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Schmuddelkind

Teil 3

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Inhaltsverzeichnis

Heute

Ich hasse das. Darauf angewiesen zu sein, was meine so genannten Freunde über mich denken. Leute, denen ich wirklich wichtig bin, wäre es doch egal, ob ich Mädchen oder Jungs bevorzuge. Leider lebe ich nicht im Wunderland, wo sich alle lieb haben. Und wie ich feststellen musste, unterscheiden sich Chilis Freunde nicht so besonders von meinen. Echt, die sind mindestens genauso drauf. Wenn du nicht die richtigen Klamotten trägst, hast du keine Chance. Len (der mich inzwischen wahrscheinlich total hasst) regte sich letztes Wochenende über mein Schuhwerk auf. Ist das zu glauben?! Emojungs tragen Chucks...brabbelte er und hielt seine klassisch schwarzen Treter in die Runde. Ich trug Doc's und war somit der Blödian des Abends. Allerdings erklärte ich sehr freundlich, dass ich mich nicht einem beschissenen Modediktat unterwerfen würde, das sich irgendein Schwachkopf mal zum Spaß ausgedacht hat, und dem nun alle folgen...schließlich sei ich eben nicht Emo, sondern hätte meinen eigenen Stil. Und überhaupt sei Emo ja wohl nicht in erster Linie eine Moderichtung.

Chili wisperte mir daraufhin ein "Ich liebe dich" ins Ohr und Len konnte mich kräftig am Arsch lecken! Das tat er zwar nicht, aber er glotzte finster und eifersüchtig.

Auch wenn Chili anderer Meinung ist, ich weiß, dass Len total auf ihn steht. Erstens sieht man das, zweitens merkt man das und drittens verzichtet man bestimmt nicht freiwillig auf Sex mit Chili. Und viertens, warum sollte er sich sonst über was Blödsinniges wie meine Schuhe aufregen? Selbst wenn ich in Badeschlappen rumrennen würde, könnte es ihm egal sein. Vielleicht ist er aber auch ein bisschen neidisch, weil ich sehr viel mehr Kohle hab als er. Dafür kann ich allerdings nichts. Auch nichts dafür, dass sein Zimmer kleiner ist als unsere Abstellkammer. Moment mal, der weiß ja gar nicht, wo ich wohne und wie groß unser Haus ist. Also doch bloß eifersüchtig, weil Chili jetzt mich will.

Warum ausgerechnet ich ihn will, bleibt weiterhin ein Rätsel. Ehrlich, ich zerbreche mir den Kopf darüber und finde keine Antwort. Fakt ist doch sicherlich, dass man nicht einfach so schwuppdiwupp schwul wird, oder? Jedenfalls hab ich das im Internet recherchiert. Da hieß es häufig, dass man's halt irgendwann merkt...gerne während der Pubertät. Wie lange dauert'n die bei mir? Die meisten finden doch mit zwölf, dreizehn, vierzehn heraus, dass etwas nicht stimmt. Bei mir stimmte zu dem Zeitpunkt aber noch alles. Ich fand Mädchen gut. Niemals Jungs. Möglicherweise bin ich eine Art Homospätzünder? Oder bisexuell. Das wäre allerdings noch schlimmer, weil man da ja irgendwie nie weiß, was man nehmen soll. Es ist doch schon schwierig genug zwischen Vanille und Schokolade zu wählen. Wenn ich jetzt mein ganzes Leben lang entscheiden soll, ob ich lieber mit einem Mädchen ins Bett gehe oder mit einem Kerl...hab ich ein Problem. Und wieso zum Teufel musste erst ein Typ kommen, damit ich mich mal gescheit verliebe? Warum hat das bis jetzt kein Mädchen fertig gebracht? Abgesehen von Zoe, die jedoch nicht zählt, weil wir nie was miteinander hatten. Bei Zoe war es mehr so was wie Phantasieverknalltheit. Oder hab ich sie unbewusst als Grund vorgeschoben, um nicht mehr mit irgendwelchen Weibern vögeln zu müssen, weil ich mich in Wirklichkeit nach schwulem Sex sehnte? Oder bin ich einfach nur dabei, total durchzudrehen?

