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Sometimes Dreams come true

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Vorwort

Dies ist jetzt die zweite Fassung der Story Sometimes dreams come true. Nachdem mich dann doch noch ein paar Leute nach einer Fortsetzung gefragt haben, habe ich mich für eine komplette Überarbeitung entschieden.

In der alten Geschichte gab es überhaupt kein Vorwort, auf meiner privaten Homepage (http://www.dreamboyz.de/RickJ/ ) habe ich dann ein paar Worte als Einleitung geschrieben, und aus diesem Grund möchte ich die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle noch einmal kurz zu erklären, wie ich zu dieser Story gekommen bin:

Im Sommer 1994 war ich zum ersten Mal auf einem Schüleraustausch in Großbritannien, für zwei Wochen. Ich war aus unserer Gruppe einer der wenigen, der mit seinen Gasteltern auch danach noch Kontakt hatte, und im Sommer 1997 war ich dann noch einmal für zwei Wochen auf eigene Faust dort. Auch »Jake« gibt es, allerdings habe ich aus Rücksicht auf die Personen alle Orts- und Personennamen geändert. Die positive Resonanz auf mein Outing ist echt, aber ob »Jake« nun auf Jungs oder Mädchen steht, weiß ich bis heute nicht genau ... die Hoffnung habe ich jedenfalls noch nicht ganz aufgegeben.

Ich habe gegenüber der alten Fassung noch ein paar Änderungen bezüglich der Orte und Namen vorgenommen, da die alte Version aber schon relativ lange online war, gehe ich mal davon aus, dass sie in letzter Zeit nicht mehr allzu viele Leute gelesen haben werden *grins* ... also stört Euch bitte nicht daran.

So, und jetzt geht es ohne viel weiteres Gerede los! Viel Spaß,

Rick

 

Ich stellte mein Gepäck aus der Hand und atmete tief durch ... endlich war ich am Düsseldorfer Flughafen angekommen. Die Fahrt war bis dahin schon eine Tortur gewesen, morgens um kurz nach sieben war der Zug in der Kleinstadt, in der ich wohnte, abgefahren, und neben drei Mal Umsteigen hatte ich auch noch einiges an Gepäck zu schleppen. Jetzt stand ich also auf dem Flughafen und suchte die Gepäckaufnahme. Ich war etwas nervös, zum einen, weil es mein erster Flug war, und zum anderen, weil ich mich unheimlich freute, meine Freunde wiederzusehen.

Eine Angestellte des Flughafens sprach mich an. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte sie. Ich nickte. »Ja, ich suche den Schalter von EuroWings.« Sie lächelte. »Kein Problem - einfach quer durch die Halle und dann zum Gateway A, dort sehen Sie dann den EuroWings-Schalter.« Ich bedankte mich, nahm mein Gepäck und legte noch einen kurzen Zwischenstopp beim Wechselbüro ein, um mir etwas britisches Geld zu besorgen - ich war mir nicht sicher, ob ich mit meinen Reiseschecks weiterkommen würde.

Etwas später hatte ich mein Gepäck aufgegeben, und jetzt hatte ich noch knapp zwei Stunden Zeit bis zum Abflug. Als Erstes steuerte ich den Duty-free-Shop an - damals konnte man auch auf innereuropäischen Flügen noch günstig Zigaretten kaufen - und deckte mich mit diversen Sachen ein. Ich sah wieder auf die Uhr - noch anderthalb Stunden. Na ja, irgendwie würde ich die Zeit schon totschlagen. Ich schnappte mir ein Buch und setzte mich ins Bistro ... sechs Mark für eine Cola fand ich dann doch etwas übertrieben, aber man gönnte sich ja sonst nichts.

Schließlich wurde mein Flug aufgerufen, und meine Aufregung wuchs ins Unermessliche. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Maschine schließlich - nach allen notwendigen Vorbereitungen und Sicherheitshinweisen - in die Luft erhob. Ich denke, das Gefühl des ersten Starts werde ich nie vergessen, einfach nur den Boden unter den Füßen verlieren und die Aussicht zu genießen. Außerdem kam ich recht schnell mit meiner Sitznachbarin ins Gespräch, und so verging die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug.

Ankunft in Newcastle-upon-Tyne. »Wir danken Ihnen, dass sie mit EuroWings geflogen sind, und würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in England und bitte denken Sie daran, ihre Uhren auf Greenwich-Zeit umzustellen.« Ja ja ... das obligatorische Gerede ... das kannte man ja nun aus vielen Filmen und darum hörte ich nur mit einem Ohr hin. Mein Gepäck hatte dieselbe Maschine wie ich genommen (wie ich schon von mehreren Freunden gehört hatte, war das alles andere als selbstverständlich) und nun stand ich auf einem Flughafen in Nordengland.

