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Riding the Devil

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Vorwort

Disclaimer: Diese Geschichte ist reine Fantasie, alle Figuren sind frei erfunden, jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig. Bei allen verwendeten Markennamen liegen die Rechte bei den Inhabern, die Namen wurden nur aus künstlerischen Gründen verwendet. Da ich versucht habe, diese Story zu 'erzählen', Grammatik gelegentlich etwas abenteuerlich sein, allerdings bin ich auch kein Germanist. Irgendjemand hat mal gesagt "Wenn du klaust, dann nur von den Besten", nun, das habe ich getan. Ich verbeuge mich vor Thomas und seinen Geschichten "Streetkids" und "NetEscape", bei denen ich mehr als nur stilistische Anleihen gemacht habe

 

" ... zu haben. Und vergesst nicht: Angelos ausgezeichnete Fahrräder bekommt ihr nur in

der Goethestrasse! Angelos Fahrräder, immer preiswert und ..."

Radiowecker sind echt 'ne Pest. Und Lokalradio auch. Und In Angelos Schaufenster

stehen seit mindestens fünf Jahren die gleichen Räder, keine Ahnung, wovon er lebt, von

Fahrrädern jedenfalls nicht

" ... aktuell. So, jetzt nähern wir uns der Sechs-Uhr-Marke ..."

Oh, Mann, es war drei Minuten nach Sechs. Wir wohnten seit zehn Jahren hier und noch

nie hatte Happy eine genaue Uhrzeit durchgegeben.

" ... und es wird Zeit für die Nachrichten. Heute Nacht hat Jordan Kunz die Hauswand von

Delkes mit der Sprühdose verschönert, die sind mächtig sauer. Hey, Jordan, falls dein

alter Herr es noch nicht weiß, jetzt ist eine gute Zeit, joggen zu gehen. Gestern Abend

haben die Jungs mit dem Leichenwagen die alte Frau Filler geholt. War wohl besser so.

Ich geb' euch Bescheid, wenn der Beerdigungstermin feststeht. Apropos Beerdigung,

Daniel wird heute so gegen 14:00 Uhr einen Stunt hinlegen. Wer wissen will, wie es

ausgeht, das Ganze läuft in der Weststrasse, Ecke Brunnen."

Blödsinn. Ich rollte mich aus dem Bett und dackelte zum Telefon. Happys Nummer steht

ganz oben, noch über der 110, na ja, die Bullen brauchen was, bis die hier sind, aber

Happy schickt alles direkt über den Äther und wenn du mal wirklich Hilfe brauchst, geht

das einfach schneller.

"Ah, hier haben wir einen Anrufer, mal hören, was er will ... Happys fröhliche Welle, was

kann ich für sie tun?"

"Ich bin's, Daniel. Die Kiste läuft nicht um Zwei, sondern irgendwann so zwischen Drei und

Vier. Und ..."

Happy schaltete jeden Anrufer direkt auf Sendung

" ... wenn jemand kommen will, dann sagt, dass ihr zu mir wollt, dann besorge ich euch

einen vernünftigen Platz."

Ziemlich unwahrscheinlich, dass die Leute sich drängeln würden, aber vielleicht kam ja

doch wer. So, jetzt aber erstmal duschen und alles für die Schule klarmachen und dann

Frühstück. Dad saß schon bei der Zeitung, der Tisch war gedeckt und der Kaffee dampfte

- Dad sagt immer, in einem Zwei-Mann-Haushalt hat jeder seine Aufgabe, ich soll mich

wohl fühlen und Dad macht den Rest. Klingt ziemlich traumhaft, ist aber so. Seit Dad nicht

mehr arbeiten kann, ist er Hausmann geworden, auch wenn's ihm schwer fällt, wegen

seinem Rücken, aber er lässt sich nicht unterkriegen.

"Morgen, Daniel. Aufgeregt?"

"Nö, noch nicht. Kommt aber bestimmt noch."

Das war nur halb gelogen. Na ja, so oft mache ich keine Stunts. Dad hatte mich in so eine

Stuntshow mitgenommen, als ich acht war und seitdem wusste ich genau, was ich mal

werden wollte. So eine Stuntschule ist nicht billig, aber inzwischen hatte ich das meiste

zurückgezahlt und weil ich den Job gut machte, kriegte ich auch Aufträge.

"Vergiss den Apfel nicht!"