Eigentlich ist Madita an allem schuld. Ja, wenn sie mich nicht dazu gebracht hätte, mir im Internet knutschende Emojungs anzuschauen, wäre das alles nicht passiert. Und sie war es doch, die Chili angeschleppt hat. Ich krieg's einfach nicht zusammen und, ganz ernsthaft, bis jetzt musste ich auch noch niemals besonders viel über mich nachdenken. Mein Leben war sehr in Ordnung: mit Armin rumziehen, Partys, Weiber, Spaß. Kaum taucht so ein Chili auf, stellt man mehr und mehr fest, dass man ein oberflächlicher Bastard ist. Möglicherweise ist er ein Engel, der aus mir einen besseren Menschen machen soll. Aber Engel laufen doch nicht als Punk rum. Und Engel dürfen bestimmt nicht so hemmungslos rumvögeln.

Das mal zu meinem innerlichen Chaos. Für das äußerliche ist Armin zuständig, der ja leider immer noch meint, dass Chili auf mich steht. Und damit er nicht dahinter kommt, dass ich ebenfalls...also, ich hab mir einen Plan zurechtgelegt. Weiß nicht, ob der funktionieren wird, aber für den Fall, sollte ich Chili vorher eingeweiht haben. Sonst ist er wieder sauer, weil er was Falsches annehmen würde, wenn er es durch Zufall erfährt. Mein lieber Schwan...so ein verdammtes Durcheinander, nur weil ich momentan mit einem Typen schlafen will!

Den nächsten Samstag verbringe ich mit Chili. Erst ist Party angesagt, dann verziehen wir uns in den "Fickbereich". Bevor es allerdings zum Ficken kommt, muss ich mit ihm reden. Das Chili was ganz anderes möchte, werde ich kurz mal ignorieren. Das ich was anderes möchte ebenfalls. Das hier ist wichtig. Ich entferne also seine süße Schnute von meinem Mund und setze mich gesittet hin.

"Ja?", fragt er und zieht eine Braue hoch. Eine Angewohnheit, um die ich ihn ein bisschen beneide. Ehrlich, ich kann so was Cooles einfach nicht.

"Wie...äh...was macht die Hand?"

"Tut scheiße weh. Ich fürchte, ich werde noch eine ganze Weile eher passiv sein", grinst er.

Mann, jetzt bitte keine Sexgespräche, sonst geht meine Konzentration zum Teufel.

"Und beim Ausziehen brauch ich auch noch Hilfe", erklärt er und schiebt mit der gesunden Hand sein Shirt nach oben.

Gebannt starre ich auf seinen nackigen Bauch. Ja, genau, den Bauch, den ich schon das eine Mal, als er überraschend unter meiner Dusche stand, niedlich gefunden habe. Komisch, dass mich das nicht irgendwie stutzig gemacht hat. Möglicherweise bin ich doch länger schwul als ich dachte. Na ja.

"Ich...also...ähem...das ist nämlich so", stammele ich etwas hilflos umher.

Chili bedeckt seinen niedlichen Bauch und schaut skeptisch drein. "Wie?"

"Was?", frage ich verwirrt.

"Du sagst...es ist nämlich so...und ich frage, wie?"

Los, Rosenberg, raus damit, bevor du total die Orientierung verlierst! "Ich werde Zoe fragen, ob sie mit mir zusammen sein will."

"Okay?"

"Als meine Freundin."

"Das hab ich schon verstanden."

"Willst du gar nicht wissen, warum?"

Chili steckt sich erstmal eine Zigarette in die Klappe. "Nee."

Äh...?

"Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten", behauptet er, "entweder brauchst du sie als Alibi oder du meinst es ernst und machst gleich Schluss mit mir. Ich finde beides dämlich."

"Aber wenn Armin sieht, dass ich mit einem Mädchen zusammen bin, hört er auf, dich anzumachen und mich aufzufordern, mit tausend Weibern zu vögeln", verteidige ich meinen tollen Plan.

"Armin ist ein schwulenfeindliches Miststück. Der hat sich dermaßen auf mich eingeschossen, warum, weiß ich nicht, der wird nie mit dem Scheiß aufhören. Und wie soll deine Scheinbeziehung denn überhaupt aussehen, mh? Willst du Zoe zum Schein flachlegen?"

"Ich will Zoe gar nicht flachlegen."

"Ja, aber sie wird doch irgendwas erwarten...als deine Freundin."

"Wenn es dazu kommen sollte, wird mir schon was einfallen."