Mein Ziel war eigentlich Edinburgh, aber laut Reisebüro gab es keine Direktflüge von Deutschland nach Edinburgh. Verwunderlich war nur, dass zehn Minuten vor meiner Maschine eine andere aus Düsseldorf gestartet war - und zwar non-stop nach Edinburgh ... aber darüber regte ich mich jetzt auch nicht mehr auf. Robert, mein Gastvater von meinem ersten Aufenthalt in Schottland, wollte mich abholen, aber er konnte erst um kurz nach sechs hier sein. Ich suchte nach einem Gepäckschalter, um zumindest meine Reisetasche und meine Gitarre loszuwerden (ohne die wäre ich nicht losgeflogen), und dann schaute ich mich ein bisschen auf dem Flughafen um.

Ich besorgte mir ein paar Zeitschriften, damit ich Lesestoff hatte - zu meiner Überraschung gab es seit kurzem sogar die Bravo in einer englischen Ausgabe. Hm, Nick Carter als Titelmotiv war für mich ein Grund, das Heft einfach mal zu kaufen. Das Interview war gar nicht mal schlecht und die Fotos einfach nur süß (damals wenigstens noch). Lachen musste ich, als ich den Beitrag zur Aufklärung sah ... diesmal unter dem Thema: The male body. Während es in der deutschen Ausgabe schon seit zwei Jahren völlig normal war, dass 15- bis 19jährige Jungs im Adamskostüm abgedruckt wurden, trug das Modell in der englischen Ausgabe eine betont weite Shorts ... na ja, die Briten waren eben etwas verklemmter.

Ich beschloss, noch einen Kaffee trinken zu gehen - mittlerweile war es kurz nach sechs. Kurz nach sechs? Ich verglich die Uhren ... hm, irgendwie hatte ich noch etwas von wegen »Uhren umstellen« im Ohr ... jedenfalls war es erst kurz nach fünf und ich hatte meine Armbanduhr natürlich nicht umgestellt. Ich grinste über meine eigene Blödheit und ging 'rüber ins Flughafenrestaurant. Der Typ hinter der Kasse war etwa in meinem Alter und wirklich süß ... so konnte der Urlaub anfangen. Für einen direkten Flirtversuch war ich doch zu schüchtern, aber ich lächelte ihn an - und er erwiderte das Lächeln sogar. Meine Laune hob sich gleich noch mehr.

Um kurz nach sechs stand ich dann vor dem Haupteingang des Flughafens und wartete auf Robert. Er hatte mir schon vor ein paar Tagen am Telefon gesagt, dass er sich mittlerweile einen neuen Wagen zugelegt hatte, ich war bisher nur den alten Kombi der Familie gewöhnt. Ich wollte gerade meine Zigarette ausmachen, als ich eine Stimme hörte. »Eins sage ich dir gleich, Rick, geraucht wird bei uns im Haus aber nicht.« Ich drehte mich lachend um. »Hi Robert, ich freu' mich auch dich zu sehen - und zum Rauchen kann ich gern nach draußen gehen.«

Wir begrüßten uns, ich holte mein Gepäck und dann fuhren wir direkt weiter. Auf der Fahrt gab es natürlich viel zu erzählen. Ich war zunächst allerdings erst mal ziemlich irritiert, weil in Großbritannien Linksverkehr herrscht und ich somit auf dem Platz saß, den normalerweise der Fahrer hatte. Aber daran gewöhnte ich mich recht schnell. »Wir müssen uns etwas beeilen, sonst wird Carol sauer, wenn wir zu spät kommen.« »Na, das will ich an meinem ersten Abend bei euch bestimmt nicht riskieren.«

Wir unterhielten uns noch ein bisschen. Irgendwann kam ich noch einmal auf mein Outing zu sprechen. »Robert, ich hoffe, Ihr habt wirklich kein Problem damit, dass ich schwul bin?«, fragte ich. Er schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich dir doch schon am Telefon gesagt. Schließlich kennen wir dich mittlerweile gut genug, und ich denke nicht, dass du deswegen ein anderer Mensch bist - auch wenn du dich äußerlich schon verändert hast.« Das stimmte. Gegenüber meinem letzten Besuch hatte ich fast dreißig Kilo abgenommen und war auf Kontaktlinsen umgestiegen.