Dad glaubt an das "An apple a day keeps the doctor away", na ja, irgend 'ne Macke hat

wohl jeder. Ansonsten ist das Frühstück bei uns 'ne ziemlich ruhige Sache, wir teilen uns

die Zeitung und dann trab' ich zur Schule. Heute war Freitag, eigentlich passiert da nicht

viel, aber in der fünften erwischte es mich. Ich war gerade in der Gegend von Hollywood

und haufenweise Fans jubelten mir zu

"HERR LARSSEN! Würden sie die Güte haben, uns die praktische Anwendung der

Formel an der Tafel zu zeigen?"

Ja, klar, ich kann auch mit fünf schwarzen Löchern gleichzeitig jonglieren. Klein-Einstein

versuchte seit Wochen, uns beizubringen, warum es im Universum dunkle Materie geben

muss und das steht eindeutig nicht auf dem Lehrplan einer 10. Klasse.

"Das kann ich nicht, weil mir immer noch nicht völlig klar ist, was das mit diesem

Ereignishorizont auf sich hat."

So leicht lasse ich mich auch nicht erwischen - und Klein-Einstein ist eigentlich ganz zahm

"Daniel, Daniel. Das habe ich doch ausführlich erklärt. Also noch mal ..."

Womit der Rest der Stunde dann auch erledigt war. Noch ein Stündchen Sport -

Weitsprung üben, bald waren Bundesjugendspiele - und dann ging's ab zum Set.

Ich hängte mir den Ausweis um, also, den von der Stuntschule, und ging zum Catering.

War nicht viel los, ich ging am Grünzeug vorbei und da standen wirklich noch ein paar

Zigeunerschnitzel und 'n paar lauwarme Kroketten - besser als nichts. Ich war gerade halb

durch ...

"Hallo. Du bist bestimmt Daniel. Ich bin Elena, die Kinderbetreuerin und ..."

Kinderbetreuerin?! Ich weiß auch, dass ich jünger aussehe und irgendwann bestimmt

noch mal ein paar Zentimeter wachse, aber eine Kinderbetreuerin?

" ... du hast deinen Einsatz um drei Uhr ..."

Als wenn man das jetzt schon so genau sagen könnte

" ... und ich möchte dafür sorgen, dass du dich hier sehr, sehr wohl fühlst. Hast du genug

zu essen?"

Äh, ich saß vor zwei Schnitzeln und die Krokettenschüssel war halb leer. Die Lady guckte

zuviel Fernsehen. Oder sie war 'n bisschen durch den Wind. Aber sie gehörte zu meinen

Kunden, also immer nett und freundlich bleiben.

"Ja, danke schön. Ich gehe gleich in die Garderobe und dann in die Maske, damit ich

bereit bin, wenn es losgeht."

Damit ersparte ich mir einen Haufen Schwachsinn der Lady, denn ihr Mund ging auf, dann

wieder zu und dann sagte sie doch was

"Ja ... genau. Du kennst dich ja gut aus."

Kunststück. Meinen ersten Stunt hab' ich mit 10 gemacht

"Ein bisschen. Aber könnten Sie mir vielleicht sagen, wo die Toilette ist?"

Wie gesagt, sie war Kundin und sollte sich ja nicht völlig überflüssig vorkommen.

Abgesehen davon war ich wirklich ein bisschen nervös, der Stunt war eigentlich nicht

schwierig, aber ich doubelte eine 14-Jährige in einem ärmellosen Kleid - wenn man Arme

und Beine sehen kann, dann kann ich mich kaum polstern und das macht die Sache auch

nicht leichter. In der Maske machten sie sich echt Arbeit mit mir

"Wir machen noch ein echtes Mädchen aus dir ..."

Sollte wohl ein Kompliment sein

" ... und wenn du erst vor der Kamera stehst, merkt keiner mehr den Unterschied."

Na, den Spruch hätten die sich auch schenken können. Ich weiß auch, dass es für den

Job gut ist, dass ich nicht 'n bisschen jünger aussehe, aber es muss mir ja nicht gefallen

und ich war froh, als ich endlich draußen war. Terry saß mit seinem üblichen Becher Tee

auf der Haube von so 'nem schwarzen BMW und unterhielt sich mit meinem Ebenbild -

genau, mit dem Mädchen, das ich doubeln sollte

" ... und da kommt er ja endlich. Judith, dass ist Daniel."

Ich zauberte ein freundliches Lächeln auf mein Gesicht, so was hatte Terry uns

eingetrichtert, und machte shake-hands.