"Und wenn nicht? Schließlich lässt du dich gerne mal zum Sex überreden."

"Doch nur von dir", antworte ich und werde vermutlich rot im Gesicht.

"Und von Armin, wenn er grad zwei Weiber zur Hand hat."

Immer diese alten Geschichten! "Das war eine Ausnahmesituation. Deshalb brauche ich eine Freundin, damit so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt."

Chili drückt die Kippe aus und schüttelt seufzend den Kopf. "Ich hab echt keine Ahnung, was an dir so toll ist, dass ich mich darauf einlasse, Valentin Konstantin. Das Ganze ist doch die totale Schnapsidee. Und unfair...was Zoe betrifft. Willst du einen Menschen so benutzen?"

"Eigentlich nicht. Aber ich hab keine andere Wahl."

"Doch, hast du. Du könntest sie beispielsweise vorher fragen."

"Ob ich sie benutzen darf?", frage ich blöde.

"Ob sie für die Öffentlichkeit deine Freundin spielt. Dann musst du ihr natürlich den Grund sagen."

"Auf keinen Fall."

"Es ist deine Entscheidung. Tu, was du für richtig hältst."

"Also bist du einverstanden?"

"Sagen wir...ich nehme es als gegeben hin. Vorerst."

"Soll heißen?"

"Wenn ich nicht so verliebt wäre, würde ich dir in den Arsch treten und mir einen anderen Freund suchen. Einen, der keine Probleme damit hat, dass er auf Jungs steht."

Eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander. Es ist unangenehm und irgendwie tut es weh. Weil mein Herz so laut klopft und alles so schrecklich ist. Und weil das Schreckliche nicht mehr ganz so schrecklich wäre, wenn Chili mich jetzt festhalten würde. Zaghaft greife ich nach seiner Hand und schlinge meine Finger um seine.

"Ich wünschte, ich wäre so einer."

"Ich auch, Valentin...ich auch", murmelt er und zieht mich langsam zu sich rüber.

Mein Gesicht schmiegt sich an seine Brust und ich glaube, ich verdrücke sogar ein paar Tränen.

"Hör auf zu heulen, du kleine Pussy", lacht Chili und strubbelt meine Haare.

Na gut, küsse ich eben seinen Hals, schiebe meine Hand unter sein Shirt und streichele seinen Bauch. Chili rutscht ein Stück tiefer, sodass ich fast auf ihm liege. Das macht mich auf einmal völlig verrückt. Ich muss ihn sofort küssen. Und wo ich grad dabei bin, ihn komplett vernaschen.


Da ich von Chili quasi grünes Licht bekommen habe, sollte ich Zoe schnellstens dazu bringen, mit mir zusammen zu sein. Deshalb lade ich sie Freitagabend zu einem schicken Candle-Light-Dinner ein, während Chili sich mit Len trifft. Nicht mit ihm allein, aber wenn der Penner in seiner Nähe ist…ich gehe fast kaputt vor Eifersucht. Ein gänzlich neues, und ich muss sagen, unangenehmes Gefühl. Ehrlich, wie soll man da charmanter Gastgeber spielen?!

"Du warst auch schon gesprächiger", stellt Zoe fest und nippt an ihrem Champagner.

"Ich bin nervös", sage ich und lüge nicht einmal.

"Hoffentlich nicht meinetwegen", lächelt sie.

"Doch, eigentlich…also es ist nämlich so…ich möchte dir eine Frage stellen und mache mir ein bisschen ins Hemd, weil ich nicht weiß, wie du darauf reagierst."

"Oh Gott, Valentin…du willst mir doch bitte keinen Heiratsantrag machen. Für so etwas sind wir noch viel zu jung."

Hastig leere ich mein Glas. "Ja…also, nein, kein Heiratsantrag. Geht aber vielleicht ungefähr in die Richtung. Ist dir das unangenehm?"

Langsam streicht sie sich eine rote Locke hinters Ohr. "Kann ich grad noch nicht sagen."

"Okay, also…ich mag dich. Sehr sogar und…na ja, würdest du mir die Ehre erweisen…" Shit, das ist zu dick aufgetragen!! "Ich meine, wenn du mich auch magst, könnten wir doch…"

"Zusammen sein?"

Ich nicke.

"Klar, warum nicht", entgegnet sie.

Äh, was? Wieso ist das plötzlich so einfach? Ich hab monatelang an ihr rumgegraben, verdammte Scheiße!!