»Habt Ihr es Jake schon gesagt?«, fragte ich. Robert nickte und setzte dazu ein Pokerface auf, aus dem ich absolut keine Rückschlüsse ziehen konnte. »Sprich' ihn aber bitte nicht auf das Thema an - er wird von selbst auf dich zukommen wenn es soweit ist, okay?« Ich nickte. »Okay, kein Problem. Was hat Carol gesagt?« Robert grinste. »Na, was schon - dasselbe wie ich, wir waren uns recht schnell einig.« Das beruhigte mich. Allerdings wusste ich nicht so richtig, wie ich Roberts Aussage im Bezug auf Jake einschätzen sollte ...

Auch wenn ich noch nicht lange wusste, dass ich schwul war, in Jake hatte ich mich schon bei meinem ersten Besuch ein bisschen verliebt. Damals war ich knapp 16 und er gerade 14 geworden - er hatte dunkelblonde Haare mit einer hellblonden Strähne, ein recht zartes Gesicht und wunderschöne Augen. Ich hatte auch später immer mal wieder von ihm geträumt, aber wenn wir telefoniert hatten, hatte ich immer mit Carol oder Robert gesprochen, nie mit Jake selbst - bis Weihnachten letztes Jahr, und da musste ich erst zweimal hinhören, weil sich seine Stimme sehr verändert hatte - sie war deutlich tiefer geworden. Ich war gespannt darauf, ihn wiederzusehen, und hoffte insgeheim, dass ich meine Gefühle unter Kontrolle haben würde.

»Musst Du in dieser Woche viel arbeiten?«, fragte ich Robert, um mich abzulenken. »Ich werde morgen Abend in Glasgow bleiben, aber am Freitag habe ich mir freigenommen, in der nächsten Woche sieht es genauso aus.« Ich nickte. »Okay. Es wäre wirklich schade, wenn du so viel unterwegs wärst, wo wir uns eh' nur so selten sehen.« Robert nickte. »Ja, aber mehr Urlaub ging leider nicht, weil bei uns gerade ziemlich viele Leute fehlen. So, wir sind da.«

Ich freute mich, als ich das Haus wiedersah - es sah alles noch genauso aus, wie ich es in Erinnerung behalten hatte. Robert half mir, das Gepäck aus dem Wagen zu laden, und dann gingen wir 'rein. Carol stand in der Küche und war gerade dabei, die Kartoffeln abzugießen. »Hallo, Jungs.« Sie stellte den Topf ab und begrüßte mich. »Rick, schön dass du da bist.« Sie nahm mich kurz in den Arm. »Du hast dich ganz schön verändert«, sagte sie dann. »Und du bist keinen Tag älter geworden«, erwiderte ich - ob das nun so charmant war? Na ja, jedenfalls wusste Carol, wie es gemeint war. Sie drückte mir gleich ein Glas Orangensaft in die Hand. »Hier, du hast bestimmt Durst.« »Danke, aber ich habe auch schon am Flughafen einen Kaffee getrunken.«

Wir setzten uns ins Esszimmer, der Tisch war richtig schön festlich gedeckt. Und dann kam der spannende Moment ... die Tür ging auf und Jake betrat den Raum. Ich hielt für einen Moment die Luft an - oder besser gesagt, mir blieb die Luft weg. Ich hatte ihn schon ziemlich süß in Erinnerung gehabt, aber aus dem zarten Jungen, den ich kannte, war mittlerweile ein junger Mann geworden. Er war um mindestens 20 Zentimeter in die Höhe geschossen, hatte schärfere Gesichtszüge bekommen und trieb offensichtlich viel Sport - unter dem T-Shirt zeichneten sich jedenfalls die Ansätze von Bauch- und Brustmuskeln ab, wie ich sie bisher nur auf Fotos gesehen hatte.

Wir begrüßten uns und begannen dann erst mal mit dem Abendessen. Natürlich gab es viel zu erzählen, und Robert konnte es natürlich nicht lassen, mich noch einmal auf das Rauchverbot im Haus hinzuweisen. »Jake raucht schließlich auch nicht«, fügte er lächelnd mit einem Seitenblick auf seinen Sohn hinzu. Der schaute erst seinen Vater und dann mich an, sagte aber gar nichts dazu. »Robert, wenn dieses Haus normalerweise ein Nichtraucherhaus ist, habe ich absolut keine Probleme damit, weniger zu rauchen oder den Konsum nach draußen zu verlegen - schließlich sind wir hier nur in Süd-Schottland und nicht in Alaska, okay?« Carol lachte. »Ist schon okay, Rick - sei' uns bitte nicht böse, aber wir rauchen alle nicht, und da wäre uns das etwas unangenehm.«

Ich nickte. »Ist doch überhaupt kein Problem - schließlich bin ich bei euch zu Gast, dann ist es für mich selbstverständlich, dass ich mich an die Spielregeln halte.« Das war es für mich wirklich - wir Raucher waren ja häufig als aufdringlich verschrien, was unser Laster anging, aber eine Nichtraucherzone war für mich nun mal eine Nichtraucherzone, da gab es für mich keine Diskussion. Das galt in diesem Fall schon allein aus Höflichkeit den Gastgebern gegenüber.