"Hallo Judith. Schön, dich zu treffen!"

"Hi Daniel, find' ich toll, was du machst, hast du denn gar keine Angst?"

"Doch, natürlich, aber ..."

Umschalten auf Autopilot und den Vortrag ablaufen lassen. Sie versuchte, nett zu sein,

aber diese Frage habe ich bestimmt schon tausend Mal beantwortet und zum Glück

musste sie zum Set, als ich fast fertig war. Terry grinste mich an

"Na, Kleiner, alles klar?"

Ich nickte

"Sicher. Wie lange dauert's noch?"

"Nicht mehr lange. Die machen jetzt den letzen Take vor deinem Auftritt. Für 'ne Kippe

wird's aber noch reichen."

Ich schnorrte eine von seinen, ist einfach billiger, und dann gingen wir alles noch mal

durch. Ein bisschen warm machen, die Kiste noch mal durchsprechen und dann rannte

ich aus einer Tür auf die Straße, wo der BMW schon auf mich zu kam ... das Schwierige

bei solchen Sachen ist die Abstimmung, weil der Fahrer mich erst ganz kurz vor dem

Stunt sehen kann, na ja, diesmal war's kein Stunt, sondern einfach eine "Daniel-legt-sich-aufs-

Maul-Show". Terry weiß, dass ich nach so 'nem Rums immer 'n paar Sekunden

liegen bleibe, um meine Knochen zu sortieren, aber die Anderen wussten das nicht,

meine Güte, war das ein Chaos. Bei dem ganzen Geschrei musste ich einfach grinsen

und dann legte Terry los

"Bist du bescheuert? Das macht ja mein Opa besser und der ist 87! Fällt auf die Fresse

wie ein gestrandeter Wal! Schmeiß doch gleich 'n Sack Kartoffeln vor's Auto! Dann kann

ich ja ..."

Und so weiter. Terry macht sich ständig Sorgen um uns, aber das würde er nie zugeben.

Als ich neun war oder so, da bin ich mal bei einem Sprung nicht auf der Matte

aufgekommen, hab einfach nicht aufgepasst. Zwei Sekunden nach dem Aufprall hatte ich

vergessen, was mir alles wehtat, denn da schlug Terry auf und dagegen ist jeder

Weltuntergang 'n Witz. Als er mit mir fertig war, dachte ich, dass ich der absolut mieseste

aller Menschen wäre, aber ich bin auch nie wieder neben der Matte gelandet und genau

darum ging's Terry. Er würde uns eigentlich gern in Watte packen, aber weil er das nicht

kann, macht er solche Spielchen. Okay, also aufstehen, 'n bisschen Schminke drüber und

weiter geht's. Beim nächsten Mal rollte ich planmäßig über den Wagen und war ziemlich

erleichtert, als ich das "Danke schön" des Regisseurs hörte. Ich meine, jeder weiß, dass so

ein Stunt mal schief gehen kann, aber wenn man mehrere Anläufe braucht, wirft das

einfach ein schlechtes Licht auf die Schule und auch auf mich und das kann ich nicht

brauchen. Ich war gerade mit Umziehen fertig, als Terry rein kam

"Sag mal, hast du in den Sommerferien schon was vor?"

Also, wenn Dad und ich die Stadt verlassen würden, dann würden die Banken

wahrscheinlich Interpol alarmieren. Meistens organisierte ich einen Job, damit 'n bisschen

Kohle rein kam. Ich grinste

"Klar, zwei Wochen Kreuzfahrt und dann noch ein bisschen Safari. Worum geht's?"

Terry versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, das klappt nie

"Na ja, ich dachte nur, du könntest vielleicht ein paar Stunts machen, so ungefähr drei

Wochen lang und ..."

Drei Wochen? Terry meinte doch nicht etwa...

" ... bei einem Spielfilm mitarbeiten. Es soll eine Art Actionkomödie werden, aber mit Kids

und da gibt es viel zu tun. Aber wenn du natürlich schon was anderes vorhast ..."

Ich sagte ... gar nichts. Ich mein, Spielfilm, das heißt nicht nur Kohle, da würde dann auch

mein Name im Abspann stehen und wenn ich das nicht in den Sand setzte, dann konnte

das der Beginn einer wunderbaren Karriere sein und...

"Mach den Mund wieder zu und wisch dir den Sabber ab. Wenn ich deinen dämlich verträumten

Gesichtsausdruck richtig interpretiere, dann willst du mitmachen?"

