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My real life

Teil 1

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Inhaltsverzeichnis

Schule am Morgen bringt Kummer und Sorgen

Montagmorgen. Das Licht in der Schule schien nur sehr dämmerig, jetzt, wo es noch dunkel war am Morgen. An solchen Tagen hasste ich die Schule. Warum sollte man Englisch oder Mathe lernen, wenn es draußen nach Bett und Schlafen aussieht.

„Na, du Schwuchtel!“

Da macht Schule doch gleich viel mehr Spaß, dachte ich grimmig.

„Dir auch einen schönen guten Morgen“, erwiderte ich ungerührt und bahnte mit den Weg zu meinem besten Freund Olli.

„Jaja, verpiss dich nur! Wir wollen dich hier nicht“, rief mir mein lieber Klassenkamerad hinterher, mit einer Stimme die sich anhörte als würde er sich jetzt fühlen wie „Meister Mächtig“. Er sah mir aber mehr wie „Meister Schmächtig“ aus, wie er da so breitbeinig stand in seiner Poserstellung, und zehn Zentimeter kleiner war als ich.

Ich dagegen ballte meine Hände in den Hosentaschen so fest zu Fäusten, dass es schmerzte, atmete tief ein und aus und schluckte eine zornige Bemerkung hinunter.

Beherrsche dich, sagte ich in Gedanken zu mir selbst, sonst bist du nicht besser als die, und so willst du wirklich nicht sein, und mit einer Schlägerei ist nicht geholfen. Gedankenverloren ging ich weiter durch die Schülermassen, die vor den Klassenzimmern standen und auf ihre Lehrer warteten. Die meisten unterhielten sich über irgendetwas, manche versuchten noch schnell, die Hausaufgaben für die nächsten Stunden abzuschreiben, auch Kartenspielen war sehr beliebt. Was alle gemeinsam hatten: Sie sahen aus, als hätten sie nicht wirklich Lust auf die alltägliche Schülerquälerei.

Die haben es gut, dachte ich, sie müssen sich um nichts Sorgen machen, außer dass sie vielleicht keine Hausaufgaben haben. Ich habe es jetzt schon nicht leicht, wenn aber jemand erfahren sollte, was es mit mir auf sich hat, könnte alles noch schlimmer werden.

Ich war so in Gedanken verloren, dass ich sogar den allmorgendlichen Gruß von Olli überhörte.

Olli war mein allerbester Freund; ich kenne ihn seit dem ersten Tag der sechsten Klasse, als ich mich notgedrungen neben ihn setzen musste, da jeder andere Platz schon besetzt war. Wir fanden sehr schnell heraus, dass wir auf derselben Wellenlänge waren. Außerdem gab es sehr viele Gemeinsamkeiten, z. B. Shoppen, Musik, gutes Essen und Sport. Ihm kann ich so gut wie alles anvertrauen. Dazu gab es noch ein paar andere Freunde, mit denen ich sehr gut befreundet bin. Da wäre noch Gisi, eigentlich heißt sie Gisela, aber ihren Namen findet sie schrecklich und so wird sie von allen nur Gisi gerufen. Von Lehrern mal abgesehen. Ich glaube, Lehrer haben eine Allergie gegen Spitznamen, denn sie sprechen sie nie aus, sondern nur den vollen Namen. Dann gibt es da noch Tom, ihn kenne ich schon seit dem Kindergarten, wir gingen in dieselbe Klasse in der Grundschule und jetzt auch in der Realschule. Trotz unserer langjährigen Freundschaft ist mein Band zu ihm nicht so intensiv wie bei Olli. Er nimmt es mir aber auch nicht übel, wenn wir uns mal ein paar Wochen nicht miteinander verabreden. And last but not least, we proudly present (gedachter Trommelwirbel)....me, Nils Schneider. Ein paar Fakten zu meiner

Person: Ich bin 17 Jahre alt, ungefähr 1,80 m groß oder klein (kommt auf den Standpunkt an), meine Haare sind dunkelblond, mittellang und meine Augen sind blau. Ich wohne in einem Kaff in Bayern, wo es mehr Kühe als Einwohner gibt. Also mehr oder weniger am Arsch der Welt. Ich gehe in eine Provinzschule in einer Provinzstadt. Meine Hobbies sind Lesen, PS2 spielen und Tanzen (Ballett und Rock’n’Roll). Wegen Letzterem hatte ich schon öfter Probleme mit Mitschülern, die damit nicht klar kamen.

Wie jeden Morgen stellte ich mich zu meinen Freunden und versuchte, mich in ihr Gespräch einzuklinken, aber es wollte mir nicht gelingen. Die Wörter, die sie sprachen, konnte ich einfach nicht zu kompletten und sinnvollen Sätzen verbinden. Obwohl das Thema anscheinend sehr wichtig war, da sie sich sehr angeregt unterhielten. Leider konnte ich ihnen nicht folgen und ging bald wieder meinen Gedanken nach. So nahm ich nicht wahr, dass die anderen sich langsam von mir entfernten um zum Klassenraum zu gehen.