Nach dem Essen war für mich der Moment gekommen, erst einmal ein bisschen was zu verteilen - ich hatte lange überlegt, was ich meinen Gastgebern mitbringen konnte, und mich zumindest im Falle von Robert und Carol dann für einige Flaschen Wein entschieden. Deutsche Weine waren in Großbritannien unverhältnismäßig teuer, und zum Glück wusste ich, welche Sorte sie mochten. Für Jake hatte ich einen Kaffeebecher besorgt, weil ich wusste, dass er nach dem Sommer mit dem Studium anfangen wollte. Das Hauptgeschenk war jedoch eine Videocassette, die schiere Begeisterung auslöste - der Kurzfilm »Dinner for One - der 90. Geburtstag«.

Robert hatte mich vor einiger Zeit darauf angesprochen, nachdem eine deutsche Partei sich kurz vor Sylvester über die Misshandlung des Tigerkopfes ausgelassen hatte und das bis in die britischen Medien durchgedrungen war. Zu meiner Überraschung war der Film noch nie dort ausgestrahlt worden, und so hatte ich schließlich das Video besorgt. Robert aktivierte gleich den Videorecorder, und ich versuchte aus dem Kopf, die Einleitung hinzubekommen - die war auf dem Video nämlich nicht mit drauf. Aber es gelang mir recht gut, glaube ich - schließlich hatte ich die Sendung seit ich denken konnte jedes Jahr gesehen.

Um halb elf gingen Robert und Carol ins Bett, Jake und ich blieben noch auf. »Ich geh' noch eine rauchen, leistest du mir Gesellschaft?«, fragte ich Jake. Er nickte, und wir gingen nach unten in den Garten. Er schielte auf die Schachtel, als ich mir eine Zigarette ansteckte. Ich grinste. »Du rauchst doch nicht, oder?« Er druckste ein wenig herum. »Eigentlich nur wenn ich bei meiner Schwester zu Besuch bin - hier ist mir das Risiko zu groß.« Ich hielt ihm kommentarlos die Schachtel hin. Er sah mich bittend an. »Aber sag' Mum und Dad nichts davon, okay?« Ich nickte. »Keine Sorge - aber wenn du erwischt wirst, behaupte nicht, ich hätte dich angestiftet.« Er lächelte nur ... zum Glück saß ich auf dem Kotflügel des Wagens, sonst wäre ich wahrscheinlich schwach geworden.

Wir standen noch eine Weile zusammen, rauchten und quatschten, bis wir schließlich beide müde wurden und beschlossen, ins Bett zu gehen. Ich war den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatte in der Nacht vorher vor Aufregung natürlich kaum geschlafen. Wie auch schon bei meinem letzten Besuch hatte ich ein eigenes Zimmer - einerseits bedauerte ich es ein bisschen (ein Zimmer mit Jake zusammen wäre mir lieber gewesen), aber andererseits war ich auch froh darüber, dass ich einen Ort hatte, an den ich mich hin und wieder einfach mal zurückziehen konnte.

Wir verbrachten die nächsten Tage in aller Ruhe. Untypisch für Schottland war das gute Wetter, wir saßen öfter draußen. In Jake hatte ich einen guten Zuhörer gefunden, wir hatten beide in etwa denselben Musikgeschmack und zu diesem Zeitpunkt konnte ich schon relativ gut mit meiner Gitarre umgehen - irgendwann traute ich mich sogar, ihm eines meiner selbstgeschriebenen Stücke zu präsentieren. Er ist einer der ganz wenigen Menschen, der diesen Song je zu hören bekommen hat (eigentlich habe ich ihn für eine andere Story geschrieben) und wenn ich ihn mal spiele, verbinde ich diesen Song immer mit Jake.

