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Die Söhne des Pharao

Teil 6

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Mit diesem Kapitel werden die Handlungsstränge aus den Geschichten ‚Chaos und Ordnung‘ und ‚Die Söhne des Pharao‘ zusammengeführt. Für ein genaues Verständnis der Handlung empfehle ich deshalb vorher die Lektüre von ‚Chaos und Ordnung‘.

Netermest in Abedju

Der große Teich im Tempel des Osiris bot Platz für den gesamten Haushalt des Prinzen und für seine Gäste an diesem Abend.

„Viele von euch kennen meine Vorliebe für das Baden und auch für Besprechungen im Wasser. Heute Abend werden wir noch einmal alles durchgehen, was bisher hier in Abedju passiert ist, damit uns keine Einzelheiten entgehen. Ich werde mit der Vorgeschichte beginnen und jeder darf etwas zur Fortsetzung dazu beitragen. Alle dürfen sprechen, ohne Rücksicht auf Rang oder Alter.“

Die Gäste, die noch nie an einer dieser denkwürdigen Besprechungen teilgenommen hatten, warfen sich unsichere und auch ungläubige Blicke zu. Hauptmann Sennefer beobachtete seinen Leutnant Nebamun, der mit dem Prinzen sprach. Sie verhielten sich wie zwei beliebige andere Siebzehnjährige auf der Straße.

Hauptmann Nefermose von den Streitwagen war in Begleitung seines Leutnants Paser. Alleine fühlte er sich irgendwie fehl am Platz, wusste er doch, dass die jungen Herren immer gerne im Wasser herumspielten und er wollte nun nicht gerade Opfer eines ihrer Spielchen werden. Bei Paser war er sich nicht so ganz sicher, denn der junge Leutnant sah sich unschlüssig, aber doch mit neugierigen Blicken um, als er die ersten Personen im Wasser betrachtete.

Inuari, der Hauptmann der Infanterie, hatte seine Abwesenheit entschuldigen lassen. Doch er hatte seinen Leutnant geschickt. Chufu überragte sogar die Nubier der Leibwache des Prinzen Netermest, doch er war ebenso schwarz.

Der letzte der Gäste war der Schreiber Reseneb. Nebamun hatte ihn eingeladen und nun stand er staunend und abwartend am Rand des Teiches.

Direkt an der Treppe standen Semsu und Imichet, mit Nefertaui zwischen sich. Alle drei hatten bereits ihre Bekleidung abgelegt und Netermest bewunderte ihre Schönheit. Selbst Imichets Narbe konnte dem keinen Abbruch tun.

Die drei zögerten noch, den Teich zu betreten, doch Nebamun nahm Imichet bei der Hand, Simut ergriff Semsu und so wurden beide ins Wasser geleitet. Der Prinz ging hinüber zu Nefertaui und sah ihn an.

„Kommst du mit mir?“

Nefertaui sah erstaunt zu Netermest auf, blickte dann aber schüchtern zu Boden.

„Ich bin nur ein armes Waisenkind, Herr.“

„Nein. Du bist Nefertaui. Du hast gelitten, dich aber tapfer gehalten. Ich soll dir übrigens ausrichten, dass im Tempel der Bastet immer noch ein Platz für einen Tänzer frei ist.“

Nefertaui blickte ungläubig hoch zu Netermest.

„Wirklich?“

„Ich glaube nicht, dass die ehrenwerte Bunefer mich anschwindeln würde.“

Vom Glück überwältigt, umarmte Nefertaui den Prinzen spontan und gab ihm einen Kuss. Als er merkte, was er getan hatte, erstarrte der Junge. Netermest lachte, hob ihn vom Boden und trug ihn ins Wasser.

Nebamun hatte Imichet noch nicht losgelassen und der junge Mann legte nun zögernd seine freie Hand auf Nebamuns Brust. Der drehte sich herum und küsste Imichet, zunächst kurz auf den Mund, dann auf die Narbe auf der Wange. Imichet drehte seinen Kopf zur anderen Seite, doch Nebamun fasste ihn sanft am Kinn und drehte das Gesicht wieder zu sich.

„Du musst es akzeptieren. Du kannst dich nicht immer verstecken. Du bist schön, auch wenn du es im Moment noch anders siehst. Betrachte es einfach so, dass du interessant aussiehst. Interessant und gefährlich.“

Imichet lächelte unwillkürlich.

„Interessant? Für wen denn? Und gefährlich bin ich ja nun gewiss nicht.“

Nebamun wackelte etwas mit dem Kopf.

„Warte ab, bis dich der erste anspricht. Und nicht gefährlich? Erzähl das mal dem Kerl, dem du beinahe was abgebissen hättest.“

Imichet lächelte und umarmte Nebamun.

Semsu wurde von Simut an den Rand des Teiches gebracht, wo Meketre auf die beiden wartete. Der kleine Kurier musterte Semsu zunächst abschätzend, dann senkte er seinen Blick.

„Du bist schön und du bist tapfer. Du bist groß und stark. Simut hat uns deine Geschichte erzählt und auch das, was zwischen euch war. Ich war zunächst… eifersüchtig. Doch ich bin sein Diener, nicht sein Gefährte. Aber ich mag ihn sehr.“

Semsu lauschte überrascht dem Geständnis, dann errötete er leicht, als er erfuhr, was Simut alles erzählt hatte. Er näherte sich Meketre und strich ihm über die Haare. Dann flüsterte er Meketre ins Ohr.

„Es war nicht einfach, aber Simut hat mich gerettet. Ich gebe zu, dass auch ich ihn mag, denn noch niemals habe ich jemanden kennengelernt, der ein solches Auftreten besitzt und dennoch freundlich ist. Ich habe zuerst nur an meine Bestrafung gedacht, was passieren würde, wenn ich ihm nicht nachgebe. Doch dann war alles anders. Ich verstehe dich sehr gut.“

Meketre hob seinen Kopf und sah Semsu dicht vor sich stehen. Von der breiten muskulösen Brust perlte ein wenig Wasser herab und als Meketre höher blickte, sah er in große dunkle Augen, die ihn neugierig betrachteten. Zögernd hob Meketre eine Hand und ließ sie vorsichtig über eine Brustwarze gleiten, was Semsu zu einem heftigen Einziehen der Luft veranlasste. Dennoch hielt er Meketre nicht zurück, als dessen Hand über seinen Bauch glitt. Meketre schloss seine Augen, als er ein ihm wohl bekanntes Ziehen in seinem Unterkörper verspürte. Dann riss er erstaunt wieder seine Augen auf, als sich eine fremde Hand zielsicher um den soeben erwachten Körperteil legte. Semsu lächelte ihn an und beugte sich nach vorne für einen Kuss.

Simut hatte die beiden die ganze Zeit beobachtet. Zunächst hatte er Bedenken gehabt, denn Meketre hatte auf die Schilderung im Haus der Jungen eingeschnappt reagiert. Simut wusste, was ihn antrieb, sagte dazu aber nichts.

Hier im Teich war die erste Gelegenheit, die beiden näher zu bringen. Meketre würde lernen müssen, seine Gefühle zu beherrschen. Simut war etwas erstaunt über die kleine Rede von Meketre und auch etwas gerührt von dem Geständnis, dass er ihn mochte. Auch er hatte sich schließlich an den Jungen gewöhnt.

Semsus Antwort konnte er nicht verstehen, doch er sah Meketres Reaktion. Offensichtlich war er von Semsu angetan und als er die Augen schloss, musste Simut unwillkürlich lächeln. Ihm entging auch nicht Semsus kurzes Grinsen und die heftige Reaktion von Meketre. Simut ahnte, was Semsu getan hatte und war erstaunt. Der Junge, nein, der junge Mann, der sich standhaft verweigert hatte, begann mit jemandem zu spielen.

Halt, das war nicht zu vergleichen. Das eine zwar Zwang, brutale Gewalt, etwas zu tun was man nicht wollte. Dies hier war freiwillig. Etwas, was mit Spaß und Zuneigung zu tun hatte.

Simut trat hinter Semsu und fuhr mit einem Finger an der Wirbelsäule nach unten. Schnell bemerkte er, wie Semsu sich verkrampfte. Der Junge drehte seinen Kopf, erkannte Simut und entspannte sich sichtlich. Langsam ließ er sich nach hinten sinken ohne jedoch Meketre loszulassen.

Prinz Netermest beobachtete die Jungen im Teich und freute sich, dass es bisher sehr friedlich zugegangen war. Doch sie waren nicht nur zum Spielen hergekommen. Es mussten noch die weiteren Aktionen geplant werden.

„Einmal bitte herhören! Ich unterbreche ungerne, aber zunächst muss unsere Arbeit erledigt werden. Wie angekündigt werde ich beginnen und dann sehen wir, ob jemand etwas dazu sagen möchte.“

Der Prinz setzte sich auf den Beckenrand und begann mit der Anreise nach Abedju und der Absicht, die dahintersteckte. Das erste, was ihm selbst aufgefallen war, war die Rivalität zwischen dem Bürgermeister und dem Hohenpriester. Es war inzwischen bekannt, dass mit Fürst Wawerhet über ein Jahr lang über den Verkauf des Landes verhandelt worden war. Danach hatte er das Land ziemlich rasch und ohne Begründung dem Tempel des Osiris gestiftet.“

„Abgesehen von der Idee, dass es mit Imichet zusammenhängt, sieht es so aus, als ob Fürst Wawerhet das Land dem Tempel nur gestiftet hat um den Bürgermeister zu provozieren.“

Userhet schüttelte seinen Kopf, dass die Tropfen flogen.

„Aber warum?“

Userib löste sich von Hanai und sah ihn an.

„Damit der Bürgermeister und der Hohepriester abgelenkt werden. Es hat ja auch funktioniert. Zwischen beiden haben sich die Beziehungen deutlich verschlechtert. So konnte der Verwaltungspriester ohne große Kontrolle seine dunklen Geschäfte abwickeln.“

„Aber er hat die Gewinne daraus doch behalten, oder hat er sie etwa dem Tempelvermögen zugefügt?“

Netermest lachte.

„So dumm ist nicht einmal er gewesen. Er hat die ganzen wertvollen Sachen einfach in einem alten Grab versteckt. Als Priester des Osiris ist es nicht ungewöhnlich, die Gräber in der westlichen Nekropole aufzusuchen, meistens um Totengebete zu sprechen. Bei diesen Besuchen hat er die Sachen in einem alten Grab hinterlegt.“

„Was wollte er denn damit? Das macht eigentlich wenig Sinn.“

Prinz Netermest drehte den Kopf und sah in die Ferne.

„Er wollte damit ein eigenes Grab kaufen. Etwas ebenso Prächtiges wie die reichen Herren, damit er nicht arbeiten muss, wenn er im Jenseits dazu aufgerufen wird.“

Nataki schüttelte den Kopf.

„Das wäre doch aufgefallen. Welcher Priester kann sich ein prächtiges Grab leisten.“

Nun meldete sich der Schreiber Reseneb das erste Mal zu Wort. Er stand immer noch dicht an der Treppe und traute sich wohl nicht so recht ins Wasser. Nataki sah zu ihm hinüber und machte sich auf den Weg zu ihm.

„Nicht unbedingt. Es kommt öfter vor, dass ein Priester von einem wohlhabenden Mann beauftragt wird, sich um die Erstellung seines Grabes zu kümmern. Der Mann möchte nicht, dass seine Pläne bekannt werden und erst mit der Ausschmückung des Grabes wird sein Name bekannt.“

Netermest dachte kurz darüber nach.

„Das ist dann wohl am Wahrscheinlichsten. Also, der Verwaltungspriester Wadji hat das Haus mit den Jungen weitergeführt, als Frau Nebet verhaftet worden ist. Kurz darauf ist - was passiert?“

Netermest sah zu Gemni, der zusammen mit Userib seine Unterlagen auf dem Beckenrand ausgebreitet hatte.

„Nach den Aussagen dieses Hanedi ist kurz darauf der Mann mit der Narbe aufgetaucht. Das ist der Schreiber Kermat aus Theben, wie wir inzwischen wissen. Er hat Hanedi handfest davon überzeugt, dass das Geschäft nicht wirklich seines ist und der ursprüngliche Besitzer wieder Anteil daran haben will.“

Nebamun sah etwas zweifelnd zu Gemni.

„Aber der ursprüngliche Besitzer war doch Fürst Wawerhet, vertreten durch Frau Nebet.“

Userib blätterte etwas ziellos durch die ausgebreiteten Papyri und einige Tonscherben.

„Was wissen wir denn sonst noch über diesen Mann mit der Narbe?“

Das allgemeine Schweigen wurde durch Reseneb unterbrochen. Der war inzwischen von Nataki ins Wasser entführt worden und erschauerte leicht, als der schlanke Nubier ihn sanft von hinten umarmte und an sich zog. Dennoch war er nicht abgelenkt genug, um nicht auch die Frage mitzubekommen.

„Der Mann mit der Narbe nannte sich Wasret. Er war einmal beim Bürgermeister vorstellig geworden, weil er ein adäquates Haus suchte. Er gab vor, der Verwalter des Haushaltes einer wohlhabenden und einflussreichen Dame zu sein, die von Theben auf dem Weg nach Men-nefer war und hier ein paar Tage Rast machen wollte.“

Netermest und Nebamun sahen sich fragend an.

„Eine wohlhabende und einflussreiche Dame? Auf dem Weg nach Men-nefer? Was soll das denn? Nach zwei Tagesreisen bereits eine längere Pause? Und Damen reisen nicht so einfach durch Khemet. Hatten sie einen Pass oder eine Reisegenehmigung?“

Reseneb zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, aber der Bürgermeister hat ihnen das Anwesen des verstorbenen Schreibers Re-Nefer zugewiesen. Dort waren sie bis vor kurzem. Ich glaube, sie sind an dem Tag des Empfangs abgereist.“

„Am Tag des Empfangs?“

Alle Köpfe drehten sich nun zu Leutnant Paser. Hauptmann Nefermose hatte seinen Leutnant schon eine Weile beobachtet, wie er mit Userhet sprach und dabei gleichzeitig dessen jungen Kurier wie abwesend über die Haare strich. Jetzt wurde Paser durch die Aufmerksamkeit abgelenkt.