Die Stunde der Wahrheit

„Nils...Niiils...! NIIIILS!!! HALLLO!“, rief mich eine Stimme in die Wirklichkeit zurück, die sich sehr nach Olli anhörte.

Ich erschrak so, dass ich zusammenzuckte und mich schnell dorthin drehte, woher die Stimme kam. Leider war die Drehung etwas zu schnell, und ich verlor auf dem vom Schnee rutschig gewordenen Fliesenboden das Gleichgewicht. Das nächste, was ich wahrnahm, war der kalte Boden und mein schmerzender Hintern, auf den ich mit voller Wucht gefallen war. Von irgendwoher hörte ich Lachen und einen blöden Kommentar, den ich aber nicht gescheit verstand. Olli kam mit einem Grinsen zu mir gelaufen und wollte gerade einen scherzhaften Kommentar vom Stapel lassen, als ich ihn genervt und mit schmerzverzerrtem Gesicht anfuhr:„Haach! Musste das sein!?“

Wahrscheinlich klang ich etwas zu genervt, denn das Grinsen verschwand sofort von Ollis Gesicht und macht einem schuldbewussten Blick platz. Mir taten meine Worte schon wieder leid.

„Tschuldige! Das wollte ich nicht“, sagte er mit einer Stimme, der man einfach nicht böse sein konnte.

„Naja, ist schon gut, ich wollte dich nicht so anfahren. Ich bin im Moment einfach total fertig“, erwiderte ich mit leiser Stimme.

„Wir gehen schon mal vor“, rief Tom.

„Ist gut“, rief Olli zu den anderen gedreht, danach wandte er sich wieder zu mir.

„Bist du wegen deiner Freundin noch so down?“ fragte er fürsorglich und nahm mich in den Arm um mich zu trösten. Ich ließ es geschehen, obwohl ich mir bewusst war, dass gleich wieder Kommentare kamen. Von irgendwo her hörte ich auch „Schwuuuchtel“. Meinen Kopf hatte ich auf seine Schulter abgestützt. Ich sah seinen gelb-blau gemusterten Strickpulli von ganz nah und konnte das Strickmuster ganz genau erkennen. Es sah so perfekt aus, so gleichmäßig.

„Hmmmmh! Wird wohl so sein“, murmelte ich vor mich hin auf seine Brust.

Die Gedanken in meinem Kopf spielten verrückt. Ich konnte nicht sagen, was ich schon lange weiß. Deine Reaktion könnte mir Angst machen, meine Angst ist die Ablehnung, die ich schon sehr lange zu spüren bekam. Schon damals in der ersten Klasse, als meine Freunde erfuhren, dass ich Ballett machte. Die Beleidigungen gingen den ganzen Tag.

„Du machst ja Weibersachen“, hieß es.

Das hat mich richtig fertig gemacht und nochmal könnte ich das nicht durchstehen. Diese Ablehnung war wirklich fies, aber wer denkt, dass das aufgehört hat, als ich in die Realschule kam, der ist falsch gewickelt. Dort hat alles erst richtig angefangen: Ich wurde fertig gemacht, weil ich ins Ballett ging und ein etwas anderes Benehmen an den Tag legte als andere Jungs. Ich war femininer und meine Gesichtszüge waren weich und nicht so markant wie bei vielen anderen Jungs. Aber dieses Jahr mache ich meine Mittlere Reife und bin all diese Idioten los.

Natürlich ist Olli mein bester Freund, und ihm könnte man alles sagen, aber würde er mich dann noch in den Arm nehmen? Würde er sich dann noch mit mir abgeben? Warum muss alles so kompliziert sein? Vielleicht mache ich mir auch einfach zu viele Gedanken. Es nützt ja nichts, wenn ich noch länger weglaufe.

Langsam löste ich mich aus der Umarmung. Weg vom bunten Strickmuster, hin zum tristen Schulalltag mit den weißen Wänden und den grauen Fließen.

„Es wird schon wieder“, versuchte Olli mich zu trösten.

Ich konnte und wollte darauf nicht antworten. Zu schwer fiel mir alles.

„Hey, ist es wirklich so schlimm“, wollte er mich weiter aufmuntern, „war es so, dass es dir mal wieder zu schnell ging mit ihr?“

„Ja und nein“, wich ich Olli aus.

In diesem Moment läutete unsere Glocke, und wir gingen zu zweit zu unserem Klassenraum. Dort angekommen drängten wir uns mit den anderen in das Klassenzimmer. Schon komisch, keiner mag die Schule, aber in die Klassenzimmer kommt man nicht schnell genug rein. Aber als ich drinnen war, wollte ich schnell wieder raus. Der Geruch nach nassem Schwamm und ungelüftetem Zimmer war wirklich unangenehm und penetrant. Zum Glück saß ich in der letzten Reihe und hatte einen guten Überblick auf die ganze Klasse, aber selber wurde man von fast allen in Ruhe gelassen. Die meisten bereiteten sich mehr oder weniger auf den Unterricht vor oder versuchten noch schnell etwas zu lernen, da wir jetzt Geschichte hatten und Lehrer es lieben, aus heiterem Himmel Stegreifarbeiten zu schreiben.