Donnerstags waren wir abends im Keller und spielten einige Runden Billard. Robert hatte den Tisch angeschafft, als Jake noch kleiner gewesen war, und die beiden hatten sich viele heiße Matches geliefert - auch Jake und ich hatten bei meinem ersten Besuch viel gespielt. Jake hatte seinen Cassettenrecorder nach unten geholt, und so wurden wir beim Spielen von den Beatles begleitet. Später an diesem Abend, nachdem Robert und Carol sich verabschiedet hatten, schauten wir uns zusammen »Sleepers« an - in Deutschland war der Film erst kurz vorher im Kino gelaufen, in Großbritannien gab es ihn jedoch schon auf Video, und ich hatte ihn mir gleich gekauft.

Jake war von dem Film genauso mitgenommen wie ich, und die drei Dosen Cidre, die jeder von uns getrunken hatte, taten ein übrigens ... jedenfalls waren wir beide kurz vor dem Heulen, und als wir mal wieder draußen standen - das war mittlerweile eine feste Einrichtung geworden - unterhielten wir uns angeregt über den Film. [Für alle, die den Film nicht gesehen haben: in Sleepers geht es um vier Jungen, die für einen dummen Streich mit schweren Folgen ins Jugendgefängnis kommen und dort von den Wärtern regelmäßig brutal vergewaltigt werden. Jahre später rächen sie sich dafür. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte.]

»Ich frage mich, wie man Kindern so etwas antun kann«, fragte Jake nachdenklich. Ich nickte. »Das frage ich mich auch - aber ich denke, auf diese Frage kann es keine Antwort geben. Jedenfalls hab' ich bisher keine gefunden.« Er sah mich fragend an. »Hast du mal danach gesucht?« Ich nickte. »Ja, nachdem ich den Film zum ersten Mal gesehen habe. Mich hat das Thema einfach viel zu sehr beschäftigt.« Dass ich mich während meines Outings auch gefragt hatte, ob »schwul sein« und »Kinder vergewaltigen« dasselbe waren, verschwieg ich wohlweislich - schließlich hatte ich Robert versprochen, das Thema nicht anzuschneiden. Aber entweder konnte Jake Gedanken lesen oder er hatte dieselbe Idee gehabt.

»Hast du auch deswegen danach gesucht, weil du ... na ja, weil du auch auf Jungs stehst?« Ich zuckte zusammen - mit der Frage hatte ich nicht gerechnet, auch wenn ich eine Sekunde vorher noch selbst darüber nachgedachte hatte. »Jake, ich bin schwul - aber wenn, dann suche ich mir Jungs, die ungefähr in meinem Alter sind. Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich mich an einem Kind vergreifen würde?« fragte ich. Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nein, aber ich habe selbst schon über die Frage nachgedacht.«

Offensichtlich war ihm das Thema unangenehm, jedenfalls kam er plötzlich auf etwas anderes zu sprechen. »Du schuldest mir übrigens noch eine Revanche«, sagte er und deutete mit einem Kopfnicken auf das Fenster des Billardraums. »Kein Problem, aber wenn wir jetzt noch ein Spiel machen, könnten deine Eltern mit Recht sauer werden«, sagte ich. Jake nickte. Wir rauchten schweigend auf, und dann legten wir uns ins Bett.

Ich dachte noch ein bisschen über unser Gespräch nach - ganz sicher war ich mir nicht, was ich davon halten sollte. Hatte Jake nun ein Problem damit oder nicht? Aber wenn er nicht damit umgehen konnte, dass ich schwul war, warum hatte es mir das dann nicht eher gesagt? Schließlich waren wir die letzten Tage richtig gut miteinander ausgekommen. Diese und noch viele andere Gedanken in der Richtung schossen mir durch den Kopf, bis ich schließlich einschlief.


Am nächsten Morgen war ich eher wach als Jake. Ich stand auf, duschte und rasierte mich und ging dann nach unten. Auf dem Frühstückstisch lag eine Nachricht von Carol. »Hallo Jungs, Robert und ich sind nach Galashiels gefahren, um ein paar Sachen einzukaufen und sind gegen drei Uhr wieder da. Bitte macht Euch selbst Frühstück, es steht schon alles bereit. Bis nachher, Robert und Carol«.

Ich sah mich in der Küche um. Die Teekanne war schon vorbereitet, das Wasser musste nur noch aufgekocht werden, und auch sonst stand fast alles griffbereit. Ich deckte den Tisch mit den restlichen Kleinigkeiten, und irgendwann hörte ich, wie oben die Dusche anging - offensichtlich war Jake mittlerweile auch wach geworden. Ein paar Minuten später kam er nach unten, während ich gerade dabei war, den Tee fertigzumachen. »Soll ich dir helfen?«, fragte er. »Nein, danke, ich bin schon fast fertig«, antwortete ich, ohne mich umzudrehen. »Ich hol' schnell die Zeitung 'rein«, sagte er und war dann schon wieder nach draußen verschwunden.