"Klar! Sicher! Natürlich!"

Terry grinste

"Dachte ich mir doch. Du wirst dann 'n bisschen öfter in die Schule kommen müssen ..."

Terry meinte die Stuntschule

" ... denn wir müssen dich da noch ein bisschen fit machen"

Na, das war kein Problem. Ich fühlte mich einfach nur großartig und wenn ich nicht

irgendwo in den Wolken gewesen wäre, dann wäre es nie passiert. Aber weil ich einfach

nur glücklich war, ging ich raus und da fiel mir ein Junge bei den Zuschauern auf. War

nicht das erste Mal und normalerweise riskiere ich einen Blick oder zwei und träume ein

bisschen und das war's dann. Aber heute hätte ich die ganze Welt umarmen können und

deshalb bin ich einfach hingegangen

"Hi, hat's dir gefallen?"

Der Junge guckte mich groß an. Hm, braune Augen und blond, bei mir hatte es nur zu

grau und 'nem blond-braun Mischmasch gereicht

"Äh, ja. Wieso? Wer bist du eigentlich?"

Die Maske war wohl doch gut gewesen

"Ich bin Daniel. Ich hab den Stunt gemacht."

Er lächelte ... er lächelte ... er lächelte ... Daniel, aufwachen!

"Du warst das Mädchen? Cool. Ich bin Chris. Machst du sowas öfter?"

Wir quatschen so ungefähr 'ne Kippe lang und dann machte ich den Abgang, man soll

sein Glück nicht überstrapazieren und lief Terry in die Arme.

"Na, hat's geklappt?"

Terry kann ziemlich direkt sein

"Was hat geklappt?"

"Trefft ihr euch?"

"Quatsch!"

Er nickte

"Hätte mich auch gewundert. Schau ihn dir mal etwas genauer an."

Hm, das hatte ich eigentlich gerade, aber wenn Terry so was sagte, dann hatte es einen

Grund. Ich schaute noch mal hin.... und nickte. Chris' Augen und sein Lächeln waren so

toll gewesen, da hatte ich wohl ein paar Sachen übersehen

"Ich glaub, ich weiß, was du meinst."

Terry lächelte

"Du hast 'n guten Geschmack, aber der Junge kommt aus einer anderen Welt. Geh nach

Hause und ruh dich aus, morgen ist Training und da musst du fit sein."

Training war in den nächsten Monaten fast immer und meistens fiel ich abends wie ein

Stein ins Bett und kroch morgens auf allen Vieren unter die Dusche und als die

Dreharbeiten endlich anfingen, war das schon fast so was wie Urlaub. Am 15. Dezember

war es dann soweit: Premiere! Ich steckte die Einladung in die Innentasche meines

Sakkos - extra geliehen - und ging zum Spiegel ... hm, okay, besser ging's nicht. Dad

hatte mir seine gute Krawatte gegeben, aber mit Jeans und Turnschuhen sah 's 'n

bisschen komisch aus und genauso fühlte ich mich auch. Vor dem Kino lag ein roter

Teppich, aber der war nicht für mich. Terry wartete schon und wir gingen rein und es war

schon cool, als der Typ von der Security meine Einladung checkte und auf seiner Liste

abhakte. Weil's 'n deutscher Film war, kamen ziemlich viele Promis, aber ich konnte es

nicht abwarten, bis der Film anfing. Das Team hatte einen guten Job gemacht und die

meisten meiner Stunts dringelassen und als dann irgendwo in der Mitte des Abspanns

mein Name auftauchte, hatte ich wirklich 'n bisschen feuchte Augen. Der Beifall dauerte

ziemlich lange und irgendwie war der ja auch 'n bisschen für mich. Puh, ich mein, das war

schon irre. Dann kam das, was Terry "S&A" nannte, Saufen und Arschkriechen, aber

eigentlich war's gar nicht so schlimm. Ich erinnerte mich kurz daran, was Terry mir gesagt

hatte - nichts zusagen, nichts ablehnen, keine Drogen, freundlich sein und nicht

anmachen lassen - und dann stürzte ich mich ins Getümmel. Das Buffet war gar nicht

schlecht und ich bin mindestens auf 100 Fotos und ich hab' mit 'nem Haufen Leute

geredet, die ich überhaupt nicht kannte und die jetzt alle so 'ne Visitenkarte von der

Stuntschule haben und irgendwann weit nach Mitternacht hat mir sogar unser

Bürgermeister 'n Bier in die Hand gedrückt, ziemlich cooler Typ, auch wenn er schon

ziemlich was im Kahn hatte. Ich wollte mir gerade 'n Wasser holen, ich hab's eigentlich

nicht so mit Alk, als ich 'n bekanntes Gesicht sah und vielleicht war's ja doch ganz gut,

dass ich 'n Bier getrunken hatte, sonst wär' ich wahrscheinlich nicht hingegangen

"Hi Chris! Was machst du denn hier?"