„Was ist damit?“

Der junge Leutnant sah etwas unsicher zu Prinz Netermest, bis Userhet ihm etwas zuflüsterte.

„Oh, wir hatten an dem Tag eine Patrouille am Hafen. Eine große Reisebarke war abfahrbereit und die Passagiere stiegen ein. Unter anderem war eine prachtvoll verzierte Sänfte darunter. Sie war komplett verhangen und man konnte niemanden erkennen. Aber ich fand es bemerkenswert, dass die Person nicht ausstieg und auf das Schiff ging, sondern dass die Sänfte mit Insassen auf das Schiff getragen wurde. Das ist eigentlich unüblich.“

Netermest nickte langsam. Ein solches Verhalten war eigentlich nur den höchsten Würdenträgern des Landes vorbehalten. Und dann wurden sie auch offen getragen und nicht vor den Blicken der Zuschauer verborgen.

„Und war dort auch der Mann mit der Narbe?“

„Das konnte ich nicht erkennen. Aber dort war ein Mann, der offensichtlich die Befehle gab. Mehr als einmal wurde er allerdings zur Sänfte gerufen und schien von dort Anweisungen zu erhalten. Irgendwie schien die Person in der Sänfte mit einigen Sachen unzufrieden zu sein, denn der Mann musste mehrere Male seine Anweisungen zurücknehmen und die Beladung der Reisebarke neu organisieren.“

Netermest sah hinüber zu Gemni und erkannte, dass beide Schreiber bereits dabei waren, die neuen Informationen zu erfassen.

Nebamun versucht, noch einmal alles kurz zusammenzufassen.

„An dem Tag, an dem Prinz Netermest in Abedju den Empfang veranstaltet hat, hat jemand die Stadt verlassen. Es handelte sich dabei höchst wahrscheinlich um den Schreiber Kermat, den Mann mit der Narbe. Wie es aussah, geschah die Abreise möglicherweise etwas unorganisiert und überstürzt. In seiner Begleitung befand sich außerdem eine anscheinend höhergestellte Person, die ihm Anweisungen gegeben hat. Nach seinen eigenen Aussagen beim Bürgermeister kann es sich dabei um eine Frau gehandelt haben. Er soll sich um diese Person besonders gekümmert und auch deren Anweisungen ausgeführt haben.“

Simut fand das alles etwas unglaubhaft.

„Der Mann mit der Narbe hat die Anweisungen einer Frau ausgeführt?“

Nebamun nickte und sah nun skeptisch zu Netermest.

„Ich denke, es kann sich hier nur um eine ganz bestimmte Person handeln. Allerdings habe ich diese Person schon erheblich weiter weg vermutet.“

Netermest schüttelte den Kopf, doch dann blickte er über den Teich und sah in erwartungsvolle Gesichter.

„Wir reden hier von der ehemaligen königlichen Gemahlin, Prinzessin Tuaitthesit, meiner Mutter.“

Die Nachricht löste einen großen Wirrwarr aus. Alle redeten durcheinander und Simut sorgte mit lauter Stimme für Ruhe im Teich.

„Danke, Simut. Ich weiß, es klingt merkwürdig, aber es macht den meisten Sinn. Prinzessin Tuaitthesit wurde vom göttlichen Herrscher zum Exil verurteilt. Sie musste sich innerhalb eines Tages aufmachen, das Land Khemet zu verlassen. Sie hat dafür den Weg auf dem Fluss gewählt, sollte bis ins Delta gebracht werden und dann Khemet auf dem Landweg in Richtung Osten verlassen. Wie sie nach Abedju gekommen ist, kann ich mir nicht vorstellen.“

Userib hatte sich bis zum Prinzen vorgearbeitet, gab dem überraschten Nefertaui einen kurzen Kuss und wandte sich dann an Netermest.

„Das dürfte ziemlich einfach gewesen sein. Abedju ist eine der Raststationen der königlichen Barken. Sie kann ohne weiteres im Frauengemach die Kleider mit einer Dienerin getauscht haben und ist dann einfach hier zurückgeblieben. Die Medjai werden keine verschleierte Frau kontrollieren.“

Huni runzelte die Stirn.

„Wieso verschleiert?“

Haran gab die Erklärung.

„Die Tradition der Länder aus dem Osten. Wenn sie als hethitische Prinzessin nach Hause gereist ist, hat sie lange Gewänder und einen Schleier getragen.“

Netermest nickte zustimmend.

„Ja, das wäre eine Möglichkeit. Aber was hat sie hier gewollt?“

Nebamun wusste, dass Netermest die Antwort kannte, doch es sah so aus, als wollte er den anderen mit diesem Frage-und-Antwort-Spiel alles genau erklären.

„Mit Hilfe des Mannes mit der Narbe, dem Schreiber Kermat aus dem Großen Haus, Rache nehmen an denen, die sie in ihren Augen gedemütigt hatten.“

Huni sah erschreckt hoch.

„Die Attentate? Ich dachte, das wäre Nebet gewesen.“

„Das waren die letzten, die durch die Diener aus Abedju ausgeführt wurden. Die ersten, deren Anweisungen wir auch bei Kapitän Tarewan gefunden haben, waren von ihr.“

Haran tätschelte Sethnacht etwas geistesabwesend.

„Sie sind beide entkommen. Wo sollen wir sie suchen?“

Userib stieß etwas atemlos die Antwort hervor, weil Gemni sich gerade mit einer seiner Brustwarzen beschäftigte.

„Im Delta. Sie will zu den hethitischen Truppen.“

Mehr brachte er nicht heraus, denn Gemni hatte sich seiner zweiten Brustwarze angenommen. Pachred war hinter Userib getreten und an den ungläubig aufgerissenen Augen von Userib erkannte Netermest, dass Pachred nicht untätig geblieben war. Hoffentlich würden sie es hier im Teich vor allen Augen nicht übertreiben.

Netermest lächelte. Er musste seine Besprechung wohl doch etwas kürzer fassen.

„Das ist der Grund, warum wir morgen ins Delta aufbrechen. Ich möchte morgen früh noch mal eine kurze Besprechung mit Simut und den drei Kompanieführern machen.“

Simut nickte und ließ sich weiter auf dem Wasser treiben. Meketre hatte sich bäuchlings halb auf ihn geschoben und bedeckte ihn mit kleinen Küssen, während Semsu zwischen Meketres gespreizten Beinen stand.

Aus den Augenwinkeln beobachtete Simut seinen Bruder, der Simi intensiv küsste, während Paser dem Jungen immer noch etwas schüchtern über den Rücken streichelte. Nataki hatte Hanai von hinten umarmt. Hanai zeigte einen abwesend verzückten Gesichtsausdruck und Simut bewunderte seinen Mut und seine Willenskraft, sich Nataki derart hinzugeben.

Huni hatte inzwischen Reseneb an die Hand genommen und ihn hinüber zu Nebamun gezogen, wo schon Netermest und Nefertaui eng umschlungen standen.

Sie würden also morgen ins Delta aufbrechen. Das waren mindestens achtzehn Tage bis der Fluss sich das erste Mal teilte. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät.


Der nächste Morgen brachte allerdings eine Überraschung, auf die niemand gefasst war. Ein Kurier des göttlichen Herrschers war eingetroffen und hatte Prinz Netermest eine persönliche Nachricht überbracht.

Prinz Netermest erbleichte sichtlich, als er die Nachricht las.

„Wir müssen zurück nach Theben. Unser göttlicher Herrscher hat mich zu sich befohlen. Ich soll mich vor der Göttin Maat wegen Gotteslästerung verantworten.“

„WAS?“

„Der Befehl ist eindeutig. Wir verlassen heute noch Abedju. Alle. Die Soldaten kehren in ihre Kasernen in Theben zurück. Der Haushalt geht in den südlichen Palast. Ich brauche sämtliche Unterlagen und Protokolle, die wir haben. Alle Vernehmungen und die Berichte unserer Unternehmungen. Alle Offiziere unserer Truppen werden zu ihren Handlungen ebenfalls vernommen, ebenso die Schreiber.“

Netermest starrte in die morgendliche Frühstücksrunde und sah nur ungläubige Gesichter.

„Was ist? Habt ihr nicht gehört? Bewegt euch.“

Etwas zögerlich kam Bewegung in die Leute und dann liefen sie eilig auseinander um die Befehle des Prinzen auszuführen.

Die Abfahrt der Barke des Prinzen war weitaus weniger spektakulär als ihre Ankunft. Nicht ein Zuschauer stand auf der Pier, als das Schiff ablegte und sich auf den mühseligen Weg flussaufwärts machte.

Netermest in Theben

In Theben wurde die Barke bereits erwartet. Der Tjati persönlich war zum Hafen gekommen, begleitet von einem Dutzend Soldaten der königlichen Leibwache.

Er begrüßte Prinz Netermest etwas zurückhaltend.

„Es ist gut, Hoheit, dass ihr dem Befehl sofort gefolgt seid. Der Herrscher ist, vorsichtig gesagt, äußerst ungehalten. Ihr und euer gesamter Haushalt steht erst einmal unter Hausarrest, bis die ganze Sache geklärt ist.“

„Worum genau geht es denn überhaupt?“

Der Tjati sah sich prüfend um.

„Genaues darf ich auch nicht sagen, aber irgendjemand aus Abedju hat wohl unserem göttlichen Herrscher eine Nachricht übermittelt, ihr hättet euch dort des Wohlwollens des Osiris-Tempels versichert und die Priester veranlasst, euch beim Sturz unseres Herrschers zu unterstützen.“

Netermest riss vor Erstaunen die Augen auf.

„Das ist doch absoluter Schwachsinn. Wir waren hinter ganz anderen Dingen her. Wir waren kaum in Abedju, als…

Netermest unterbrach sich und rechnete nach.

„Wann ist diese Nachricht denn eingetroffen?“

„Soviel ich weiß, vor vier Tagen.“

„Aber da bin ich doch gerade erst in Abedju eingetroffen. Da war ja noch nicht einmal das Opfer im Tempel.“

„Wir werden die ganze Sache genau untersuchen. Der göttliche Herrscher hat befohlen, dass ihr sofort nach eurer Ankunft vor ihm zu erscheinen habt. Und ihr habt einen Begleiter mitzubringen.“

Netermest hatte sich schon geistig auf eine Begegnung mit seinem Vater vorbereitet, aber wozu sollte er einen Begleiter mitbringen?

„Was denn für einen Begleiter?“

„Das hat er nicht gesagt. Nur, ihr würdet es schon wissen, wenn es euch ernst ist.“

Netermest war sich immer noch nicht ganz sicher, was das sollte, doch mit der Auswahl war er sich vollkommen sicher.

„Nebamun! Wir müssen in den Palast.“

„Wir?“

„Du hast gehört, was ich gesagt habe.“

Nebamun bemerkte die schlechte Stimmung des Prinzen und schwieg. Beide wurden von den Palastwachen auf ihrem Weg zum Großen Haus begleitet.

Zu Netermests Überraschung ging es nicht zum Audienzsaal, sondern durch einige schmale Gänge wieder hin zu dem kleinen Raum, in dem Netermest schon einmal dem Herrscher begegnet war. Auch diesmal waren außer seinem Vater und einem Leibwächter niemand weiter anwesend.

Wie das Protokoll es vorschrieb warfen sich die beiden Besucher zu Boden und Thutmosis ließ sie eine Weile dort warten. In aller Ruhe beendete er einen Granatapfel.

„Netermest, erhebe dich.“

Der Prinz erhob sich und sah zu Boden.

„Wen hast du als Begleiter erwählt?“

Netermest war verwirrt. Das Gespräch nahm eine Wendung, die er nicht erwartet hatte.

„Dies ist Nebamun, Leutnant der Bogenschützen im Regiment des Amun.“

„Erhebe dich, Nebamun.“

Langsam erhob sich der junge Leutnant und Netermest bemerkte, dass er ein wenig zitterte.

„Warum hast du ihn ausgewählt?“

Nebamun zuckte zusammen, doch Netermest war sich seiner Antwort absolut sicher.

„Er ist mein Gefährte. Ich liebe ihn, so wie er mich liebt.“

Der Herrscher hob seine Augenbrauen und sah Nebamun an.

„Dein Gefährte also. Ihr werdet keine Kinder haben und niemand wird für euch die Totenriten vollziehen. Ihr werdet nicht in die Ewigkeit eingehen.“

„Ja, Herr. Es ist der Weg, den die Götter für uns bestimmt haben.“

Thutmosis nickte nachdenklich.

„Eine weise Antwort. Nicht jeder akzeptiert sein Schicksal wie ihr es tut. Nebamun, sieh mich an.“

Immer noch leicht zitternd hob Nebamun den Kopf, um seinem göttlichen Herrscher ins Gesicht zu blicken. Die grauen Augen des alten Mannes schienen seine innersten Gedanken zu lesen.

„Du also bist derjenige, zu dem mein Sohn in Liebe entbrannt ist. Und liebst du ihn auch?“

Nebamun wuchs über sich selbst hinaus. Fest sah er dem Herrscher in die Augen.

„Ja, Herr. Ich liebe ihn und nichts und niemand wird mich davon abbringen können.“

Thutmosis lachte leise.

„Ich habe nicht vor, euch davon abzubringen. Ich wollte lediglich wissen, wie ernst es euch ist. Es hat eine schwerwiegende Anschuldigung gegeben. Eine Person hat, ohne ihren Namen anzugeben, an den Hohenpriester des Amuntempels eine längere Nachricht geschickt. Darin wird behauptet, Prinz Netermest habe mit den Priestern des Osiris-Tempels eine Abmachung getroffen. Gegen eine Opfergabe würden sie ihn unterstützen, die Herrschaft über Khemet zu erlangen, wenn der jetzige Herrscher ins Jenseits eingeht.“

Netermest schüttelte nur den Kopf und Nebamun schnappte nach Luft.

„Noch ist es nicht soweit. Außerdem ist dein Bruder bereits Mitregent. Mithin ist das alles Schwachsinn. Des Weiteren wurde behauptet, du hättest in Abedju ein Bordell betrieben, so wie du auch für das Bordell in Theben verantwortlich gewesen sein sollst.“

Nebamun konnte sich nicht mehr beherrschen.

