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Abseits

Teil 1

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Vorwort

Hallo, hier mal wieder etwas Neues von mir.

Danke an K2 und Crazyman fürs Vorablesen. Danke an Dario und Ben fürs Korrekturlesen.

Ansonsten gilt der übliche Disclaimer.

Über Feedback jeglicher Art würde ich mich freuen.

Dennis

 

„Kommst du endlich?“

„Ja, komme gleich nach.“

„Benny mach aber hinne, ja?“

„Jaahaa!“

Oh man, jedes Mal dieselbe Scheiße. Dad hat nen neuen Job und den Stress haben wir.

Warum? Ganz einfach! Mein Dad ist Trainer einer Fußball-Bundesligamannschaft! Das bedeutete für uns so jedes dritte Jahr die Stadt zu wechseln.

Fluktuation nennt man es in diesem Geschäft, ganz einfach. Und nun hatte er ein Angebot bekommen, das er, nach seinen eigenen Worten, nicht ausschlagen konnte.

Diiieee Mannschaft in Deutschland, das größte für jeden Trainer in diesem Land. Also ziehen wir wieder einmal um. Diesmal nach München! Zum großen FC Bayern geht es. Von Norddeutschland in dieses, nun wie soll ich es ausdrücken? Bayern halt! Heißt also für mich: Freunde verlieren, umziehen, neue Schule! Super!

Bin begeistert! Schwer begeistert! Könnte kotzen!

Gut! Er verdient massig Knete! Die Presse pisst ihn jetzt schon an und ich muss mit. Toll!

Von Hamburg nach München! Das ist für mich ungefähr so wie von Hamburg nach… was weiß denn ich?

Auf jeden Fall Schrott!

Und dabei ging es mir gerade richtig gut, hatte mich eingelebt, ja sogar ein paar Freunde gefunden.

Ja! Ist ja schon gut! Höre ja schon auf mit dem Rumgeheule.

Also einsteigen in den neuen Audi A8, umsonst vom Sponsor, natürlich.

Alles kriegt man in den Arsch geschoben. Neues Haus, bezahlt vom Verein, Nachhilfe für was weiß ich alles. Und richtig geraten! Bezahlt vom Verein!

Ich saß auf dem Beifahrersitz, da es eine Mum nicht mehr gibt. Die hatte es vorgezogen meinem Dad den Laufpass zu geben. Das war vor zwei Jahren. Auseinandergelebt! Was für ein Wort! Warum sagen sie denn mir nicht einfach die Wahrheit? Sie hatte sich in jemandem anderen verliebt und mein Dad ist in seinem Job verliebt. Ganz einfach! Oder? Na ja für nen 15jährigen wohl immer noch zu viel, um das verstehen zu können.

Wenn sie meinen?

Ich sah gerade aus dem Seitenfenster hinaus. An mir zogen Schilder und Leitplanken vorbei und ich sah kurz nach hinten. wo mein Bruder Leif sitzt und irgendwas auf dem Laptop spielt.

Leif war gerade 15 geworden und ihm machte es wohl nicht wirklich viel aus, mal wieder umzuziehen. Leif? Irgendwie ne komische Type. Unser Verhältnis war schon immer nicht das Beste gewesen, keine Ahnung warum. Sind wohl nur einfach zu unterschiedlich. Er hängt am liebsten am PC und ich eben mehr mit Leuten rum.

Er ist halt so ein Eigenbrödler! Irgendwann einmal habe ich es sein lassen, ihn deswegen zu verarschen. Wenn keine Reaktion kommt macht es halt keinen Spaß.

Die Kasseler Berge gerade hinter uns gebracht sprach mich mein Dad an:

„Und so schlimm?“

„Was meinst du?“

„Na, München?“

„Keine Peilung! Ich hänge nun mal an Hamburg.“

„Wegen deiner Mutter?“

„Blödsinn! Das weißt du doch. Ne, wegen meinen Freunden dort.“

„Hey! Benny! Ich bin mir sicher du wirst neue Freunde finden und außerdem ist Hamburg doch nicht aus der Welt.“

„Nur 900km entfernt. Meinst du, du packst es in München mit dem Starensemble?“

„Na, also ich bitte dich! Mit meinem besten Co-Trainer namens Benny? Was soll denn da schon schief gehen?“

Typisch mein Dad! Er fragte mich immer, was neue Spielerverpflichtungen und Aufstellung betraf. Warum? Keine Ahnung! Er meinte nur ich hätte ein gutes Näschen wer in die Mannschaft passt und wer nicht. Ja! Ich mag Fußball! Es ist spannend, die Taktik, die Spieler- obwohl die meisten ziemliche Hohlnasen sind.

„Ich bleibe trotzdem Pauli-Fan.“

„Sohnemann! Ich doch auch! Aber erzähle es bloß keinen.“

Ein Grinsen blieb meine Antwort. Mein Dad hatte vor vier Jahren den FC-St.Pauli von der dritten in die erste Bundesliga gebracht. Die letzte Saison dann in den Uefa-Pokal und das war auch der Grund für dieses Angebot des FC Bayern. Ja, Pauli ist schon was besonderes, von nem schwulen Präsidenten geleitet, mit den genialsten Fans überhaupt. Sehr alternativ, sehen manchmal etwas wild aus, sind aber meist super friedlich und nett. Die kifften am Millerntor immer so viel dass es egal war ob man verlor oder gewann, am Ende war man selbst so bekifft, dass man immer freudetrunken raus ging. Und dabei kiffe ich gar nicht. Hab's mal probiert so zwei oder dreimal und bin jedes Mal eingeschlafen. Nee, also dann baller ich mir lieber ne Flasche Wein in den Schädel und gut ist.

Ich musste wohl eingedöst sein, mein alter Herr weckte mich als wir endlich da waren. München-Grünwald ist wohl so nen Bonzenviertel, auf jeden Fall sahen unsere Nachbarshäuser genau so aus wie unser Neues. Halt Villenmäßig. Die Spedition, die unseren Umzug übernahm war wohl schon fertig, ich sah ein fertig eingerichtetes Haus.

Im zweiten Stock ist mein Zimmer, ich war zu müde um es mir genauer anzusehen. Als ich aufwachte stellte ich fest, dass es schon wieder hell war. Wie lange hab ich geschlafen? Ein Blick auf die Uhr auf meinem Beistelltisch bestätigte es. Zehn Stunden durch geschlafen. Oh, Man! Jetzt aber auffi! Ab ins Bad! Bad? Wo ist das Bad?

„Dad? Wo ist denn hier das Bad?“ schrie ich ins offene Haus!

Mein Vater saß am Tisch in der Küche, mit nem Pott Kaffee in der Hand und grinste mich an.

„Du hast dein eigenes. Die Tür in deinem Zimmer.“

„Thanx.“

Tür welche Tür? Komisch hatte ich doch glatt übersehen.

Ich fand es dann auch gleich. Cool! Sogar ne Badewanne hatte ich hier drin! Endlich mal kein generve mit Leif, wer als erster das Bad benutzen darf.

Frisch aufpoliert wollte ich dann mit Dad in die Säbener Strasse wo das Trainingsgelände war. Da war das erste Mannschaftstraining mit dem neuen Coach, sprich meinem Vater.

Kaum angekommen wurde dieser auch schon vom Manager in Beschlag genommen, so dass ich mir ein wenig verloren vorkam.

Ich stand noch ein wenig unschlüssig neben dem A8 herum und wusste nicht so recht wie man hier jetzt reinkommt, als ich jemanden von hinten hörte:

„Hi! Weißt du wo es hier zur Umkleide geht?“

Ich drehte mich um und sah in das Gesicht eines der talentiertesten Jungspieler Deutschlands, namens Daniel Berg. Ich sah allerdings nicht nur den Spieler sondern auch noch zwei super niedlich glänzende Augen, die mich förmlich ansprangen. Wow! Der hat was!

„Ähm, ich, also, ähm, keine Ahnung!“ Pffu war das schwer!

„Ah, so!“ und grinste mich so niedlich an, dass ich rot wurde. Erde öffne dich! Verschluck mich! Bitte!

„Und was machst du dann hier? Ein Fan oder ein Spion?“

„Eher ein Spion“ ich hatte meine Sprache wiedergefunden.

Verdutzt sah mich Daniel an und meinte: „Spinner, dafür bist du viel zu jung!“

In der Zwischenzeit hatte wohl ein Bodyguard oder Aufseher (oder wie man diese Menschen sonst noch betitelt) Daniel entdeckt und lotste ihn aufs Trainingsgelände. Zwinkernd ging er an mir vorbei und meinte noch: „Viel Spaß beim spionieren.“

Der Aufseher warf mir einen finsteren Blick zu und verschwand mit Daniel.

Man, Daniel war echt süß! Blondes, in Fransen geschnittenes Haar, genauso groß wie ich, also 1.76m, und sein Gesicht nur einfach niedlich. Ja, niedlich, mehr fiel mir im Moment nicht ein.

Ich hatte ein anderes Problem, diesen 2x2m Schrank der sich nun vor mir aufbaute und meinte ich solle verschwinden.

Mein Kopf ging langsam nach oben, um ihn die Augen zu sehen.

„Das geht nicht.“

„Wie? Das geht nicht? Beweg die Haxen und tschüß.“

„Mein Dad hätte was dagegen.“

„Ach ja? Und wer ist dein Dad?“

„Der Trainer.“

Der Schrank sah mich an und fing laut an zu lachen. Dieses Lachen klang dermaßen hohl, dass ich schon fast ein Echo erwartete.

„Benny! Wo bleibst du denn?“

Mein Dad stand hinter dem Zaun und sah mich ungeduldig an.

„Ich komme an diesem Menschen nicht vorbei.“

Der Klotz stand unbeweglich vor mir und sein Lachen entglitt ihm nun.

„Wieso hast du das denn nicht gleich gesagt?“ zischte er mir zu.

„Hä? Habe ich doch!“ Nach einem Sorry von dem Schrank taperte ich nun auch aufs Trainingsgelände.

Es dauerte noch eine ganze Weile bis die Mannschaft komplett war. Einige von den Spielern saßen, andere standen und bildeten so einen Halbkreis um meinem Dad. Ich stand etwas abseits und beobachtete interessiert die Antrittsrede meines Dads. Na ja, eigentlich beobachtete ich mehr die Spieler und dessen Reaktionen, die Jüngeren sahen alle sehr konzentriert aus, die Älteren ein wenig gelangweilt. Wahrscheinlich haben die sowas schon des Öfteren miterlebt.

