zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Neue Elemente

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

Vorwort

Eine Abenteuergeschichte, eine Art Krimi und vor allem auch die Geschichte einer neu entstandenen Liebe sollte meine erste völlig frei erfundene Story werden. Alles jedoch ein wenig anders als es die gängigen Klischees sonst hergeben.

Während die Geschichte entstand, begannen meine Helden jedoch immer mehr ein Eigenleben zu führen. Es war plötzlich nicht mehr nur einfach eine von mir erfundene Story, vielmehr begann ich mit der Zeit immer mehr die Ereignisse und die Abenteuer meiner Helden nur noch niederzuschreiben.

Ich ersann die Geschichte nicht mehr für Bastian, sondern ich erlebte sie, freute und fürchtete mich mit ihm und seinen Freunden und ich hoffe, euch geht es ähnlich.

Na dann, viel Spaß beim Lesen.

Euer Andy.

 

»Der Himmel wird sich verdunkeln. Aus einem Feuerball entstammt das Wunderbare, das Schreckliche, das einst unsere Welt bestimmen wird.«

Peredus, ca. 1027 u.Z.


So richtig gut fühle ich mich immer noch nicht, dabei herrscht inzwischen endlich Klarheit. Mehr noch als ich vorher gedacht hatte.

Ich stehe jetzt allein im Park, hinter mir fahren die Autos die breite Hauptstraße entlang. Vereinzelt schlendern einige Leute am anderen Ende des Parks die verschlungenen Wege hinunter. In meinem Kopf laufen die Ereignisse der letzten Tage ab, die ihren Höhepunkt in den vergangenen Minuten gefunden haben. Diese sind mindestens genauso verschlungen wie die schmalen Pfade hier im Schlosspark.

Wie in einem Film sehe ich all die Bilder meiner Erlebnisse und Gefühle vor mir. Vor einer halben Stunde war die Welt noch so einigermaßen in Ordnung oder besser gesagt geordnet. Ich hatte eine wunderbare Freundin, dachte ich zumindest, ein geregeltes Leben und einen tollen Job.

Nun drängt sich mir die Frage auf: »War es das wirklich wert?«

Die Bilder springen mittlerweile in meinem Kopf wild durcheinander und verwirren mich gänzlich. Eben stand Daniela noch neben mir und nun?

Ein Schwarm Tauben erhebt sich laut schreiend und reißt mich aus meinen Gedanken.

»Ja, das war, das ist es wert !«, stelle ich für mich selber fest.

Jetzt höre ich auch wieder den Straßenlärm im Hintergrund und sehe, wie mich ein Paar mit ungläubigen Blicken beim Vorbeilaufen betrachtet. Ich stehe auch wirklich da, wie bestellt und nicht abgeholt.

Also gut, wie nun weiter? Schritt eins ist getan. Das war das Schwerste. Ich habe Daniela erzählt, dass ich mich in jemand anderen verliebt habe. Sie fragte mich in wen und auf meine Antwort: »In Daniel, in den süßesten Jungen, der mir je begegnet ist.«, folgte erst einmal nur ein ungläubiger Blick.

»Das ist wohl ein Scherz?«, war ihre Reaktion. Sie fing an, laut zu lachen. Was ich nicht wusste, ist, dass sie schon lange eine sehr innige Beziehung mit meinem besten Freund Markus hatte. Das erzählte sie mir nun eiskalt und grinste, weil ich nichts davon mitbekommen habe. Ihr Monolog endete mit: » ... du kleiner schwuler Spinner.«

Ich habe sie noch nie so abwertend und verletzend erlebt.

Dann ließ sie mich einfach hier stehen. Ich hatte ihr vertraut und wollte ihr meine Gefühle zu Daniel überhaupt erst einmal erzählen, ohne dass ich wusste, wie es nun weitergeht. Sie war aber bereits einen Schritt weitergegangen und hatte mir nichts davon erzählt.

Auch Markus hatte geschwiegen. Gerade Markus, das hätte ich wirklich nie gedacht.

Oder vielleicht doch?

Schon das ganze letzte Jahr überkam mich solch ein seltsames Gefühl. Das begann in unserem gemeinsamen Urlaub im letzten Sommer. Markus hatte sich gerade von seiner Freundin getrennt und war nun solo mit uns und einem weiteren Pärchen nach Israel geflogen. Danach war Daniela immer öfter alleine unterwegs. Natürlich immer mit einer logischen Erklärung. Meist waren das Firmenveranstaltungen, sehr oft auch am Wochenende.

Ich kann nicht sagen warum, aber irgendwie war mir schon bewusst, dass sich zwischen Daniela und Markus etwas tut. Mein Vertrauen zu den beiden war nur sehr viel größer, als das die vielen kleinen Zufälle eine Bedeutung für mich erlangen konnten.

Vielleicht wollte ich es auch nur nicht wahrhaben.

Jetzt bin ich wirklich unheimlich froh, dass ich Daniel gefunden habe. Es ist zwar etwas kurios, dass mein Traumboy gerade Daniel heißt. Aber irgendwie auch niedlich. Vielleicht kann ich nun zusammen mit ihm eine ehrliche gemeinsame Zukunft aufbauen.

Nun gut, jetzt werde ich meinen Traumprinzen aber erst einmal abholen. Endlich. Da warte ich schon zwei lange Wochen sehnsüchtig drauf.