„Sie hat geahnt was kommt. Es war die einzige Möglichkeit, uns an einer Verfolgung zu hindern.“

„Sie?“

Netermest nickte und sah seinen Vater traurig an.

„Wir haben alle Möglichkeiten berücksichtigt und sind uns fast sicher, dass die ehemalige Prinzessin Tuaitthesit dahinter steckt.“

„Aber die ist auf dem Weg nach Hatti!“

Der Prinz erklärte in wenigen Sätzen, warum sie in Abedju zu dem Schluss gekommen waren, dass seine Mutter hinter den Attentaten und auch dem Chaos in Abedju steckt. Genauso, wie sie fürchteten, dass sie sich auf dem Weg ins Delta befand um dort die hethitischen Soldaten zu treffen.

„Kutari ist bereits auf dem Weg ins Delta. Wir werden ihm weitere Nachrichten schicken müssen. Für euch gibt es morgen eine öffentliche Gerichtsverhandlung. Sie ist deshalb öffentlich, weil auch die Anschuldigungen öffentlich erhoben wurden. Der halbe Amun-Tempel wusste bereits von dem Schreiben, bevor es der Hohepriester zu Gesicht bekam. Mencheperreseneb, der Hohepriester, war giftig wie eine Kobra, als er mitbekam, was passiert war. Die Anklage lautet auf Hochverrat und Gotteslästerung. Gibt es etwas, was dafür noch von Bedeutung ist?“

„Ja, Herr. Wir haben alle Unterlagen und auch mehrere Gefangene mitgebracht. Im Zuge der Gerichtsverhandlung gegen uns kann die ganze Verschwörung in Abedju aufgedeckt werden und der Tjati kann dann weiter Anklage erheben.“

„So soll es geschehen. Lediglich diese Hethiterin bleibt ungenannt. Ich will nicht, dass sich noch einmal Aufmerksamkeit auf sie richtet.“

Thutmosis erhob sich und automatisch knieten Netermest und Nebamun nieder.

Der Herrscher trat vor die beiden und sah herab. Nebamun begann wieder zu zittern, doch Netermest nahm seine Hand und hielt ihn fest. Vollkommen überraschend legte der Herrscher beiden jungen Männern eine Hand auf den Kopf und sprach einen kurzen Segen zu Amun. Dann drehte er sich um und wandte den Beiden seinen Rücken zu.

Netermest stieß Nebamun an. Beide erhoben sich und verließen schnell den Raum. Draußen klammert sich Nebamun vollkommen aufgelöst an Netermest.

„Er hat uns tatsächlich berührt?“

„Warum nicht?“

„Aber er ist ein Gott.“

„Nebamun, er mag ein göttliches Wesen sein, aber er ist genauso ein Mensch. Was glaubst du, wie ich entstanden bin?“

Das wollte sich Nebamun nun gerade nicht so genau vorstellen.

„Was sollte der Segen des Amun?“

Netermest sah Nebamun peinlich berührt an.

„Ich bin mir auch nicht ganz sicher, denn diesen habe ich noch nie gehört, aber die Zeremonie kennst du sicherlich.“

Nebamun erschauerte leicht, dann grinste er Netermest an.

„Ja. Ich denke, wir beide sind dann jetzt wohl verheiratet.“


Die Gerichtsverhandlung am nächsten Tag ergab keine Überraschungen für Netermest. Die Anklage wurde vorgetragen und der Prinz konnte zu jeder Zeit dokumentieren, was er getan hatte und wer dabei gewesen war. Besonders der Punkt, dass er gegen eine Opfergabe die Unterstützung des Osiris-Tempels zu erlangen versuchte, sorgte für etwas Heiterkeit, denn die Opfergaben selbst stammten ja aus den Lagern des Herrschers und waren mit seiner Zustimmung übergeben worden.

Das Bordell in Theben war bereits endgültig verhandelt worden und das in Abedju konnte nun eindeutig dem Schreiber Kermat und seinen Helfern zugeordnet werden. Die Beteiligung eines Priesters des Osiris-Tempels von Abedju führte zu einiger Aufregung. Abgesehen von seiner Verurteilung musste der Tempel den zu dieser Arbeit gezwungenen Jungen eine Entschädigung zahlen, die nicht unerheblich war.

Die Jungen selbst waren frei gesprochen worden, denn keiner hatte freiwillig dort gearbeitet. Nefertaui würde nach Abedju zurückkehren und im Tempel der Bastet zum Tänzer ausgebildet werden.

Für Semsu und Imichet sah die Lage etwas anders aus.

Imichet war laut den Unterlagen des Osiris-Tempels ein Geschenk an den Prinzen Netermest und somit sein Eigentum.

„Wenn du möchtest, werde ich dich freilassen.“

Imichet sah traurig zu Boden.

„Was soll ich dann machen, Herr? Ich bin seit meinem sechsten Lebensjahr Novize im Tempel gewesen und habe nichts weiter gelernt.“

„Mit sechs? Und du solltest Priester werden. Dann kannst du lesen und schreiben.“

„Ja, Herr. Aber es waren ausschließlich die Riten und Gebete des Osiris, die wir gelernt haben.“

Netermest schüttelte den Kopf.

„Die heiligen Zeichen sind immer gleich, egal was damit ausgedrückt wird. Ich könnte vielleicht noch einen Schreiber gebrauchen.“

Imichet sah Netermest erstaunt an.

„Aber ich bin doch schon euer Sklave, Herr.“

Netermest verdrehte die Augen.

„Du hast es nicht begriffen. Ich werde dich freilassen und du wirst Schreiber in meinen Diensten. So einfach ist das.“

Netermest wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern drehte sich zu Semsu, der dem Gespräch stumm gelauscht hatte.

„Und was ist mit dir? Gehst du zurück zu deiner Familie?“

Semsu schüttelte bedrückt den Kopf.

„Ich habe mich gegen die Götter vergangen. Mein Körper ist nicht mehr im Einklang mit der göttlichen Ordnung. Für meine Familie bin ich bereits gestorben.“

Netermest sah Semsu entsetzt an.

„Aber das stimmt doch gar nicht. Das Gleichgewicht der göttlichen Ordnung wurde durch deine Taten doch aufrechterhalten.“

„Nicht für meine Eltern. Sie haben mir gesagt, sie kennen mich nicht mehr. Es gibt keine Erinnerungen mehr an mich.“

Netermest sah hinüber, wo fast alle Angehörigen seines Hauses warteten, um zum Hafen zu gehen.

„Ich biete dir eine neue Familie. Eine, die dich nicht wegen deiner Taten verstößt und mit der du glücklich werden kannst, so wie du bist.“

Semsu sah verwirrt auf und bemerkte dann, wohin Netermest blickte. Seine Augen weiteten sich, als er realisierte, was der Prinz gesagt hatte.

„Ihr würdet mich mitnehmen, Herr?“

„Wenn du es willst, werde ich dich mitnehmen. Du weißt ja inzwischen, wie es bei uns zugeht. Du würdest ein Diener sein, so wie Huni oder Pachred. Du musst dich nur entscheiden.“

Semsu sah noch einmal hinüber und begegnete den Blicken von Simut und Meketre.

„Ja, Herr. Ich würde gerne euer Diener sein.“

Netermest nickte und schickte Semsu hinüber. Dann sah er hoch um festzustellen, wie weit der Herr Re schon gekommen war.

So sehr er sich auch freute, Semsu und Imichet dabei zu haben, war es dennoch ein verlorener Tag. Wenn sie Glück hatten und schnell vorankamen, würden sie wohl in sechzehn bis achtzehn Tagen im östlichen Harpunengau eintreffen.

Kutari auf dem Fluss

Der Fluss war träge und die breiten Wassermassen zogen stetig nach Norden. Die königliche Barke machte sehr gut Fahrt. Sie wurde von der Strömung getrieben, nur von einem achtern ausgebrachten Treibanker auf Kurs gehalten. Die Ruderer brauchten nur bei engen Kurven einzugreifen.

Der Aufseher der Fragen des Pharaos stand im Bug und blickte sorgenvoll nach vorne. Würden sie rechtzeitig in Tanis eintreffen um überhaupt noch etwas zu erfahren? Die kurzen Berichte aus der Provinzhauptstadt waren nicht besonders aufschlussreich. Der Nomarch soll angeblich vergiftet worden sein. Die behandelnden Ärzte hatten sich ziemlich schnell auf diese Diagnose geeinigt und den Leichnam zur Einbalsamierung freigegeben. Wenn man bedachte, wie lange eine Nachricht von Tanis bis nach Theben benötigte und wie lange sie brauchten um dort hinzukommen, war sich Kutari fast sicher, nur noch ein verschlossenes Grab vorzufinden. Also blieb nur noch die Frage nach dem Warum.

Nachfolger des Nomarchen würde sein ältester Sohn Neferhetep werden, sobald die Zustimmung des Göttlichen Herrschers aus Theben eintraf. Da die Zustimmung eigentlich nur eine Formalität war, würde man wohl schon in Tanis darauf warten. Kutari lächelte dünn. Er hatte diese Zustimmung in seinen Unterlagen und es würde von dem Ergebnis seiner Ermittlungen abhängen, ob er sie dem neuen Nomarchen übergeben durfte.

„Das Frühstück ist fertig, Herr.“

Kutari wurde aus seinen Betrachtungen gerissen und drehte sich zu Kanefer um. Der Junge sah nachdenklich aus. Hier an Bord hatte er Zeit genug um über die letzten Geschehnisse nachzudenken und auch über das, was der Anubispriester über seine Eltern erzählt hatte.

Kutari folgte Kanefer zu dem vorbereiteten Frühstück aus Datteln und Wasser. Ein Feuer an Bord anzuzünden war unmöglich und so folgten auch sie der Tradition der Seefahrer und ernährten sich von Früchten und Wasser, bis sie etwa jeden dritten Tag irgendwo festmachen und an Land gehen konnten. Dort wurde dann für ein paar Stunden ein Feuer entzündet und die Portionen für die nächsten Tage vorbereitet.

Hori und Sekani saßen an der Reling und unterhielten sich leise. Hamadi schrieb an ihrem Reisebericht. Kutari hatte ihm aufgetragen, jeden Tag aufzuzeichnen, was am vergangenen Tag alles passiert war. Die letzten achtzehn Tage hatte Hamadi ziemlich wenig zu vermerken gehabt. Thotmes und Shaketo saßen ebenfalls an der Reling, doch hier deutete Thotmes auf alles Mögliche was er am Ufer entdeckt hatte und redete unaufhörlich auf seinen Nachbarn ein.

Irgendwie war alles zu friedlich. Kutari hatte ein merkwürdiges Gefühl, dass gleich etwas passieren würde, doch nichts geschah und er beendete sein frugales Mahl. Hamadi hatte seine Arbeit beendet und schlenderte zögernd zu Hori und Sekani. Nach einem kurzen Wortwechsel machten sich die beiden Schreiber auf zum Heck, wo sie ihre kleine Schule provisorisch eingerichtet hatten. Schnell versammelten sich auch die Schüler um sie herum. Die Fahrt war langweilig für die Passagiere und der Unterricht die einzig wirkliche Abwechslung.

Die Soldaten hatten es noch schwieriger. Für sie gab es keine täglichen Übungen, abgesehen von ein paar Schüssen auf wilde Enten während ihrer kurzen Pausen an Land. Einige der Soldaten hatten sogar mit den Ruderern zeitweilig getauscht, um ein wenig körperliche Betätigung zu bekommen.

Als Kutari den Schiffsführer auf sich zukommen sah, wusste er, dass seine Ahnungen doch richtig gewesen waren.

„Wir haben ein kleines Problem, Herr.“

„Was gibt es, Arma?“

„Seit dem letzten Aufenthalt machen wir ein wenig Wasser. Nichts Tragisches, aber wir sollten den Rumpf kontrollieren und nötigenfalls ausbessern lassen. Wenn es nicht sofort gemacht wird, könnte das Leck größer werden und dann hätten wir ein richtiges Problem.“

Kutari blickte nachdenklich nach vorne.

„Was werden wir als Nächstes erreichen?“

„Men-nefer in einem halben Tag. Eigentlich wollten wir dort nur den nächsten Lohn der Ruderer übernehmen, doch wenn der Rumpf kontrolliert werden muss, wird das einen zusätzlichen Tag kosten.“

Kutari schloss ergeben die Augen. Hapi war ihnen nicht besonders gewogen.

„Wenn es gemacht werden muss, dann werden wir das auch tun. Ich möchte nicht bis Tanis schwimmen müssen, nur weil wir vorher untergehen. Aber achte darauf, dass alles so schnell wie möglich erledigt wird.“

Kutari in Men-nefer

Der Aufenthalt des Aufsehers der Fragen des Pharao in Men-nefer war natürlich nicht verborgen geblieben. Sie hatten gegen Mittag im Kriegshafen festgemacht und sofort war mit den Arbeiten an der Barke begonnen worden. Der Hafenmeister hatte eine Nachricht zum Palast geschickt und schon eine Stunde später stand eine Abordnung des Nomarchen von Inbu-Hedj auf der Pier.

„Der ehrenwerte Fürst Menemhet, Nomarch des Gaues Inbu-Hedj, Bürgermeister von Men-nefer, entbietet seine Grüße und bittet den hochverehrten Fürsten Kutari, Aufseher der Fragen des Pharao, zu einem kleinen Empfang in seine bescheidene Residenz. Der Nomarch lässt fragen, ob er euch bei eurer Reise helfen und unterstützen kann.“

„Meine Grüße und meinen Dank an den ehrenwerten Nomarchen, Fürst Menemhet. Wir sind unterwegs mit einem dringenden Auftrag des göttlichen Herrschers persönlich. Ein Problem mit der Barke hält uns ungebührlich auf, doch ich darf mit der sachkundigen Hilfe der Werft rechnen. Ich werde dem Nomarchen selbstverständlich meine Aufwartung machen. Leider fehlt mir die Zeit für eine angemessene Vorbereitung aller dem Nomarchen zustehender Ehrungen.“

„Der Nomarch ist sich der Dringlichkeit eurer Reise bewusst. Er erwartet euch zur achten Stunde zu einem kurzen Gespräch und einer kleinen Erfrischung.“

Die Abordnung hatte die Barke gerade eben verlassen, als Kutari sich umdrehte.