Die neuen Co-Trainer wurden vorgestellt. Mein Dad faselte noch etwas und zeigte dabei auf mich, die Spieler grinsten und nickten mir zu.

Ich weiß nicht was Dad zu ihnen gesagt hat, sicherlich irgendwas wie Maskottchen, oder so.

Die Spieler liefen sich warm und Daniel kam mir grinsend entgegen:

„So, so, ein Spion des Trainers also?“

„Blödsinn!“ Meine Reaktion fiel ein wenig zu heftig aus, so dass mir dann auch gleich wieder Leid tat, Daniel boxte mir freundschaftlich auf den Arm und meinte:

„Hey! So war das auch nicht gemeint. Bin ja froh dass du da bist.“ Und lief dann, mir noch einmal zuzwinkernd, davon.

Was war denn das gewesen? Und dieses zuzwinkern! Oh man! Bei dem konnte ich echt schwach werden. Quatsch! Der und schwul? Im Leben nicht. Obwohl? Nee! Jetzt ist aber gut! Ich und meine Fantasien!

Jepp! Ich bin schwul! Obwohl ich noch nie nen richtigen Freund hatte. Ich weiß auch nicht so genau warum. Mein Aussehen ist, denke ich mal Ok, wohl eher liegt es an meiner Schüchternheit. Das ist der Nachteil wenn man Sohn eines Promi ist. Ich weiß einfach nicht, ob die Leute etwas von mir wollen, weil ich so bin wie ich bin oder weil mein Dad der Coach ist. Habe ich es dann rausgefunden und mich angefreundet, heißt es dann Umzug! Tja, so war's dann auch in Hamburg gewesen.

Das restliche Training war langweilig, also sah ich mir das Vereinsheim an. Ist schon beindruckend. Sehr modern eingerichtet und gestylt in den Vereinsfarben.

Auf dem Flur traf ich den Manager der mich erkannte und ansprach:

„Na Benny? Wie gefällt es dir hier so?“

„Ist schon beeindruckend.“

Er blubberte dann was von harter Arbeit und Traditionsverein und so`n Zeugs. Meine Lauscher stellte ich auf Autobetrieb oder Durchzug und nickte ab und an mal meinen Kopf. Das letzte was er sagte bekam ich dann doch wieder mit.

„Ich habe noch was für dich.“

„Und das wäre?“

„Komm mit.“

Ich taperte dem Manager hinterher in einen Raum, welcher wohl sein Vorzimmer war. Eine Sekretärin begrüßte uns und schüttelte mir dabei die Hand.

„Susanne hast du den Ausweis für Benny schon fertig?“

Ich war erstaunt über den legeren Umgangston der hier herrschte.

„Moment, Chef!“ Sie kramte in einer Schublade rum und gab mir dann nen VIP-Ausweis mit meinem Bild drauf.

„Damit dich die Security Leute reinlassen.“

Aha, Security heißen die also. Nachdem ich mich bedankt hatte verschwand ich dann auch Richtung Ausgang. Das Training ist wohl auch schon beendet, da einige Spieler sich umgezogen auf dem Parkplatz unterhielten oder Autogramme schrieben. Daniel stand auch dabei und wurde von irgendeiner Tussi umarmt und angeschmachtet. Mist! War ja klar, der niedlichste Spieler hier hatte ne Freundin. Meine Laune ging in den Keller.

„Hey, Benny!“ kam es von Daniel als er mich sah.

Ich latschte zu ihm hin und er stellte mir seine Freundin vor, brabbelte noch irgendwas von, wir könnten ja mal was zusammen unternehmen, worauf ich mit einem Ja, Ja, antwortete. Mit gesenktem Kopf schlich ich dann zu Dads Auto, der aber nirgends zu erblicken war. Gelangweilt beobachtete ich die Spieler und mir fiel der erste Unterschied zu Pauli auf. Auf Pauli ging die gesamte Mannschaft meist noch ins Vereinsheim oder in das Stammlokal um noch zu quatschen, aber hier düsten die Spieler sofort nach Trainingsende ab. Soviel also zum Thema Mannschaftsgeist. Mein Dad trudelte ein und fragte mich was denn los sei. Ich verklickerte ihm das gerade gesehene und er nickte mir anerkennend zu.

„Ja, ist mir auch schon aufgefallen. Also was hältst du davon, wenn wir die Mannschaft mal zum Grillen einzuladen?“

„Zu uns nach Hause?“

„Ja sicher! Haben wir in Hamburg doch auch des Öfteren gemacht.“

„OK! Und wann?“

„Samstag! Sonntag ist Trainingsfrei und ein Freundschaftsspiel haben wir auch nicht.“

„Von mir aus.“

„Ach noch was.“

„Ja?“

„Morgen kommt doch der neue Spieler aus den USA an.“

„Und?“

„Ich wollte dich bitten mit zum Flughafen zu kommen, er wird ja eh erst mal bei uns wohnen, dann hat er wenigstens gleich ne Bezugsperson. Außerdem seid ihr ja eh im selbem Alter und freundet euch vielleicht an, dann ist es nicht ganz so schwer für ihn.“

Shit! An den Ami hatte ich gar nicht mehr gedacht. Es gibt hier zwar ein Vereinsinternat, aber das war wohl schon belegt. Darum beschloss die Vereinsführung ihn erstmal bei uns ein zu quartieren. Halt mehr so Familymäßig, damit er sich ja wohl fühlt. Das Jahrhunderttalent wie ihn die deutschen Fachjournale betitelten, sollte wohl behütet gedeihen. Ich wusste gar nicht all zu viel über ihn, nur dass er Sean Kaiser heißt, ne deutsche Mutter hat und daher wohl auch für unsere Nationalmannschaft in Frage käme. Ach so, und dass er 17 Jahre alt ist und der FC Bayern 6 Mios für die Ablöse locker gemacht hat. Und das für nen 17jährigen! Schon happig, ist aber nicht meine Kohle, von daher mir Latten egal.

Ich hatte eh noch drei Wochen Ferien und auch nichts Besseres vor.

„Na gut, wenn ich dir damit nen Gefallen tue.“ Ab und an mal schleimen ist sicher nicht verkehrt.

„Danke, wusste doch ich kann auf dich zählen. Ach und übrigens, vielleicht findest du ja in ihm, was du suchst?“

Mein Dad grinste sich einen ab und ich wurde rot. Na toll! Immer auf die Kleinen! Mein Vater weiß seit drei Jahren dass ich schwul bin und im Gegensatz zu meiner Mutter nahm er es ganz locker auf und verarscht mich damit manchmal. Ist wohl auch einer der Gründe warum ich mich für meinen Vater entschied und zu ihm zog und nicht zu meiner Mutter, die mit meiner Homosexualität überhaupt nicht zu recht kam. Meine Mutter hatte nach meinem unfreiwilligen Coming Out nen Aufstand gemacht. Unfreiwillig? Aufstand? Meine Mutter erwischte mich mit nem Klassenkameraden wie wir gerade Zungenküssen übten. Wirklich nur übten! Die Alte ist ausgetickt und schrie rum wie ne Furie. Bölkte mich die ganze Zeit an ob ich denn schwul sei und irgendwann, so aus nem Trotz heraus, wurde es mir zu blöd und bejahte es. Danach war Funkstille zwischen uns beiden. Dabei wusste ich damals noch gar nicht so genau ob ich denn wirklich schwul bin. Das legte sich mit der Zeit und ich wurde mir darin sehr sicher. Mein Dad hatte meine Mutter ausgelacht und mir zugeredet das ich dazu stehen solle. Ja, dass schweißte uns zusammen. Mein Bruder Leif nahm es einfach so kommentarlos hin. Was soll man als 12jähriger dazu auch schon groß sagen? Das dumme ist nur dass ich bis heute nicht weiß, wie er dazu steht und ob er damit klar kommt. Wie gesagt er ist eben ein Eigenbrödler.

Der Vogel aus Amiland sollte so gegen 10.00 Uhr in München landen. Mein Dad drängelte mal wieder, da ich im Badezimmer nicht zu Potte kam. Das übliche halt, meine Haare standen mal wieder sonst wo, nur nicht da wo sie stehen sollten. Also Haargel raus und die Biester mit Haarlack bändigen. Blick in den Spiegel, Müll!

Haare neu waschen, fönen und dasselbe Spiel von vorn. Normalerweise bin ich gar nicht so eitel, aber irgendwie wollte ich nen guten Eindruck auf den Ami machen. Warum? Nur so! Ich mein, er wird ja ne Zeitlang bei uns wohnen und wenn ihm dann gleich so ne explodierte Klobürste entgegen kommt? Der erste Eindruck zählt! Hatte ich irgendwo mal gelesen.

So check! Ja ist OK! Dann mal los. Wir wollten so inkognito fahren, das heißt nur mein Dad und ich. Am neuen Franzdings Airport (oder wie hieß der letzte Kaiser von Bayern noch mal? *fg*) angekommen, hatten wir die Rechnung ohne die hiesige Boulevardpresse gemacht, die wohl irgendwie mal wieder Wind davon bekam dass der Ami heute ankommt. Fotografen und Reporter tummelten sich schon in der Eingangshalle.

„Scheiße!“ entfuhr es meinem Dad.

„Jep!“

„Und nu?“

„Kennen die Pressefuzzis mich?“

Mein Dad sah mich an und fing dann an zu grinsen.

„Nö, glaube nicht.“

„Dann solltest du dich vielleicht verkrümeln und ich werde ihn dann rausboxen.“

„OK! Weißt du wie er aussieht?“

„Keine Ahnung!“

„Hier ist ein Foto von ihm, und wenn du ihn gefunden hast kommst du sofort zum Seitenausgang, ich werde den BGS Leuten schon irgendwie begreiflich machen dass sie die Horden abwimmeln sollen. Alles klar?“

„Jo! Hast du genügend Autogrammkarten dabei?“

„Wieso?“

„Für die BGS Leute?“

Mein Dad grinste mich an und hob den rechten Daumen. Also auf in den Kampf! Ich sah mir das Foto von Sean an und meine Knie`e wurden weich wie Wackelpudding. Scheiße! Wenn der Typ in Natura nur halb so gut aussieht wie auf dem Foto, werde ich wohl ein paar schlaflose Nächte haben. Dann kam mir Daniel wieder in den Sinn, Fußballer halt! Sean hat sicher ne Freundin in Amiland, also was soll's! Seufz! An einem Souvenirstand kaufte ich noch ne Sonnenbrille und nen ziemlich coolen Hut. Ich erreichte das Gate noch rechzeitig, die ersten Passagiere der Lufthansa aus Boston strömten aus dem Sicherheitsbereich, da sah ich Sean auch schon. Man, das Foto war nicht mal halb so gut wie er in Natura aussieht. Braungebrannt, braune Haare und tief blaue Augen. Shit! Oh bitte nicht! In meiner Hose machte sich ein bestimmtes Teil bemerkbar! Wie peinlich ist das denn bitte schön! Meine Haare sitzen, aber meine Hose nicht, bzw. sie steht ab, da ich nur Cargoshorts anhabe! Müll! Ich habe jetzt keine Zeit mehr darüber nachzudenken sonst erwischt ihn gleich die Presse! Also hin zu ihm!