Zwei Minuten später betrat er die Küche wieder - zum Glück hatte ich die Teekanne schon auf dem Tisch abgestellt. Dass Jake mittlerweile richtig süß war, hatte ich ja schon erwähnt, aber der Anblick, der sich mir jetzt bot, war schlicht und einfach zu viel. Die nassen Haare locker zurückgekämmt, nur einen Jogginganzug an und die Jacke auch noch offen, natürlich nichts darunter ... während ich vorher nur von ihm geschwärmt hatte, war es jetzt endgültig um mich geschehen.

Jake sah mich fragend an, aber sagte nichts weiter. Ich widmete mich demonstrativ meinem Brot, aber meine Hand zitterte deutlich sichtbar. Jake blätterte ein wenig in der Zeitung, aber dass er sich nicht darauf konzentrieren konnte, war auch ihm deutlich anzumerken. Schließlich legte er sie aus der Hand und sah mir direkt in die Augen. »Rick, was ist los mit dir?«, fragte er. Ich versuchte, den Coolen zu spielen. »Nichts, alles in bester Ordnung. Wirklich, alles okay, alles bestens.« Wow, perfekt daneben gegriffen, Rick - tolles Manöver.

Jake war offensichtlich derselben Meinung. Er zögerte einen Moment, dann stand er auf und setzte sich zu mir auf die Bank. Ich rückte ein bisschen von ihm ab - gerade genug um nicht unhöflich zu wirken, aber im Moment war die Situation wohl eh' nicht mehr zu retten. »Und wer soll dir das glauben?«, fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. »Du?« Einen Versuch war es wert, aber der ging genauso daneben. Sein Lächeln war eher traurig. »Rick, ich frage dich noch mal - was ist los?«

Ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszuheulen - statt dessen stand ich auf und schaute mich suchend um, in der Hoffnung irgendetwas zu finden, mit dem ich mich möglichst unauffällig ablenken konnte. Als ich mich wieder umdrehte, stand Jake hinter mir. »Hey, mit mir ist alles in Ordnung.« Jake schüttelte langsam den Kopf. »Nein, ist es nicht - wem versuchst du etwas vorzumachen?« Ich wollte an ihm vorbei, aber er legte mir beide Hände auf die Schultern und hielt mich fest. »Rick, ich werde dich nicht eher aus diesem Raum lassen, als bis du mir verraten hast, was los ist.« Ich atmete tief durch - okay, er hatte es nicht anders gewollt.

»Verdammt noch mal, Jake, seit Tagen reden wir miteinander und weichen uns doch aus. Dein Vater hat mich gebeten, dich nicht auf mein Outing anzusprechen, aber du weißt ganz genau, was mit mir los ist. Und dass du mir nicht aus dem Kopf gehst, müsste dir mittlerweile auch aufgefallen sein. Und als Krönung des Ganzen kommst du hier noch in einem Aufzug 'rein, dass mir schlichtweg Hören und Sehen vergeht. Und da soll ich noch ruhig bleiben? Ich drehe gleich durch.« Bei den letzten Worten hatte sich meine Stimme fast überschlagen.

Ich merkte, dass auch Jake nicht so ruhig war, wie er vorgab, aber er hatte sich wesentlich besser unter Kontrolle als das bei mir der Fall war. »Rick, wir beide sind mittlerweile ein paar Jahre älter geworden, und ich denke, wir haben uns gerade in den letzten Tagen wieder ziemlich gut miteinander angefreundet - warum hast du mir nicht eher etwas gesagt? Ich wäre immer für dich dagewesen, ehrlich.« Mein Zittern wurde stärker, befiel nicht nur meine Hände, sondern auch den Rest meines Körpers, und ich konnte nur noch mit Mühe die Tränen zurückhalten.

»Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass es in deiner näheren Umgebung auch andere Jungs gibt, denen es genauso geht wie dir?«, fragte Jake mit ruhiger Stimme weiter. »Natürlich bin ich das. Aber offensichtlich ist das nicht der Fall.« Ich war nervös, hatte Angst, und war nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Zu allem Überfluss stand er so dicht neben mir, dass ich sein Rasierwasser mehr als deutlich wahrnahm. »Rick, egal was du willst, ich bin für dich da«, sagte Jake. Dann gab er mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Jetzt war es bei mir endgültig vorbei, ich fing an zu heulen. Mit tränenerstickter Stimme sagte ich nur noch: »Jake, bitte versprich' mir nichts, was du nicht halten kannst.« Dann rutschte ich langsam am Schrank herab auf den Boden. Doch bevor ich unten ankam, fasste Jake mich unter den Achseln und zog mich wieder hoch. »Du hast mich offensichtlich nicht verstanden, Rick.«

Noch bevor ich etwas sagen konnte, umfasste er mein Kinn mit einer Hand, drehte meinen Kopf in seine Richtung und küsste mich dann sanft auf die Lippen. Als er fertig war, fragte ich nur atemlos: »War das dein Ernst?« Er nickte, und seine Augen sprachen Bände, und ein paar Sekunden später sprach er das aus, was er dachte. »Rick ... ich liebe dich!« Statt einer Antwort schlang ich meine Arme um ihn und hielt ihn fest, ich wollte ihn nie wieder loslassen.

Schließlich lösten wir uns doch für einen Moment voneinander und gingen dann hoch in sein Zimmer, wo wir es uns in Jakes Bett bequem machten. Ich streichelte ihm sanft über die Wange. »Sag' mal ... warum hast du mir nicht eher etwas gesagt?«, fragte ich ihn. »Weil ich dich überraschen wollte, und es hatte sich bisher keine Gelegenheit ergeben.« »Wissen deine Eltern Bescheid?« Jake nickte. »Ja, darum hat Dad dich ja auch gebeten, erst mal nicht davon anzufangen - ich wusste selbst nicht, was ich machen sollte, der Wunsch kam eigentlich von mir.« Also hatte ich mir völlig umsonst den Kopf zerbrochen ... na ja, mein Schaden war es nicht gewesen.


Am Nachmittag machten wir einen Spaziergang. Der Ort, in dem wir waren, war ziemlich klein und von einigen schönen Wäldern umgeben. Wir waren völlig ungestört und genossen es, dass wir einfach nur zusammen waren. Als wir etwas tiefer im Wald waren, nahm Jake meine Hand und lächelte mich an. »Hey, ist jetzt alles okay bei dir?« Ich nickte. »Klar doch - jetzt auf jeden Fall.« Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander, bis er schließlich sagte: »Hast du etwas dagegen, wenn wir Mum und Dad davon erzählen?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, im Gegenteil - ich bin mal gespannt darauf, wie sie reagieren werden.« Jake grinste. »Ich denke, von Dad wird irgend was kommen in der Art wie 'Na, jetzt erst? Das hat aber gedauert.' oder so - aber freuen werden sie sich beide.«

Wir fanden eine schöne sonnige Lichtung und setzten uns ins Gras. Jake warf einen prüfenden Blick gen Himmel und zog dann sein T-Shirt aus, bevor er sich ins Gras legte. Ich grinste. »Hm, wie darf ich das jetzt verstehen?« Er schirmte seine Augen mit der Hand gegen das Licht ab und grinste mich an. »Wie du willst.« »Okay.« Ich zögerte nicht lange, zog mein Hemd aus und legte mich dann neben ihn. Der Boden war warm von der Sonne, und wie genossen es einfach, uns ein bisschen braten zu lassen und uns durch nichts in der Welt aus der Ruhe bringen zu lassen. Ich rutschte etwas dichter an Jake heran und kraulte ihm die Brust, und schließlich schliefen wir im Gras ein.

Irgendetwas feuchtes, kaltes berührte meinen Rücken, und davon wachte ich wieder auf. »Shhhh .... nicht bewegen«, flüsterte Jake mir zu, ohne die Lippen zu bewegen. »Was ist das?«, fragte ich leise zurück. »Wirst du gleich sehen.« Ich versuchte aus den Augenwinkeln zu erkennen, was das hinter mir war, und plötzlich tauchte ein braunes Fellbüschel in meinem Blickfeld auf. Eine schwarze Nase kam dazu, und schließlich sah ich in zwei braune Augen - ein junges Reh. Es beschnüffelte uns noch einmal, stupste mich mit der feuchten Nase an und sprang dann wieder ins Unterholz. Jake und ich waren sprachlos.

»Normalerweise trauen sie sich nie so dicht an Menschen heran«, sagte Jake. Ich nickte. »Stimmt. Aber vielleicht haben wir so einen friedlichen Anblick geboten, dass es der Meinung war, wir seien keine Gefahr?«, überlegte ich. Jake lachte. »Wem könntest du auch schon etwas zuleide tun?« Ich kuschelte mich etwas enger an ihn. »Keine Ahnung - dir jedenfalls nicht. Aber so ein Erlebnis ist schon etwas Besonderes.« Jake nickte. »Ja, genau wie du.« Er küsste mich sanft auf die Stirn.