"Hi! Mein Vater hat mich mitgenommen. Schön, dass du auch hier bist!"

Nicht schlecht gemacht, aber ich konnte sehen, dass er keine Ahnung hatte, wer ich war.

"Ich bin Daniel. Ich hab die Stunts gemacht."

Und dann kam es ihm

"Ach ja, du hast das Mädchen gedoubelt und bist vor das Auto gelaufen! Richtig, das war

hervorragend gemacht und ..."

"Na, willst du mir deinen Freund nicht vorstellen?"

Im nächsten Moment hatte ich einen Arm um die Schulter und 'n Typ mit 'nem roten

Gesicht und 'ner ellenlangen Fahne guckte auf mich runter. Chris lächelte etwas gequält

"Daniel, das ist mein Vater. Papa, das ist Daniel, er hat die Stunts bei dem Film ge..."

Weiter kam er nicht

"Tolle Show! Ich sag immer, wenn du das Beste haben willst, dann lass Profis ran. Du

musst Chris unbedingt mal besuchen kommen! Sagen wir Freitag, so gegen acht? So,

jetzt wird's aber Zeit, nach Hause zu gehen. Tschüs David!"

Sprach es, drückte mir eine Karte in die Hand und verschwand mit Chris im Schlepptau.

Was war das denn? Terry hatte mich ja auf einiges vorbereitet, aber jetzt war ich doch

sprachlos. Zum Glück lief Terry gerade etwas unsicher durch die Gegend und ich erzählte

ihm die Story. Er grinste nur und nuschelte irgendwas von wegen "nicht so ernst nehmen"

aber als ich ihm die Karte zeigte, wurden seine Augen plötzlich wieder klar. Er pfiff leise

durch die Zähne

"Mit dem hast du gesprochen?"

"Nicht wirklich, er hat mit mir gesprochen und mich David genannt."

"So ziemlich jeder Journalist in diesem Land würde sich gern von ihm David nennen

lassen, wenn er nur mit ihm reden könnte."

Kein Wunder, der Typ redete nicht 'mit' sondern 'zu' einem. Aber er hatte 'n ziemlichen

tollen Sohn

"Weißt du, Karl-Bernd von Mehringfeld schottet sich ziemlich ab, alter Adel, altes Geld,

muchos dineros, wie die Franzosen sagen."

Aha.

"Aber jemand hat mal erzählt, er würde jeden Morgen ernsthaft überlegen, welche

Unterhose er anzieht, scheint also nicht der Mann zu sein, der irgendwas Unüberlegtes

tut. Könnte also gut sein, dass die Einladung ernst gemeint war. Schau's dir doch mal an,

notfalls kannst du die Story immer noch an die Zeitung verkaufen."

Etwas später in der Stadtwohnung der von Mehringfelds

Ein Mann stand einem Jungen gegenüber und strich ihm das Haar aus der Stirn. Sein

Gesicht war nicht mehr rot und er sprach leise

"Ich weiß, dass du böse auf mich bist. Du brauchst etwas Abwechslung, Kontakt zu

Gleichaltrigen. Glaub mir, es ist besser so."

Der Junge schaute den Mann nicht an.

Zurück zu Daniel

Inzwischen waren schon ein paar Tage vergangen, aber irgendwie hatte sich mein

Weltruhm noch nicht rum gesprochen. Happy hatte mich in sein Studio eingeladen, na ja,

war eher der größere Teil seines Wohnzimmers, und wir hatten 'ne Viertelstunde über den

Film erzählt, trotzdem wollte keiner Autogramme, na ja, hätte mich auch gewundert. Am

Donnerstag hatte ich immer noch keine Ahnung, ob ich morgen zu Chris gehen würde

oder nicht und immer, wenn ich nicht weiterkomme, dann gehe ich zu Dad. Ist in 'ner 2-

Zimmer-Wohnung ja nicht weit, aber die Tagesschau ist bei uns ein Ritual, deshalb

musste ich noch warten. Ich weiß das echt noch genau, irgendein Politiker wollte die

Steuern erhöhen, die Bahn wollte ihre Preise erhöhen, irgendwer hatte 'n Typen umgelegt,

bei dem die Bullen dann haufenweise Kinderporno fanden, auf der A43 hatte 'n LKW 'n

paar Tonnen Kondome verstreut, Berlin hatte seinen Trainer entlassen und die nächsten

Tage sollten kalt aber sonnig werden.