„Hi! Bist du Sean Kaiser?“ Wie einfallsreich!

Seine Augen scannten mich von oben bis unten. Mein Chef in der Hose hatte sich in der Hektik mittlerweile beruhigt. Puhh!

Er sah mich unsicher an und meinte dann nach einem endlos scheinenden Augenblick:

„Äh, jeah! Ich bin Sean! Warum?“

Sein Deutsch ist verdammt gut. Fast Akzentfrei. Er sah mich noch immer unsicher an und jonnte mich wohl in keine Schublade seines Gehirns verstauen.

Das war dann wohl jetzt mein Part.

„Hi! Ich bin Benjamin Degen der Sohn deines Coachs! Welcome in good old Germany! Und natürlich beim FC Bayern München! Setz bitte mal die Sonnenbrille und diesen Hut hier auf!”

“Why?”

“Warum? Weil es unerlässlich für dich ist! Darum!“

Shit! Jetzt war der Kleine nur noch mehr eingeschüchtert, das sah ich an seinen Augen die mich nervös anstarrten. Genau das wollte ich ja eigentlich nicht! Was sollte ich nun machen? Am besten die Wahrheit, oder?

„Hör zu Sean! Du spielst ab sofort für den FC Bayern! Und das bedeutet du bist so was wie ein Star! Die Presse lauert im Empfangsbereich auf dich. Das wollten wir dir erstmal ersparen, deshalb bin ich hier! Wir beide fallen nicht so auf als wenn der gesamte Bayerntross hier erschienen wäre. Also Sonnenbrille und Hut auf und mir folgen!“

„OK!“

Ich glaube Sean war so verschreckt, dass er wohl alles angenommen hätte. Ich setzte ihm die Sonnenbrille und den Hut auf und grinste ihn an.

„Sieht cool aus!“

Hey! Ein erstes leichtes Lächeln von ihm! Ich schnappte mir eine der zwei leichten Taschen die er bei sich trug, die Koffer würden eh per FC-Bayernexpress nachkommen, und stiefelten gen Seitenausgang. Ich betrachtete ihn mir so ein wenig von der Seite und musste wieder grinsen. So wie er mich eben angesehen hatte, dieser schüchterne Blick von unten nach oben, Wow! Für mich fiel er in die Kategorie: Knuddeln, beschützen und festhalten. Mein Kleiner halt! Wir schafften es problemlos zum Seitenausgang wo wir von einer Reihe BGS-Beamten empfangen wurden, die uns dann unbeobachtet aus dem Gebäude zum Wagen meines Dads brachten.

Nach der obligatorischen Begrüßung von meinem Vater setzte ich mich auf den Beifahrersitz und Sean setzte sich hinten hin. Die ganze Fahrt über sagte Sean kein Wort. Ich drehte mich kurz zu ihm um und lächelte ihm aufmunternd zu, was er auch dankbar annahm um kurz zurück zu lächeln.


Sean Kaiser Boston,USA

(Die Storie geht nun aus der Sicht von Sean weiter, eine Woche vor dem Abflug!)

„Bitte Sean, geh nicht nach Europa!“

Mein Boyfriend saß mir gegenüber und sah mich mit verheulten Augen an. Ach Shit! Warum machte er es mir nur so schwer?

Vor zwei Monaten bekam ich den Anruf aus München, ob ich mir vorstellen könnte nach München zu wechseln. Was für eine Frage. Zu dem Topclub aus Deutschland? Zu einem der besten Clubs in der Welt? Natürlich konnte ich! Gerade nach Deutschland, der Heimat meiner Mutter und dessen Sprache ich mächtig bin? Zuhause sprachen wir fast nur Deutsch, da meine Mutter wollte dass ich Zweisprachig aufwuchs. Der Manager und Trainer kam dann zwei Wochen später nach Boston um den Vertrag klar zu machen. Wir trafen uns beim Manager meines Boston River Soccer Clubs, der in der US-Major League spielt und bei dem ich einen langfristigen Vertrag hatte. Für mich war eigentlich klar, dass ich nach München gehen werde, solch eine Chance bekommt man nur einmal im Leben. Mein Manager besprach sich mit den Münchnern und als es um die Ablöse ging fiel mir die Kinnlade nach unten.

Der Kerl wollte doch tatsächlich 7Mio. US-$ für mich haben. Shit! Das war's dann wohl. Bye, bye Bayern! Die beiden werden sicherlich aufstehen und ohne ein Wort zu verlieren den Raum verlassen. Der Manager des FC Bayern aber verzog nicht eine Miene und meinte nur ziemlich cool, OK! Meinem Manager entglitten die Gesichtszüge und fragte vorsichtshalber nach ob er denn auch richtig verstanden wurde.

Herr Schmidt, der Manager vom FC B, bejahte dies. Mein Magen zog sich in diesem Moment zusammen. 7Mio? Ist ein Spieler der gerade mal 17 ist, so viel wert?

Mir wurde leicht kotterig. Was für Erwartungen haben die denn in mich? So viel wurde noch niemals für einen us-amerikanischen Spieler bezahlt, schon gar nicht für einen 17jährigen.

Nachdem alles unterzeichnet war verabschiedeten wir uns dann voneinander. Ich konnte es immer noch nicht so recht glauben. Gestern waren die beiden Herren aus München bei uns zu Hause gewesen und besprachen alles mit meiner Mutter und mir. Ich bekam einen sechs Jahresvertrag mit einer Jahresgage von über einer Million Euro. Das kam mir schon reichlich übertrieben vor und als ich dann schnallte dass es Euro sind und keine Dollar begriff ich gar nichts mehr.

Mir war das Geld eigentlich egal. In meinem Leben wollte ich nur eins, Soccerspielen! Geld war für mich eigentlich nebensächlich!

In Boston verdiente ich bis Dato 2500$ im Monat und fand das schon viel.

Ich hätte wahrscheinlich auch für 500€ im Monat für München gespielt.

Meiner Mutter war es natürlich am Anfang gar nicht recht dass ich nach Europa gehen könnte. Mit viel Charme und Überredenskünsten der Münchner willigte sie dann schließlich ein. Ein paar Freiflüge taten ihr übriges.

Das andere Problem saß mir nun gegenüber. Jason! Mein Freund, mit dem ich seit zwei Monaten zusammen war. Er konnte und wollte einfach nicht verstehen was das für eine Chance für mich ist. Jason ist mein erster Freund, also mein erster richtiger Boyfriend.

„Jason! Bitte, begreif das doch, dass ist die Chance für mich!“

„Sean! Ich kann das nicht verstehen! Was ist an diesem Verein nur so besonderes, dass du nach Europa willst? Du kannst doch auch hier spielen?“

Jason hatte keinen blassen Schimmer vom Fußball, wie die meisten US-Amerikaner halt.

„Hier in den USA spielen wir vor 2000 Zuschauern weil es den Amerikanern nicht interessiert, welche Sportart in der restlichen Welt die Nummer1 ist. Die Amerikaner denken dass Baseball, Rugby und Basketball die Nummer1 ist. Dem lieber Jason ist aber nicht so! Fußball ist die Nummer1, der auf der ganzen Welt gespielt wird. Und dieser Verein der mich haben will, den kennt außerhalb den Staaten fast jedes Kind!“

„Was wird dann aus uns?“

Das war die Frage vor der ich mich am meisten gefürchtet hatte. Was würde aus uns? Jason liebte mich, das spürte ich jeden Tag, an denen wir zusammen waren, aber liebte ich Jason? Ich wollte es so sehr! Ich mag ihn, den Sex mit ihm, seine Natürlichkeit! Liebe ich ihn? Würde ich dann nach Europa gehen? Nein, wohl kaum ,oder?

Ach scheiße, war das kompliziert! Was sollte ich ihm antworten? Er wartete darauf dass ich ihm die Frage beantworte! Ich wusste keine Antwort.

Nach endlos schweigenden Minuten verließ er einfach mein Zimmer.

Was sollte ich ihm sagen? Dass es aus ist, zwischen uns? Ich konnte es einfach nicht.

Wann liebt man einen Menschen so sehr, dass man für ihn seine Träume aufgibt? Wahrscheinlich nur dann, wenn dieser Mensch zu einem dieser Träume gehört?

Jason gehörte definitiv nicht zu meinen Träumen!

Leider!

Mit Jason hatte ich meine ersten Versuche in Sex gemacht und damals dachte ich, ich würde ihn lieben. Heute denke ich anders, nein fühlte anders! Jason ist nett! Unkompliziert, andere würden ihn als langweilig bezeichnen, damals war er halt für mich da! Damals! Gerade mal vor zwei Monaten! Damals! Meine Güte!

Als wenn er schon vergessen wäre! Bin ich so egoistisch?

Natürlich würde ich Jason in Europa vermissen. Unsere Gespräche, das Coming Out vor unseren Eltern, welches uns beide nur noch enger zusammen band.

Meine Mutter, die, als wir es ihr erzählten, fast zusammenbrach. Jason wollte schon nen Rettungswagen holen. Ein Glas Wasser mitten ins Gesicht tat es dann auch.

Das zweite bekam meine Mutter als ich ihr erzählte dass ich nach Europa wollte.

Wollte? Nein musste! Das war mein Traum! Mein Leben! Dafür hatte ich trainiert, dafür hatte ich auf so manche Partys verzichtet. Dafür verzichtete ich auf meinen ersten Freund. Shit!

Einmal in diesen Stadien Fußball spielen und 80000 Menschen jubeln einem zu, das ist es!