Ach übrigens, ich bin Bastian. Sebastian Bergen, ja nicht Berger, sondern wie die Stadt in Norwegen - Bergen. Ich bin ... ja wie alt bin ich eigentlich? Also, nach meiner Rechnung bin ich jetzt sechsundzwanzig. »Mmh, klingt schon ganz schön ... , na egal.«

Bis vor kurzem wusste ich zwar, dass ich Jungs mitunter auch sehr niedlich finde, aber erst vor zwei Monaten hat es mich dann wirklich so richtig erwischt. Ich sah ihn, seine blauen Augen und sein Lächeln und hatte mich von einem Moment zum anderen in ihn verliebt. Meine Freunde mussten mich damals regelrecht wieder ins Leben zurückrufen. Ich muss wohl eine ganze Weile regungslos dagesessen und meinen Traumboy angelächelt haben. Ab da wurde es dann in meinem Leben etwas chaotisch.

Es ist schon seltsam, aber wir gewöhnen uns an unseren Alltag und merken nach einer Weile gar nicht mehr, was um uns herum so alles passiert. Irgendwie setzen wir Scheuklappen auf und sehen nur noch das, was in unser eingeschliffenes Weltbild passt. Wenn wir dann durch einen Funken aus unserem gewohnten Weg herausgerissen werden, stehen wir erst einmal ziemlich hilflos herum. So geht es mir zumindest.

Und ziemlich hilflos stehe ich jetzt hier im wahrsten Sinne des Wortes herum.

»So, jetzt aber wirklich los, sonst muss Daniel noch auf mich warten. Und ich kann es schließlich kaum noch erwarten, ihn endlich wiederzusehen.« Viel zu lange waren wir voneinander getrennt.

Er war von seiner Firma aus auf einer Messe in Hongkong. Eigentlich eine tolle Sache, leider musste ich hierbleiben und konnte die letzten zwei Wochen lediglich seine Stimme am Telefon hören. Wie ich mich schon sehne, ihn in meinen Armen zu halten.

Ein Blick auf meine Uhr sagt mir, dass ich mich jetzt wirklich beeilen muss. Also laufe ich so schnell als möglich zu meinem Auto, das ich zwei Querstraßen weiter in einer freien Parklücke abgestellt habe. Wenn er jetzt noch anspringt, habe ich noch gute Chancen rechtzeitig zum Flugplatz zu kommen.

Mein Healey sieht zwar toll aus, aber er ist mit seinen vierzig Jahren manchmal auch etwas eigenwillig. Er scheint aber zu wissen, wen ich erwarte, und so fängt er nicht an zu schmollen, sondern setzt problemlos seinen Motor in Gang.

Schei... Berufsverkehr, denke ich mehr oder weniger laut. Manchmal hasse ich die Großstadt und das Chaos in ihr. Vielleicht machen wir, Daniel und ich, wirklich unser Vorhaben war und ziehen von Berlin an die Küste. Wir sind übrigens beide keine Berliner, sondern wohnen erst seit einigen Jahren in dieser Stadt, die natürlich auch ihre Reize hat. Zum Beispiel meinen Daniel und natürlich meinen Daniel ...

Gut, dass er in Tempelhof und nicht in Tegel ankommt. Hier ist es meist nicht ganz so chaotisch. Seine Firma hat für die Messebetreuer eine kleine Privatmaschine gechartert. Toll was? Für mich hat noch keiner ein Flugzeug gemietet.

Ich blicke noch mal auf die Uhr und lege sie dann in Sichtweite auf das Armaturenbrett. Plötzlich klingelt mein Telefon. Wo ist das blöde Ding bloß. Mit der rechten Hand krame ich in dem Sachenberg neben mir auf dem Beifahrersitz und versuche das piepende Etwas zu finden, was mir nach ein paar Schrecksekunden, nebenbei muss ich ja auch noch Autofahren, auch gelingt. Es ist schon ganz richtig, dass das Telefonieren während der Fahrt verboten werden soll.

Ja, hallo. Hey Daniel, du bist wohl schon da. Was ist? Wieso? Daniel?!

Mit voller Kraft trete ich auf die Bremse. Hinter mir kracht es und ich werde in meinen Sitz gedrückt. Ungläubig starre ich mein Handy an. Das Gespräch ist beendet und kalt und teilnahmslos steht nur noch E-plus auf dem Display. Als wenn nichts passiert wäre.

»Daniel!«, ist das Einzige was ich noch herausbekomme.

Neben mir sehe ich jetzt einen wild herumfuchtelnden Herrn, ich denke es ist mein Hintermann, der es wohl nicht mehr ganz rechtzeitig geschafft hat, zu bremsen.

Egal, ich ignoriere ihn einfach und trete wieder auf das Gaspedal. Mit einem Quietschen fahre ich weiter in Richtung Flugplatz. Ich kann jetzt schon das langgestreckte Flughafengebäude sehen. Eigentlich ist vor der Empfangshalle absolutes Halteverbot. Das ist mir in diesem Moment aber völlig egal. Ich halte an, springe aus dem Auto und renne in die Halle.

Am zentralen Infostand steht zum Glück nur eine Frau, die, als ich komme, auch schon den Platz freimacht. Ich starre die freundlich und erwartungsvoll schauende junge Frau hinter dem Stand an und bringe erst mal keinen einzigen Laut hervor. Nach kurzem Sammeln meiner Gedanken stammele ich dann aber doch: »Für wann ist denn die Landung des Learjet der Firma Carlson Technologies aus Hongkong angesetzt?«

Sie fragt mich nach der Flugkennung. Ich kann nur mit den Schultern zucken. Also schaut sie in ihren Computer und sagt freundlich: »Für die nächsten zwei Stunden sind keine Auslandsflüge gemeldet. Wenn sie jedoch ihren Namen hinterlassen, lasse ich sie ausrufen, wenn die Flugsicherung die Ankunft bekannt gibt.«

Die letzten Worte verstehe ich nicht mehr, ich bin inzwischen nach einem kurzen »danke schön« wieder davongestürmt.

