn, was das genau heißen sollte. Er antwortete mir abermals nicht. Micha stand auf, nahm meine Hand und sagte, komm` lasse uns etwas spazieren gehen. Ich stimmte zu. Auf halben Weg sagte er mir, dass er nicht glaube, dass wir uns wiedersehen werden. Ich schaute ihn an. Ich bemerkte, wie die Tränen in mir aufstiegen und ich ihn leise fragte, was dies heiße. Micha drehte sich um und sagte mit lauter Stimme: Es ist vorbei! Ich vernahm den Satz. Mit großen Augen schaute ich ihn an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich schaute ihn nur an. Micha kam auf mich zu, nahm meine Hand und sagte es tut mir leid, aber es geht nicht anders. Ich fragte ihn unter Tränen, welche inzwischen mir die Wangen hinunter liefen, ob er sein Versprechen nicht halten will und er schüttelte den Kopf, ich wünschte, sagte er, es gäbe einen anderen Weg. Ich riss meine Hand weg. Ich schüttelte den Kopf und lief weg. Ich lief so schnell ich konnte. Es war mir egal, das Micha mich rief, ich rannte. Ich wollte nur noch weg, egal wohin, einfach nur weg. Ich kam an einem großen Sonnenblumenfeld an und setzte mich da nieder. Mir schossen erneut die Tränen in die Augen und ich fing an mit weinen. Warum tat er mir das an? Ich hab ihm doch nichts getan! Ja, sein Vater hat einen neuen Job, aber muss er denn gleich verschwinden? Ich wusste keine Antwort auf die Fragen, welche mir in meinem Kopf herumirrten.

Den Schmerz, welchen ich dabei empfand, trieb mich fast in den Wahnsinn. Nein, ohne Micha wollte ich nicht mehr leben. Auf dem Boden lag eine Glasscherbe. Ich hob diese auf und hielt sie fest. Verzweifelte Gedanken glitten durch meinen Kopf, ich wollte nicht mehr leben. Ich setzte die Scherbe an meinem Unterarm an und fing an mir Wunden zu zufügen. Ich schnitt und schnitt. Mein Arm war voller Blut und ich schnitt weiter. Es war mir egal, der Schmerz, welchen ich dabei empfand, war einfach nur schön. Ich genoss die Schnitte, jeden einzelnen. Ich begriff, was ich getan hatte und schmiss die Scherbe weg. Ich sah meinen Arm und wusste nicht, warum ich das getan hatte. Wenn du so verbitterst bist, dass du dir die Arme aufschneiden musst, ist wohl etwas Schlimmes passiert, wurde ich gefragt. Ich drehte mich um, um nachzuschauen, wer dies sagte. Doreen stand hinter mir und schaute mich fragend an. Ich schüttelte nur mit dem Kopf und sagte, dass ich es nicht wüsste. Ich weiß nicht, warum ich das gerade getan habe, sagte ich ihr. Sie setzte sich neben mich und nahm meinen Arm. Musste denn das sein, fragte sie. Ich weiß es nicht, sagte ich leise. Ich weiß überhaupt nichts mehr, sagte ich. Wie hast du mich gefunden, fragte ich sie. Sie überlegte lange, bis sie antwortete. Ich war in der Nähe und sah dich hierher rennen, sagte Doreen. Was ist denn passiert, fragte sie neugierig. Ich sagte nichts.

Lasse mich raten, sagte sie, es hat mit Micha etwas zu tun. Ich nickte und legte mich zurück ins Gras. Er zieht um, sagte ich und schloss meine Augen. Ich glaube, ich weiß, wie dir zu Mute ist, sagte Doreen, aber deswegen musst du dir nicht gleich Wunden zu fügen. Ihr könnt euch doch sicherlich noch sehen, vielleicht nicht mehr so oft, aber es gibt da doch sicherlich einen Weg, sagte sie. Ich schüttelte den Kopf, nein, er zieht in eine andere Stadt, sagte ich leise. Ich habe ihn einfach stehen lassen und bin weggerannt, ich kann ihm nicht wieder unter die Augen treten, sagte ich. Ich werde aus der Situation das Beste machen und wer weiß, vielleicht werde ich wieder eine Hete, sagte ich. Doreen lachte und nahm mich in die Arme. Wir schaffen das schon, sagte sie. Wir saßen noch eine Weile da und gingen schließlich.

Zu Hause angekommen, erwartete mich schon Micha. Er kam auf uns zu und sagte mir, dass er mit mir reden möchte. Ich lehnte ab. Ich weiß nicht, was wir noch zu bereden hätten, sagte ich. Ich werde mit der Situation schon klarkommen, ich habe bis jetzt alles überstanden, sagte ich ihm. Micha schaute auf den Boden. Er bemerkte die Schnitte auf meinem Arm, nahm diesen und fragte mich, ob ich das wegen ihm gemacht hätte. Ich schaute ihn an, sagte aber nichts. Doreen nahm ihn zur Seite und sagte ihm etwas. Ich verstand dies zwar nicht, aber ihre Gestiken waren eindeutig. Ich setzte mich auf die naheliegende Bank und schaute mir das Schauspiel an. Nach einiger Zeit kamen beide auf mich zu und Micha schaute mich traurig an. Er sagte, dass es ihm leidtäte, das er weggehen müsste, aber wir würden in Kontakt bleiben. Er drehte sich um und ging. Ich wollte ihm noch etwas sagen, wusste aber nicht was. Ich stand auf, wollte ihm hinterher gehen, aber Doreen hielt mich fest. Ich schaute sie entsetzt an, aber sie lächelte nur. Lasse ihn gehen, sagte sie, er wird wieder kommen. Du wirst sehen, sagte sie mit einem Lächeln. Ich war etwas durcheinander und so entschloss ich mich, in mein Zimmer zu gehen, der Tag war für mich gelaufen. Ich verabschiedete mich von Doreen und ging in mein Zimmer.

Die nächsten Tage darauf wollte ich niemanden sehen, ich blieb in meinem Zimmer und schwebte mit meinen Gedanken in alte Erinnerungen.

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