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Alarmstufe Rot

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»Lass uns nicht mehr warten.

Ich will Dich ganz!

Jetzt! Sofort!»

Sprachs, und begann mit geschickten Fingern die Knöpfe meines Hemdes in einer Geschwindigkeit zu öffnen, dass ich es erst bemerkte, als das besagte Kleidungsstück bereits in hohem Bogen auf meinem Schreibtisch landete. Während sich die Entkleidungsbemühungen meines Partners fortsetzten, wurde meine Zunge unaufhörlich und mit sich stetig steigernder Intensität in einen Kampf um die Vorherrschaft in meinem oralen Hoheitsgebiet verwickelt.

Da lag ich nun unter einem vor Lust bebenden Körper, zum Luftholen durch die Nase genötigt, auf der Suche nach der Erregung, die sich leider so überhaupt nicht einstellen will. Dabei war alles so schön geplant.

»Sorg für Romantik!« war nur einer der wohlgemeinten Ratschläge, die meine Freunde mir mit auf den Weg gaben. Nun, das sollte mir eigentlich in aller Perfektion gelungen sein.

Gebettet auf dunkelroter Seidenbettwäsche, von der, wie mir die beleibte Verkäuferin beim Kauf zu Verstehen gab, ein aphrodisierender Effekt ausgehen soll,

ein Meer aus Teelichtern, das uns, vor unserem Bett zu Füssen liegend, in einen Duft von Vanille hüllte,

eine sanftrote Beleuchtung, die in Form von Sonnenrollo gefiltertem Strassenlaternenlicht in mein Zimmer flutete,

und die sanfte Hintergrundmusik meiner momentanen Lieblings-CD von Nightmares On Wax.

Ich glaube, jetzt bin ich am Zuge.

Nach ein paar leider nicht so geschickten Handgriffen halte ich nun ebenfalls ein T-Shirt in den Fingern, welches mir plötzlich aus der Hand gerissen wird, um meine Finger sanft zu zwei emporragenden Brustwarzen zu führen.

Zärtlich umspielen zwei weitere Hände meine Lenden und machen sich an meinem Gürtel zu schaffen.

23 Uhr 43

zeigt mein alter Radiowecker mit den Klappzahlen, den ich im letzten Jahr auf dem Flohmarkt erstanden habe. Seit einer Stunde zieht sich nun dieses Schauspiel bereits hin. Ob das alles so richtig sein kann?

Meine Freunde springen wahrscheinlich gerade über die Tanzfläche unseres Stammclubs und haben mächtig einen in der Krone. Was würd ich geben, um jetzt bei ihnen zu sein. Dabei waren sie es doch eigentlich, die mich um meine momentanen Abendaktivitäten beneideten.

Ach ja, da war ja was. Also, volle Konzentration.

Jetzt greift auch meine Zunge aktiv in das Geschehen ein. Der Atem, der mir entgegenschlägt, riecht eigentlich gar nicht so schlecht. Und lauter wird er.

Genauso wie das Knarren meines Bettes. Wehe, meine kleine Schwester zieht mich morgen damit auf.

23 Uhr 45.

Jetzt wird es ernst.

Der Countdown läuft.

Der Gürtel ist entfernt und knallt mit lautem Getöse auf die geleerten Sektgläser. Auch Sekt soll ja sehr anregend sein sagt man. Ich könnte schwören die Laterne war vorhin noch nicht so hell.

Alarmstufe gelb.

Der Knopf meiner Jeans ist geöffnet. Hätte ich vielleicht doch die Kuschelrock CD meiner Schwester laufen lassen sollen? Hätte mich das mehr in Schwung gebracht? Mich wohl nicht. Und an Schwung lässt mein Sexualpartner es ganz gewiss nicht missen.

Alarmstufe orange.

Mit einem lauten »Zippp« ist der Reisverschluss geöffnet und die Hose ist gefallen. So langsam müsste es auffallen.

23 Uhr 47.

Diese Uhrzeit wird sich wohl mein Leben lang in mein Hirn einbrennen.

»Survival«, das neunte Stück der CD ertönt zum zweiten Male.

Ob ich das hier wirklich überlebe?

Scheiße, ich muss hier raus.

Alarmstufe rot.

Auch die Boxershorts sind gefallen und zum Vorschein kommt ein lebloses Stückchen Fleisch, das sich so gar nicht meinem Willen unterwerfen wollte.

Mir kommen die Sprüche vom letztjährigen Grillabend in den Sinn, an dem wir spontan und ziemlich betrunken nackt ins arschkalte Steinhuder Meer gesprungen sind. Die, die intelligenterweise auf dem Trockenen geblieben sind, fragten noch »Wie kalt ist es?«.

»So kalt!« antwortete Lennart damals und zeigte mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand von wenigen Zentimetern als Antwort.

Und selbst damals war ER garantiert nicht so klein wie jetzt.

In Bruchteilen einer Sekunde erstarb das sexuelle Verlangen meines Gegenüber. Ein enttäuschter Blick und ein »Sag mal, ich fummel mir hiern Wolf und Dich lässt das kalt oder was?« beendeten die Aufführung.

Vorhang.

Applaus.

Super hast Du das wieder hinbekommen, Fabian.

Wenn ich schon dachte, das Ausziehen wäre schnell vonstatten gegangen, das Anziehen hatte Larissa äußerst schnell drauf.

»Ich ruf Dich an!« war das letzte was ich von ihr hörte, bevor die Zimmertür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.

Nun lag ich halbnackt auf meinem Bett lag und versuchte zum wiederholten Male die Schatten, die meine beiden Lampenschirme auf die Zimmerdecke warfen, in einen geometrischen Zusammenhang zu bringen.

Das hatte ich mir aber alles ganz anders vorgestellt.

Und ich dachte immer Männer wären notgeil.

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