„Hamadi! Imiuthetep! Rahotep! Sofort zu mir!“

Die aufgerufenen eilten zu Kutari, der sich auf den Bug zurückgezogen hatte.

„Wir haben eine Einladung des Nomarchen. Hamadi, es gehen alle Beamten mit ihren Dienern mit. Und wenn ich sage alle, dann meine ich auch alle.“

Automatisch drehten sich die Köpfe der Anwesenden und suchten Thotmes.

„Imiuthetep, die gesamte Leibwache mit Waffen und Schilden.“

Der Hauptmann drehte sich kurz um und nickte Feldwebel Chepren zu. Sie hatten schon über einen eventuellen Einsatz gesprochen, als die Abordnung erschienen war.

„Rahotep, für dich und deine Leute habe ich etwas anderes. Ihr kleidet euch in einfache Gewänder und versucht am Handelshafen etwas über das Ostgau zu erfahren und welche Gerüchte über den neuen Nomarchen dort umlaufen. “


Der Empfang durch den Nomarchen verlief ziemlich entspannt. Fürst Menemhet war ein kleiner, dürrer Mann in fortgeschrittenem Alter und sah etwas griesgrämig aus. Kutari war zunächst etwas zurückhaltend, doch dann sollte er bald eine andere Seite des älteren Mannes kennenlernen.

Die Vorstellung von Kutaris Begleitern wurde nach dem offiziellen Protokoll abgehandelt und Fürst Menemhet zuckte nicht einmal mit der Wimper, als ihm ein Knabe mit Kinderlocke als Schreiber und Beamter vorgestellt wurde.

„Ich habe erfahren, dass ihr wohl etwas länger aufgehalten werdet mit der Reparatur eures Schiffes. Deshalb biete ich euch an, für diese Zeit einige Räumlichkeiten meines Palastes zu nutzen. Es wird für die Nacht deutlich angenehmer sein, als an Bord.“

Kutari überlegte einen Moment und nickte dann.

„Ich bin erfreut über euer Angebot und nehme es gerne an.“

„Sehr schön. Mein Schreiber Manetho wird euch in die Räumlichkeiten begleiten. Ich darf euch dann noch zu einem kleinen Gespräch bitten, wenn ihr euch eingerichtet habt.“

Kutari ließ sich bei der Einladung nichts anmerken. Das war ungewöhnlich. Normalerweise ließ man seinen Gästen erst einmal etwas Zeit zum Ausruhen.

Kurze Zeit später folgte dann auch Kutari, begleitet von Kanefer, dem Schreiber des Nomarchen zurück in dessen Arbeitszimmer.

Ohne Umschweife kam der Nomarch auch sofort zum Thema.

„Es geht etwas Seltsames vor im Delta. Seit geraumer Zeit gibt es Unruhe in den östlichen Gauen. Aus dem östlichen Harpunengau kommen in letzter Zeit gar keine Nachrichten mehr. Aus dem nördlich davon gelegenen Ostgau kommen merkwürdige Berichte von Überfällen an Wasserstellen und auf Jagdgruppen. Und schon zweimal hat der neue Nomarch Überfälle auf Soldaten seines Regiments berichtet. Das Ostgau ist im Moment besonders anfällig. Der neue Nomarch hat noch nicht sehr viel Erfahrung und das Regiment dort hat nur seine halbe Stärke. Der Aufbau dort geht nur schleppend voran.“

Kutari sah Fürst Menemhet etwas irritiert an.

„Ich verstehe nicht ganz, was ich mit diesen Angelegenheiten zu tun habe.“

Der Fürst schloss für einen kurzen Moment die Augen und nickte dann.

„Gut, ich werde es einmal so zusammenfassen. Wir sind hier in Men-nefer fast zwanzig Tagesreisen entfernt von der Hauptstadt. Dort residiert unser göttlicher Herrscher, lang möge er leben, und auch der Tjati. Er verwaltet im Namen des Herrschers das Reich mit all seinen Gauen. Sollte es zu unliebsamen Zwischenfällen kommen, dauert es sage und schreibe bis zu anderthalb Monaten, bis ein entsprechender Befehl hier eintrifft. Inbu-Hedj ist zwar das älteste und erste Gau von ganz Unterägypten, doch ich habe keine Befehlsgewalt über die Truppen unseres Herrschers, die hier stationiert sind, geschweige denn die anderen Nomarchen. Bisher war es Tradition, dass ein Prinz sich in Men-nefer aufhält und stellvertretend für den Herrscher Entscheidungen trifft, doch Prinz Amenhotep ist noch nicht aus Theben zurück. Ihr seid im Moment der einzige Würdenträger des Reiches, der ausreichende Vollmachten hat, die Regimenter in Men-nefer in Marsch zu setzen.“

Kutari erstarrte förmlich auf seinem Stuhl. Sicherlich, er hätte die Vollmacht so etwas zu tun, doch er hatte keinerlei Hinweise oder Anhaltspunkte, wen er wohin hätte schicken sollen.

„Gibt es denn etwas Konkretes?“

Der Nomarch zögerte etwas, doch dann nickte er.

„Wir haben lediglich die Aussagen von zwei jungen Männern, die vor drei Tagen hier eingetroffen sind. Ihre Geschichte hörte sich zunächst sehr abenteuerlich an, allerdings betreffen sie Vorgänge, von denen ich vor kurzem aus Theben erfahren habe und die meine Zweifel ins Wanken gebracht haben. Ich habe dem Tjati einen ausführlichen Bericht geschickt, aber wie gesagt - mindestens vierzig Tage.“

Kutari sah nun neugierig zu Fürst Menemhet.

„Der eine behauptet, er hieße Udabi und wäre der jüngere Bruder von Neferhetep, dem neuen Nomarchen des östlichen Gaues. Der zweite behauptet, er hieße Paneb und wäre der Sohn des entehrten Fürsten Wawerhet.“

Kutari schüttelte erstaunt den Kopf. Noch ein Sohn des Fürsten? Das schien ihm mehr als unwahrscheinlich. Dennoch -

„Dürfte ich die beiden einmal sehen?“

„Ich schicke Hauptmann Sinuhe zu euch. Er wird euch zu ihnen bringen und er kann auch die Umstände erklären, wie sie hier angekommen sind.“


Kutari lief in den vom Nomarchen zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten auf und ab wie ein gefangenes Raubtier. Er war hin und her gerissen. Zum einen war er natürlich neugierig, was die Zwischenfälle und diese mysteriösen Gefangenen zu bedeuten hatten, andererseits wollte er natürlich so schnell wie möglich weiterfahren. Doch die Arbeiten an der Barke dauerten noch an.

Rahotep spähte vorsichtig um die Ecke. Kanefer hatte ihn entdeckt und winkte ihn herein.

„Was ist? Kann ich mit ihm reden?“

Kanefer rollte mit den Augen.

„Wie mit einem gefangenen Leoparden. Aber vielleicht lenkt ihn das ja ein Bisschen ab.“

Rahotep war sich nicht sicher, ob er als Raubtierfutter herhalten wollte, doch Kutari hatte ihn bereits bemerkt.

„Hast du was herausbekommen?“

„Ja, Herr.“

Förmlich verbeugte er sich. Kutari betrachtete ihn stirnrunzelnd. Was sollte das jetzt?

„Rahotep, was soll das? Seit wann gehen wir so förmlich miteinander um, wenn wir alleine sind?“

Rahotep sah sich um und holte tief Luft.

„Nun, im Moment ist niemand so gerne in eurer Nähe, Herr.“

Kutari stutzte, dann lächelte er. War er tatsächlich so unausstehlich im Moment? Er hatte seine schlechte Laune gar nicht richtig realisiert.

„Komm her.“

Rahotep trat näher und Kutari umarmte ihn spontan. Erstaunt spürte Rahotep die kräftige Umarmung, die eine ganze Weile andauerte, bis Kutari sich dann entspannte.

„Also, setz dich hin und erzähl.“

Rahotep setzte sich auf ein Kissen und begann mit der Zusammenfassung dessen, was seine Leute zusammengetragen hatten.

„Der Ostgau ist erst zur Zeit unseres jetzigen göttlichen Herrschers in seinen Grenzen bestimmt worden. Der verstorbene Nomarch war der erste eingesetzte Nomarch für den Ostgau. Tanis als Hauptstadt ist ebenso erst im Aufbau. Der verstorbene Nomarch hat sich vorbildlich um den Aufbau des Landes und seine Untergebenen gekümmert. Auch sein Nachfolger ist ernsthaft bei der Arbeit und führt alle Vorhaben seines Vaters fort. Er ist neunzehn Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder.“

Kutari hatte sich zu Rahoteps Überraschung während des kurzen Vortrags hingelegt und seinen Kopf auf Rahoteps Schoß gebettet.

„Und was sagt der Klatsch und Tratsch?“

Rahotep griff hinüber zu einer Schale mit Weintrauben und begann aus Übermut Kutari mit einzelnen Weintrauben zu füttern. Während Kutari kaute, erzählte Rahotep weiter.

„Niemand traut dem jungen Neferhetep einen Mord an seinem Vater zu. Ihr Verhältnis war gut und warum hätte er das ausgerechnet jetzt tun sollen? Er hat zwar noch zwei jüngere Brüder, aber die gelten als genauso vorbildliche Söhne und haben sich auch gleich auf Neferheteps Seite gestellt, als erste Gerüchte eines Attentats aufkamen. Neferheteps Gemahlin führt ein unauffälliges Dasein mit ihren beiden Kindern und hat sich nicht, zumindest nicht öffentlich, bis jetzt für Politik oder die Arbeit ihres Mannes oder ihres Schwiegervaters interessiert.“

„Was ist mit der Mutter des neuen Nomarchen?“ fragte Kutari zwischen zwei Weintrauben.

„Die ist bereits vor drei Jahren verstorben. Ihr Grab befindet sich in der neuen Nekropole von Tanis. Von ihr gibt es fast gar keine Informationen.“

Kutari lächelte und griff nach oben. Mit einem schnellen Handgriff wuschelte er durch Rahoteps dunkelrote Haare und dann zog er langsam seinen Kopf zu sich herab. Rahotep zögerte einen Moment und sperrte sich etwas, aber dann entspannte er sich und ließ es geschehen. Sie fanden sich zu einem sanften Kuss und Rahotep schmeckte noch den Saft der Weintrauben auf Kutaris Lippen. Der nächste Kuss wurde schon etwas fordernder und Rahotep ließ eine Hand zaghaft über Kutaris Oberkörper und Bauch gleiten.

Kanefer schloss leicht lächelnd die Tür und wandte sich seiner weiteren Arbeit zu. Unbewusst korrigierte er seinen Leinenschurz um die deutlich sichtbare Beule etwas zu verstecken.


Kutari und Rahotep saßen friedlich nebeneinander und aßen Weintrauben als Kanefer hereinkam. Nichts deutete auf ihre vorherigen Aktivitäten.

„Ein Hauptmann Sinuhe ist hier. Er sagt, er wird erwartet.“

„Richtig. Sehr gut. Sag bitte Hori, er möchte auch herkommen.“

Hauptmann Sinuhe war ein kleiner, vierschrötiger Mann mittleren Alters, der seinem Auftreten nach wohl schon lange Soldat war.

Mit schnellen Schritten führte er Kutari, Rahotep und Hori in Richtung der Kasernen von Men-nefer. Die Kasernen lagen außerhalb der mächtigen, mit weißem Kalkstein verblendeten Stadtmauer, die dem Ort seinen Namen gegeben hatte: Men-nefer, weiße Mauer.

„Die Wüstenpatrouille hat sie aufgegabelt. Sie waren draußen, jenseits der fruchtbaren Ebene. Sie hatten kein Wasser mehr und auch nichts zu Essen. Einer der beiden hat darauf bestanden, er sei der Bruder des Nomarchen des Ostgau und der andere wollte unbedingt nach Theben.“

Rahotep schüttelte grinsend den Kopf.

„Was hat die Patrouille gemacht?“

Der Hauptmann grunzte nur unwillig.

„Der Leutnant ist noch jung und unerfahren. Er war sich nicht völlig sicher, ob da etwas dran ist. Da hat er sie mit in die Stadt gebracht. Hier haben sie dann eine ganz abenteuerliche Geschichte erzählt. Ihr könnt sie euch anhören und dann entscheiden. Ich halte zumindest nicht so viel davon.“

Sie wurden in das Gefängnis geführt, einen kleinen flachen Bau, errichtet aus Bruchsteinen und mit hoch angesetzten Lüftungsschlitzen anstatt der Fenster.

„Drinnen ist es dunkel. Ich werde die beiden herausbringen lassen.“

Die beiden Gefangenen wurden herausgeführt und stolperten etwas unbeholfen, da ihre Hände hinter dem Rücken gefesselt waren. Schmerzhaft blendete sie das Sonnenlicht und sie wandten ihre Gesichter ab. Kutari hatte dennoch genug gesehen. Der größere der beiden, mit einer langen Narbe im Gesicht, glich Chaemwase wie ein Ei dem anderen. Auch Hori atmete zischend ein.

„Ich möchte mit den beiden reden, aber ohne Fesseln. Am besten irgendwo, wo es kühl und ruhig ist.“

Hauptmann Sinuhe nickte nur und gab eine kurze Anweisung an die Gefängniswärter. Die beiden Jungen wurden in ein nebenan gelegenes Gebäude geführt und ihnen wurden die Fesseln abgenommen.

„Ich habe noch Wasser und etwas zu essen angefordert. Ihr könnt so lange bleiben wie ihr wollt, das Gebäude ist nicht belegt.“

Hauptmann Sinuhe zog sich zurück und ließ Kutari und seine Begleitung mit den beiden Gefangenen alleine. Der größere war eindeutig ein Zwilling von Chaemwase. Somit machte auch seine Aussage Sinn, er sei der Sohn des Fürsten Wawerhet. Der zweite schien etwas jünger zu sein und seine Haltung war trotz der Gefangenschaft aufrecht und selbstbewusst. Er sah Kutari interessiert an und überlegte anscheinend, wer der großgewachsene Mann mit den hellen Haaren wohl sein mochte. Beide waren nur in ein schmales Lendentuch gekleidet und man konnte ihnen ansehen und auch riechen, dass sie sich längere Zeit nicht mehr gewaschen hatten. Kutari ließ sie beide auf Hockern Platz nehmen.