Kann das wirklich war sein. Vielleicht ist das nur ein Traum. Ich bin heute schließlich sowieso ganz schön durch den Wind. Aber das vorhin war wirklich Daniels Stimme.

Daniel, oh Daniel.

Am anderen Ende der Halle sehe ich einen Grenzschutzbeamten. In seine Richtung renne ich jetzt. Mit großen Augen betrachtet er mich erwartungsvoll. Ich hole tief Luft und fange sofort an, von meinem Telefonat zu erzählen.

Daniels Worte waren ungefähr folgende. Nein, nicht ungefähr. Wortwörtlich haben sie sich bei mir eingeprägt.

Er sagte: »Hallo Basti, ich bin jetzt in Faro. Frag nicht, lass mich nur kurz erzählen. Ich habe keine Zeit. Unsere Maschine wurde entführt. Ich weiß nicht ...«, Da brach das Gespräch plötzlich ab.

Der Beamte schaut immer noch genauso verblüfft in meine Richtung. Ich schreie ihn jetzt an. »Wir müssen was tun.« Eigentlich wollte ich gar nicht so laut werden, aber irgendwie ist das doch etwas viel.

Er wird endlich wach und sagt: »Sind sie sicher.«

»Ja, na klar. Sonst würde ich wohl kaum so aufgeregt sein.«

»Kommen Sie«, meint er und geht mit schnellem Schritt zu einer Tür mit der Aufschrift ´Zoll, Unbefugten Zutritt verboten´. Durch einen kurzen Flur gelangen wir in ein recht düster wirkendes Büro.

Der Beamte deutet auf einen Stuhl und sagt: »Nehmen Sie bitte Platz.«

Er selber geht weiter. Mir ist jedoch nicht nach Sitzen zu Mute und so bleibe ich lieber stehen. Jetzt kommt er mit einem zweiten Beamten zurück.

Der stellt sich höflich vor und fragt: »Sie haben Informationen zur Carlson Entführung.«

Anscheinend wusste man hier bereits Bescheid.

Nun falle ich doch auf den Stuhl hinter mir. Ich sage: »Ja, ich habe gerade mit meinem Freund telefoniert.«

Mir geht Daniels Stimme nicht aus dem Kopf. Ich könnte heulen. In den letzten Minuten standen mir schon einige Male die Tränen in den Augen. Ich versuche aber mich zusammenzureißen und erzähle noch einmal wortwörtlich das kurze Telefonat. Dabei spüre ich immer wieder innere Stiche, wenn ich an Daniels Stimme denke.

»Wo hat er sie angerufen?«

»Wie?«

»Wo er sie angerufen hat, würde ich gerne wissen.«

»Na eben im Auto.« Ich weiß nicht worauf er hinaus will. Was hat das jetzt mit Hilfe für Daniel zu tun.

»Sie haben also ein Handy.«

»Ja«, sage ich und greife in meine Jackentasche. Ich starre das Ding an, als ob gleich wieder eine Ruf von Daniel kommen müsste, wo er sagt, dass alles nur ein Irrtum ist und er gleich hier landen wird.

»Darf ich mal.«

Damit werde ich wieder in die Realität gerufen. In dem Moment wird mir eigentlich erst alles klar. Jetzt begreife ich erst einmal, was überhaupt passiert ist.

Ich sitze hier in diesem Büro. Neben mir stehen die zwei Beamten und vier weitere schauen in meine Richtung. Das ist wirklich alles wahr. Daniel ist in eine Flugzeugentführung geraten. Nun begreife ich auch, warum der Beamte mich nach meinem Handy fragt. Darin muss immer noch die Nummer des Anrufers gespeichert sein.

Er sagt, »wir brauchen die Telefonnummer.«

Inzwischen habe ich sie jedoch schon aus dem Anrufspeicher auf das Display gerufen. Ich gebe ihm das Handy und er notiert sich die Nummer.

»Haben sie noch etwas anderes bei dem Telefonat gehört, irgendwelche Hintergrundgeräusche?«

Ich überlege. Das ist gar nicht so einfach den Straßenlärm und die Geräusche aus dem Telefon voneinander zu trennen. Mir fällt dann jedoch auf, dass sich Daniel anscheinend außerhalb des Flugzeugs befunden haben muss, als er telefonierte.

»Ich hörte extrem stark die Triebwerke eines Flugzeugs, als ob er von draußen telefonierte.«

»Mmh, gut. Bitte geben sie uns noch ihre Anschrift und ihre Telefonnummer. Das Bundeskriminalamt wird sich in den nächsten Stunden mit ihnen in Verbindung setzen. Machen sie sich keine Sorgen, die Kollegen sind für solche Zwischenfälle.......« bla bla bla.

War ja nett gemeint, aber wie sollte ich mir keine Sorgen machen. So ein Quatsch.

»Was ist eigentlich passiert? Sie wissen doch Bescheid. Ist Daniel, sind die Passagiere in Gefahr? Wieso entführt jemand diese Maschine?« - Ich hatte tausend Fragen.

Der Beamte stutzt kurz und erzählt dann, dass ein unbekannter Entführer die Maschine nach dem Zwischenstopp in Kairo in seine Gewalt gebracht hat. Forderungen seien bisher nicht gestellt worden. Die Maschine steht jetzt seit circa einer Stunde in Faro auf der Rollbahn. Mehr könne er mir zu diesem Zeitpunkt leider nicht sagen.