Mein Gehirn spielte Achterbahn! Jason! Bayern München!

Meine Mutter fuhr uns zum Logan Airport Boston, Jason neben mir auf der hinteren Bank sitzend, hielt die ganze Zeit meine Hand. Ich traute mich kaum ihn anzusehen, da ich wusste dass er weinte. Am Gate angekommen strich er mir übers Haar und flüsterte:

„Sean, vergiss mich nicht!“

Shit! Ich senkte meinen Kopf und musste unendlich lange schlucken. Ich habe versucht alles zu verdrängen, aber in diesem Moment?

„Hey! Shhhh! Stupid! Ich werde dich niemals vergessen! Eines verspreche ich dir: Wenn wir im Endspiel dabei sind, kommst du mich besuchen!“

„Wirklich?“

„Jep“!

Alleine in dem Vogel der Lufthansa fühlte ich mich plötzlich so dermaßen klein. In meinem Gehirn spielten sich Filmszenen ab, die ein Fußballspiel zeigten, und ich alles versemmelte. Die Zuschauer buhten mich aus. Meine Mitspieler sahen mich mitleidig an, mein Trainer auf der Außenbahn wütend. Shit! Fußball in den USA und Europa, das sind Klassenunterschiede!

Der Flug war sehr ruhig und bald schlief ich ein. Essen zwischendurch. Das übrigens hervorragend war, saß ich doch in der Business Class.

Die meiste Zeit verbrachte ich mit schlafen. Wir setzten dann zum Landeanflug an und ich sah das erste mal durchs Fenster. Sonnenschein!

Kein Regen? Wie ich es erwartet hatte?

In den Staaten wurde mir so viel eingetrichtert über das Leben in Germany, dass ich fest damit gerechnet hatte es würde hier nur regnen.

Es gab Menschen die mir erzählten, dass ich hier erst mal salutieren müsste bevor ich überhaupt rein gelassen werde.

Mit gemischten Gefühlen machte ich mich dann auf, um die Passkontrollen hinter mir zu lassen. Komischerweise begrüßten mich die Polizisten super nett und wünschten mir eine schöne Zeit in Deutschland. Ganz anders als unsere Cops in den Staaten, die meist nur griesgrämig dreinschauen konnten.

Fast in Trance ging ich weiter, als ein Junge auf mich zukam und mich ansprach.

„Bist du Sean Kaiser?“

Der Junge, der mich ansprach war einfach nur, nur… Wow! Etwa genauso groß wie ich, graublaue Augen, blonde chaotische Haare die zu allen Seiten abstanden.

Sein Gesicht fast schon zu perfekt. Kein Pickel nichts, gar nichts! Scheiße! Sah der Typ gut aus! Sehen die hier alle so gut aus? Oh, man!

Er blubberte irgendwas von ner Sonnenbrille und nem Hut was ich nun wirklich nicht mehr mitbekam. Und Willkommen! Und er wäre der Sohn vom Trainer!

Der Sohn vom Trainer? Ich sollte ja beim Coach wohnen! Mit dem zusammen? Mit diesem Perfectgermanboy? Wie sollte ich das denn aushalten? Allein seine Nähe provozierte in mir einen Hormonschub in ungeahnte Ausmaße.

Was sagte er doch gleich? Keine Ahnung! Automatisch stotterte ich wohl irgendwas. Reporter, Star oder so was sagte er? Egal! Ich folge ihm wohin auch immer!

Ihm folgend taperte ich zu einem Seitenausgang, wo mehrere uniformierte Polizisten standen. Beklommen nahm ich diese Tür aber die Cops grinsten mich nur an. Wo bin ich hier, dass selbst Polizisten mich anlächeln?

In der hinteren Sitzbank des Wagens meines Coachs machte ich es mir bequem. Der hatte mich ebengerade freudestrahlend, ebenso wie diese anderen angeblich ach so vergriesten Germans, herzlichst begrüßt!!

Ich wusste nicht was ich davon halten sollte! Und als mich dann ein grinsender Trainersohn ansah, las ich aus seinem Gesicht nur eines: Willkommen! Warm, herzig, offen und ehrlich, dass spürte ich in diesem Augenblick. Ich konnte gar nicht anders als diesem Perfectgermanboy zurück zu lächeln. Wie hieß er denn noch gleich? Benjamin! Ja! Benny! Danke! Benny würde ein Freund werden, das war mir in diesem Moment klar geworden. Wie weit könnte diese Freundschaft gehen? Bis ich ihm alles erzählte? Jason und so?

Was dann?

Würde er es verstehen?

Oder mich hassen? Dafür dass ich schwul bin?

War er tolerant?

Ich beschloss für mich, erstmal gar nichts zu sagen, und abzuwarten. Erst mal sehen wie er so drauf ist.

Obwohl, shit war der süß!

Ach du Kacke, hier soll ich wohnen? Das war mein erster Gedanke gewesen als ich mein zukünftiges Heim sah. Riesengroß, ne Villa musste das sein und dieses Grundstück! Ich war nur einfach platt.

„Komm ich zeig dir dein Zimmer!“ rief Benny mir zu.

Ich sagte gar nichts, ich konnte nichts sagen, dazu war ich viel zu überwältigt.

Wir nahmen die beiden Taschen aus dem Wagen und ich trottete Benny, wie auch schon am Flughafen, einfach hinterher.

Ganz schön bescheuert! Ich musste ausgesehen haben wie kleines Kind, das am Heiligabend vor dem Weihnachtsmann steht, voller Vorfreude aber doch wiederum so dermaßen eingeschüchtert, dass es kein einziges Wort raus bringt. Benny muss doch denken dass ich voll einen an der Klatsche habe. Shit.

Im zweiten Geschoss angekommen wies er mich auf eine Tür hin.

„Hier ist dein Zimmer, liegt direkt neben meinem.“

Er öffnete die Tür und mir vielen die Augen aus. Was für ne Bude. Allein mein Zimmer musste wohl fast so groß sein, wie das meiner Mutter und mein altes in den Staaten, zusammen. Das würde mir keiner glauben wenn ich es drüben erzählte. Benny ging hinein und stellte die Taschen aufs Bett.

„Ach, da ist noch ein kleines Problem.“

Na toll, irgendein Haken an der Sache musste es ja geben.

„Du hast kein eigenes Badezimmer aber wenn du möchtest kannst du gerne meins mitbenutzen.“

Und wo war das Problem? Ich verstand nicht.

„Komm ich zeige es dir!“

Also mal wieder Entengang. Mama Ente watschelte vor weg und das Küken hintendran. So kam es mir jedenfalls vor.

„Also das Badezimmer kann man nur durch mein Zimmer erreichen. Ich hoffe es macht dir nichts aus?“

Hä? Es sollte mir etwas ausmachen? Also wenn, dann doch eher ihm, schließlich musste ich ja durch sein Zimmer tapern während er evtl. noch schlief. Und er sah mit Sicherheit im Schlaf noch viel niedlicher aus, ich musste es mir nur ausmalen und bekam weiche Knie. Ich liebte dieses Badezimmer auf der Stelle.

Diese Gedanken dauerten wohl einen Augenblick zu lang. Benny sah mich fragend an und ich wurde rot. Shit!

„Ähm, Sean wenn es dir peinlich ist, dann kannst du natürlich auch gerne das andere im Flur benutzen, allerdings müsstest du es dann mit meinem Bruder Leif teilen.“

Shit! Verbockt! Wohl etwas zu schnell erwiderte ich:

„Nein, nein das ist perfekt!“ Und ich wurde noch nervöser.

„Sicher? Wenn dir irgendwas nicht passt, dann sage es bitte, OK?“

„Jep! Nein es macht mir überhaupt nichts aus, ganz im Gegenteil.“ Ups! Was faselte ich denn da? „Also ich meine, äh also was ich sagen wollte, ich äh.“

Verlust der Muttersprache! Shit!

„Jaaa??“

Oh mein Gott, war der süß! Er neigte seinen Kopf leicht zur rechten Schulter hin und grinste mich an.

„Ich wollte sagen.“ Ja was wollte ich eigentlich sagen? Oh man, diese Augen, dieses grinsen in seinem Gesicht. „Ich würde gerne durch dein Zimmer gehen.“

Ich hörte diese Worte und mein Gehirn registrierte einen Bruchteil später was ich da so von mir gab. Bitte mach doch irgendeiner dass das nicht wahr ist!

„Dann ist ja gut.“ Bennys grinsen wurde immer breiter. Was soll ich denn damit anfangen? Keine Verarsche? Nichts? Der dachte sicher ich sei plemplem. Natürlich, was sollte er auch sonst denken.

„Ähm, ja danke! Also ich geh dann mal rüber und pack schon mal aus, OK?“ Raus hier, bloß weg. Scheiße, war das peinlich hier! Nein nicht hier! Ich war es der so peinlich war! Benny dagegen war toll! So wie er da reagiert hatte? Ja, er war toll und so süß!

Es dauerte ne ganze Weile bis ich meinen Krimskram, sicher in den neuen Schränken verstaut hatte. Meine Gedanken machten sich selbständig, ich träumte von Benny, wie er wohl aussieht wenn er schläft? Und wenn er erwacht? Und wie er wohl nackt aussieht? Ich träumte einfach so vor mich hin, bis ich eine Hand auf meine Schulter spürte und zuckte wie ein kleines Schulmädchen zusammen, das gerade dabei erwischt worden war wie es von Pferden träumte.

„Oh, sorry, wollte dich nicht erschrecken.“

Benny stand hinter mir, seine Hand immer noch auf meiner Schulter. Bitte lass deine Hand auf meiner Schulter! Diese Berührung brachte mich um den Verstand.

Leider hielt sie nur wenige Sekunden an. Und wieder dieser Blick und ich war ja dran etwas zu antworten.

„Du kannst mich nicht erschrecken “ säuselte ich vor mich hin. Wenn ich so weiter mache denkt er wirklich noch ich hätte ein an der Klatsche.

„Dann ist ja gut, bist du fertig?“

Oh, Shit er grinste mich wieder mit diesem unbeschreiblich süßen, niedlichen, melancholischen, unwiderstehlichen Lächeln an.

„Womit?“

„Ähm, mit dem auspacken, vielleicht?“

Trottel, Ich! Warum sage ich nur immer solch einen Müll?

„Ja, war gerade nur wo anders.“

„Das habe ich bemerkt. Und wo warst du?“

Bei Dir!