An meinem Platz ließ ich mich erstmal fallen und stieß einen Seufzer aus. Danach machte auch ich mich daran, meine Sachen auszupacken.

„Also, was ist jetzt mit Uschi?“ fing Olli urplötzlich wieder an.

Ich stöhnte und fing an zu erzählen: „Dieses Mal ist es etwas schwieriger.“

Innerlich war ich zerrissen, ein großer Teil von mir wollte es ihm erzählen, ein anderer rebellierte dagegen. Letztendlich kam ich zum Schluss „Jetzt oder nie“.

„Um auf vorhin zurückzukommen, ja, es war so wie immer, sie wollte Sex, aber ich nicht“, begann ich

„Aber warum hast du dann Schluss gemacht?“ fragte Olli mit verständnisloser Stimme. „Sie war so ein hübsches Mädchen, manche hätten ihre rechte Hand dafür gegeben mit ihr zu gehen, und du hast sie bekommen und machst Schluss!?“

„J-Ja ich weiß...A-aber...“, stotterte ich herum, mir war es unmöglich, ihm in die Augen zu sehen, deshalb spielte ich mit einem Pulloverzipfel herum und begann ihn zu drehen.

Alles ist so schwer, dachte ich verzweifelt, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.

„Also“, begann ich erneut mit überraschend fester Stimme, „das alles ist nicht leicht für mich und es kostet mich viel Überwindungskraft dir das zu sagen. Bitte erzähle es niemandem, auch nicht Tom oder Gisi, das musst du mir versprechen.“

„Jetzt komm zum Punkt und labere nicht um den heißen Brei herum“, fiel mir Olli ins Wort und verdrehte die Augen.

„Was ich sagen will ist...“ , mein neuerlangtes Selbstbewusstsein verflüchtigte sich wieder.

„Ich höre“, langsam wurde er ungeduldig.

„Ich bin schwul!!“

...so verdammt klein

„Scheiße! Scheiße! Scheiße!“ murmelte ich wütend vor mich hin. Tränen liefen mir an den Wangen herunter und tropften auf das schon nasse Kopfkissen. Die Schule war aus. Den Heimweg bin ich gerannt, ohne auf Olli zu warten.

Wieso auch? dachte ich.

Zu Hause bin ich ohne Mittagessen sofort in mein Zimmer, dort habe ich mich auf mein Bett fallen lassen und bin dort geblieben. Ich weiß nicht wie lange. Fünf Minuten? Zwei Stunden? Wie lange konnte ich nicht beantworten. Das war mir aber auch egal, am besten bleibe ich den ganzen Tag hier und stehen nie wieder auf. Mein CD-Player spielt schon die ganze Zeit das gleiche Lied:

„Kann schon lange nicht mehr schlafen

Obwohl ich's lieber sollte

Hast alles mitgenommen, mit ein paar Worten

Sieh was du angerichtet hast,

du müsstest mich hier sehn

Wünscht mir ich könnt dir sagen

Es geht mir gut trotzdem

Aber bitte stell mir nicht mehr die Frage,

wie's mir sonst so geht...

Es geht mir gut ohne dich

Ich wünscht es wäre so

So ohne dich

Ich weiß das es nicht geht

Ohne dich

Ich hass und schwör und träum

Ich lieg im Schlaf und heul

So viel schlechter ohne dich“

(Silbermond)

Es war eine Erlösung, als heute die Schulglocke geläutet hat. Der Tag war schrecklich, noch nie im Leben habe ich mich so enttäuscht gefühlt. Heute war der erste Tag meines Outings, und es war so grässlich.

„Nils! Telefon! Gisi ist dran“, rief meine Mutter vom Wohnzimmer herauf.

Ich versuchte meine Stimme zusammenzunehmen, meine liebe Frau Mutter musste nicht wissen, dass ich weinte, sonst würde wieder ein Mutter-Sohn-Gespräch stattfinden, und das konnte ich jetzt nicht verkraften, zumindestens noch nicht.

„Ich bin nicht da“, rief ich runter, meine Stimme war ganz tränenerstickt, trotz des Versuches, selbstbewusst zu klingen.

Ich bin für niemanden zu sprechen, dachte ich mir, auch nicht für Freunde.

Hah... „Freunde“. Das war einmal, dachte ich wütend. Durch das Fenster sah ich die Schneeflocken herunterfallen. Ich fühlte mich so verdammt klein, noch kleiner als die Schneeflocken. Alles war weiß, Weihnachten stand vor der Tür. Wie kitschig, bääh... Normalerweise liebte ich Weihnachten, aber diese Jahr nützten sogar die Engelszungen meiner Mutter nicht, ihr beim Dekorieren zu helfen. Deshalb rauschte sie beleidigt wieder ab, als sie merkte, dass sie auf Granit biss.

„Beschwer dich aber nicht, wenn du es hässlich findest!“, sagte sie beim Hinausgehen.