"Dad?"

Er lächelte

"Aha. Jetzt ist es also so weit?"

Ist schwer, irgendwas vor Dad geheim zu halten, er kennt mich einfach zu gut

"Jepp. Ich war doch auf der Premiere und..."

Ich erzählte ihm von Chris und als ich fertig war, sagte er erstmal gar nichts.

"Hm ... du hast also Angst, dass du nicht gut genug für ihn bist?"

So hatte ich das noch nicht gesehen, aber deshalb redete ich ja mit Dad

"Kann sein ... irgendwie schon."

"Okay, wofür schämst du dich? Weil wir nicht soviel Geld haben, wie Chris?"

Ich nickte

"Dann schämst du dich für mich und dafür, dass ich dir nur diese kleine Wohnung bieten

kann? Dafür, dass wir dieses Jahr zu Weihnachten wieder nur ein paar Tannenzweige

haben werden und ein bisschen Lametta? Dafür, dass wir unsere Geschenke in

Zeitungspapier verpacken?"

"Nein!"

Dad hatte Recht, dafür schämte ich mich wirklich nicht. Wer hat schon einen Vater, der im

Wohnzimmer schläft, damit sein Sohn ein eigenes Zimmer hat und der wirklich immer da

ist, wenn man ihn braucht und der alles in Ordnung hält und kocht und putzt, obwohl ihm

sein Rücken oft so richtig weh tut? Ich küsste ihn auf die Stirn

"Danke, Dad!"

Er wusste, wofür.

Ist schon komisch, als ich endlich wusste, was richtig war, ging's ganz einfach ... na ja,

fast jedenfalls. Als ich aus der Straßenbahn ausstieg, wusste ich sofort, dass ich in einer

anderen Welt war. Keine Hundescheiße auf dem Bürgersteig, keine kaputten Laternen,

niemand hatte seinen Sperrmüll an die Straße gestellt, dafür viele Bäume und teure

Autos, die noch alle Räder hatten. Bestimmt ganz schön, aber dafür hatte Chris wohl

kaum Weihnachtsgeschenke, die in genau passendes Zeitungspapier gewickelt waren,

letztes Jahr kriegte ich mein Zippo, eingewickelt in einen Artikel über Raucher, die in

Stresssituationen besser sind als die anderen und Dad's Geschenk war in einem Bericht

über volle Busse - es war ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Offene TB ist gar nicht so

ansteckend ..." und im Bus sind wirklich mal Leute aufgestanden, war ziemlich cool. Ist ja

auch egal, jedenfalls holte ich noch mal tief Luft und schellte bei Chris und er machte auf

und .... es gibt so Momente, da ist man im Himmel und will nicht, dass sie jemals aufhören

und man vergisst sie nie und den werd' ich nie vergessen. Es gibt 'ne Menge Leute, die

einfach nur gut aussehen, aber Chris ... ich hatte Angst, ihm die Hand zu geben, weil er

sich dann vielleicht in Luft aufgelöst hätte und das alles nur ein wunderschöner Traum

gewesen wäre.

"Hi, Daniel. Schön, dass du da bist. Komm' rein!"

"Danke. Schön hast du's hier."

Na ja, der Flur war schön ... okay, war kein Flur, das war eher ein Eingangsbereich. Er

brachte mich ins Wohnzimmer, da war sein Vater, diesmal ohne Fahne und er sah ganz

freundlich aus

"Hallo, Daniel. Ich freue mich, dass du Chris besuchst. Der Butler hat heute frei, aber

wenn ihr etwas braucht, sagt mir Bescheid."

Später kriegte ich mit, dass das kein Witz gewesen war, die haben echt 'n Butler und

Chris' Vater hat sich wirklich um uns gekümmert. Wir gingen in Chris' Zimmer und da war

dann die nächste Überraschung. Ich mein, den großen Flachbildfernseher hatte ich mir

schon gedacht und auch, dass der Computer ziemlich neu aussah, aber sonst war es

einfach riesig, vielleicht auch deswegen, weil fast nichts drinstand.