"Wenn das allerdings bloß eine Masche ist, um mich ins Bett zu kriegen…"

"Nein, bestimmt nicht", unterbreche ich sie. "Ich hab mich wirklich geändert."

"Fein, ich bin nämlich nicht eine von den üblichen Schlampen, die du flachlegst, wenn du mit Armin mal wieder eine Wette laufen hast. Was den Sex betrifft, bestimme ich, wo es langgeht…und vor allem wann, in Ordnung?"

"Alles, was du willst."

Zoe hebt ihr Glas. "Auf uns." Und kippt den Champagner auf Ex runter.

Mh, und jetzt? Soll ich sie küssen? Oder ihre Hand halten? Küssen, nein…das mit der Hand wird ja wohl nicht zu aufdringlich sein. Zaghaft lasse ich meine Finger über den Tisch wandern und streichele vorsichtig ihre Hand. Meine Freundin lächelt genant, während ich mal wieder ein schlechtes Gewissen habe, weil ich ihr etwas vorspiele.

Nach dem Essen gehen wir ein bisschen spazieren, dann bringe ich sie nach Hause. Eigentlich müsste ich sie fragen, ob wir uns morgen sehen, immerhin sind wir Freund und Freundin, aber dazu kann ich mich nicht durchringen, weil ich den morgigen Abend mit Chili verbringen will.

"Wir sehen uns Montag in der Schule", sagt Zoe zum Abschied, wofür ich ihr sehr dankbar bin, und küsst flüchtig meine Wange.

Als ich später in meinem Zimmer sitze und Wodka-Orange trinke bin ich immer noch verwirrt. Ich hab doch echt alles versucht, um Zoe ein bisschen aufzutauen, nichts hat funktioniert. Jetzt frage ich sie und sie sagt einfach Ja. Vielleicht hat sie die ganze Zeit darauf gewartet, dass ich sie frage? Ich meine, ich hab mit ihr geflirtet, ihr Komplimente gemacht und zu verstehen gegeben, dass ich mir mit ihr was vorstellen könnte…aber direkt gefragt hab ich sie halt nie. Ist ja auch egal. Zoe ist meine Freundin und Armin kann sich seine Weiber in die Haare schmieren!

"Hey, Pfeifenkopf", grüßt Madita, setzt sich auf mein Bett und kuschelt sich an mich.

"Bist du nicht unterwegs heute?"

"Offenbar nicht", antwortet sie und nippt an meinem Getränk. "Hast du Frust?"

"Nee, ich bin mit Zoe zusammen."

"Und das ist ein Grund, sich zu betrinken?"

Ich zucke die Schultern, hole ein zweites Glas und stoße mit ihr an.

"Wow…hat sie dich also doch noch erhört. Komisch, ich dachte eigentlich…"

"Was?"

"Na ja, dass Zoe nicht unbedingt auf so…Flachleger steht."

"Was soll das denn heißen? Ich bin doch kein Flachleger."

"Aber ein Kerl."

"Und?"

"Weiß nicht. Zoe ist auffallend viel mit Mädchen zusammen…"

"Was willst du damit sagen?", frage ich schrill.

"Ich dachte, dass sie eher auf Frauen steht", erklärt sie.

Wie bitte? Das ist ja das Allerletzte!! "Nur weil du dich gerne mit Schwuchteln abgibst, muss ein Mädchen, das viele Freundinnen hat, noch lange keine Lesbe sein. Du spinnst wohl."

"Hey, das war bloß ein Gedanke. Und offensichtlich hab ich mich geirrt."

"Allerdings. Zoe ist in mich verliebt."

"Was in der Tat schwer nachzuvollziehen ist", kichert sie.

"Doofe Kuh."

"Mir ist übrigens nicht entgangen, dass du grad schon wieder einen guten Freund von mir beschimpft hast."

Verdammt! Ich sollte das wirklich lassen. Wenigstens wenn ich mit Madita rede.

"Einen Freund, den du geküsst hast, mein Lieber."

Ich wünschte, sie würde das endlich vergessen.

"Nebenbei…Chili sagt, du bist ein ganz lausiger Küsser."

Das hat er sicher nicht ernst gemeint…blöd finde ich es dennoch.

"Der küsst selber so schlecht, dass er das gar nicht beurteilen kann."