Ich hörte die Schritte meiner Mutter die Treppe hinuntergehen. Aber es dauerte nicht lange, da hörte ich schon die laute Stimme meines Vaters: „Dieser faule Sack soll dir gefälligst helfen. Für was ist er denn da. Dass wir ihn bedienen wie einen Pascha. Der wird sich schon keinen Zacken aus der Krone brechen. KOMM RUNTER, SONST KRACHT’S!!!!“

Die letzten Worte galten wohl mir. Ich wollte aber nicht, deshalb zog ich die Decke über den Kopf und tat so, als hörte ich ihn nicht. Zu meinem Bedauern ließ mein Vater nicht locker, denn schon kurze Zeit später hörte ich ihn die Treppe zu meinem Zimmer hochstapfen. Die Tür wurde aufgerissen und das laute Organ meines Vaters schimpfte los: „Du kommst sofort, sonst wird dein Taschengeld gekürzt...“

„... lass doch den Jungen, er muss mir nicht helfen“, rief meine Mutter von unten hoch.

„Der soll dir gefälligst helfen. Das wird dem schon gut tun, so faul wie der ist...“, schrie mein Vater weiter. Dann sah er mich wieder mit durchdringendem Blick an, der eigentlich keinen Widerspruch duldete. Ich aber hatte genug, konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen?

Deshalb stellte ich auf frech und antwortete: „Der will aber nicht helfen. Denn der hat keine Lust und wenn du nicht gleich gehst, wird der sauer...“

Das war mein Fehler. Ich sah, wie bei meinem Vater für endlos lange Sekunden die Gesichtszüge einfroren. Entrüstung machte sich auf seinem Gesicht breit, dann Zorn.

Aus den Augenwinkeln sah ich seine Hand auf mich zu kommen, aber meine Reaktion war zu langsam. Ein lautes Klatschen. Ich bekam den Schlag voll ab. Mein Kopf dröhnte, ich sah Sternchen und meine Sicht verschwamm. Dann spürte ich den Schmerz.

„Wage es nie wieder, so mit mir zu reden, sonst lernst du mich kennen“, sagte er mit einem bedrohlichen Tonfall.

Danach schlug er meine Tür zu, als wolle er sie zerstören.

Ich hatte Tränen in den Augen. Wehren konnte ich mich nicht, ich würde verlieren, mein Vater war stärker. Zu meiner Mutter laufen? Ja genau, ich kannte ihre Reaktion.

„Du wirst es schon verdient haben“, würde sie antworten.

Ich drehte mich auf die Seite und versuchte zu schlafen. Von unten drangen laute Stimmen herauf, meine Eltern stritten sich wieder. Es wurde immer lauter. Deshalb drehte ich meinen CD-Player voll auf.

„Mach den Scheiß leiser!!!“, kam es von unten rauf, deshalb machte ich den CD-Player aus. Muss heute denn alles schief gehen? Wenigstens wurden die Stimmen meiner Eltern leiser, bis ich sie gar nicht mehr hörte. Wie es schien, hatten sie aufgehört zu streiten.

Die Zeit verging zäh wie Gummi. Draußen wurde es langsam dunkel, aber das Licht schaltete ich nicht ein, es wäre dann zu hell. Die Dunkelheit gab mir Schutz, wo man nicht sieht und nicht gesehen werden kann.

Plötzlich ging das Licht an. Es war grell, sodass ich kurze Zeit Sternchen sah und mir die Augen rieb. Eine zornige Bemerkung wollte gerade meinen Mund verlassen, als ich sah, dass Gisi unter dem Türrahmen stand.

„Hi“, sagte sie.

„Hallo“, begrüßte ich sie recht kühl.

„Wir sind also noch unter den Lebenden!“ fragte sie mit einem Ton in der Stimme, der mich beunruhigte. „Du bist nicht am Telefon erreichbar, an deinem Handy meldet sich nur die Mailbox...“

„...hab ich ausgemacht“, brummelte ich leise.

„..., bei Olli warst du nicht...

Zu dem?! Nie im Leben, dachte ich

„ ...und auch nicht bei Tom. Auf die Steine, die ich dir ans Fenster geschmissen habe, reagierst du auch nicht. Also, was ist los, und komm nicht mit „Es ist nichts“, das glaube ich dir nämlich nicht. Den ganzen Tag warst du so verschlossen und hast fast nichts gesprochen. Nach der Schule bist du dann nach Hause gerast, als wäre der Leibhaftige hinter dir und dann die Sendepause den ganzen Tag über. Schon vergessen, wir wollten uns heute treffen. Aber wenigstesn bist du nicht alleine, Olli war genauso, falls dir das nicht aufgefallen ist, Mr. Egotrip.“

„Bist du fertig mit deiner Predigt?“ machte ich sie genervt an.

„Was bist du so stinkig? Ist etwas zwischen dir und Olli vorgefallen?“ hakte sie nach.

Ich schwieg.

„Jetzt stell dich nicht so an, und versink nicht so im Selbstmitleid. Das kann man ja nicht mit ansehen“, sagte Gisi mit ungeduldiger Stimme.

„Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen“, engegnete ich ungehalten und mit eisiger Stimme.