„Ähm, weiß auch nicht.“

„Ah, ja.“ Und wieder dieses Grinsen. „Ist doch OK! Das alles ist noch sehr fremd für dich. Wenn du etwas brauchst du weißt ja wo mein Zimmer ist.“

Ohne dass ich darauf antworten konnte war er auch schon verschwunden.

Was dachte er nur von mir?


Zu Hause--- Benjamin Degen

Hmm, merkwürdig dieser Sean. Eigentlich dachte ich, er würde mich mögen. Aber dann diese Reaktion wegen dem Badezimmer. Gut er war ein Ami, das schob ich auf seine Prüderie ab. Amis sind halt prüde. Und was war das nun? Ich wollte ihm nur beim auspacken helfen und erwischte ihn beim träumen. Von seiner Freundin die er alleine gelassen hatte? Er war nicht mal darauf eingegangen auf meine Frage. Nun ja, wie lange kannten wir uns da? Ein paar Stunden gerade Mal. Was sollte man da auch erwarten. Aber hey! Ich wollte ihm doch nur helfen.

Ich würde gerne durch dein Zimmer gehen. Was sollte denn das eigentlich? Wahrscheinlich konnte er doch nicht so gut Deutsch wie ich dachte.

Oder?

Ich haute mich aufs Bett und döste ein wenig ein.

Träumte von Sean wie er mich streichelt, mich küsst, mit mir redet und mich wieder küsst. Hmmm. Von einer dämlichen Planschkuh die in der Tür steht und laut Shit kreischt. Seans Freundin? Von diesem lauten Shit wurde ich wach.

„Shit! Bullshit!“

Nee, kein Traum! Irgendjemand schrie Shit!

Aus dem Badezimmer!

Noch halb im Schlaf öffnete ich die Tür. Sean nur mit einem Handtuch um seine Hüften, hüpfte von einem Bein auf dem anderen. Mit seinen beiden Händen hielt er seine Wangen. Amerikanische Rituale um Regen herbei zu schwören? Ich gackerte einfach drauf los. Sorry, bei dem Anblick?

Verdaddert kuckte mich Sean an mit einem Blick der mich wohl töten sollte. Tat er dann doch nicht.

„Sean? Was hast du?“

„Dieses After Shave brennt wie Hölle! Wie kannst du sowas nur nehmen?“

„Wieso? Was hast du denn genommen?“

Er zeigt auf das blaue Joop! Nightfly Eau de Toilette Flakon ohne Zerstäuber. Und das brennt wohl wirklich auf frisch rasierter Haut.

„Sean! Das ist kein After Shave!“

„Oh!“

Ich reichte ihm das Nivea Balsam, das er sich dann auch gleich draufschmierte.

„Puh, dass tut gut.“

Ich kuckte ihn an und im selben Moment prusteten wir auch schon los.

„Sean du sahst eben richtig beknackt aus. Sorry, aber dass musste raus.“

Sein Lachen erstarb und er sah mich, gekrängt? ernst? verwundert? an und meinte:

„Hmm, ja ich weiß, ich sehe halt manchmal wie war das Wort? Beknackt aus? Tut mir leid.“

Sagte es und verschwand ohne ein Wort zu sagen in sein Zimmer.

Was war denn das nun? Hatte ich ihn verletzt?

Hätte ich besser nicht lachen sollen? War er so empfindlich?

Ich stützte meine Hände auf dem Waschbecken und betrachtete mich im Spiegel.

Planlose Gedanken trafen Ausläufer meines Gehirns. Sean ist in einer anderen Kultur groß geworden, ergo dachte er auch anders als ein Europäer.

In einem „Gottesstaat“ so wie man es hier in Europa nicht kennt, wo Kirche und Staat strikt getrennt sind. Anders als in den USA.

Wo ein blanker Busen im Fernsehen mehr aufsehen erregt als Folterberichte aus dem Irak oder aus Guantamo.

In dessen Medien verbreitetet wird, dass es nur ein gutes gibt (nämlich die USA) und ihre Verbündeten die sich Kritik erlauben, werden als Schurkenstaat gegeißelt. In einem Land wo die Genfer Konventionen nichts gelten und dieses für sich herausnimmt moralisch eine Vorbildfunktion zu sein. Ja, ein Rechtstaat zu sein, der Menschen ohne einen fairen Prozess einzulochen und jahrelang zu foltern. Das freie Land der Bush Ära halt!

Meine Hände gingen zum Wasserhahn, drehten diesen auf und ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht.

Und Sean?

Ach scheiße! Sollte ich denn jedes Mal hinter ihm her laufen, wenn Mister Amerikasuperstar was in den falschen Hals bekommen hatte?

Nee! Kein Bock, sollte er doch seine blöde Trine in den USA anrufen!

Bei der konnte er sich dann ja ausheulen.

Boooaaahhrr! Ich brauchte dringend ein Bier und ne Fluppe! Gedacht, getan! Runter in die Küche, Bier aus dem Kühlschrank, an den Küchentisch und ne Fluppe angezündet.

„Was macht's du da?“ fragte Sean der gerade die Treppe herunter kam.

„Ich zisch n Pils und rauch eine.“

„Das darfst du doch gar nicht!“

„Sagt wer?“

„Das Gesetz!“

„Hä? Wer?“

„Du darfst doch noch gar nicht rauchen und Bier trinken!“

„Doch darf ich! Hier in Germany darf man ab 16 Rauchen und Bier trinken!“

„Was? Du verarscht mich doch, oder?“

„Nö, wieso sollte ich das tun? Willst auch n Bier?“

„Ähm, was?“

„Ob du auch ein Bier willst?“

„Oh man, ich glaub ich muss mich an Europa erst gewöhnen.“

„Tu das, aber schnell, du lebst jetzt in Europa!“

„Ja, ich versuche es, aber ich merke gerade, dass Europa und die USA grundverschieden sind.“

„Ja, die Regierungen vielleicht, aber auch die Menschen?“

„Ja, auch die Menschen, es ist so!“

„Inwiefern?“

„Nun Amerikaner sprechen gern von Freiheit, ihr habt sie!“

„Habe ich dich verletzt?“ fragte ich Sean nun.

„Womit?“

„Na ja, mit dem beknackt und so? Wenn dem so ist dann tut es mir leid, das wollte ich nicht.“

Sean blickte auf den Boden. Ich hatte ihn verletzt. Das hieß wohl in Zukunft zusammenreißen! Puhh! Das würde schwer werden mit Sean.

Er meinte dann nur noch dass er ins Bett und schlafen möchte. Ich wünschte ihm ne gute Nacht und das war's dann auch.

„Hallo, Bruderherz! Hast dir wohl gerade alle Chancen verspielt, oder?“ Ich hatte Leif gar nicht kommen hören.

„Nerv, nicht!“

„Du magst ihn, aber hast schiss es ihm zu sagen!“ Manchmal ist Leif genial, aber auch nur manchmal.

„100 Punkte.“

„Und jetzt? Wird dein Amiboy schmachtend durch dein Zimmer laufen und du ihn schmachtend angaffen, oder was?“ Es gibt so Zeiten da könnte ich Leif killen.

„Er ist eh nicht schwul, also hör auf!“

„Ich halte ihn für ziemlich schwul, so wie er dich ansieht!“

„Hä??“

„Man Benny, der steht auf dich, ist so!“

„Ach, und woher weißt du das?“

„Ich bin klug und habe Augen im Kopf!“

„Seit wann?“ Ich grinste Leif an der nur kopfschüttelnd nach oben ging. Hatte ich mich so dermaßen in meinen Bruder geirrt?

Sollte Sean wirklich schwul sein?

Bitte! Er ist süß, er ist …. Alles!

Schwuler Fußballspieler beim FC Bayern! Ich sah schon die Schlagzeile der Bild Zeitung vor mir! Die erste Schlagzeile würde wohl so lauten:

Wie Schwul ist Sean wirklich? Kann ihm eine hübsche Frau helfen???

Und dann würden sie wahrscheinlich einen Aufruf starten und die Titten der Bewerberinnen auf die erste Seite bringen! Nach dem Motto:

Sieh mal Sean so schön sind deutsche Titten! ZUM KOTZEN!!!

Die Bild Zeitung hat sich immer noch nicht aus den „glorreichen“ Siebzigern rausgehangelt. Das Sprachniveau ist gleich geblieben ebenso das Weltbild,

das auch im Mittelalter hängen geblieben ist. Halt langweilig, intolerant und vulgär! Wenn man darüber wenigstens lachen könnte, aber nein, die meinen es Ernst!

Ein Geräusch weckte mich am nächsten Morgen. Hörte sich irgendwie nach Flughafen an, dieses typische Turbinengeräusch der Jets. Nach endlosen fünf Minuten konnte ich dieses Geräusch sogar lokalisieren- eindeutig das Badezimmer. Der Fön! schießt es mir in den Schädel. Ja, das musste es wohl sein. Meine Hände zogen die Bettdecke über mein Gesicht, ging ganz automatisch. Ich ließ ein Knurren von mir und drehte mich um, bis ich Blicke auf mir spürte. Langsam blinzelte ich unter der Bettdecke hervor und sah Sean grinsend vor meinem Bett stehen.

„Hallo Schlafmütze!“

„Moin, Schlafmützenfeind!“

Seans Gesicht zeigte nun ein Entsetzen dass ich ganz bestimmt nicht gewollt habe.

„Wie Feind? Ich dachte wir wären Freunde?“

Ohne eine Antwort abzuwarten rannte er aus meinem Zimmer. Shit! Nun war ich hellwach und sprang aus dem Bett um Sean im Flur abzufangen.

Ich erwischte seinen Arm und hielt ihn fest.

„Warte! So war das nicht gemeint, natürlich sind wir Freunde! Du hast mich missverstanden, dass bezog sich darauf das du mich geweckt hast, mehr nicht.“

Seine Augen taxierten mich und aus den traurigen werden wieder strahlende.

„Ja, sehe ich.“

Sein Kopf zeigte auf eine Region, die im unteren Bereich meines Körpers lag und ich folgte diesen. Bevor ich meine Morgenlatte sah spürte ich diese schon. Peinlich! Wie kommt man aus peinlichen Situationen wieder raus? Richtig! Cool bleiben!

„Oh, meine Morgenlatte! Habe ich manchmal, zum Glück das ich die Short anhabe“ grinste ich so cool wie möglich zurück.