Aber die Kollegen bemühen sich ...

Der erste Beamte begleitet mich aus einem Nebeneingang des Gebäudes.

»Wo haben sie ihr Auto geparkt.«

Ich schaue mich kurz um, wo wir rausgekommen sind und sehe meinen Healey.

»Das ist mein Auto«, sage ich mit einem Blick in die Richtung wo er steht. Dort ist gerade ein anderer Beamter beschäftigt, sich das Kennzeichen zu notieren. So gehen wir hin.

Die Beamten reden kurz miteinander und sagen: »Es ist schon in Ordnung, sie können fahren. Aber bitte lassen sie ihre Rückleuchten reparieren.«

»Meine Rückleuchten?« Ach ja ich hatte ja vorhin einen kleinen Crash. »Ja natürlich«, antworte ich, springe in den Wagen und fahre los.

Was jetzt tun. Nur auf die Hilfe der Polizei vertrauen kann ich nicht. Ich muss irgendetwas machen. »Ich muss zu Daniel.« Genau, das ist es. Ich muss irgendwie nach Faro. Faro? Das ist doch an der Algarve. Oder?

Da von Tempelhof keine Linienmaschinen mehr fliegen, fahre ich nach Tegel. Vorhin hatte ich mich noch gefreut, dass ich das Chaos hier nicht mitmachen brauche. Jetzt ist mir das völlig egal.

Ich stelle mein leicht lädiertes Auto auf einem freien Parkplatz ab und laufe in die Abfertigungshalle. Da ich hier nicht zum ersten Mal bin, brauche ich nicht allzu lange, um mich zu orientieren. Schnell finde ich den Schalter der Lufthansa und frage die mich freundlich begrüßende junge Frau nach dem nächsten Flug nach Faro.

Sie schaut in ihren Computer und sagt: »Faro ist zur Zeit wegen eines technischen Defekts gesperrt. Alle Flüge werden zu den umliegenden Flughäfen geleitet.«

Von wegen technischer Defekt.

Sie kann mir jedoch einen Flug für 12.35 Uhr nach Lissabon anbieten. Das ist in einer halben Stunde. Ich sage sofort ja und fünf Minuten später habe ich mein Ticket in der Hand. Auf Grund der kurzen Zeit bis zum Abflug erhalte ich hier auch gleich die Bordkarte.

Die Frage nach dem Gepäck verneine ich, was mir einen sehr ungläubigen Blick einbringt. »Ein Handgepäck habe ich aber.«

Mir fällt meine Sporttasche ein, in der ich zumindest noch ein paar Sachen und auch meine Kamera habe. Ich nehme mein Ticket und renne noch mal zum Auto. Im Kofferraum liegt meine Tasche. Ich schnappe sie mir, werfe noch einen kurzen Blick auf meinen Healey. Irgendwie ist mir so, als wäre das unsere letzte Fahrt gewesen.

»Bist schon ein tolles Auto«, sage ich und renne wieder los.

Am Abfertigungsschalter bin ich der Letzte. Die Angestellte wartet nur noch auf mich. Eine kurze Ticket- und Passkontrolle und ich laufe den Gang zum Flugzeug entlang. Auch dort werde ich schon erwartet. Die Stewardess begleitet mich zu meinem Platz, die Tür der Maschine wird geschlossen und es geht los.

Ich falle jetzt völlig erschöpft in den Sitz. In meinem Kopf fängt es an zu rauschen. Vor meinen Augen tanzen viele helle Punkte und mir beginnt der Schweiß die Stirn runterzulaufen. Mein Sitznachbar, ein etwa fünfzigjähriger Mann deutet mir an, ich solle mich doch anschnallen. Die Triebwerke heulen auf und die Maschine erhebt sich in die Luft. Zwei Stunden und vierzig Minuten hat die junge Frau am Abfertigungsschalter gesagt, würde der Flug bis Lissabon dauern. Aber wie dann weiter. Ich brauche dort einen Mietwagen. Doch bis dahin ist noch ein Moment Zeit.

Ach Daniel, was machst du jetzt. Bist du ok?

Du bist ok! Du bist ok! Das sage ich mir immer wieder, aber irgendwie will das jetzt nicht so richtig helfen. Langsam beginnen mir die Tränen die Wangen hinunterzukullern.

Mein Sitznachbar schaut mich nur verwundert an, sagt aber nichts.

Ich schließe die Augen. Jetzt erscheinen mir wieder die Bilder des Tages. Daniela, der Park, das Telefonat. Und immer wieder die Stimme von Daniel. Mein Daniel.

Ich schlafe ein.

»Möchten Sie etwas essen oder trinken?«

»Was?«

»Wir haben Orangen-, Apfel- oder Tomatensaft. Sie können aber auch einen Tee oder Kaffee haben.«

In diesem Moment brauche ich keine Zeit, mich zu erinnern. Das ist nicht so, wie man es im Fernsehen sieht, wo die Leute erst ungläubig gucken und sich an die vergangenen Ereignisse erst im zweiten Moment erinnern können. Ich werde wach und habe Angst. Eine unbeschreibliche Angst um Daniel, dass ihm etwas passieren könnte. Ich könnte schreien. Und die Stewardess fragt, ob ich Orangen- oder Tomatensaft wünsche.