„Mein Name ist Fürst Kutari. Ich bin der Aufseher der Fragen des Pharao und hier im Delta mit einem Auftrag unseres göttlichen Herrschers, lang möge er leben, unterwegs.“

Kutari hatte extra eine etwas förmliche Vorstellung gewählt, um die Reaktion der beiden zu testen. Wie es sich gehörte, verneigten sie sich während des Wunsches, der Herrscher möge lang leben. Auch schien in ihren Gesichtern eher Erleichterung als Angst zu stehen.

Kutari wandte sich nun direkt an den kleineren der beiden.

„Dann erzähl einmal, wer du bist und warum du hier bist.“

„Mein Name ist Udabi und ich bin der jüngste Bruder von Neferhetep, dem zukünftigen Gaufürsten des Ostgaus. Es hat alles damit angefangen, dass vor wenigen Tagen eine Reisegruppe des östlichen Harpunengaus in Tanis eintraf und um Unterkunft gebeten hatte, denn sie waren angeblich auf dem Weg nach Norden, zur Küste.“

Udabi in Tanis

„Herr, eine Abordnung aus dem östlichen Harpunengau nähert sich der Stadt.“

Neferhetep unterbrach irritiert sein Gespräch mit dem Hohenpriester des Wadji-Tempels. Was wollten die denn hier? Jetzt, während er mitten in den Vorbereitungen zur Bestattung seines Vaters war. Suchend sah er sich um. Ramose war natürlich mal wieder nicht da. Wahrscheinlich war er wieder draußen zum Bogenschiessen.

„Udabi, geh hinaus, begrüß die Besucher und frage, was sie wollen.“

Udabi sah seinen Bruder erstaunt an. Bisher hatte er das Gefühl gehabt, Neferhetep würde ihn ignorieren, doch in letzter Zeit gab der zukünftige Nomarch ihm und seinem Bruder Ramose immer mehr kleine Aufgaben.

Schwungvoll drehte sich Udabi um und eilte zum Haupttor des Palastes, gefolgt von der Wache, die die Nachricht überbracht hatte.

Tanis war keine alte Stadt, sie war zusammen mit dem Ostgau neu gegründet worden und alle Häuser der Stadt waren, wie der Palast, aus Lehmziegeln erbaut worden. Das größte Problem waren die Stadtmauern. Auch sie aus Lehmziegeln erstellt, sollten dennoch dem Ansturm von Feinden statthalten können und waren entsprechend mächtig. Probleme brachte der Untergrund und die Bauarbeiten gingen nur langsam voran. Noch waren die Mauern nicht fertig und die Stadt war nicht so stark, wie sie eigentlich als Hauptstadt eines Gaus hätte sein sollen.

Udabi erkannte seinen Bruder Ramose bei den Architekten und schüttelte den Kopf. Wie oft hatte Neferhetep ihm gesagt, er solle lieber mit den Soldaten üben, als mit den Baumeistern diskutieren.

Die Reisegruppe aus dem östlichen Harpunengau war inzwischen herangekommen. Udabi zählte nur wenige Personen, aber fast alle waren Soldaten.

„Willkommen im Ostgau. Ich bin Udabi, dritter Sohn des in die Ewigkeit eingegangen Nomarchen Rechmire. Wir bedauern, euch nicht standesgemäßer empfangen zu können, doch die Zeit der Klage ist noch nicht vorüber.“

Ein dünner, älterer Mann trat vor und verbeugte sich leicht.

„Ich bin Duwat, persönlicher Sekretär des Gaufürsten Antef des östlichen Harpunengaues. Wir bedauern, euch in eurer Trauer zu stören, doch wir sind auf einer dringenden Reise in den Norden zur Küste des Großen Grünen. Wir bitten lediglich um eine Unterkunft für die Nacht, damit wir uns unter den Augen des Herrn Re wieder auf den Weg machen können.“

Udabi wunderte sich, doch er ließ sich nichts anmerken. Der Wunsch einer offiziellen Reisegruppe war vollkommen in Ordnung und er ließ ihnen eines der Gästehäuser des Palastes zuweisen.

Nachdenklich betrachtete er die Leute, die nun an ihm vorüberzogen. Mitten zwischen den Soldaten fiel ihm dann eine Gestalt auf, die nicht dort hinzugehören schien. Der Junge war wohl ein oder zwei Jahre älter als er und ging gefesselt zwischen zwei Soldaten. Er hielt seinen Kopf gesenkt, doch Udabi erkannte, dass eine Gesichtshälfte eine lange Narbe trug.

Das kam ihm noch merkwürdiger vor. Wo wollten sie denn mit einem Gefangenen hin? Nach Norden an die Küste des riesigen Meeres? Wozu? Und warum nahmen sie dazu nicht einfach den Fluss? Das wäre doch viel einfacher und wahrscheinlich auch schneller gewesen. Sie hätten doch nur bis zur Station nach… Die Kontrollstationen! Jeder Reisende, egal ob nach Norden oder nach Süden, wurde in den Stationen von den Beamten und Soldaten genau kontrolliert und nach ihrem Weg befragt. Ebenso wurde die Erlaubnis kontrolliert, das Land zu verlassen oder auf dem Weg ins Ausland Handel zu treiben.

Wollten sie die Kontrollstationen umgehen? Aber sie waren doch eine offizielle Reisegruppe des östlichen Harpunengaus. Sie sollten die notwendigen Genehmigungen besitzen. Udabi seufzte. Neferhetep würde ihm wahrscheinlich sagen, er solle sich nicht so viele Gedanken machen, alles würde schon seine Richtigkeit haben.

Udabi machte sich auf den Weg zurück zu seinem Bruder um ihm von der Reisegruppe und seinen Anordnungen zu berichten. Wie er Neferhetep kannte, würde er den Sekretär später zu einem kleinen Empfang einladen.

Der Empfang fand tatsächlich statt und Udabi hatte sich nach einer Weile entschuldigt. Nichts war für ihn so langweilig, wie leeres Geschwätz. Es war zwar schon dunkel draußen, doch Udabi entschied sich für ein kurzes Bad, bevor er ins Bett ging. Etwas geistesabwesend legte er Leinenschurz und Lendentuch ab und stieg in einen der kleinen Teiche direkt hinter seinem Wohnbereich. Er ließ sich etwas auf dem Wasser treiben und dachte lange über den heutigen Tag nach. Die Reisegruppe mit ihrem Gefangenen ging ihm nicht aus dem Kopf.

Plötzlich hört er in dem Gebüsch zu seiner rechten ein lautes Rascheln. Hier hatte zu dieser Zeit niemand etwas zu suchen. Entschlossen erhob sich Udabi aus dem Wasser und spähte in das Gebüsch. Nichts. Langsam kam er näher. Völlig überraschend legte sich von hinten eine Hand auf seinen Mund. Mit einem Anflug von Panik spürte Udabi eine weitere Hand, die ziemlich grob in seiner Körpermitte um zwei Körperteile griff, die Udabi sehr gerne unbeschädigt gesehen hätte.

„Ein Ton und ich reiss' dir die Eier ab.“ Zischte es neben seinem Ohr.

Udabi nickte hektisch und der Unbekannte zog ihn weiter ins Gebüsch. Udabi folgte schweigend und ängstlich, denn der Griff, mit dem ihn der Unbekannte mitzog, war schmerzhaft. Erst auf einer kleinen freien Fläche, im Licht des Mondes, erkannte Udabi, wer ihn so qualvoll im Griff hatte. Es war niemand anderes als der junge Mann, der von der Reisegruppe als Gefangener mitgeführt worden war.

„Wie bist du… Ich meine, du warst doch ein Gefangener.“

Der Junge ihm gegenüber lachte leise.

„Sie sollten lernen, dass man keinen Dolch tragen sollte, wenn man einem Gefangenen etwas zu Essen bringt. Aber das ist nun unwichtig. Ich muss hier weg. Wie komme ich am schnellsten nach Theben?“

Udabi starrte sein Gegenüber ungläubig an. Nach Theben?

„Nach Theben? Das sind zwanzig Tagesreisen auf dem Fluss.“

„Das geht nicht. Der Fluss wird jetzt bestimmt überwacht. Ich müsste dann ja wieder mitten durch den Harpunengau zurück. Da werden sie mich bestimmt erwischen.“

Udabi hatte gerade ein anderes Problem. Trotz der etwas rauen Behandlung hatte sich langsam aber sicher sein bestes Stück erhoben und wenn der Junge ihm gegenüber sich auch nichts anmerken ließ, er musste es doch spüren, schließlich war er mit seiner Faust doch nah genug dran. Udabi schluckte ein wenig.

„Wenn… wenn du mich jetzt loslassen könntest – bitte.“

Der Junge sah nun nach unten und lächelte dünn. Langsam öffnete er seine Faust, ließ aber die Finger sanft nach oben gleiten, so dass Udabi erschauerte. Der Junge lächelte.

„Pass auf. Ich kümmere mich jetzt kurz um dein Problem und dann kümmern wir uns um meins.“

Udabi war verwirrt. Wo war er denn jetzt hineingeraten? Als der Junge vor ihm abkniete und sich tatsächlich um Udabis ‚Problem‘ kümmerte, konnte der kaum fassen, was geschah. Die ganze Angelegenheit raubte ihm den Atem und schon nach wenigen Augenblicken war alles vorbei.

„Du hast das noch nicht oft gemacht?“

Udabi schüttelte stumm den Kopf.

„Macht nichts, du bist ganz nett. Aber jetzt muss ich leider verschwinden. Welchen Weg gibt es noch, außer über den Fluss?“

Udabi musste sich erst einmal erholen, bevor er seine Gedanken sammeln konnte.

„Es kommt darauf an, wohin du wirklich willst. Du willst eigentlich nach Theben, aber das ist zu weit. In Theben gibt es aber nichts, wohin ein Gefangener eines Gaufürsten gehen könnte, es sei denn, du willst jemand Höheren als einen Gaufürsten aufsuchen.“

Der Junge sah Udabi einen Moment lang nachdenklich an, dann nickte er.

„Du hast Recht. Ich will zum Tjati.“

Udabi holte zischend Luft. Niemand besuchte so einfach den Wesir von ganz Khemet.

Kutari in Men-nefer

Kutari lauschte der Erzählung von Udabi ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Während des Berichts sah Paneb mehrere Male zu Udabi, doch jedes Mal lächelte er dabei. Selbst zum Schluss, als Udabi mit kurzen Worten ihre persönlichen Handlungen schilderte, warf er dem Jungen einen fast zärtlichen Blick zu.

Kutari nickte lediglich und sah zu Hori, der alles mitgeschrieben hatte.

„Und du bist also Paneb, Sohn des Fürsten Wawerhet.“

Paneb senkte seinen Kopf.

„Ja, Herr.“

„Du weißt, was mit deinem Vater geschehen ist?“

„Ja, Herr. Man hat es mir hier gesagt. Sein Ka wurde der ewigen Finsternis übergeben, denn er hat sich der göttlichen Ordnung widersetzt.“

Kutari war von der Antwort überrascht. Was steckte noch hinter der Geschichte mit dem unseligen Fürsten? Udabi wurde etwas unruhig und sah immer wieder zu Paneb hinüber. Kutari musste lächeln.

„Nun geh schon zu ihm.“

Udabi sah überrascht zu Kutari, erhob sich aber dann von seinem Hocker, ging zu Paneb und umarmte ihn. Schweigend saßen die beiden Jungen zusammen.

„Paneb, wie alt bist du?“

„Ich weiß es nicht, Herr. Ich bin hier im Waisenhaus von Men-nefer aufgewachsen. Erst vor drei Jahren hat mich der Fürst persönlich hier abgeholt und nach Tjeku gebracht.“

„Dann werde ich dir sagen, wie alt du bist. Du wurdest geboren am ersten Tag des ersten Schemu im 35. Jahr unseres göttlichen Herrschers. Zusammen mit deinem Zwillingsbruder.“

Panebs Kopf ruckte hoch.

„Ein Bruder? Der Fürst hatte mal eine Andeutung gemacht, aber als ich nachfragen wollte, hat er mir Prügel angedroht.“

Kutari runzelte die Stirn und auch Hori sah kurz von seiner Arbeit hoch.

„Ja, ihr seid Zwillinge. Ich weiß aber nicht, wer der ältere von euch beiden ist. Was hat der Fürst denn mit dir vorgehabt?“

„Ich weiß es nicht. Er hat es mir nie gesagt. Er hat mich einfach nur nach Tjeku geführt. Dort ging es ganz merkwürdig zu. Der Gaufürst schien sich gut mit Fürst Wawerhet zu verstehen. Dann waren da aber noch Fremde, mit denen sich beide ebenfalls sehr gut zu verstehen schienen. Im Laufe der Zeit habe ich erfahren, dass es sich um Hethiter handelte, die sich draußen an der Grenze des Harpunengaus mehrere Lager eingerichtet hatten. Die Anführer dieser Truppen gingen im Palast von Fürst Antef ein und aus.“

Kutari staunte nicht schlecht. Paneb schien ihm seinen Unglauben anzusehen.

„Ich sage die Wahrheit, Herr. Ich habe alles gesehen. Auch habe ich einige der hethitischen Diener belauscht. Ich hatte schließlich drei Jahre Zeit, ihre Sprache zu lernen. Sie warten auf ein bestimmtes Ereignis und sind dann die Vorhut für eine große Armee.“

Kutari zögerte einen Moment, dann drehte er sich kurz zu Rahotep und sah ihn an. Der wußte sofort, was Kutari von ihm wollte. Langsam ging er zu den Jungen hinüber und sah Paneb an.

Kannst du einige der Aussagen der hethitischen Diener noch einmal wiederholen?“

Paneb sah ihn erstaunt an, antwortete aber ebenfalls auf hethitisch und erzählte etwas mühselig von den Informationen, die er gesammelt hatte. Rahotep dankte ihm und ging zu Kutari.