„Wow! Bist du cool. Ich an deiner Stelle wäre vermutlich im Erboden versunken!“

„Warum? Ist doch ganz normal, oder hast du nie ne Morgenlatte?“

„Ähm, doch natürlich.“

Sagte es und zog von dannen. Ich und cool? Sean hatte ein vollkommen verkehrtes Bild von mir bekommen das ich wohl schnellstens in Ordnung bringen musset. Aber wie? Keine Ahnung!

Am Frühstückstisch angekommen bemerkte ich als erstes dass sich Leif mit Sean unterhielt und die beiden sich wohl sehr gut verstanden. Das zweite dass wir alleine waren- mein Dad war schon los zum Trainingszentrum. Hmm merkwürdig, Leif brauchte normalerweise endlos lange bis er sich herabließ, sich mit jemanden anzufreunden. Das schien diesmal bei Sean anders zu sein die beiden lachten und scherzten. Ich erkannte meinen Bruder gar nicht wieder. Irgendwas musste ich wohl verpasst haben.

„Hey ihr beiden!“

„Hey, du einer“ kam es wie aus einem Mund.

Verschwörung! Das war der erste Gedanke der mir in den Sinn kam. Die beiden hatten sich zusammengetan um mir eins auszuwischen. Aber da hatten sie nicht mit dem famosen Benny der Schlagfertige gerechnet. Also gut, spielte unsereiner einfach mal mit.

„Und was gibt es zu lachen?“

„Ach, Bruderherz, Sean erzählte mir gerade wie du so Obercool auf deine Mola reagiert hast.“

„Und?“ Von Sekunde zu Sekunde wurde ich nervöser.

„Nun, da habe ich ihm erzählt wie mein ach so obercooler großer Bruder reagierte als ich ihm beim Wichsen erwischte.“ Kaum fertig mit diesem Satz lehnte sich Leif genüsslich in den Stuhl zurück um sich das Schauspiel reinzuziehen was es nun gab.

Mein Kopf (ich wollte ja, konnte aber gar nichts dagegen tun) lief rot an. Oh, Gott! Wenn ich daran zurück denke! Peinlich nur einfach peinlich. In der Dusche in Hamburg war ich gerade dabei mein bestes Stück zu verwöhnen und wer platzt da mitten in dieser ausgesprochen wichtigen Sitzung rein? Richtig, mein kleiner Bruder. Ich hatte mal wieder vergessen abzuschließen. Anstatt mich einfach um zu drehen, klickte mein Gehirn aus, und ich versuchte ein Handtuch zu erwischen.

Was gar nicht so einfach war, da der Bügel etwas entfernt war. Nun, es war nass- soll beim Duschen ja mal vorkommen- und deswegen flog ich auf die Schnauze.

Und lag dann wie ein abgestürzter Marienkäfer in voller Pracht vor Leif auf dem Boden. Muss ich noch weiter erzählen? Ich glaube nicht. Oder doch?

Hmm. Leif stand reglos vor mir und meinte dann während er sich umdrehte um raus zu gehen: „Also Benny wenn du dir das nächste Mal einen runter holst, sag einfach bescheid damit ich deine Freunde holen kann, die sollen ja auch mal was zum Lachen haben“ Ja, eines der Highlights in meinem Leben.

Ich sah auf die beiden, die sich vor Lachen kaum noch einkriegen konnten. Na, gut so viel zu der Theorie Benjamin Degen wäre cool. Damit wäre das zumindest geklärt.

„Jaaaa! Ist ja gut jetzt, wo ist eigentlich Dad?“ Ablenkungsmanöver!

Leif sah mich mit zusammengekniffenen Augen an und erwiderte: „Benny hör auf den Macker raus hängen zu lassen, das passt einfach nicht zu dir.“

Er hatte ja Recht! Das ist das schlimmste daran, ich bin kein Macker dazu bin ich viel zu schüchtern, aber musste er es so Sean beibringen? Und dann noch diese Story, die in meinem Gehirn versucht war sich selbst zu löschen, in dem ich es einfach vergesse? Obwohl ich ihm ja selbst verklickern wollte, wie ich wirklich bin – eben nicht der toughe Typ- eben mehr der schüchterne Typ. Leif hat es mir ja jetzt abgenommen.

„Ja, ist ja schon gut! Also Sean ich bin nicht der für den du mich hältst. Ich bin nun, ähm anders! Ähm, ach ich weiß auch nicht.“

„Häh?“ Sean sah mich mit großen Augen an und verstand wohl die Welt nicht mehr bzw. mich nicht.

„Also Sean“ wieder war es mein Bruder der die Initiative ergriff „Benny ist der schüchternste und zugleich der liebste Mensch den man sich nur vorstellen kann. Auch wenn er manchmal sehr, sehr merkwürdig ist.“

Leif? So was von meinem Bruder? Das war ja fast schon ne Liebeserklärung. Der musste Fieber haben, der Junge!


2. Kapitel Benjamin Degen

Die Woche zog sich so dahin. Die meiste Zeit war ich allein, Sean beim Training, Leif irgendwo. Was mir aber auch nichts ausmachte, da ich so Zeit hatte mein Zimmer vernünftig einzurichten, die Gegend ein wenig abzuchecken, und natürlich mit einigen Freunden aus Hamburg zu telefonieren. Und zum grübeln. Ich machte mir Gedanken darüber wie es wohl wäre einen Freund zu haben, für den ich da sein konnte. Das Telefon riss mich aus meinen Gedanken und ich nahm ab. Ich hörte eigentlich nur ein gequacke bis es mir in den Sinn kam das es wohl Englisch sein musste – mit einem fürchterlichen Slang. Ich verstand nur die Hälfte von dem was mir die andere Person gerade mitteilte. Ein Freund von Sean so viel verstand ich und dass er gerne mit ihm sprechen würde. Da Sean gerade beim Training ist vertröstete ich ihn und verwies darauf, er möge doch später noch mal anrufen. Aber da ich diesen Freund ja schon mal dran hatte fragte ich ihn dann ein wenig über Sean aus. Ob er denn ne Freundin daheim lassen musste? Als Antwort bekam ich ein schluchzen zu hören. Ups, was ist denn hier los? Der andere, sein Name war Jason, beruhigte sich dann doch recht schnell und sagte nur so was wie so ähnlich . Es wurde mir etwas mulmig zu mute und wollte das Gespräch schon beenden als Jason dann zu mir sagte Sei ihm ein guter Freund und schnell auflegte.

Was sollte das denn bedeuten? „So Ähnlich?“ Hatte er nun eine Freundin oder nicht? Oder nen Freund? Je länger ich nachdachte desto klarer wurde es mir. Jason ist sein Boyfriend- es konnte gar nicht anders sein. Im selben Moment fiel alles in mir zusammen. Sean ist schwul- schön! Hat aber nen Freund- shit! Warum musste mir das nur passieren? Aber was konnte ich dagegen machen? Nichts! Und andererseits hatte ich jetzt endlich mal jemanden mit dem ich reden konnte. Der genauso fühlte wie ich. Mit einem Schlag ging es mir schon besser und beschloss zum Trainingsplatz zu fahren.

Dort angekommen fuhr ich mit meinem Bike dann auch schnurstracks auf das Trainingsgelände, was mir ein Geschimpfe von den dort zusehenden Zaungästen einbrachte. Der Securitymensch erkannte mich wieder und öffnete mir auch gleich das Tor und die Menge verstummte mit neugierigen Blicken. Wahrscheinlich dachten die Leute wohl ich wäre ein neuer Spieler der hier ein Probetraining absolvieren sollte. Die Mannschaft war gerade dabei auszulaufen. Daniel und Sean erspähten mich und trabten locker zu mir.

„Unser Maskottchen lässt sich ja auch mal wieder blicken!“

Daniel war es der das sagte. Sean sah uns irritiert an.

„Hab ich jetzt was verpasst? Wieso Maskottchen?“

„Hm, stimmt! Du warst ja noch nicht da gewesen als uns der Coach seinen Sohn vorstellte. Also Sean, der Kleine da ist unser Maskottchen.“

„Ach so.“ Sean kuckte immer bedepperter und verstand nun gar nichts mehr- ich musste grinsen.

„Und Benny was treibt dich hierher? Wolltest du mich vom Training abholen?“ grinste mich Daniel an.

„Ähm, eigentlich wollte ich Seani abholen.“

„Seani?“ Daniels eine Augenbraue ging nach oben und so wie er jetzt dasteht machte er Mr.Spock Konkurrenz bis er dann weiterfuhr „Schade und ich dachte du kommst wegen mir?“

„Wozu? Du hast doch ne Freundin die dich sicher gleich in Beschlag nehmen wird.“

„Boahh, hör bloß auf!“ Daniel machte ne wegwerfende Handgeste und joggte davon.

Ich drehte mich zu Seani hin.

„Was hat der denn?“

„Er hat wohl keinen Bock mehr auf seine Freundin –nervt wohl ziemlich rum.“

„Wer hat schon Bock auf ne Freundin?“

Seani erstarrte und sah mich nachdenklich an.

„Seit wann nennst du mich eigentlich Seani?“

Nun eigentlich wollte ich es gar nicht bewusst, ist mir so rausgerutscht nachdem Jason Sean immer so am Telefon genannt hatte.

Ich senkte meinen Kopf und flüsterte: „Jason.“

Panik! Das ist wohl das zutreffernste Wort um Seans Gesichtausdruck zu beschreiben.

„Du kennst Jason? Woher?“

„Er hat vorhin angerufen und wollte dich sprechen und, na ja da sind wir eben halt so ins Gespräch gekommen.“

„Und worüber habt ihr geredet?“

„Über dich!“

„Ja schon klar, aber worüber denn genau?“

Der Kleine wurde immer nervöser und am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, genauso wie er jetzt da stand, total verschwitzt und unendlich hilflos.

Was sollte ich ihm sagen? Die Vermutung die ich hatte? Ich versuchte einen anderen Weg.