„Nein, kann ich nicht. Wollen wir vielleicht einen Spaziergang machen?“ versuchte es Gisi noch im Guten.

„Also gut, du gibts ja doch nicht auf, oder?“ fragte ich resignierend.

„Nein! No no never.“

Der Schnee knirschte, die Nacht war klar und man konnte die Sternbilder sehr gut erkennen. Ich hätte mir mehr als eine dünne Daunenjacke anziehen müssen, denn es war bitterkalt und mein Atem war sichtbar vor meinen Augen zu erkennen. Ich, die größte Frostbeule der Nation, hatte nur eine Jacke an. Wir gingen schweigend nebeneinander her, seit Minuten, durch unser Dorf. Viele Häuser waren schon festlich geschmückt und hergerichtet. Bald war ich bis auf die Knochen durchgefroren. Wir kamen gerade am Weideneck-Kinderspielplatz vorbei, in den Gisi auch gleich einbog. Zuerst zögerte ich, folgte ihr dann aber schweigend. Ich mochte diesen Platz nicht, hier verkehrten die coolen Typen wie z. B. Skatergangs oder die Glatzen. Beide Gruppen waren sich natürlich spinnefeind und konnten sich auf den Tod nicht ausstehen. Das sah man dem Spielplatz auch an. Viele Geräte wie Schaukel und Rutsche waren kaputt, im Sandkasten waren mehr Kippen als Sand, überall lag Müll und über das Schild, das vor dem Spielplatz aufgestellt war, stand groß mit Graffiti geschrieben „Ausländer raus“. Mütter kamen mit ihren Kindern schon lange nicht mehr her, es war einfach zu gefährlich. Genau an diesem Ort wollte Gisi mit mir reden. Wir setzten uns auf die einzige noch heile Bank. Der Mond tauchte alles in ein silbernes Licht. So sah alles noch unheimlicher aus als es schon war. Anfangs sah es so aus, als sollte sich das Schweigen hier noch fortsetzten.

„Du wolltest mit mir reden“, begann ich in einem nicht gerade freundlichen Ton das Gespräch.

„Du machst es einem aber auch nicht gerade leicht, oder?“ seufzte Gisi.

„Du willst also wissen, was zwischen mir und Olli vorgefallen ist?“ fragte ich sie. „Du meinst, wir können ganz offen reden.“

Heftiges Kopfnicken aus ihrer Richtung.

„Ich will es kurz machen. Ich habe Olli heut vor dem Unterricht erzählt, dass ich schwul bin, und er hat nicht so reagiert, wie ich es mir erhofft hatte“, erzählte ich.

„Wa-wa-WAS!!!! Nochmal ganz langsam, du hast was?“ rief Gisi mit weit aufgerissenen Augen und ungläubiger Stimme.

So wie man plant und denkt, so kommt es nicht

Nein, dachte ich traurig, nicht schon wieder so eine schockierte Reaktion. Musste das denn immer so sein.

Mit traurigem Blick wandte ich mich von ihr ab, damit sie nicht sah, wie nah mir ihre Reaktion ging.

„Hey“, sagte sie mit fast mütterlicher Stimme. „Was ist denn! Du denkst doch nicht, dass ich etwas dagegen hätte. Irgendwie hatte ich es auch schon gewusst. Wer würde das denn schon übersehen, wenn er dich sieht. Ich war nur so überrascht, wann und wie du es ihm gesagt hattest. Ach Gott, du bist und bleibst doch mein „Master of Disaster“. So etwas macht man doch nicht in und vor der Schule. Die Schule ist schon schrecklich genug, da muss man nicht auch noch so etwas erfahren.“

„Ja, natürlich! Aber seine Reaktion war trotzdem total hart. Ich sehe noch ganz genau das schockierte, eingefrorene Gesicht, das keine Regung zeigte. Dann wandte er sich ab und sprach die komplette Stunde nicht mehr mit mir. In der Pause packte er seine Sachen, sprach kein Wort wohin er ging oder so. Olli war so schnell weg, als hätte ich ein hochansteckende Krankheit!“ erzählte ich.

„Er braucht Zeit! Das ist aber noch kein Grund so durchzudrehen und keinen mehr an sich ranzulassen“, sagte Gisi verständnislos.

„Ich bin ja noch nicht fertig,“ beschwichtigte ich Gisi. „Nach der Pause saß Olli plötzlich neben Andi vorne in der ersten Reihe, ich ging vor zu ihm und legte meine Hand auf seine Schulter. Wie von der Tarantel gestochen drehte er sich um und schaute mich mit einem Blick an wie ich ihn noch nie gesehen habe: Hass, Ekel und endlose Enttäuschung“, leider hatte ich einen Kloß im Hals und konnte nicht weitererzählen.

Gisi stand auf, ging vor mir in die Knie, sah mir lange in die Augen und nahm mich in den Arm.

„’Fass mich nie wieder an’, hatte er gesagt, seine Stimme bebte vor Hass. ‚Nimm deine Schwuchtelhand von meiner Schulter’, Olli sprach nicht laut, er flüsterte fast. ’Geh... ich will dich nicht mehr sehen.’ Das alles hatte mein bester Freund zu mir gesagt. Weißt du, wie enttäuscht ich da war, wie tief mich das verletzt hat? Es war so demütigend...“, weiter kam ich nicht, denn meine Stimme versagte wieder.