»Das ist mir völlig egal.«

Meine Antwort scheint aber nicht sehr aussagekräftig zu sein, und so schaut sie mich immer noch erwartungsvoll an. Sie kann ja nichts für die Geschehnisse, so versuche ich ein Lächeln über meine Lippen zu bringen und möglichst freundlich zu sagen: »Bitte einen Tomatensaft.«

Ob mir das mit der Freundlichkeit gelungen ist, weiß ich nicht so recht. Zumindest bekomme ich aber meinen gewünschten Saft und eine Portion eingeschweißtes Irgendetwas.

Ich schaue auf meine Uhr. Eigentlich versuche ich es nur, denn auf meinem Handgelenk ist keine Uhr. Zuletzt habe ich sie auf dem Armaturenbrett im Auto gesehen. Da wird sie sicher auch jetzt noch liegen.

Wir haben jedoch direkt vor uns einen kleinen Bildschirm, auf dem die Flugdaten und die Uhrzeit angezeigt werden. Noch eineinhalb Stunden. Der Karte, die sich dort befindet, nach zu urteilen, müssten wir uns jetzt so ungefähr über Südfrankreich befinden.

Das Brummen der Triebwerke hallt in meinem Kopf. Ich habe wirklich schreckliche Kopfschmerzen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich seit heute Morgen nichts gegessen habe. Also betrachte ich mein Mal vor mir auf dem Tisch.

Widerwillig trinke ich meinen Tomatensaft und esse auch das nach Putenfleisch aussehende Etwas. Entweder es schmeckt wirklich nach nichts oder ich habe inzwischen meinen Geschmackssinn verloren.

Irgendwie fühle ich mich nach dem Essen aber doch etwas besser. Das Dröhnen in meinem Kopf beginnt langsam ein wenig abzuklingen. Also stehe ich erst mal auf und schwanke zur Bordtoilette.

In dem engen Raum schaue ich in den Spiegel. Ich sehe momentan nicht so toll aus, stelle ich fest, und wasche mir mein Gesicht mit kaltem Wasser. Nun schaue ich wieder gedankenverloren in den Spiegel. Ich blicke jedoch durch ihn hindurch und sehe Daniel vor mir.

Vor zwei Wochen hatte ich ihn zum Flugplatz gebracht. Wir hatten die Fahrt über kaum etwas geredet. Daniel war mächtig aufgeregt, was ihn in Hongkong erwarten würde und er schaute sehr nachdenklich und traurig in meine Richtung.

Die Wochen davor hatten wir viel Zeit miteinander verbracht. Wir hatten einen kurzen Ausflug zur Ostsee nach Albeck gemacht. Das war herrlich. Wie zwei Kinder haben wir am Strand rumgetobt. Ich hatte lange nicht so viel Spaß und habe so gelacht.

Irgendwie verstanden wir uns vom ersten Tag an, als ob wir uns schon immer kennen würden. Ich hatte von Anfang an eine Vertrautheit zu ihm, wie ich es sonst noch nie erlebt habe. Und auch ihm ging es so. In den wenigen Wochen, die wir uns eigentlich erst kannten, haben wir soviel voneinander erfahren, dass jeder von uns beiden ein Teil des anderen wurde.

Auf der Fahrt zum Flughafen waren wir beide aber ungewöhnlich still. Ich gönnte Daniel zwar seine Reise, aber ich vermisste ihn bereits jetzt.

Auf dem Flugplatz setzten wir uns auf eine freie Bank und schauten uns gegenseitig lange an. Ich wollte das Schweigen gerade brechen, da sagte Daniel: »Du Basti, ich muss dir noch was sagen.«

Eigentlich musste er das gar nicht. Ich sah seine Augen und sah das, was ich schon seit längerem wusste.

Er setzte aber leicht stockend fort: »Ich, mmh magst du mich eigentlich? Weil, naja weil ich habe mich. Ich möchte bei dir bleiben. Ich habe mich in dich verliebt.«

Das war der wunderbarste Moment in meinem Leben.

Er schaute mich mit seinen blauen Augen ganz erwartungsvoll aber auch ganz ängstlich an.

Ich sagte im ersten Moment gar nichts, sondern umarmte ihn einfach und flüsterte ihm dann ins Ohr: »Ich liebe dich auch, mein Daniel.«

Daraufhin drückte er mich ganz fest an sich.

Ich spürte nur noch ihn und vergaß die ganze Welt um mich herum. Wir saßen eine ganze Weile so da und genossen es, zueinander gefunden zu haben.

Leider mussten wir uns dann erst einmal verabschieden. Das ist mir noch nie so schwer gefallen. Wir gaben uns einen Kuss. Mein erster Kuss, den ich von einem Jungen bekommen habe. Von meinem Traumprinzen, von meinem Daniel. Ich sagte mir, in zwei Wochen sehen wir uns wieder und dann haben wir das ganze gemeinsame Leben vor uns.

Diese zwei Wochen sind nun um.

Mich überkommt wieder diese Angst. Die Angst, Daniel könnte irgendetwas passieren, ich könnte Daniel verlieren.

»Nein, nein, nein das darf nicht sein. Das wird nicht sein. Wir schaffen das.«

Ich gehe wieder zu meinem Sitzplatz.

Mein Sitznachbar betrachtet mich skeptisch von der Seite. Als ich seine Blicke wahrnehme, spricht er mich an.

»Haben Sie Probleme?«

Ich schaue ihn kurz an. Eigentlich sieht er nicht gerade sympathisch aus. Er scheint sich aber wirklich Gedanken um meinen Gemütszustand zu machen.

»Ja, ich habe wirklich ein riesiges Problem. Ich kann das aber momentan nicht so recht in Worte fassen. ... Naja, mein Freund ist, er ist in einem entführten Flugzeug.«

»Ihr Freund?«

Oh man, was soll das jetzt, denke ich.