„Etwas bruchstückhaft und ungeübt, aber eindeutig hethitisch und die Aussagen, die er belauscht hat, sind ebenfalls eindeutig.“

„Nun gut, Paneb. Dann erzähl uns doch einmal, warum du nun hier bist.“

Paneb in Tjeku

„Was sollen wir machen, wenn das Schiff hier eintrifft? Wenn alles geklappt hat, wird der richtige Junge an Bord sein.“

„Wir müssen das kleine Narbengesicht loswerden. Aber nicht hier. Hier kennt ihn schon jeder. Das wäre zu auffällig. Schafft ihn in den Ostgau, da ist im Moment sowieso alles durcheinander. Da fällt das sicherlich nicht auf.“

Paneb sah sich hektisch um. Wenn sie bemerkten, dass er sie belauscht hatte, würden sie ihn doch wohl hier schon beseitigen. Er war als Arbeiter zu den Schiffsanlegern geschickt worden und befand sich hinter einem großen Stapel an leeren Körben.

Die beiden Männer gingen langsam an dem Stapel vorbei, wobei sie ihr Gespräch fortsetzten. Paneb hörte nicht weiter zu, sondern überlegte, was zu tun sei.

Er wusste, von welchem Schiff die Rede war. Kapitän Tarewan pendelte mit der NEMET zwischen Tjeku und Theben hin und her. Aus dem Süden brachte er hauptsächlich Getreide, das an die Hethiter verteilt wurde.

Paneb war inzwischen klar, was die Hethiter hier wollten. Offiziell waren sie ein Teil der Delegation, die nach Theben gegangen war. Aber was machten sie dann hier im Delta? Paneb wusste inzwischen eine ganze Menge über ihre Absichten. Keiner der Fremden kam anscheinend auf die Idee, dass er ihre Sprache verstand. So redeten sie völlig ungezwungen, obwohl er sich direkt neben ihnen aufhielt.

Der Grund für sein geheimes Wissen bog gerade um den Stapel von Körben und musterte ihn erstaunt.

„Was machst du denn hier? Solltest du nicht längst in der Küche sein?“

Hisimi war genauso Sklave wie er, nur dass er irgendwo im hethitischen Reich geboren und nach einer Schlacht als Kriegsbeute verteilt worden war. Paneb war gleich nach seiner Ankunft auf ihn getroffen, als sie eine gemeinsame Unterkunft zugeteilt bekommen hatten.

Schon in der zweiten Nacht hatte sich Hisimi ihm genähert und Paneb war klar, was der ältere Junge von ihm wollte. Im Waisenhaus hatte er schon einiges kennengelernt und Sekani und Nebamun waren ja nicht gerade besonders wachsam, wenn sie sich trafen. Allerdings hatte Paneb eines im Waisenhaus gelernt. Es gab nichts umsonst im Leben.

„Na schön. Wenn ich dich ranlasse, was habe ich davon?“

Hisimi schien etwas überrascht und überlegte kurz.

„Ich habe nichts, was ich dir geben könnte.“

„Dann gibt’s auch nicht meinen Hintern.“

„Hm, ich könnte dir Hethitisch beibringen.“

Paneb stutzte.

„Wozu soll das denn gut sein?“

Hisimi lachte leise.

„Du könntest alles verstehen, was sie sagen und sie wissen nicht, dass du etwas weißt. So lange du dich nicht verrätst.“

Paneb überlegte einen Moment. War es das wert?

„Also gut. Fangen wir an.“

Hisimi lächelte erfreut.

„Erste Lektion: Kuwas. Das heißt Hund und du kannst auch schon mal so anfangen.“

Paneb seufzte leicht, aber er drehte sich und erhob sich auf alle viere. Dann eben wie ein Kuwas heute.


In den folgenden drei Jahren lernte Paneb sowohl die hethitische Sprache als auch so einige Fertigkeiten für die Nacht. An seinem täglichen Ablauf änderte sich wenig, bis es plötzlich Aufregung um seine Person gab.

Aus dem, was er erlauschen konnte, wurde er nicht richtig schlau. Es sah so aus, als ob er der falsche Junge wäre, hier in Tjeku. Wie konnte er der falsche sein? Er wusste ja nicht einmal, wofür. Dann hörte er das erste Mal, wie einer der Hethiter den Nomarchen anherrschte.

„Der mit der Narbe muss weg. Er ist über, sobald alles geklärt ist. Wir können uns keine Fehler erlauben. Unser Prinz ist da sehr eigen.“

Paneb erstarrte. Der mit der Narbe, das war er. Er musste etwas unternehmen, wusste aber nicht, wie er es anfangen sollte. Hier in Tjeku war er immer unter Aufsicht. Und wo sollte er auch hin? Wer würde ihm glauben?

Eine Erleuchtung kam von ein paar Schreibern des Nomarchen. Sie saßen beim Essen und lamentierten lautstark darüber, dass wieder so viele Berichte für den Tjati geschrieben werden mussten. Aber was blieb ihnen übrig, der Tjati beaufsichtigte alle Gaue des Reiches und verlangte Informationen. Jetzt wusste Paneb, er würde den Tjati in Theben aufsuchen müssen.

Doch soweit sollte es gar nicht kommen. Am letzten Tag des Jahres wurde er ohne Kommentar festgenommen und in das Gefängnis der Garnison gesteckt. Vollkommen niedergeschlagen hockte er auf den alten Binsen und konnte noch die Worte der sich entfernenden Gefängniswärter hören.

„Was ist mit ihm? Bleibt der länger?“

„Nein, sie wollen ihn nach den Feiertagen mitnehmen auf irgend so eine Reise.“

Paneb wußte, er hatte verloren. Es wäre nicht so weit gekommen, hätte er nicht so lange gezögert. Aber ein wenig Hoffnung gab es immer. Noch war er nicht tot.

Udabi und Paneb in Tanis

Drei Tage waren sie unterwegs, zunächst auf dem Fluss, dann zu Fuß. Paneb verfluchte sein Schicksal. Die Soldaten, die die Gruppe begleiteten, hatten ihn nicht einen Moment aus den Augen gelassen. Es schien, als wüssten sie was er vorhatte.

In Tanis angekommen fiel ihm der junge Mann auf, der sie begrüßte. Seiner kleinen Ansprache nach war er ein Sohn des verstorbenen Nomarchen. Paneb spürte, wie er die Reisegruppe etwas misstrauisch musterte. Hatte er etwas bemerkt? Unter seinem gesenkten Blick bemerkte Paneb noch, wie ihn der Junge neugierig musterte. Was soll's, mit der Narbe war er ja nun nicht gerade eine Schönheit.

Die Reisegruppe bekam eine Unterkunft zugewiesen und die Soldaten sperrten ihn in einen leeren Stall auf den Hof. Als die Dunkelheit hereinbrach, kam einer der Soldaten mit einer Schale voll Essen zu ihm. Wortlos hielt ihm Paneb seine gefesselten Hände entgegen. Der Soldat drehte um und kehrte kurz darauf mit einem Dolch wieder, mit dem er einfach den Strick durchschnitt, mit dem Paneb gefesselt war.

Paneb zögerte keinen Augenblick. Mit seiner Rechten packte er die Hand mit dem Dolch und mit seiner Linken den Ellenbogen des gleichen Armes. Die erzielte Hebelwirkung trieb den Dolch in die Brust des Soldaten. Dorthin, wo Paneb grob gezielt hatte, die linke Brustwarze. Mit einem lauten Seufzer sackte der Soldat zusammen.

Paneb schnappte sich den Brotfladen vom Essen und eilte zur Tür. Niemand schien den kurzen Zwischenfall bemerkt zu haben. Schnell versuchte er sich zu orientieren und verschwand dann in einer Reihe von Büschen, die um den Palast verteilt standen. Wenn er sich in den Büschen versteckt hielt, konnte er fast bis zur Stadtmauer gelangen, ohne dass ihn jemand sah.

Plötzlich endeten die Büsche vor einem freien Platz und Paneb erkannte einen Teich. Zu seinem Missfallen befand sich jemand im Teich. Damit hatte er nicht gerechnet. Voller Panik bemerkte Paneb nun, dass sich die Person aus dem Teich erhoben hatte. War er nicht leise genug gewesen? Im Licht des Mondes erkannte Paneb überrascht den jungen Mann, der sie heute begrüßt hatte. Was sollte er machen? Schnell entschlossen trat er halb hinter den jungen Mann und hielt ihm den Mund zu. Wie konnte er ihn ruhigstellen? Kurzerhand griff Paneb zu.

„Ein Ton und ich reiß' dir die Eier ab.“

Es klang selbst in seinen Ohren etwas brutal, aber etwas Besseres fiel ihm gerade nicht ein.

Der Junge nickte hektisch und Paneb zog ihn weiter ins Gebüsch. Der Griff um seine Familienjuwelen schien ihn ausreichend zu motivieren.

„Wie bist du… Ich meine, du warst doch ein Gefangener.“

Paneb lachte leise.

„Sie sollten lernen, dass man keinen Dolch tragen sollte, wenn man einem Gefangenen etwas zu Essen bringt. Aber das ist nun unwichtig. Ich muss hier weg. Wie komme ich am schnellsten nach Theben?“

„Nach Theben? Das sind zwanzig Tagesreisen auf dem Fluss.“

Paneb stöhnte innerlich.

„Das geht nicht. Der Fluss wird jetzt bestimmt überwacht. Ich müsste dann ja wieder mitten durch den Harpunengau zurück. Da werden sie mich bestimmt erwischen.“

Während er noch überlegte, was er jetzt machen sollte, spürte er etwas anderes. Der Junge bekam einen Ständer! Und das, obwohl er ihn immer noch fest im Griff hatte.

„Wenn… wenn du mich jetzt loslassen könntest – bitte.“

Paneb sah den Jungen nun an, der etwas schüchtern lächelte, dann sah er nach unten. Tatsächlich. Paneb spürte, dass der Junge nun nicht nur vor Angst zitterte. Schon erstaunlich, in dieser Situation. Langsam öffnete Paneb seine Faust und strich mit den Fingern sanft nach oben, bis er an die feuchte Spitze kam. Paneb wusste nicht, was ihn dazu antrieb, doch auf einmal spürte er ebenfalls eine Erregung.

„Pass auf. Ich kümmere mich jetzt kurz um dein Problem und dann kümmern wir uns um meins.“

Schon war er auf den Knien und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Das tat der Junge auch und Paneb war sichtlich überrascht, dass alles so schnell vorbei war. Es schien wohl ziemlich neu für ihn zu sein.

„Du hast das noch nicht oft gemacht?“

Der Junge schüttelte stumm den Kopf. Paneb sah sich unschlüssig um. Der Junge war ja ganz nett, aber…

„Macht nichts, du bist ganz nett. Aber jetzt muss ich leider verschwinden. Welchen Weg gibt es noch, außer über den Fluss?“

„Es kommt darauf an, wohin du wirklich willst. Du willst eigentlich nach Theben, aber das ist zu weit. In Theben gibt es aber nichts, wohin ein Gefangener eines Gaufürsten gehen könnte, es sei denn, du willst jemand höheren als einen Gaufürsten aufsuchen.“

Paneb erstarrte etwas. Er hatte vergessen, dass dies der Sohn eines Nomarchen war. Er kannte sich aus.

„Du hast Recht. Ich will zum Tjati.“

Damit hatte Paneb den jungen Mann vor sich nun deutlich überrascht.

„Das ist unmöglich. Sie werden dich vorher auf jeden Fall erwischen. Aber wenn du mir verrätst, warum du zum Tjati willst, kann ich dir vielleicht helfen. Übrigens, mein Name ist Udabi.“

Paneb fand, dass Udabi das Recht hatte, zu erfahren, was vor sich ging. Außerdem waren sie sich in kurzer Zeit schon ziemlich nahe gekommen.

„In Ordnung. Mein Name ist Paneb. Ich komme eigentlich aus Men-nefer und habe die letzten drei Jahre in Tjeku zugebracht.“

Udabi lauschte einer kurzen Zusammenfassung und fasste dann einen Entschluss. Zunächst ging er hinüber zum Teich und legte seinen Lendenschurz wieder an. Sehr zum Kummer von Paneb, der sich selbst gerade etwas über seine Gefühle wunderte.

Dann gab Udabi Paneb einen kurzen Wink, verborgen zu bleiben. Er würde in Kürze wiederkommen. Paneb konnte nichts anderes tun als warten. Würde Udabi wirklich wiederkommen? Oder würde er Soldaten mitbringen, die ihn wieder einsperren sollten? Paneb wurde von seinen Zweifeln erlöst, als er die schlanke Gestalt von Udabi erspähte, der sich hoch bepackt näherte.

Udabi gab Paneb einen der beiden Leinenbeutel, die er trug und auch einen der beiden Wasserschläuche. Zu Panebs Überraschung gab es auch noch einen Dolch in einer Unterarmscheide. Udabi trug nun den gleichen.

„Gehört eigentlich meinem Bruder Ramose, aber der braucht ihn wahrscheinlich sowieso nicht.“

Zielsicher führte Udabi Paneb durch die Stadt und dann durch eine Lücke der Stadtmauer hinaus ins Umland. Als sie sich vor der Mauer orientierten, hörten sie plötzlich lautes Geschrei in der Stadt.

„Sie haben etwas gemerkt. Wir müssen uns beeilen.“

„Keine Angst. Hier draußen kenne ich mich aus.“

Es dauerte dennoch fünf Tage, bevor die beiden in Men-nefer eintrafen. Sie waren dem Rand der fruchtbaren Ebene gefolgt und hatten versucht, den Siedlungen und besonders den Lagern der Hethiter auszuweichen. Sie waren hauptsächlich nachts gewandert, bis sie im ersten Licht des Herrn Re dann doch eine Wüstenpatrouille aus Men-nefer entdeckt worden waren.

Hungrig, durstig und vollkommen verdreckt hatte man sie in die Stadt gebracht und vernommen. Der Nomarch, in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Men-nefer, hatte davon erfahren und konnte sich kein rechtes Bild von den Erzählungen machen. Deshalb war er auch ganz froh, als der Aufseher der Fragen des Pharao bei ihm eintraf.

Kutari in Men-nefer

Kutari musterte noch einmal die beiden jungen Männer, wie sie eng umschlungen vor ihm saßen.

„Dann nehme ich mal an, ihr habt euch tatsächlich etwas näher kennengelernt in diesen sechs Tagen.“

Beide nickten schweigend.

„Udabi, weiß dein Bruder eigentlich, wo du bist?“

Udabi schüttelte immer noch schweigend den Kopf.