„Vielleicht war er aber einfach so geschockt, dass die ganzen Verarschungen und Gerüchte, die es über dich gab, wahr waren, und zwar, dass du schwul bist. Das muss ihn bestimmt schwer getroffen haben. Natürlich ist es nicht schön, was er zu dir gesagt hat. Olli war einfach überfordert. Er braucht jetzt einfach Zeit“, lenkte meine beste Freundin ein.

Was würde ich nur ohne sie machen? Sie war immer so vernünftig, sogar in Streits schaffte sie es immer wieder, beide Seiten zu sehen, egal wie unfair ihr Gegenüber war. Gisi war immer so etwas wie ein Ruhepol in unserer Gruppe.

„Du hast selbst gesagt, dass man es merkt, wenn man mich kennt. Aber warum dann seine geschockte Reaktion? Warum hat er sich nicht gefragt, warum denn meine „lieben“ Klassenkameraden mich niedermachen?“ fragte ich.

Auch darauf wusste Gisi eine Antwort: „Weißt du noch, wann die Gerüchte, dass du schwul bist, anfingen sich zu verbereiten? Richtig, Mitte der achten Klasse! Wir waren gerade alle mitten in der Pubertät und entwickelten uns in verschiedene Richtungen. Wobei deine Richtung anders war als die der anderen Jungs, z. B. dein Auftreten, deine Sprache und dein Benehmen. Da diese dich nur oberflächlich kannten und längst nicht so gut wie Olli, wurdest du als weibisch und tuntig eingestuft. Ich glaube, du kannst dich noch sehr gut an diese Anfangszeit erinnern.“

Ich nickte. Es war schrecklich, die Verarschungen, diese Blicke, manche hatten mich sogar betatscht und gefragt, ob ich nicht eine Nummer mit ihnen schieben würde. Vieles davon hat aufgehört als sie „erwachsener“ wurden, aber die Kommentare blieben. Ich war ein gutes Zielobjekt, denn ich wehrte mich „nur“ mit Worten. Gewalt verabscheute ich, es mag kitschig klingen, aber Gewalt ist einfach keine Lösung.

„Olliver hingegen“, fuhr Gisi weiter fort, „kanntest du schon seit der sechsten Klasse, noch lange bevor wir wussten, was „schwul“ überhaupt bedeutet. Es war einfach ein Schimpfwort für uns. Er hat dich als Freund akzeptiert und damit auch alle Marotten von dir und Ticks, die du die Jahre über entwickelt hast. Olli hat das alles als normal angesehen. Das Geschwätz war für ihn einfach reine Verarschung, weil er gedacht hatte, es wäre nicht wahr. Du weißt doch, wie er es hasst, wenn Leute aufgrund von Voruteilen andere Menschen in Schubladen stecken. Deshalb muss für ihn etwas zusammengebrochen sein als er das erfuhr. Weißt du noch, wie er dich immer verteidigt vor den anderen? Du warst sein bester Freund, und das wirst du auch bleiben. Er muss erstmal in Ruhe darüber nachdenken. Gib ihm die Zeit. Zeig, dass sich dadurch eure Freundschaft nicht ändert, denn du bist und bleibst der gleiche Mensch.“

Ihre Rede stimmte mich wieder etwas positiv und ließ mich besser gelaunt auf die kommenden Tage schauen.

„Danke“, sagte ich leise und sah Gisi tief in die Augen.

„Ich bin doch deine beste Freundin und ich sehe es als Pflicht an, Freunden zu helfen!“, sagte sie mit fürsorglicher Stimme.

Lange sagte keiner mehr etwas, jeder hing seinen Gedanken nach. Doch plötzlich kam mir ein Gedanke.

„Ähhhh, Gisi?“ fragte ich.

„Was gibts denn?“ fragte diese zurück.

„Wieso hattest du dir schon gedacht, dass ich schwul bin?“

Zum ersten Mal, seit wir heute miteinander geredet hatten, lächelte sie mich an.

„Ich weiß, es klingt doof, aber irgendwie konnte ich mir nie vorstellen dass du wirklich hetero bist. Da kann auch das ganze „Nicht-in-Schubladen-Denken“ nichts daran rütteln. Frauen haben da einfach ein viel besseres Gespür. Ich glaube, auch deine Mutter weiß es oder denkt es sich. Die anderen haben dich verarscht, weil sie in dir ein leichtes Ziel gesehen haben und du wirklich anders bist als der typische Junge um die 17 Jahre. Beziehungen rütteln auch nichts an meiner Überzeugung, Uschi konnte meine Meinung nicht ändern, was du in meinen Augen warst. Zeitweise revidierte ich meine Meinung auf bi, aber nie total hetero. Um dies alles zu testen besuchte ich dich einen Abend, mit meinem aufreizendsten Oberteil das ich hatte. Leider hast du mich an dem Abend keines Blickes gewürdigt. Laut deinen Beschreibungen war ich ja dein totales Schönheitsideal“, erzählte mir Gisi.