Inzwischen tippt mir jedoch jemand auf die Schulter. Ich blicke zur Seite. Eine hübsche junge Frau schaut mich von der gegenüberliegenden Sitzreihe an und sagt freundlich: »Ich habe zufällig mitgehört, was sie gesagt haben. Ist ihr Freund in Faro?«

»Ja, woher wissen sie?«

»Mein Name ist Nicole Bergmann, ich bin Journalistin und wegen der Entführung auch auf dem Weg nach Faro.«

Sie lächelt mich an und gibt mir damit irgendwie Hoffnung. Ich habe das Gefühl endlich jemanden gefunden zu haben, der mich versteht und mir vielleicht helfen kann. Helfen bei was? Was kann ich eigentlich unternehmen. Das wird sich zeigen, wenn ich, wenn wir da sind. Erst einmal muss ich zu Daniel kommen, dann werde ich schon weiter sehen.

»Du kannst mich ruhig Nicole nennen.«

»Gerne, ich bin übrigens Sebastian.«

»Gut, also hallo Basti?«

Mmh, so nennt mich eigentlich nur Daniel, denke ich.

»Sebastian oder Bastian ist mir lieber«, entgegne ich daraufhin.

»In Ordnung, Bastian klingt auch gut.«

»Du bist Journalistin? Für eine Zeitung?«

»Ja, ich bin freie Mitarbeiterin beim Spiegel der Wissenschaft.«

»Aha.«

Spiegel der Wissenschaft. Was hat denn das mit der Flugzeugentführung zu tun? Ich will gerade diese Frage an sie richten, da ertönt das Zeichen zum Anschnallen und die Durchsage, das wir planmäßig in fünfzehn Minuten in Lissabon landen werden.

»Wie kommst du nach Faro?«, fragt sie mich.

»Ich habe keine Ahnung. Mal sehen, ob es auf dem Flughafen einen Mietwagenservice gibt. Eine andere Idee habe ich nicht. Wie steht es mit dir?«

»Ich weiß auch nichts Besseres. Wir können ja zusammen einen Mietwagen nehmen.«

»Na klar, gerne. Sag mal, was hat der Spiegel der Wissenschaft eigentlich mit Flugzeugentführungen zu tun?«

»Das ist etwas kompliziert. Begonnen hat es wirklich mit einem Wissenschaftsbericht. Inzwischen ist daraus jedoch ein Krimi geworden. Ein, wie ich jetzt feststellen muss, sehr gefährlicher Krimi. Das kann ich dir aber nachher vielleicht im Auto erzählen. Du sagst, dein Freund sei in dem Flugzeug. Wie heißt er eigentlich?«

»Mein Freund ist Daniel Krüger, er arbeitet in der Forschungsabteilung von Carlson Technologies.«

»Oh, ich kenne ihn.«

»Echt? Woher?«

»Ich hatte auf der Messe in Hongkong ein Gespräch mit ihm.«

Stimmt. Daniel hatte mir am Telefon erzählt, das er auf eine Entdeckung in seiner Firma gestoßen sei, die er einer Journalistin erzählen wolle. Er befürchtete, sonst würde alles vertuscht werden. Mehr sagte er aber nicht. Wenn er wieder zu Hause ist, wollte er mit mir zusammen unbedingt etwas unternehmen.

War das etwa der Grund für die Entführung?

Unsere Maschine landet. Um uns herum beginnt jetzt das übliche Chaos. Alle Leute springen gleichzeitig auf und versuchen sich anzuziehen und ihre Sachen aus der Ablage zu zerren. Da ist es völlig egal, dass das Zeichen zum Anschnallen noch geschaltet ist.

Die Maschine kommt am Terminal zum Stehen und die Gangway wird wie ein Rüssel herangefahren. Kurze Zeit später stehen wir auch schon in der Abfertigungshalle. Nicole und ich versuchen zusammenzubleiben. Wir sind inzwischen beide vor den Gepäckbändern angelangt und warten.

Nach einer Weile frage ich, wie ihr Koffer denn aussieht.

Sie schaut mich groß an und sagt: »Ich habe nur mein Handgepäck. Ich warte hier nur mit dir auf deine Sachen.«

»Ja dann können wir getrost weitergehen. Ich hab auch nur diese Tasche.«

Ein Lächeln macht sich auf unser beider Gesichter breit. Das erste Mal seit einer ganzen Weile, das ich mal kurz lächeln kann. Es ist aber nur ein Augenblick. Im nächsten Moment denke ich schon wieder an Daniel und bekomme wieder diese unbeschreibliche Angst.

Eine Passkontrolle gibt es nicht. So können wir schnellen Schrittes in Richtung Mietwagenservice laufen.

Bei Avis angekommen legt Nicole schon ihre Kreditkarte auf den Tresen, schaut sich das Wagenangebot an und mietet einen Astra. Wir bekommen die Formalitäten erklärt, sogar auf Deutsch, und gehen zum Wagen.

Ganz unwillkürlich stelle ich mich auf die Fahrerseite und bekomme ein kurzes: »Nee, lass mal. Ich fahre selbst!« zu hören.

Nun gut, das soll mir nur recht sein. Der Straßenverkehr in Lissabon ist bestimmt nicht sehr angenehm. Also setze ich mich brav auf den Beifahrersitz, werfe meine Tasche nach hinten und lasse Nicole fahren.

Ich sage nur eins. Ich fahre ja auch oft rasant. Hier bin ich aber froh, dass der Astra stabile Angstgriffe hat. Im nu sind wir auf der Autobahn in Richtung Süden. Uns stehen ungefähr drei Stunden Fahrt bevor. Bei dem Fahrstil von Nicole schaffen wir es aber bestimmt in zwei Stunden. Mir ist es eigentlich nur recht.