Kutari seufzte leise. Das war das Nächste, was er in Angriff nehmen musste. Er wollte sich gerade an Hori wenden, ein leichter Tumult vor der Tür ihn verstummen ließ.

Erstaunt sah er, wie ein älterer Mann den Raum betrat. Er trug lediglich einen weißen Leinenschurz und ein paar bronzene Armreifen. In der Hand hielt er einen Offiziersstab aus Ebenholz der allerdings keine Ringe aufwies, sondern dessen Mittelstück komplett mit Gold belegt war.

Rahotep erstarrte fast bei seinem Anblick, doch der Mann wandte sich sofort an Kutari.

„Fürst Kutari? Ich muss mich für mein Eindringen entschuldigen. Mein Name ist Ptahmose und ich bin der Imur-Meschta der Truppen unseres göttlichen Herrschers hier in Men-nefer.“

Kutari war im ersten Moment ebenso erstaunt wie Rahotep. Ein Imur-Meschta war der Oberbefehlshaber einer Division, also mehrerer Regimenter die zu einer großen Truppe zusammengefasst wurden. Mehrere Divisionen ergaben dann schon das Heer des göttlichen Herrschers, mit dem er zu Kriegszügen aufbrach. Kutari war es bisher nicht klar gewesen, dass in Men-nefer eine solch große Truppe stationiert war.

„Ich verstehe nicht ganz. Womit kann ich euch dienen?“

Der Imur-Meschta kniff etwas die Lippen zusammen.

„Wir haben vor zwei Tagen Nachrichten durch einen Eil-Kurier bekommen. Prinz Ahmose hat uns Anweisungen erteilt und es waren auch Nachrichten für euch persönlich dabei. Sie hätten euch eigentlich durch den Kurier direkt zugestellt werden sollen, aber entweder hat er euch auf dem Wasser verpasst, oder ihm war nicht klar, dass es sich um zwei getrennte Botschaften handelt.“

Ein kurzer Wink nach hinten und ein junger Mann mit Schreibausrüstung trat vor. Hori hatte sich sofort erhoben um ihm eine ganzen Stapel gefalteter Papyri und auch Rollen abzunehmen.

Der Imur-Meschta ergriff noch einmal das Wort.

„Ich werde euch erst einmal eurer Arbeit überlassen. Dennoch möchte ich darum bitten, dass ihr mich möglichst heute noch aufsucht. Wenn alles so sein sollte, wie es in meinen Anweisungen beschrieben wurde, sind noch etliche Befehle zu erlassen. Außerdem möchte ich euch bitten, eure Informationen mit uns zu teilen. Prinz Amenhotep hat keinen Zweifel daran gelassen, dass ihr eine letzte Entscheidungsgewalt über den Einsatz der Truppen habt.“

Mit einer knappen Verbeugung verließ der Imur-Meschta den Raum, dicht gefolgt von seinem Schreiber. Mehr als erstaunt sah Kutari ihm hinterher. Damit hatte ihm Amenhotep sicherlich keinen Gefallen getan. Dann fiel sein Blick auf den hoch beladenen Hori.

„Nehmt ihm mal etwas von den Sachen ab. Folgt uns einfach zu unserer Unterkunft. Kann einer von euch beiden lesen und schreiben?“

Paneb schüttelte fast entsetzt den Kopf, doch Udabi nickte. Entschlossen folgten sie Kutari zu seiner Unterkunft. Dort angekommen wurden die Schriftstücke auf einem Tisch ausgebreitet und Kutari besah sich seine beiden neuen Helfer genauer.

„Hori, such‘ dir Kanefer, dann nehmt ihr jeder einen dieser beiden jungen Herren und verschwindet mit ihnen im nächsten Teich, bis sie wieder ansehnlich sind.“

Hori grinste und tippte die beiden Kandidaten für eine Reinigung kurz an.

„Kommt mal gleich mit. Wir finden da schon etwas.“

Als dir drei abzogen sah Kutari schon etwas genervt auf den Stapel mit Schriftstücken. Suchend sah er sich um.

„Hamadi! Bring auch Shaketo mit! Rahotep, du darfst auch etwas helfen. Wir müssen ein wenig Ordnung hineinbringen. Am besten, wir sortieren nach Absender.“

Das erwies sich als nicht besonders effektiv, denn es gab nur drei Absender. Prinz Netermest, Prinz Amenhotep und den Tjati.

Rahotep runzelte die Stirn.

„Das meiste von Prinz Amenhotep sind militärische Anweisungen. Vom Tjati sind Berichte aus Theben und von Netermest sind Berichte vom Landgut.“

„Wir fangen mit Netermest an, dann kommt der Tjati und zum Schluß Amenhotep. Das dürften dann wohl unsere Befehle sein.“

Nach über zwei Stunden wollte sich Kutari zusammen mit Rahotep auf den Weg zum Imur-Meschta machen, als er im Vorraum auf Paneb und Udabi traf. Wie angewurzelt blieb er stehen.

„Was ist das denn?“

Hori bekam rote Ohren und sah unsicher zu Kanefer. Paneb und Udabi waren nun deutlich sauberer und dufteten nach einem Massageöl, doch sie trugen zu Kutaris Erstaunen die türkisfarbenen Leinenschurze seines Haushalts. Paneb mit einer braunen und Udabi mit einer gelben Schärpe.

Hori verbeugte sich förmlich.

„Wir hatten auf die Schnelle nichts anderes zur Verfügung, Herr. Wir wollten euch nicht vorgreifen und es sollte auch kein, äh, kein…“

„Schon gut Hori, ich hab’s verstanden. Aber sauber sind sie ja geworden.“

Hori wechselte einen schnellen Blick mit Kanefer und dann mit Paneb und Udabi, die beide leicht lächelten. Kutari konnte sich gut vorstellen, wie gründlich diese Reinigung stattgefunden hatte.

„Ihr könnt schon einmal alles vorbereiten. Wenn ich vom Imur-Meschta zurück bin, werde ich berichten, was ich alles erfahren habe und wie wir weiter vorgehen werden. Paneb und Udabi werden auf jeden Fall bis zur Abfahrt bei uns bleiben. Was dann genau passiert, kann ich erst sagen, wenn ich wieder zurück bin.“


Das Gespräch mit dem Imur-Meschta dauerte dann doch etwas länger, als Kutari gehofft hatte.

Sie wurden von einem Soldaten in die Arbeitsräume des Imur-Meschta geführt. Dort warteten außer dem Divisionskommandeur bereits sieben weitere Männer auf Kutaris Eintreffen.

Ptahmose, der Imur-Meschta, stellte jeden einzelnen vor. Zwei von ihnen waren die Brigade-Kommandeure der zur Division gehörigen Pa-Djet, der Infanteriebrigaden. Zu jeder Brigade gehörten zwei Tja-Serut, zwei Infanterie-Regimenter, deren Kommandeure ebenfalls anwesend waren. Der siebte Kommandeur war der Befehlshaber eines direkt zur Division gehörigen Streitwagenregiments.

Alle Kommandeure hatten auf dem langen Tisch mit den Karten auch ihre Offiziersstäbe abgelegt und Kutari war froh, dass er die Eingebung hatte, seinen eigenen Amtsstab mitzubringen. Wie beiläufig legte er ihn zu den anderen und die Offizier blickten doch etwas erstaunt auf den schlichten Ebenholzstab mit den zwei verschiedenen goldenen Figuren an den Enden. Einmal die Göttin Maat mit ihrem Federschmuck, am anderen Ende der Gott Seth, stehend mit einem Speer.

Lediglich Ptahmose nickte zustimmend.

„Chaos und Ordnung. Wirklich sehr treffend.“

Dann fiel sein Blick auf Rahotep, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. Kutari drehte sich um.

„Das ist Leutnant Rahotep. Der Leiter meiner kleinen Truppe von geheimen Ermittlern.“

Bei etlichen der Anwesenden hoben sich die Augenbrauen, während einer der Brigadekommandeure Rahotep näher musterte.

„Haben wir uns schon einmal getroffen, Leutnant?“

Rahotep setzte ein unbeteiligtes Gesicht auf.

„Schon möglich, wenn ihr auf einem Empfang meines Vaters wart, dem ehrwürdigen Dunmarit, Vorsteher der königlichen Schatzhäuser.“

Der Brigadekommandeur erbleichte ein wenig und Ptahmose lächelte leicht.

„Bevor wir uns den gesellschaftlichen Verpflichtungen widmen, zunächst das Dienstliche. Wir haben inzwischen genauere Informationen darüber, was im östlichen Harpunengau vor sich geht. Es sieht so aus, dass sich reguläre hethitische Truppen in diesem Gau befinden. Was wir nicht genau wissen, ist ihre Stärke und die Positionen ihrer Lager. Zweitens gibt es eine unklare Lage im Ostgau. Der Nomarch ist verstorben und über seinen Nachfolger ist nicht bekannt, wo seine Loyalität liegt.“

Kutari wechselte einen schnellen Blick mit Rahotep und dieser nickte, während der Imur-Meschta fortfuhr.

„Die gesamte Ostgrenze ist also bis zur Küste nicht völlig sicher. Meine Frage an Fürst Kutari ist, ob er neue Informationen hat, die uns hier weiterhelfen können.“

Kutari nickte.

„Was die Stärke und Verteilung der hethitischen Truppen anbetrifft, gibt es einen Flüchtling aus Tjeku, der uns möglicherweise weiterhelfen kann. Informationen aus dem Ostgau hat Leutnant Rahotep zusammentragen lassen, die er bei Bedarf vortragen kann. Des Weiteren haben wir noch den Bruder des jetzigen Nomarchen hier in Men-nefer, der sicher Auskunft geben kann über die aktuelle Lage dort.“

Kutari musste sich ein Lächeln verkneifen, als die Offiziere ihn verblüfft ansahen.

Der Imur-Meschta nickte lediglich und sah Kutari fragend an.

„Also bleibt es bei den Anordnungen, die wir bisher erhalten haben?“

„Ja. Mit einer Änderung. Ich möchte gerne, dass mir ein Regiment nach Tanis folgt, etwa im Abstand von drei Tagen. Ist das machbar?“

Alle vier Regimentskommandeure nickten gleichzeitig. Der Imur-Meschta lehnte sich etwas zurück.

„Damit hätten wir den östlichen Harpunengau umzingelt. Ein Regiment geht nach Bubastis im Westen, eines in den Norden nach Tanis. Wir bleiben zunächst hier im Süden.“

Kutari stimmte zu.

„Ja. Ich möchte allerdings auf Prinz Amenhotep warten, bevor wir den östlichen Harpunengau in irgendeine Weise angreifen. Erstens bringt er ein weiteres Regiment mit und zweitens ist er auch in der Lage, politische Entscheidungen zu treffen, wenn nötig.“

Die Regimentskommandeure schienen nicht ganz dieser Meinung zu sein, doch der Imur-Meschta war überzeugt.

„So soll es sein. Ich schicke den Standartenträger Pashtu von den Streitwagen zu euch. Er ist unser Offizier für die Feindaufklärung und geheime Ermittlungen. Vielen Dank für euer Erscheinen.“

Kutari und Rahotep verabschiedeten sich und eilten zurück zu ihrer Unterkunft. Kutari wusste jetzt, wie der Ablauf ihrer nächsten Unternehmungen sein würde und er wusste auch, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb.

Alle Mitglieder seines Haushaltes, einschließlich aller Soldaten hatten sich im Freien, neben einem kleinen Teich versammelt. Die ihnen zur Verfügung gestellten Räume wären dafür zu klein gewesen.

Kutari sah die Reihen entlang und überlegte, wo er beginnen sollte.

„Die Schriftstücke die wir heute erhalten haben, zeichnen nun ein etwas genaueres Bild von der Gesamtlage und ich musste unsere Pläne ein klein wenig ändern. Wir werden zunächst wie geplant nach Tanis fahren und dort den neuen Nomarchen aufsuchen. Es gibt nach wie vor den Befehl des göttlichen Herrschers, den Tod von Fürst Rechmire endgültig aufzuklären. Wenn wir dort fertig sind, werden wir abwarten müssen, ob wir nach Bubastis verlegen oder weiter dort bleiben.“

Es gab einige erstaunte Gesichter, doch Kutari fuhr sogleich fort.

„Ich werde versuchen, alle Ereignisse in die richtige Reihenfolge zu bringen, damit klar wird, was geschehen ist und was noch zu geschehen hat. Beginnen wir mit dem entehrten Fürsten Wawerhet. Der Fürst hat seinen Titel und das Land von seinem Vater geerbt. Unser göttlicher Pharao, lang möge er leben, hat ihn mit der Aufgabe der Verwaltung des Besitzes der königlichen Gemahlin Tuaitthesit übertragen. Die königliche Gemahlin hatte allerdings ein Auge auf ihn geworfen, obwohl er inzwischen verheiratet war. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes mit dem göttlichen Herrscher, Prinz Netermest, wandte sie sich ihrem Verwalter zu.“

Leises Gemurmel lief durch die Reihen, doch Kutari winkte ab.

„Ein halbes Jahr später wurden dem Fürsten von seiner Ehefrau die Zwillinge Hesire und Kawit geboren. Wiederum ein halbes Jahr später wurde die königliche Gemahlin ebenfalls von Zwillingen entbunden. Chaemwase und Paneb. Wie wir inzwischen wissen, waren diese Kinder nicht vom göttlichen Pharao.“

Diesmal gab es ein kollektives Schweigen.

„Der ältere der Zwillinge, Chaemwase, wurde mit der Amme Nebet fortgeschickt und in einem abgelegenen Haushalt in Abedju aufgezogen. Der jüngere, Paneb, wurde ins Waisenhaus der Bastet nach Men-nefer gegeben.“

Kutari wandte sich kurz an Paneb.

„Wie du siehst, bist du der jüngere Bruder.“

„Wann genau dann die Hethiter in dieser Situation auftraten, muss noch geklärt werden. Ich vermute, es war vor etwa vier Jahren, als die hethitische Delegation am Großen Haus eintraf. Irgendwann ist dann unter dem Einfluss der Hethiter der Plan entstanden, nach dem Tod des göttlichen Pharao die Armeen aufzusplittern und das Reich vom Delta her zu erobern.“

Den jetzt ausbrechenden Gefühlssturm ließ Kutari langsam abebben. In aller Ruhe ließ er sich noch einen Becher Wasser von Kanefer bringen, bevor er fortfuhr.