Dann warf er einen Blick in den Himmel. »Sag' mal, wie spät ist es eigentlich?«, fragte er dann. Die Sonne stand deutlich tiefer als vorher. Ich sah auf meine Uhr. »Halb sieben.« Er riss die Augen auf. »WAS? Um drei wollten Mum und Dad wieder da sein ... ich hoffe, sie werden nicht sauer.« Ich schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht ... wenn alle Stricke reißen können wir ihnen immer noch sagen, dass wir uns verloren haben und ich mich verlaufen habe.« Jake grinste. »Das würden sie uns sowieso nicht glauben, davon abgesehen werden sie sich ihren Teil denken. Na komm, stellen wir uns dem Feind.«

Als wir wieder zuhause waren, saßen Robert und Carol bei einem Spiel Karten. »Und, wie war's, Jungs?«, fragte Robert - wieder mit diesem Pokerface, dass ich schon auf der Autofahrt erlebt hatte. »Schön. Entschuldigt bitte, dass wir zu spät kommen, aber wir ...«, fing Jake an. Carol lächelte. »... ihr hattet besseres zu tun. Jake, wenn ihr öfter so in der Sonne liegt, hast du bald einen schönen hellen Streifen auf der Brust.«

Jake fiel die Kinnlade fast bis auf den Fußboden - und um ehrlich zu sein, viel geringer fiel meine Überraschung auch nicht aus. »Woher ... ich meine ... was ...« Robert lachte. »Mum und ich haben gedacht, dass wir auch mal wieder ein bisschen durch den Wald laufen können, und irgendwann sahen wir euch zufällig auf der Lichtung kurz vor dem Fluss liegen. Na ja, wir wollten euch einfach nicht wecken, ihr zwei habt wirklich einen schönen Anblick geboten.«

Jake schüttelte fassungslos den Kopf. »Und wir haben uns die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen, wie wir euch klarmachen können, was los ist.« Robert stand auf und legte Jake die Hände auf die Schultern. »Mein lieber Sohn ... wir wussten ziemlich gut, wie es um euch beide stand, und dass du bis über beide Ohren in Rick verliebt warst, war auch offensichtlich. Dass ihr keine Gelegenheit hattet, mal in Ruhe miteinander zu reden, ebenfalls. Oder glaubst du allen Ernstes, dass diese Einkauftour nicht schon seit spätestens Dienstagabend geplant war?« Jake fiel darauf keine Antwort ein.

»Und was hättet ihr gemacht, wenn es doch schon früher etwas geworden wäre?« Robert nickte. »Dann hätten wir euch zwei heute mitgenommen, wären aber nach Edinburgh gefahren und hätten euch zwei zum Essen eingeladen. Aber das müssen wir dann wohl auf morgen verschieben«, fügte er immer noch lachend hinzu. »Robert, holst du die Gläser?«, fragte Carol. Robert nickte und holte vier Gläser aus dem Schrank, während Carol in die Küche ging und etwas später mit einer Flasche in der Hand wieder zurückkam. »Was ist das denn?«, fragte Jake. Bevor sie ihm die Flasche geben konnte, deckte Robert das Etikett mit einer Hand ab. »Die haben wir extra für diese Gelegenheit gekauft - aber du darfst sie nur aufmachen wenn du mir versprichst, das Zeug nicht durchs ganze Wohnzimmer zur verteilen.«

Jake sah erst mich, dann Robert fragend an, dann wieder mich. »Hm ... Rick, ich glaube, du hast die ruhigere Hand von uns beiden.« Ich grinste. »Da bin ich mir nicht so sicher, aber ich kann's gern versuchen.« Robert nickte mir aufmunternd zu und gab mir dann die Flasche. Als wir das Etikett sahen, staunten wir erneut - Champagner, und zwar nicht gerade der billigste. Ich gab mir wirklich Mühe - normalerweise flog mir bei Sektflaschen immer der Korken um die Ohren, einmal hatte ich damit sogar eine Lampe kaputtgeschossen - und diesmal klappte es wie durch ein Wunder.

Wir stießen miteinander an, und ab diesem Moment waren alle unsere Sorgen verflogen ... wir hatten den Segen von Jakes Eltern, waren glücklich ineinander verliebt und wir hatten erst mal noch anderthalb Wochen, die wir beide zusammen verbringen konnten. Und es war das passiert, was ich nie zu hoffen gewagt hatte: Manchmal wurden Träume eben doch wahr.

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