»Was machen wir, wenn wir in Faro sind?«, frage ich.

»Wir werden versuchen auf das Flughafengelände zu kommen.«

»Hast du eine Idee, wie?«

»Mal sehen.«

»Na gut, wir werden uns schon zu helfen wissen. Ich versuche mal nach Deutschland anzurufen, ob die Beamten dort schon etwas Neues wissen.«

Insgeheim habe ja ich die Hoffnung, dass inzwischen alles wieder in Ordnung ist. Aber so richtig kann ich mir das auch nicht vorstellen.

Ich wähle die Nummer des Beamten vom Berliner Flughafen.

Das Telefon klingelt und eine Frauenstimme meldet sich mit »Bundesgrenzschutzzentrale Tempelhof«.

Ich verlange den Herrn Raschberg und bekomme zur Antwort, dass er auf dem Weg nach Karlsruhe sei. Sie fragt kurz worum es geht und gibt mir nach meiner Erklärung seine Handynummer.

Unter dieser Nummer erreiche ich ihn dann auch. Er teilt mir mit, dass die Situation völlig unverändert sei und auch noch keine Forderungen der Entführer eingegangen sind. Er trifft sich jetzt mit einer Spezialeinheit und bespricht dort die weitere Vorgehensweise. Ich solle doch in meiner Wohnung weiter warten, die Kollegen sind bestens dafür geschult ...

Zu Nicole sage ich nur: »Es gibt nichts neues. Alles ist völlig unverändert. Das Flugzeug steht immer noch auf der Rollbahn.«

Obwohl ich eigentlich nichts anderes erwartet habe, bin ich jetzt innerlich wieder völlig am Boden. Ich wische mir eine Träne aus dem Gesicht. Möglichst unauffällig, damit es Nicole nicht mitbekommt.

Das scheint mir aber nicht zu gelingen. Sie sagt plötzlich mit einem sehr einfühlsamen Ton: »Das kommt schon wieder in Ordnung. Du siehst Daniel bestimmt bald wieder.«

»Ja klar. Danke dir.«

»Sag mal, wie gut seid ihr eigentlich befreundet?«

Bei solchen unverhofften Fragen werde ich sehr leicht rot. Und so grinse ich nur, was zur Reaktion hat: »Ok, schon klar. Dann werde ich dir halt helfen, dass du deinen Daniel schnell wiedersiehst.«

Schön, dass sie mich versteht und mir helfen will. Die Worte von Nicole geben mir irgendwie Hoffnung, dass das alles gut ausgehen wird.

»Nicole, du wolltest mir erzählen, was du und dein Wissenschaftsmagazin mit der Sache zu tun haben.«

Sie stutzt und sagt: »Warte bitte noch bis Faro, da werden wir es dir erklären.«

»Wir?«

»Ja, wir treffen dort einen Bekannten, der uns vielleicht helfen kann. Warte ab.«

Das wird mir langsam etwas unheimlich. Um was geht es hier eigentlich? Nicole ist bei allen anderen Sachen so offen, hier weicht sie aber aus. Trotzdem vertraue ich ihr absolut und warte also ab.

Die Sonne brennt auf dem Autodach, eine Klimaanlage hat der Wagen nicht, so machen wir die Fenster weit auf. Bei Tempo 170 ein sehr lautes Vergnügen. Mit Unterhaltung ist jetzt nicht mehr viel zu machen.

Ich verfolge die Verkehrsschilder und sehe ungeduldig die Entfernung zum ausgeschilderten Faro dahinschmelzen.

Nach zwei Stunden haben wir es tatsächlich geschafft. Wir stehen vor dem Flughafengelände.

Auf dem Parkplatz und vor dem Zaun stehen bestimmt fünfzig Polizei- und Militärfahrzeuge. Auch ein BMW mit Duisburger Kennzeichen ist darunter. Irgendwo habe ich den Wagen schon mal gesehen. Ich kann mich nur nicht erinnern, wo.

Wir wollen halten, werden jedoch von einem Beamten auf Englisch aufgefordert weiterzufahren, mit der Bemerkung, der Flughafen sei heute gesperrt. Wir folgen seinem Rat bis zur nächsten Ecke, wo wir unser Auto abstellen.

Schnell und zielgerichtet laufen wir zum Zaun des Flughafengeländes. Weit draußen, mitten auf der Rollbahn steht ein Flugzeug. Etwas anderes ist nicht zu erkennen. Ich bekomme plötzlich weiche Knie. In meinem Bauch dreht sich alles. Es ist, als wenn man in einem Traum versucht, irgendwo hinzulaufen und die Beine werden immer schwerer und schwerer, so dass man es nicht schafft.

Jetzt werden wir von einem Beamten in barschem Ton angehalten, diesen Platz sofort zu verlassen.

Nicole sagt: Desculpe. Chamo-me Nicole Bergmann. Estou procorando Manuel Calderas.

Was nach meiner Einschätzung so etwas heißt wie: Entschuldigung, ich bin Nicole Bergmann und ich suche den Herrn Calderas.

»Wer ist dieser Manuel Calderas«, frage ich sie.

»Warte es ab«, ist die Antwort.

Der Name scheint aber bei dem Herrn in Uniform Eindruck zu machen und so geleitet er uns in das Flughafengebäude.

Nicole begrüßt einen etwa fünfunddreizigjährigen Mann mit: »Olá Manuel! Como está?« Was übersetzt heißt: Hallo Manuel! Wie geht es Dir? Dann versagen meine Sprachkenntnisse vollends.