„Zu diesem Zweck wurden eine ganze Reihe Würdenträger bestochen oder erpresst. Beides unter anderem mit Hilfe dieses Bordells, dass wir ausgehoben haben. Im Laufe der Zeit ist Fürst Wawerhet von den Hethitern immer mehr unter Druck gesetzt worden. Sie verlangten größere Unterstützung und drohten, seinen Anteil an der Verschwörung zu veröffentlichen. Sie zwangen ihn, Lebensmittel ins Delta zu liefern, damit die hethitischen Truppen dort versorgt wurden. Ebenso zwangen sie ihn, seinen unehelichen Sohn als Geisel ins Delta zu schicken. Er hat zu diesem Zweck Paneb aus dem Waisenhaus geholt und dorthin geschickt. Die Hethiter haben jedoch herausgefunden, dass es Zwillinge gab und er ihnen den falschen, nämlich den Jüngeren der beiden geschickt hatte.“

Es gab etliche bedauernde Blicke für Paneb.

„Die Hethiter sitzen nun mit einer gar nicht mal so kleinen Truppe im östlichen Harpunengau und dem Wüstengebiet weiter östlich davon. Wie es aussieht, haben sie zum Nomarchen ein ziemlich gutes Verhältnis. Soweit erst einmal zu den Informationen, die wir von Prinz Netermest, dem Tjati und auch von Paneb erhalten haben.“

Kutari sah in eine ganze Anzahl erwartungsvoller Gesichter.

„Die weiteren Anweisungen kommen von Prinz Amenhotep und damit direkt vom göttlichen Herrscher. Er hat angewiesen, dass eines der Infanterieregimenter aus Men-nefer sofort in den Königskind-Gau verlegt wird. Dort wird es in der Nähe der Hauptstadt Bubastis auf weitere Befehle warten. Das ist der Grund, warum ich vorhin mit dem Imur-Meschta gesprochen habe. Ein weiteres Regiment wird uns in einigem Abstand folgen und in den Ostgau verlegen. Hier in Men-nefer werden die beiden anderen Infanterieregimenter und das Streitwagenregiment zum sofortigen Ausmarsch vorbereitet.“

Hauptmann Imiuthetep schüttelte ungläubig den Kopf.

„Das sind alle Truppenteile mit Berufssoldaten hier im Delta. Wird denn tatsächlich eine große Schlacht erwartet?“

„Wir wissen es nicht. Die genaue Stärke der hethitischen Truppen ist nicht bekannt. Sehr viele können es aber nicht sein, denn sie können sich ja nur bedingt verstecken. Allerdings wissen wir nicht, wie viele noch weiter östlich stehen.“

Kutari musterte nun unverkennbar seine Soldaten.

„Noch etwas. Prinz Amenhotep ist auf dem Weg hierher. Er hat das gesamte Regiment des Amun eingeschifft und wird wohl in fünf oder sechs Tagen eintreffen.“

Jubel brandete bei den Soldaten auf und Feldwebel Chepren hatte Mühe, sie zu beruhigen. Doch auch er hatte ein leichtes Lächeln im Gesicht.

„Gut, dann ist diese Versammlung aufgelöst. Ich möchte gerne, dass Udabi, Sekhet und Hori mich ins Haus begleiten.“


Udabi spürte, dass sein Gespräch wohl etwas mit dem geplanten Besuch in Tanis zu tun haben würde. Etwas neugierig spähte er hinüber zu dem Mann mit der violetten Schärpe. Hori hatte zwar verraten, dass die Farben die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe bedeuteten, aber violett hatte er nicht erwähnt.

„Udabi, nimm ruhig Platz. Ich möchte mich nur ein wenig über die Verhältnisse in Tanis mit dir unterhalten.“

Udabi wunderte sich ein wenig, dass die anderen sich ebenfalls neben ihn setzten, aber er würde zunächst ja wohl nur zuhören.“

„Hori hast du ja inzwischen ausgiebig kennengelernt und dies ist Sekhet, unser Arzt.“

Udabi bekam heiße Ohren, als der rothaarige Schreiber erwähnt wurde, aber er nickte. Der andere war also ein Arzt. Nun wunderte sich Udabi aber doch.

„Ich möchte ganz gerne, dass du uns deinen Alltag schilderst. Und zwar so, wie er zu Lebzeiten deines Vaters in Tanis stattgefunden hat.“

Was hatte denn sein Alltag mit den Vorgängen in Tanis zu tun? Aber gut.

„Es ist nicht besonders aufregend in Tanis. Überall sind Baustellen, selbst im Palast. Meine Brüder und ich wurden meist von unserem Vater beauftragt, kleinere Aufgaben in der Verwaltung zu übernehmen. Kontrolle der Steuerlisten vor der Ernte, Bestandsprüfungen der Warenlager oder solche Sachen. Er legte wert darauf, dass wir das gesamte Gau kennen und die wichtigen Personen in den Städten und Dörfern persönlich besuchten.“

Kutari nickte erfreut. Hier hatte ein Gaufürst ganz klar seine Verantwortung erkannt.

„Das größte Problem sind immer noch die Stadtmauern. Der Untergrund ist nicht stabil und schon zwei Mal mussten Teile abgerissen und die Mauer neu geplant werden. Mein Bruder Ramose interessiert sich sehr für den Bau, aber Neferhetep versucht ihn immer wieder zu mehr militärischen Übungen zu überreden. Ich war, glaube ich, schon mehr mit den Bogenschützen unterwegs als Ramose, obwohl er zwei Jahre älter ist als ich.“

„Dein Bruder sucht nach einem Stellvertreter, falls ihm etwas zustoßen sollte.“

Udabi sah erschreckt zu Kutari hoch.

„Wieso sollte ihm etwas zustoßen? Es ist doch alles…“

Erschreckt machte Udabi eine Pause.

„Die Hethiter?“

Kutari nickte nur, wechselte aber fast unmotiviert das Thema.

„Ich weiß, es ist keine schöne Erinnerung, aber wie hat das begonnen, als dein Vater krank wurde?“

Udabi dachte einen Moment nach. War das wirklich schon so lange her?

„Es war nach einem Abendessen. Plötzlich klagte er über Schmerzen im Bauch. Er war nicht der Mann, der schnell klagte, also musste es wohl ziemlich schlimm sein. Nach einer Weile wurde ein Arzt gerufen. Wir haben keinen Arzt im Palast, deshalb kam er aus der Stadt. Er besah sich meinen Vater und fing sofort an, von einer Vergiftung zu lamentieren.“

„Ohne den Patienten genau untersucht zu haben?“

Udabi wurde von Sekhets Zwischenfrage etwas aus dem Redefluss gebracht, nickte aber.

„Er hatte nur ‚Abendessen‘ und ‚Schmerzen im Bauch‘ gehört und begann sofort mit dem Thema Gift im Essen.“

Kutari schüttelte den Kopf.

„Hat sonst noch jemand über Schmerzen geklagt?“

„Nein, niemand. Wir waren alle sehr besorgt, aber keiner, der am Essen teilgenommen hatte, hat selber über Schmerzen geklagt.“

„Hat dein Vater etwas zu sich genommen, was nur für ihn reserviert war?“

Udabi musste nun abwechselnd die Fragen von Kutari und Sekhet beantworten. Auf die letzte Frage lachte er ungewollt.

„Nein. So etwas gibt es bei uns nicht. Alle Speisen sind für jeden Teilnehmer am Essen da. Für die Familie, für Gäste und auch für die Dienerschaft, die den Rest bekommt.“

Sekhet sah nachdenklich zu Kutari. Das war eine etwas andere Darstellung, als im offiziellen Bericht gestanden hatte.

„Udabi, im Bericht, den dein Bruder an den göttlichen Herrscher geschickt hat, waren zwei Ärzte erwähnt worden, die beide einhellig der Meinung waren, es handele sich um eine Vergiftung beim Abendessen mit einem unbekannten Gift.“

Udabi schüttelte vehement den Kopf.

„Das ist unmöglich. Dieser zweite Arzt wurde ja erst gerufen, als der erste sagte, er könne da nichts machen. Das war einen ganzen Tag später. Er hat unseren Vater auch nur angesehen und gesagt, er würde es mit Gebeten zur Göttin Wadjet versuchen. Die Schlangengöttin würde bei Vergiftungen am ehesten helfen können.“

Kutari kniff die Lippen zusammen. Er persönlich hielt nicht besonders viel von Gebeten, wenn man vielleicht noch etwas anderes versuchen konnte.

Sekhet seufzte ebenfalls laut.

„Sag einmal, weißt du zufällig, wo genau dein Vater diese Schmerzen hatte?“

Udabi nickte und stand auf. Er löste seinen Gürtel und zog den Leinenschurz etwas herunter.

„Ziemlich genau hier.“

Damit deutete er auf eine Region auf seinem rechten Unterbauch, etwa eine Handbreit unterhalb des Bauchnabels. Kutari und Sekhet sahen sich betroffen an.

„Und da hat keiner der Ärzte drauf reagiert? Keiner hat etwas dazu gesagt, oder etwas getan?“

„Nein. Sie haben ihm ein Mittel gegen die Schmerzen gegeben. Da hat er fast den ganzen Tag geschlafen. In der nächsten Nacht ist er dann schreiend aufgewacht und plötzlich war er tot.“

Udabi konnte nicht verhindern, dass ihm die Tränen herunterflossen. Hori legte sein Schreibzeug beiseite und umarmte ihn tröstend. Kutari winkte Sekhet nach draußen.

„Ich glaub es nicht. Waren die so blöd, oder was sollte das mit der Vergiftung?“

Sekhet schüttelte den Kopf.

„Ich glaube eher, sie wollten eine Bezahlung für eine ausgedehnte Behandlung. Was hätte es ihnen genutzt, wenn sie gesagt hätten, dies ist eine Krankheit die wir kennen, aber nicht behandeln können. Der Patient wird höchst wahrscheinlich sterben.“

„Wir werden trotzdem nach Tanis reisen. Ich möchte gerne mit Neferhetep reden und auch die beiden Ärzte haben noch einige Fragen zu beantworten.“

Kutari wandte sich noch einmal an Udabi.

„Geh bitte rüber zu Paneb. Nachher kommt ein gewisser Standartenträger Pashtu zu euch. Er ist hier in Men-nefer der Offizier für Feindaufklärung und geheime Ermittlungen. Er möchte euch gerne noch zu den hethitischen Truppen und der allgemeinen Lage im Ostgau befragen.“

Udabi zeigte einen erstaunten Gesichtsausdruck, machte sich aber sofort auf den Weg.


Am nächsten Vormittag war die Barke wieder einsatzbereit und alle waren schon an Bord. Kutari hatte den Nomarchen aufgesucht und ihm für die Gastfreundschaft gedankt.

Kapitän Arma hatte gerade abgelegt und wollte den Kriegshafen verlassen, als ein kleines Boot um die Ecke geschossen kam. Oben im Mast, der kein Segel trug, wehte die Standarte eines Kuriers des göttlichen Herrschers.

Sofort hielt das Boot auf Kutaris Barke zu. Der Eil-Kurier hatte es tatsächlich geschafft, die Strecke von Theben bis nach Men-nefer in nur neun Tagen zu bewältigen. Dafür war er auch Tag und Nacht durchgefahren.

Kutari vertiefte sich in die neuen Berichte, während die Barke den Hafen verließ und weiter nach Norden fuhr. Noch einmal rief Kutari seinen Haushalt zusammen und verkündete die neuesten Informationen.

„Es gibt interessante Entwicklungen in Theben. Prinz Netermest wurde von unserem göttlichen Herrscher mit dem Auftrag versehen, die weiteren Hintergründe der Verschwörung um Fürst Wawerhet aufzuklären. Dafür hat ihm Prinz Amenhotep sogar drei eigenständige Kompanien zugewiesen. Er konnte das Schiff bei meinem Landgut aufbringen und ist einer Attentatsreihe auf die Spur gekommen, die er erfolgreich bekämpfen konnte. So wie es aussieht, weisen fast alle Spuren auf den östlichen Harpunengau. Prinz Netermest wird noch in Abedju etwas zu erledigen haben, dann begibt er sich ebenfalls ins Delta und wir werden uns hier treffen.“

Hori staunte nicht schlecht.

„Reden wir hier von dem gleichen Netermest?“

Kutari lachte.

„Ich nehme es doch stark an. Es sei denn, der göttliche Pharao hat noch einen Sohn mit dem gleichen Namen. Aber hier ist ein persönlicher Brief für dich.“

Hori betrachte erstaunt das Siegel, dann entfaltete er den Brief. Er las ihn zwei Mal, dann suchte er Sekani.

„Sag mal, kennst du jemanden mit Namen Nebamun?“

Sekani sah Hori verblüfft an, dann strahlte er.

„Natürlich! Er war mein Freund, hier in Men-nefer. Wir waren gemeinsam im Waisenhaus der Bastet. Als ich Tempeltänzer geworden bin haben sich unsere Wege getrennt. Warum fragst du nach ihm?“

„Du erinnerst dich an Prinz Netermest? An die Nacht, bevor wir losgefahren sind?“

„Ja, natürlich. Er war doch sehr nett. Hat sich nicht benommen, als wäre er ein Prinz.“

Sekani lächelte, denn er hatte sehr schöne Erinnerungen an die Nacht.

„Hier, ich habe einen Brief von Netermest erhalten. Er schreibt, dass er jetzt mit einem Nebamun wohl näher zusammen ist, der vorher in Men-nefer im Waisenhaus war. Jetzt ist Nebamun Leutnant bei den Bogenschützen in seiner persönlichen Leibwache.“

Sekani bekam große Augen.

„Nebamun ist Leutnant? Aber er ist doch genauso alt wie ich. Wie hat er das denn geschafft? Und er ist mit Netermest zusammen?“

Sekani stellte sich die beiden gerade zusammen vor, als Hori ihn anstieß.

„Reiß dich mal zusammen. Braucht nicht jeder gleich zu sehen, wovon du träumst.“

Mit roten Ohren drehte sich Sekani zur Reling um die doch beachtliche Beule in seinem Lendenschurz zu verbergen.

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