Sie hat Recht, dachte ich mir, die Beschreibungen meiner Traumfrau waren immer sehr an Gisi angelehnt. Was mir erst jezt auffiel. Auch Uschi sieht ihr ähnlich: lange blonde Haare, ein ebenmäßiges Gesicht, wunderschöne helle Augen und wirklich gute Proportionen. Dass mir das noch nie aufgefallen war, wunderte mich schon. Ich erinnerte mich an diesen Abend, das war vor ungefähr drei Wochen.

„Weißt du noch“, fuhr sie weiter fort, „an diesem Abend schauten wir uns ’Sex and the City’ an, noch ein Punkt, wo ich sage, dieser Mensch kann nicht hetero sein!! Als du dann auch noch den ganzen Abend über die attraktiven Schauspieler geschwärmt hast, die natürlich alle männlich waren, war alles klar. Ich dachte mir nur ’Ok, du musst mir nichts mehr sagen’. Es war nur eine Frage der Zeit, wann du endlich damit herausrückst. Eines muss ich dir lassen, manchmal hast du wirklich gut geschauspielert und gut den Hetero gemimt, aber nicht gut genug für mich.“

Jetzt musste ich selber lächeln. Wir saßen noch eine Weile und unterhielten uns. Ich hatte eine wirklich gute Freundin. Ich musste Gisi zum Dank einfach umarmen.

Doch plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke.

„Gisi. Was ist mit meinen Eltern? Ich will es ihnen noch nicht sagen, aber über kurz oder lang werden sie es erfahren. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe Angst vor der Reaktion meines Vaters. Heute hat er mir schon eine verpasst, weil ich meiner Mutter nicht beim Dekorieren helfen wollte.

Gisi sah mich betroffen an: „Oh mein Gott! Das ist wirklich schlimm. Warum hast du dich nicht gewehrt?“

„Wenn ich das getan hätte, könnte ich nicht mehr mit dir reden, denn ich weiß nicht, was mein Vater mit mir gemacht hätte, wenn ich mich gewehrt hätte.“

„Wenn es soweit ist, kann ich dir helfen und beistehen. Das ist doch Ehrensache“, versuchte mich Gisi noch aufzumuntern.

Wir saßen noch einige Zeit auf der Bank und diskutierten, was wir machen sollten, kamen aber zu keinem vernünftigen Ergebnis.

Daheim fiel ich todmüde ins Bett, der Tag war hart und hatte mir Einiges abverlangt. An den nächsten Tag in der Schule wollte ich gar nicht denken. Mit dem Vorsatz, Olli nicht allzu böse sein, schlief ich ein.

Neuer Tag, neues Glück

Entferntes Lachen. Ich saß wieder auf der Bank am Spielplatz, neben mir nahm ich verschwommen Gisi wahr. Von irgendwo her höre ich Beleidigungen, verstehe sie aber nicht. Jetzt sitzt Gisi nicht mehr neben mir, sie ist verschwunden. Ich bin allein. Auf einmal kommen mir Leute entgegen, sie zeigen mit dem Finger auf mich, lachen und grölen. Auch Gisi, Tom und Olli sind darunter. Auf einmal verschwimmt das Bild, und plötzlich bin ich eingekreist von einer Menschentraube. Ich blicke in hasserfüllte Gesichter. Die Fäuste, die auf mich zukommen, merke ich nur ganz am Rande. Das letzte, was ich höre, ist „Mit dem war ich mal befreundet“. Mir wird schwarz vor Augen...

Schweißgebadet und mit einem Schrei wache ich auf. Alles um mich herum ist dunkel, nur der Mond scheint in mein Zimmer, und ein paar Konturen der Möbel werden sichtbar. Ich atme stoßweise ein und aus. Mein Herz schlägt wie nach einem langen Sprint.

Was für ein schrecklicher Traum!

Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht. Mein T-Shirt war durchnässt. Mein Wecker zeigte halb fünf an. Noch ein bisschen Schlaf und ich dürfte wieder meine „geliebte“ Schule besuchen. Ich ließ den Blick schweifen, durch das Moskitonetz, das über meinem Bett angebracht war, auf die Regale, die voller Bücher waren. Meine Leidenschaft waren Fantasy Bücher, dazwischen ein paar Anstandsbücher, die man mal geschenkt bekommen hat. Eigentlich nicht interessant, aber man ist ja gut erzogen worden und stellt sie auch zu den anderen. Daneben war mein Schreibtisch, oder anders gesagt, das Synonym für Chaos. Schulbücher, Hefte, Stifte, eine Brotzeitbox und Konsolenzeitschriften sammelten sich dort. Ich sah aus dem Fenster und erkannte, dass es wieder schneite. Mir wurde wieder bewusst, was ich gerade im Schlaf gesehen hatte. Hoffentlich kommt so etwas nie vor, was ich gerade geträumt hatte. Aber was würde passieren, wenn meine Klassenkameraden erfuhren, dass ich wirklich schwul bin und die Verarsche wirklich wahr war. Um die Mädchen machte ich mir keine Sorgen, aber die Jungs... Na ja, darüber muss ich mir jetzt keine Sorgen machen, ich bin ja erst am Anfang. Es eilt ja nichts. Außerdem war da ja noch Uschi, die ja noch sauer auf mich war. Mein Augen fielen auf meinen Holzschrank, eigentlich nichts Besonderes, aber auf dem Grund des Schrankes befand sich eine kleine Kiste, die von Klamotten verdeckt wurde. Der Inhalt bestand aus ein paar Hochglanzmagazinen, und es war bestimmt nicht die „Bravo“, sondern es hatte ein paar gutaussehende Jungs auf dem Cover. Diese hatte ich mir am Bahnhof in der nächstgrößeren Stadt gekauft. Natürlich habe ich versucht, so gut wie möglich unerkannt zu bleiben. Nicht auszudenken, wenn mich Klassenkameraden gesehen hätten. Hoffentlich findet meine Mutter sie auch nicht, denn dann hatte ich wirklich großen Erklärungsbedarf, und davor graute mir jetzt schon. Obwohl Gisi gesagt hatte, dass sie es vielleicht schon wusste, hatte ich sehr große Angst, es ihr zu sagen.

Aber mein Gott, darüber mache ich mir Gedanken, wenn es soweit ist, dachte ich mir, legte mich hin und war schon eingeschlafen. Ich wäre nicht so leicht eingeschlafen, wenn ich wüsste, was noch auf mich zukommen würde.

Leider wurde meine himmlische Ruhe schon bald durch das nervtötende Piepen meines Weckers zerstört. Das war ein Fehler des Weckers. An diesem Morgen bekam meine Wand einen weiteren Weckerabdruck. Wer denkt, ich wäre ein Morgenmuffel, ist auf dem Holzweg, wenn der Wecker nur nicht klingeln würde!!! Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und meine Mutter stürmte in ihrem Morgenmantel herein und wollte gerade mit schimpfen beginnen, als sie die Einzelteile des Weckers sah.

„OCH! Mensch, Nils. Musste das sein. Wir haben keinen Geldscheißer, und dein Weckerverschleiß ist wirklich enorm. Das ist jetzt schon der zweite in diesem Monat“, beschwerte sich das Muttertier.

„Sorry, aber was kann ich dafür, wenn mir der Wecker im Weg ist“, brummelte ich schlaftrunken.

Meine Mutter verstand das aber nicht und murmelte beim Hinausgehen so etwas wie „Pah! Männer!“.

An diesem Morgen fiel mir alles schwerer, denn ich dachte daran, wie Olli heute auf mich reagieren würde. Draußen war ein kalter Wind und es hatte gefühlte minus 28 Grad, obwohl auf dem Thermometer minus 4 stand. Eingewickelt in meine tausend Schichten Klamotten machte ich mich auf den Weg. Wenn man im Lexikon unter „Frostbeule“ suchen würde, wäre ein Bild von mir daneben.

Ich bin ein Sommermensch, dachte ich bibbernd. Da kann auch nicht Weihnachten ändern, dass ich den Winter hasse.

Irgendwann stand ich vor dem Gebäude, dass sich Realschule schimpfte. Manche Architekten sollte man für ihre „Werke“ Sandsäcke auf dem Bau schleppen lassen. Das wiederum würde für den Realschularchitekten lebenslanges Schleppen bedeuten. Der graue Schulklotz hatte etwas von einer Irrenanstalt. Es fehlten nur noch die Gitter vor den Fenstern. Nervös ging ich auf die Schule zu, die ersten Schüler konnte ich schon erkennen...

Aber was war das? Olli stand oben auf der Eingangstreppe und sah unentwegt zu mir herunter. Seinen Blick konnte ich leider nicht erkennen. Mein Selbstbewusstsein schwand wieder. Ich erreichte gerade die Treppe und ging zu ihm hinauf.

Noch sechs Stufen.

Wird er mich für immer hassen?

Noch fünf Stufen.

Bin ich noch sein Freund?

Noch vier Stufen.

Natürlich bin ich das, redete ich mir in Gedanken zu.

Noch drei Stufen

Sonst würde er mich nicht die ganze Zeit anschauen und wäre schon längst vor mir verschwunden. Er bewegte sich nicht, auch als ich näher kam, sein Blick blieb auf mir hängen.

Uns trennten jetzt noch zwei Stufen.

Er sah aus, als wollte er etwas sagen, seine Augen sahen traurig aus. Olli setzte gerade an etwas zu sagen, als hinter mir eine weibliche Stimme schrie: „Herr Schneider, bleib wo du bist und wage es nicht dich zu bewegen!!“

Ich drehte mich um und sah eine tobende Uschi auf mich zurasen. Auf die hatte ich jetzt wirklich keine Lust. Wenn sie wüsste, dass die ganze Beziehung nur ein Fake war, würde sie mich umbringen. Mein Blick fiel wieder zu Olli. Das Einzige, was ich sah, war, dass die Eingangstür zufiel und Olli verschwunden war.

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