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Der schöne Fussball

Teil 1

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Als der Spieler die Tür aufschlägt und durch das Gewirr blau-weißer Trikots auf den Bänken und halbnackter Männer nur mich ansieht, da weiß ich es.

Sein Blick verharrt zu lange, das wird er jetzt schon bemerkt haben. Ein kurzes Verschnaufen vor der Bank, da treibt es ihm richtig den Schweiß aus.

Die übrige Equipe wird das Übliche denken: Der knappe Sieg bringt nicht viel, doch es könnte schlimmer sein. Das Übergangszeremoniell zwischen Umkleide- und Duschkabine ist immer dasselbe. Die Handtücher um die Hüfte gebunden, schwirren die Männer mit einem kurzen Nicken in meine Richtung aus dem Raum.

Meine kurze Ansprache ist ausgeblieben. Außer mir und dem zuletzt eingetretenen Spieler ist keiner mehr da. Er sitzt gegenüber und schaut mich an, wie ein Mechaniker, der ein Auto inspiziert.

Mir kommt ein Spiel in den Sinn, das wir als Kinder gespielt haben: „Wer als Erster zuckt, hat verloren.“ Das Schweigen ist schwer auszuhalten.

Jetzt wäre der Moment etwas Geschliffenes zu sagen, doch frage ich nur: „Alles okay bei dir?“

Es stört mich, ihn nicht mit seinem Namen angesprochen zu haben.

Er heisst Leon und spielt schönen Fussball.

Fussballspielen ist wie Wellenreiten. Eins mit dem Körper, ganz bei sich.

Trainer sein ist anders, ein Puzzlespiel, verschiedene Formen verschmelzen zu einem Gesamtbild. Alles muss passen.

Leon hat sofort gepasst. Er gefällt mir immer besser. Ein stiller Spieler und auf dem Feld trotzdem ein Tier. Nach manchen Spielen sitzen wir noch länger auf der Bank, keiner von uns spricht viel, aber ich spüre, wie eine Verbindung zwischen uns entsteht. Das glaube ich. Unser Schweigen ist fast ein wenig erotisch. Und ich sehne mich danach, mehr Zeit mit ihm zu verbringen.

Der richtige Zeitpunkt, den Raum zu verlassen, ist verpasst. In meiner Phantasie kommt Leon auf mich zu und drückt mir seine Lippen auf meinen Mund.

Schön, schön, schön.

Schöner Fussball.

Gegensätze lösen sich auf: schlank und muskulös, zärtlich und hart.

Vielleicht bin ich zu nah. Wieder sehe ich Leons erstes Spiel in unserer Mannschaft vor mir. Der Schweiß glitzert auf seiner Haut. Er schießt das entscheidende Tor. Ich fühle mich ganz leicht in diesem Moment, gehe auf den Platz und umarme ihn. Sicher haben wir irgendetwas zueinander gesagt, aber ich erinnere mich nur an den Kuss, den er mir dabei auf die Wange drückt.

Die Tür fliegt auf und ich werde jäh aus meinem Tagtraum gerissen. Die Spieler kehren vom Duschen zurück. Leon ist fort. Wortfetzen dringen an mein Ohr. Keiner fragt, weshalb ich noch da bin. Alles zögert sich heute hinaus. Bemerkt das denn niemand?

„Bis Freitag, zum Training“, sage ich nur, mehr nicht.

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