„Beziehung?“


Sean Kaiser (vor ein paar Stunden)

Mein Wecker klingelte und ich ging rüber zu Bennys Zimmer um in das Bad zu gelangen. Leise öffnete ich die Tür und sah Benny tief schlafend im Bett liegend. Was für ein Anblick! Sein niedlicher Struppelkopf lag auf dem Kissen die Bettdecke bis zur Nase hochgezogen. Ich konnte mich von diesem Anblick einfach nicht lösen und in einem Automatismus küsste ich ihn auf die Stirn. Ich musste einfach. Benny bewegte den Kopf und nuschelte im Schlaf meinen Namen. Ich erschrak leicht, dachte ich doch er hätte was gespürt und ist davon wach geworden. Ich traute mich nicht, mich zu bewegen, weder zu Atmen. Erleichtert sah ich dass er wohl immer noch schlafen würde bis er wieder anfing zu nuscheln. Er redet also im Schlaf- wie niedlich! Ich konnte kaum verstehen was er da so wiedergab, hatte er doch nen heftigen Hamburger Slang drauf. Besonders in diesem Moment. Ich verstand nur Bruchstücke von dem was er nuschelte: Sean, küss m.., ihh… lieb, bitte, so gern und der Rest war undefinierbares Gegrummel. Aber das was ich gehört hatte reichte um in mir eine Welle hochjauchzender Gedanken auszulösen. Noch unter der Dusche spinnte ich mir die tollsten Sachen zusammen was ich mit Benny machen würde. Zappeln lassen bis er von sich aus zu mir kommt? Einfach hingehen und ihn leidenschaftlich auf dem Mund küssen um dann seinen verwirrten Ausdruck zu sehen? Ich hatte mit einmal so viele Optionen die mir offen standen aber das Beste war, dass Benny sich in mich verknallt hatte. Ich fühlte mich wie auf Wolke Sieben, unglaublich! Gut gelaunt, fertig mit Duschen und Fönen betrat ich wieder Bennys Zimmer. Mittlerweile war er wach.

„Hallo, Schlafmütze!“ begrüßte ich ihn.

„Hallo, Schlafmützenfeind!“ bekam ich wieder. Sssnnnooosch! Von der Wolke in den tiefsten Krater und das alles innerhalb einer Sekunde. Ich verstand es nicht und sagte zu Benny:

„Wie Feind? Ich dachte wir wären Freunde?“

Raus nur einfach raus hier! Ich rannte schon fast auf den Flur aber Benny war schneller gewesen und packte mich an den Arm.

„Warte! So war das nicht gemeint, natürlich sind wir Freunde! Du hast mich missverstanden, dass bezog sich darauf das du mich geweckt hast, mehr nicht.“

Während ich die ganze Zeit meinen Kopf gesenkt hielt, sah ich seinen Ständer, der in seinen Shorts nicht zu übersehen war. Und musste einfach nur grinsen.

„Ja! Sehe ich!“ Und deutete auf seine Shorts. Ich glaube, wenn ich in dieser Situation gewesen wäre wie er jetzt, wäre es mir doch etwas peinlich gewesen. Aber Benny?

„Oh, meine Morgenlatte! Habe ich manchmal, zum Glück das ich die Short anhabe“ grinste er mich nur einfach cool an.

„Wow! Bist du cool. Ich an deiner Stelle wäre vermutlich im Erboden versunken!“

„Warum? Ist doch ganz normal, oder hast du nie ne Morgenlatte?“

„Ähm, doch natürlich.“

Nachdem wir das geklärt hatten ging ich runter um zu frühstücken. Leif saß schon am Frühstückstisch und begrüßte mich.

Mit Leif kam ich bisher sehr gut aus. Wir sahen uns zwar nicht so oft aber wenn hatten wir immer viel Spaß. Ich weiß zwar von Benny dass Leif ein ziemlicher Einzelgänger ist, allerdings konnte ich das nicht so recht glauben. Dafür war er viel zu locker mit mir im Umgang. Wir blödelten viel herum und Leif war im Grunde genommen viel lockerer als sein Bruder. Obwohl ich ja jetzt wusste warum Benny manchmal etwas verkrampft wirkte. Und warum nicht mit Leif darüber reden?

„Du sag mal Leif, kann es sein dass Benny schwul ist?“

Leif sah mich mit großen Augen an.

„Das hast du so schnell geschnallt? Nicht schlecht!“

„Na ja, nicht direkt, aber dein Bruder spricht im Schlaf!“

Leif prustete seine soeben getrunkene Milch über den halben Tisch hinweg.

„Das musste ja so kommen dass er es im Schlaf herausposaunt. Hammer!“ Leif wurde nun ernster und sah mich nachdenklich an bevor er sprach „Und was ist mit dir? Du hast dich in Benny verliebt, oder?“

„Ja, habe ich! Wenn er nur nicht immer so scheiße cool wäre!“

„Wer? Mein Bruder? Also ich glaub ich muss dir da mal so ne Geschichte erzählen!“

Leif erzählte mir dann die Story wie er Benny beim Wichsen erwischte und dieser dann ausrutschte und vor ihm lag. Wir kringelten uns vor Lachen und genau in dem Moment platzte Benny in die Küche.

„Und was gibt es zu lachen?“

„Ach, Bruderherz, Sean erzählte mir gerade wie du so Obercool auf deine Mola reagiert hast.“

„Und?“ Man sah richtig wie Benny nervöser wurde.

„Nun, da habe ich ihm erzählt wie mein ach so obercooler großer Bruder reagiert hat als ich ihm beim Wichsen erwischte.“ Kaum fertig mit diesem Satz lehnte sich Leif genüsslich in den Stuhl zurück um sich das Schauspiel reinzuziehen was es nun gab.

Man konnte Leif fies sein. Ich musste mich arg zusammenreißen dass ich nicht loslachte. Aber dieser Anblick war einfach zu schön. Man konnte richtig die Sekunden zählen in dem Benny immer unruhiger und nervöser wurde. Der Arme! Lustig war es trotzdem.

„Ja, ist ja schon gut! Also Sean ich bin nicht der für den du mich hältst. Ich bin nun, ähm anders! Ähm, ach ich weiß auch nicht.“

„Häh?“ Nun war ich es der überrascht war. Was sollte denn das werden ein Coming Out vor mir oder was?

„Also Sean“ wieder war es Leif der die Initiative ergriff „Benny ist der schüchternste Mensch und zu gleich der liebste Mensch den man sich nur vorstellen kann. Auch wenn er manchmal sehr, sehr merkwürdig ist.“

Ich grinste still in mich hinein und dachte mir nur dass ich es schon wusste was Benny für ein merkwürdiger Mensch ist.

Das Vormittagstraining begann immer um 10Uhr und dauert 1 1/2 Stunden. Meist war vormittags nur Konditionstraining angesagt. Also Stretching vorweg und dann Sprung- und Laufübungen, meist mit dem Ball. Ein erster Unterschied zu dem Training, das ich früher in den Staaten hatte lag darin, dass hier wirklich fast nur mit dem Ball gearbeitet wurde. Früher gab es oftmals monotones Training, hier wechselten ständig die Übungen. Ein Beispiel: die gute alte Schubkarre die wohl jeder kennt. Früher war es langweiliges auf und ab gehampel- hier allerdings werden Stangen aufgestellt und jede Schubkarre hatte einen Ball vor sich, den er dann um diese Stangen im Slalom bugsieren musste. Das diente der Koordination und dem Teamgeist, denn der Hintermann der die Beine des Vordermannes hielt, musste ihn ja steuern. Am Anfang war es schwer für mich, da ich mich erst an das Pensum gewöhnen musste, mittlerweile ging es. Auch dank der Mannschaft die mich sehr offen aufgenommen hatte. Mit ein, zwei Spielern gab es anfangs Zoff weil sie Angst um ihren Stammplatz hatten. Sie foulten mich bei Tacklings heftiger als es nötig gewesen wäre.

Ich gab es ihnen dann zurück und sie merkten schnell dass ich mir sowas nicht gefallen lassen wollte. Das war's dann auch schon, mit dem Rest der Truppe gab und gibt es keine Probleme. Sicher mit dem einen kommt man besser klar als mit dem anderen, aber das ist auch normal bei 26 verschiedenen Typen.

Mit Daniel Berg wurde ich irgendwie sofort warm. Das ist ein ganz lieber Mensch, mit dem man einfach gut auskommen musste. Immer guter Laune und für nen Spaß zu haben.

Zwischen den beiden Trainingseinheiten gab es Mittagessen und Massagen bzw. Erholung im Ermüdungsbecken, was ich immer sehr genoss, nicht nur weil Daniel meist neben mir saß.

Das Nachmittagstraining bestand dann meist aus taktischen Dingen wie Spielzüge, Standardsituationen, Abwehrverhalten, Trainingsspiel und so weiter. Nach dem Auslaufen war das Training dann meist so gegen 16Uhr beendet.

Ich war gerade beim Auslaufen, Daniel neben mir, als wir ein Geraune von den Zaungästen hörten. Wir drehten uns beide, um zu sehen was denn dort los sei, da kam auch schon Benny mit seinem Bike aufs Trainingsgelände gefahren. Merkwürdig! Das war das erste Mal dass ich ihn hier überhaupt sah und war schon der Ansicht, dass er sich einfach nicht für Fußball interessieren würde. Noch komischer fand ich dass Daniel ihn kannte, denn als er ihn erblickte lief er auch schon freudestrahlend zu ihm hin. Daniel war es auch der Benny als erster erreichte. Ich hörte nur noch wie er ihn Maskottchen nannte. Ich verstand immer weniger und musste wohl auch so ausgesehen haben denn die beiden erklärten mir worum es ging.

„Und Benny was treibt dich hierher? Wolltest du mich vom Training abholen?“ sagte Daniel zu Benny.

„Ähm, eigentlich wollte ich Seani abholen.“

Seani? So nannte mich eigentlich nur Jason mir wurde leicht schummrig.

„Seani?“ Daniels eine Augenbraue ging nach oben und wunderte sich über diese Anrede bis er dann weiterfuhr „Schade und ich dachte du kommst wegen mir.“

„Wozu? Du hast doch ne Freundin die dich sicher gleich in Beschlag nehmen wird.“

„Boahh, hör bloß auf!“ Daniel machte ne wegwerfende Handgeste und joggte von uns weg.

Benny drehte sich zu mir und fragte mich:

„Was hat der denn?“

„Er hat wohl keinen Bock mehr auf seine Freundin –nervt wohl ziemlich rum.“ Ich wusste schon länger dass Daniel stress mit seiner Tussnella hatte, die vereinnahmt ihn wohl so sehr dass er kaum noch Zeit für andere Sachen hatte.

„Wer hat schon Bock auf ne Freundin?“ erwiderte Benny. Ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke.

„Seit wann nennst du mich eigentlich Seani?“

Eigentlich sollte meine Frage ganz belanglos klingen doch die Antwort hatte es in sich.