"Macht es dir etwas aus, die Schuhe auszuziehen?"

"Äh - nee, natürlich nicht."

Der Fußboden war aus Holz und die Wände einfach nur weiß und jetzt kriegte ich es

sortiert. Das war so ähnlich wie in so 'nem japanischen Dojo, wo die Leute kämpfen

lernen. Da hätte ich eher drauf kommen müssen, immerhin mach ich seit 8 Jahren

Kampfsport, nicht so sehr wegen Kämpfen, sondern wegen der Schule.

Körperbeherrschung ist lebenswichtig und darum geht's eigentlich und deshalb gibt's bei

uns auch keine farbigen Gürtel und wir üben in 'ner alten Halle und unser Trainer ist

ungefähr so japanisch wie 'ne Dönerbude, aber es macht 'ne Menge Spaß und wenn mich

wer 'rumschubsen will, kann ich mich wehren - nicht, dass das schon mal vorgekommen

wäre ... na ja, jedenfalls nicht richtig. Ist ja auch egal, Chris setzte sich auf so'n Kissen und

ich auch.

"Du bist aber echt drauf, oder?"

Chris grinste

"Ich mag Asien."

"Sushi und Toyota?"

Na ja, was wusste ich schon von Asien, ist schwer genug, hier klarzukommen. Er schüttelte

den Kopf

"Bushido, oder besser gesagt Kendo."

"Äh ..."

"Der Weg des Schwertes. Ich lerne, so zu leben, wie früher die Samurai oder Ronin."

Na, da war doch mal ein Wort, das ich verstand, lief ja oft genug im Fernsehen

"Du meinst die Jungs mit den Schwertern, die auf Bäume springen und sich gegenseitig

umbringen?"

Ich muss wohl ziemlich schräg geguckt haben, denn Chris fing an, laut zu lachen

"Nicht ganz, ich kann nicht auf Bäume springen. Es geht auch nicht ums Kämpfen,

sondern eher darum, wie das Schwert zu sein und sein Leben danach auszurichten."

"Sorry, Chris, aber das versteh' ich nicht."

"Ich auch nicht, deshalb lerne ich es ja. Willst du es mal ausprobieren?"

Hm, eigentlich war ich nicht gekommen, um mich mit Chris zu prügeln...

"Klar!"

Dauerte nicht lange, da stand ich mit Helm, Handschuhen und 'ner dicken Jacke vor

Chris. 'n Bambusstock war das Schwert und nach ein paar Erklärungen ging's los ... und

so langsam verstand ich, was Chris gemeint hatte. Wir kämpften natürlich nicht, aber

Chris machte einfach das, was notwendig war und nichts anderes, keine Show, keine

Sprünge, keine Bewegung zuviel. Nach 'ner Stunde oder so kam ich mir vor, wie der letzte

Volltrottel

"Hey, du hast Talent!"

Chris lächelte, als er das sagte, aber ich schüttelte den Kopf

"Eher nicht, sonst hätt' ich mich nicht so blöd angestellt."

"Hast du nicht. Ich mache das schon ein paar Jahre und ich war viel schlechter, als ich

anfing. Abgesehen davon würde ich mir alle Knochen brechen, wenn ich solche Stunts

wie du machen würde. Sag mal, wie oft bist du in dem Film eigentlich zu sehen?"

Ist ja eigentlich peinlich, so was auswendig zu wissen

"Die haben 12 Stunts drin gelassen."

"Und welche Szenen sind das? Ich meine ... wart mal."

Ich wollte gar nicht wissen, woher er die DVD mit dem Film hatte, offiziell gab's die

jedenfalls noch nicht. Ein paar Minuten später waren wir mitten drin und als das nächste

Mal auf die Uhr guckte, war's ne ganze Ecke nach Mitternacht

"Oh, Scheiße! Jetzt muss ich laufen."

Chris guckte mich nur fragend an

"Der letzte Bus ist weg."

Und weil die Stadt ein bisschen größer ist, wären das so knapp 2 Stunden gewesen

"Weißt du was, bleib einfach hier. Nach dem Frühstück kannst du immer noch fahren."

"Ja ... gern. Wenn das geht?"

"Sicher. Ich sag nur eben Bescheid."

Während er weg war, rief ich eben zu Hause an, damit Dad sich keine Sorgen machte und

dann lernte ich das Gästezimmer kennen - war ziemlich cool und das Bett war genauso

weich, wie es aussah...