Sie reden eine ganze Weile und schauen mich dann plötzlich an. Manuel kann auch fast perfekt deutsch sprechen. Was für ein Glück. Jetzt verstehe ich endlich auch wieder etwas.

Er sagt, dass er der Leiter einer portugiesischen Sonderkommission zur Einhaltung internationaler Umweltabkommen sei.

Darauf kann ich wieder nur mit einem »Aha.« antworten.

Er erzählt aber sofort weiter, dass die Entführer die Betankung der Maschine und 50 Millionen Escudos, das sind etwa 500 Tausend Mark, gefordert haben. Nach einem Bericht des Piloten geht es allen Besatzungsmitgliedern und Passagieren gut. Abgesehen von der brütenden Hitze auf dem Rollfeld.

Das ist für mich schon mal eine riesige Erleichterung.

Ich erzähle, wer ich bin und das ich mit Daniel telefoniert habe.

Die Nummer des Handys ist bis jetzt noch nicht aus Deutschland übermittelt worden. So will ich ihm die Nummer geben. Er meint jedoch, dass das jetzt nicht notwendig sei.

Er bestätigt, dass Daniel tatsächlich außerhalb des Flugzeugs war, um die Forderung der Entführer zu überbringen. Er musste aber sofort zurückkehren. Das war eine Bedingung der Entführer, damit den anderen Geiseln nichts geschieht. Deswegen ist er jetzt wieder im Flugzeug. Diesen Moment außerhalb muss er für das Telefonat mit mir genutzt haben.

Ich frage, wie es jetzt weitergeht.

Er antwortet, dass ein Vertreter der Firma Carlson das Lösegeld besorgt und die Maschine innerhalb der nächsten Stunde aufgetankt werden soll. Dann wird sich zeigen, was geschieht.

»Um was geht es hier eigentlich?«, frage ich ihn direkt.

Er zögert, wendet sich kurz zu Nicole, die dem Bericht schweigend zugehört hat. Sie nickt. Er fängt an zu erzählen.:

»Herr Krüger hat auf der Messe bei der Vorführung eines Wärmesensors festgestellt, das aus einem versiegelten Behälter, der kurz zuvor für Herrn Tenner, dem Geschäftsführer der Firma Carlson abgegeben wurde, eine Art Strahlung freigesetzt wurde. Er ging dem nach und stellte fest, dass es sich um Gammastrahlung im Bereich von circa einem halben Mikrosievert handelt. Das ist bereits eine sehr hohe Dosis. Auf den Behälter angesprochen, erwiderte Herr Tenner jedoch nur, dass das nicht in Herrn Krügers Kompetenzbereich fällt.«

Daraufhin setzte sich dann Daniel mit Nicole in Verbindung, die er von ihren oft sehr kritischen Berichten und Artikeln zu den neuesten und nicht immer ganz ethischen Errungenschaften der Wissenschaft und Technik kannte.

Manuel fährt fort: »Wir vermuten, das sich der Behälter in dem Flugzeug befindet. Zusammen mit Herrn Tenner und leider auch mit ihrem Herrn Krüger.«

Das ist nicht gerade das, was ich hören wollte. Unabhängig von der Gefahr durch die Entführer gibt es auch noch eine zweite Gefahr durch einen seltsamen Behälter. Toll, aber zumindest wird jetzt manches etwas klarer.

Inzwischen habe ich mich auch an den BMW erinnert. Diesen Wagen hatte ich schon mal in Berlin vor Daniels Firma gesehen.

Plötzlich laufen die Beamten in der Halle wild durcheinander. Manuel ruft etwas auf Portugiesisch und sagt zu uns, dass sich die Maschine in Startposition begibt.

Ich spüre Daniel ganz in meiner Nähe und habe Angst vor dem, was jetzt geschehen wird.

»Ist die Maschine denn inzwischen aufgetankt?«, will ich wissen.

Manuel sagt: »Ja, ich muss los. Adeus.«, und läuft zu den anderen Beamten.

Nicole und ich sehen uns an.

Keiner beachtet uns, also laufen wir durch den offenen Abfertigungsschalter auf das Rollfeld. Im Hintergrund sehen wir die Maschine. Ich bin so hilflos, nichts kann ich machen.

Ich sehe zu Nicole auch sie schüttelt nur mit dem Kopf. »Ich weiß nicht, was wir tun sollen.«

Gerade will ich mit meiner Hand gegen einen Pfeiler schlagen, da fällt mein Blick auf das Handy, was ich immer noch in der Hand halte, seit ich Manuel Daniels Handynummer geben wollte. Auf seinem Display ist ein kleiner Briefumschlag abgebildet. Eine Nachricht.

Ich drücke auf den Knopf und die SMS läuft durch das Display.

»hi basti, ich liebe dich«

Ich kann nicht anders. Ich sehe kurz zu Nicole, die inzwischen auch auf mein Handy geschaut hat, und renne los. Ich laufe so schnell ich kann zu der Maschine auf der Rollbahn. Hinter mir höre ich die Rufe von Nicole und einige portugiesische Worte. Das interessiert mich aber nicht. Ich will nur zu Daniel. Nur noch wenige Meter bin ich von der Maschine entfernt und sehe schon die Fenster der Passagierkabine. Da heulen die Triebwerke auf, der Jet schießt über die Startbahn und erhebt sich in die Luft.

Ich falle zu Boden, in meinen Ohren fängt es an, laut zu rauschen und mir wird schwarz vor den Augen.

Lesemodus deaktivieren (?)