Ganz leise fast schon flüsternd antwortete Benny: „Jason.“

Kaawwwuuummm! Schlug es bei mir ein und holte mich beinahe von den Socken. Shit! Woher kannte er Jason? Und dachte Benny nun dass ich mit Jason noch zusammen bin? Eiskalt lief es mir den Rücken runter.

„Du kennst Jason? Woher?“

„Er hat vorhin angerufen und wollte dich sprechen und na ja da sind wir eben halt so ins Gespräch gekommen.“

„Und worüber habt ihr geredet?“

„Über dich!“

„Ja schon klar, aber worüber denn genau?“

Ich musste einfach alles wissen! Jetzt da ich ja weiß dass Benny schwul ist wollte ich ihn nicht durch solch einen Scheiß verlieren.

„Beziehung?“

„Ich bin nicht mehr mit Jason zusammen!“ Kam es wie von einer Pistole geschossen aus meinem Mund.

Benny griente übers ganze Gesicht. Dieser Arsch! Der wusste überhaupt nichts und versuchte mich so aus der Reserve zu locken. Ja ich hatte ja auch was voraus, ich wusste ja schon dass Benny schwul ist, aber er nicht von mir, oder doch?

„Du kleines Miststück!“ rief ich und warf mich auf ihn um ihn durchzukitzeln.

„Hör auf, bitte, erbarmen!“

Er quiekte ein paar Mal jämmerlich bis ich ihn wieder losließ.

„Na genug gekitzelt vom Meister?“

Ich half ihm dann hoch während er provokativ an meinem Trikot roch und angewidert das Gesicht verzog.

„Boa ey, du stinkst wie ne ganze Schafsherde!“

Also nahm ich ihn in den Schwitzkasten. Benny keuchte und lachte zugleich.

Nachdem wir uns so einigermaßen wieder einkriegten lagen wir beide nebeneinander auf den Boden.

„Duuu?“ kam es von Benny.

„Hmm?“

„Wart ihr lange zusammen? Also du und Jason?“

„Nein, nur ein paar Wochen und dann kam ja Europa.“

Ich wusste dass Benny keine Ruhe geben würde also erzählte ich ihm die ganze Geschichte mit Jason.

Nachdenklich sah er mich an und meinte dann schließlich:

„Muss für Jason ziemlich Scheiße sein, die ganze Situation.“

„War für mich auch nicht gerade einfach.“

„Hörte sich aber nicht so an.“

„Wie muss es sich denn anhören? Soll ich hier den ganzen Tag heulend durch die Gegend laufen?“

„Nein, so war das nicht gemeint! War wohl auch nicht so die ganz große Liebe?“

War es denn überhaupt Liebe? Was ist denn Liebe? Kann man es spüren wenn man sich verliebt hat? Ich hatte keinen Plan. Liebte ich Benny?

Ich wusste eigentlich nur dass ich sehr gerne mit ihm zusammen war und dass ich ihn vermisste wenn er nicht da war. War das Liebe?

Wir lagen dann noch einige Zeit schweigend nebeneinander, ich wusste dass ich seine Frage nicht beantworten musste, manchmal bedeutet Schweigen mehr als jedes gesprochene Wort.


Samstag- Grillabend Benjamin Degen

Der Abend wurde ein voller Erfolg. Die Spieler kamen mit ihren Frauen bzw. Freundinnen und waren das erste Mal so richtig locker.

Daniel war alleine gekommen, was mich aber nicht wirklich überraschte, und so saßen wir meist zu dritt zusammen. Er erzählte uns von seiner Beziehung und was falsch gelaufen war. Ich war ein wenig überrascht wie locker er darüber reden konnte.

„Frauen sind doch so was von scheiße, erst tun sie so als wollen sie mit einem am liebsten dreimal täglich ins Bett und dann haben sie Kopfschmerzen und gehen lieber shoppen, natürlich auf unsere Kosten, und abends meckern sie auch noch rum wenn man mal alleine weg möchte, brrr. Ich sage euch nur eines lasst die Finger von den Viechern.“

„Mein Reden.“

„Und du Benny, hast wohl gar keine Meinung, oder?“

Ich grinste fies in mich und schüttelte vor lachen meinen Kopf.

„Hmm, nöööö!“

„Oh man, noch so`n Frauenversteher.“

„Nee, wohl eher das Gegenteil.“ Daniel sah mich nur noch fragender an und ich kriegte mich kaum noch ein vor lachen.

Während ich immer noch am kichern war, unterhielten sich die beiden derweil über Fußball, was mich im Moment aber nun wirklich nicht interessierte. Etwas angenockt vom Alk verabschiedete ich mich von den beiden um ins Bett zu gehen.

Ich konnte nicht sofort einschlafen, was bei mir aber eher üblich als unüblich ist, da ich doch im Grunde genommen ein ziemlicher Tagträumer bin, und dann anfange Geschichten zu erspinnen die mit der Realität nun gar nichts gemein haben.

Ich erträumte mir, dass ich Seans Hand auf meinem Bauch spürte wie sie ganz sachte meinen Haaransatz unterhalb meines Bauchnabels streichelte und es mir Eiskalt vor Erregung den Rücken herunterlief, wie ich eine Gänsehaut bekam und mir Sean etwas ins Ohr flüsterte was ich nicht verstehen konnte. Wieso konnte ich es nicht verstehen, schließlich war es ja mein Gehirn das sich dieses ausdachte? Hmm, merkwürdig. Ich musste wohl doch eingeschlafen sein, aus dem ich nun versuchte aufzuwachen, was mir dann auch gelang.

Noch vollkommen dösig spürte ich einen realen Körper hinter mir der mich umschlungen mit seinen Armen festhielt. Was ging denn hier ab? Nun hellwach drehte ich mich zu diesem Realexistierenden um, um letztendlich in die zwei niedlichsten Augen dieses Universums zu blicken, in denen von Sean. Ich wollte gerade ansetzen um etwas zu sagen, als er mir mit seinen Fingern, die sich auf meinen Mund legten, zu verstehen gab die Klappe zu halten. Was dann kam genoss ich nur noch, meinen ersten Sex mit einem anderen Menschen. Meine Fresse was hatte ich mir vorher einen Kopf darum gemacht: Was wenn ich zu tollpatschig war? Was wenn mein Schwanz ihm zu klein oder zu groß war? Was wenn ich ihm zu dünn oder zu dick war? Was wenn er Dinge mit mir anstellen wollte zu denen ich noch nicht bereit war? Was wenn ein Stück gefrorene Scheiße von einem Flugzeug uns erschlägt? Liegt es daran dass ich Norddeutscher bin und mir deshalb immer so einen Kopf mache, wie uns ja oftmals unterstellt wird? Keine Ahnung, in dieser Nacht stellte ich dann wohl auf Südländer um und ließ mich einfach nur fallen. Es war schön, ich orientierte mich an Sean, wir lachten, wir waren nur einfach geil aufeinander, ohne Gehirn, alles abgeschaltet ergaben wir uns unserem Trieb.

Am nächsten Morgen, oder war es schon Mittag? Mein Zeitgefühl hatte mich vollends verlassen, machten wir da weiter wo wir in der Nacht aufgehört hatten, nur diesmal entschieden langsamer, zärtlicher, überwältigender, die erste Neugierde war befriedigt- was nun folgte war die Kür. Wir bliesen uns gegenseitig in der „69“ Stellung und kamen beide gleichzeitig, was in mir ein unglaubliches Gefühl der Zusammengehörigkeit auslöste. Ja, Sean und ich sind waren Paar! Alles andere war zur Nebensächlichkeit verdammt, nur wir zählten, nur wir sind wichtig, unsere Beziehung!

Wie falsch ich damals lag wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Den Tag verbrachten wir an der Isar wie zwei verliebte Teenies, die wir ja nun mal auch waren, ausgelassen mehr einander fummelnd als die Gegend zu begutachten, gingen wir spazieren, immer im Gedanken daran, dass wir ab Morgen eine Woche getrennt sein würden, wegen des Trainingslager.

Sean schlief auch diese Nacht in meinem Zimmer. Mein Dad, der an diesem Morgen Sean wecken wollte, fand ein leeres Zimmer vor sich und rannte schnurstracks in meins um mir die Nachricht mitzuteilen. Er riss meine Zimmertür auf, erblickte uns aneinander gekuschelt, ging rückwärts raus nicht ohne seinen Spruch loszuwerden:

„Sean, wenn mein Sohn dich loslassen kann erwarte ich dich am Frühstückstisch- der Flieger wartet nicht!“ Meine Zimmertür schloss sich fast geräuschlos.

„Und, Sohn meines Trainers, kannst du mich loslassen?“

„Never!“

„Hmm, dann werde ich gefeuert und du musst mich dann unterstützen.“

„Wenn du dann den Haushalt schmeißt?“ Das erste Kopfkissen das mich treffen sollte konnte ich noch abwehren. „Ehemaliger Fußballstar beim Müllraustragen gesichtet.“ Das zweite Kopfkissen traf mich dann voll.

Wir blödelten dann noch ne ganze Weile am Tisch rum bis es dann soweit war: Der Abholdienst des FC Bayern stand vor der Tür, ich half den beiden die Taschen zu verstauen und verabschiedete meinen Dad, um danach meinen neuen, und ersten, Freund knutschend zu verabschieden. Scheiße, das tat da schon weh, obwohl er noch nicht mal abgefahren war. Ich wollte nicht! Nicht jetzt! Ich brauchte Sean doch! Müll! Mein Bruder der neben mir stand mit einem wissenden Lächeln, meinte dann:

„Na, hat es endlich geklappt zwischen dir und Sean?“

„Was? Ähm, ja, wieso?“

„Nichts, hat ja lange genug gedauert.“

„Bitte?“

„Du bist nur manchmal ein wenig trottelig, aber ansonsten ganz O.K.“

„Oh, danke.“ Das soll mein Bruder sein? Der super schüchterne, den ich einmal gekannt habe? Ich verstand die Welt nicht mehr. Scheiße, meine Hormone oder was immer sonst noch dafür verantwortlich ist, gerieten in eine bedrohliche Phase. Bitte, nicht vor meinem kleinen Bruder heulen! Ich wendete mich von ihm ab so dass er meine Tränen nicht sehen konnte und stiefelte zurück ins Haus, alleine. Shit! Was sollte ich hier alleine? Ohne Sean?

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