Das Bad übrigens auch, wie ich am nächsten Morgen gemerkt hab', also, nicht weich,

sondern cool, vor allem diese seitlichen Düsen. Ich bin ja eigentlich ziemlich trainiert, aber

diese Kendo-Kiste war doch 'n bisschen anstrengend gewesen. Als ich fertig war, klopfte

ich leise an Chris' Zimmertür, aber da rührte sich nichts, dafür roch ich Kaffee und

ziemlich zielsicher hatte ich ein paar Sekunden später die Küche gefunden. Da war

allerdings keiner - na ja, morgens bin ich sowieso nicht sonderlich gesprächig. Ich

suchte gerade 'ne Tasse

"Guten Morgen! Du bist Daniel, nehme ich an?"

Vor Schreck hätte ich die Kaffeetasse fallengelassen ... wenn ich eine gehabt hätte

"Äh - ja. Guten Morgen."

"Herr von Mehringfeld nimmt das Frühstück im Speisezimmer zu sich. Möchtest du ihm

Gesellschaft leisten?"

Nee. Eigentlich wollte ich nicht Gesellschaft leisten, sondern frühstücken

"Ja sicher, gern."

Der Typ drehte sich um und ging und ich dackelte auf gut Glück hinter ihm her und kam

auch wirklich bei Chris' Vater raus.

"Guten Morgen, Daniel! Na, gut geschlafen?"

"Aber sicher, danke. Ich hoffe, sie auch?"

Auf dem Weg hatte ich einen Teil meiner Manieren wieder gefunden

"Durchaus, danke der Nachfrage. Josef hast du ja schon kennen gelernt, er ist ein

unentbehrlicher Bestandteil unseres kleinen Haushaltes."

Sein Hüsteln war so leise, dass es schon wieder laut war. Chris Vater grinste

"Was möchtest du frühstücken?"

Gute Frage, der Tisch war nicht gerade klein und er war voll mit so ziemlich allem, was

man überhaupt frühstücken konnte. Wieder ein Hüsteln

"Der junge Herr präferiert Rührei mit Schinken, Lauch und Paprika, falls ich das erwähnen

darf."

Die rechte Augenbraue des Herrn von Mehringfeld schob sich mindestens einen

Zentimeter nach oben

"Rührei und Schinken hört sich gut an, aber das Gemüse muss nicht sein."

"Sehr wohl, kommt sofort."

Und weg war er. Chris' Vater rührte ziemlich laut in der Kaffeetasse herum und flüsterte

"Josef ist sein Gewicht in Gold wert, aber er hat sehr genaue Vorstellungen über das

Verhalten eines Butlers."

Ich schluckte

"Der redet immer so?"

"Ja, ein Gentleman alter Schule und ein Meister des Understatements. Als Chris mal von

einem Krimi erzählte, in dem der Bösewicht am Ende von einer Panzerfaust getroffen

wurde, meinte Josef nur trocken 'Nun, das dürfte ihn erst Mal aufgehalten haben.'

Übrigens ist er auch ein sehr guter Koch und ein Fachmann für Protokollfragen. Wenn du

also mal einen Staatspräsidenten besuchen möchtest, wende dich vertrauensvoll an

Josef."

Ich grinste

"Ja, dieses Problem habe ich ständig. Ehrlich gesagt sind sie ..."

Josef stellte geräuschlos ein Schüsselchen Rührei und ein kleines Tellerchen gebratenen

Schinken vor mich hin. Lohnte sich eigentlich kaum, damit anzufangen.

"... der erste Prominente, den ich kennen lerne."

Chris' Vater lachte

"Nun, wirklich prominent bin ich eigentlich nicht, wir versuchen eigentlich, etwas ...

zurückgezogen zu leben."

Ich nickte, schließlich musste ich erst den Schinken 'runterschlucken - übrigens ziemlich

lecker

"Ja, das hat Terry auch gesagt."

"Wer ist Terry?"

Ich erzählte so'n bisschen, zwischendurch kam Chris kurz rein und ging auch gleich

wieder duschen und dann kam es

" ... aber du hast natürlich schon Recht, Prominenz kann ganz praktisch sein. Ich

bezweifele, dass es all zu viele Menschen gibt, die ihre Kinder privat unterrichten lassen

dürfen und für Chris ist das eine perfekte Lösung."

Hätte ich gewusst, was er damit meinte, wäre ich wahrscheinlich so schnell gelaufen,

dass es nach verbranntem Gummi gerochen hätte, aber so...

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