"Falsch", lächelt sie triumphierend. "Chili küsst unglaublich gut."

"Woher willst'n du das wissen?", frage ich überheblich.

"Hab's getestet."

WAS?? Die lügt doch! "Wann? Wieso?"

"Vor ein paar Wochen. Weil ich Lust dazu hatte."

Moment mal…mein Freund knutscht mit meiner Schwester und sagt mir davon keinen Ton? Steht er plötzlich doch auf Mädchen, oder wie muss ich mir das vorstellen?!

"Er ist aber immer noch schwul, ja?"

"Ja, leider", seufzt sie. "Mein Kuss hat ihn nicht so umgehauen, wie ich gehofft hatte."

Ahhhh…dem Himmel sei Dank!!! Trotzdem, der kann was erleben.

"Das ist sehr bedauerlich", faselt sie weiter, "weil mich sein Kuss total umgehauen hat. Das ist ja das Gemeine. Chili küsst so süß und seine Lippen sind so weich und seine Finger streichelten meinen Nacken…"

Okay, ich kotze gleich.

"Weißt du, die meisten Typen schieben dir die Zunge in den Mund und stochern wir irre darin rum…Chili dagegen…mhhhhh…", schwärmt sie verträumt, was mich dazu veranlasst, ihr in Gedanken die Zunge herauszureißen und einem Rudel Wölfe zum Fraß vorzuwerfen.

"Und du hast erwartet, dass er sofort 'ne Latte kriegt und dich vögeln will, wenn er mit deinen Lippen in Berührung kommt?"

"Genau das, Arschloch."

"Die Realität war bestimmt eine Enttäuschung."

"Valentin", rülpst sie nicht besonders damenhaft und hebt ihr Glas, "halt die Fresse."

"Mal ehrlich, Roxy, hast du echt gedacht, dass dein Kuss ihn…heilen würde?"

Madita wirft mir einen angepissten blick zu. "Bat ich dich nicht eben, die Fresse zu halten? Mir war so. Außerdem ist Schwulsein keine Krankheit, hast du das noch immer nicht begriffen?"

"Ich schon, aber du offensichtlich nicht. Oder weshalb hast du ihn geküsst?"

"Mann, du nervst", brüllt sie. "Kannst du nicht verstehen, dass ich ihm einfach…irgendwie nah sein wollte, weil es scheiße wehtut, dass er mich nicht so gern hat wie ich ihn? So weh, dass es manchmal kaum auszuhalten ist?"

Wow…meine Eifersucht ist auf einmal ziemlich verflogen. Obwohl sie sich zunächst sträubt, nehme ich Madita in den Arm und versuche, sie zu trösten. Logisch, dass ich mir dabei wie ein Heuchler vorkomme. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, dass ich halt auch in Chili verliebt bin und es momentan kein guter Zeitpunkt ist, meiner Schwester das mitzuteilen. Also beschmuse ich sie eine Weile geschwisterlich und schweigend. Chili…ey, der weiß genau, dass Madita auf ihn steht, küsst sie einfach aus Spaß und macht damit alles noch schlimmer?! Was für ein Idiot. Vielleicht mal ab und zu das Gehirn einschalten, oder?

"Du bist viel leichter zu ertragen, wenn du dich mal eine Zeit lang nicht in Armins Dunstkreis bewegst", murmelt sie und wischt ihre Tränen weg.

"Vielen Dank."

"Dein Klamottengeschmack ist dann auch besser. Willst du mir nicht mal langsam sagen, was deine Veränderung zu bedeuten hat und wo du so verändert immer hingehst?"

"Möglicherweise hat dein Geschmack auf mich abgefärbt", zucke ich die Schultern. "Oder ich versuche grad, meinen eigenen Stil zu finden. Was weiß ich."

"Ich werd's irgendwann rauskriegen, Valentin", droht sie. "Steht Zoe eigentlich auf Emoboys?"

"Ist doch egal. Sie steht auf mich, ich finde, das reicht völlig."


"Wow…konntest du dich tatsächlich mal von deiner Freundin losreißen? Bin beeindruckt."

Okay, ich hatte die letzten zwei Wochen etwas wenig Zeit für Chili, aber das finde ich doch mindestens genauso scheiße wie er. Es ist also total unnötig, so bescheuert daherzureden.

"Gehen wir nach oben?", frage ich.

Chili räkelt sich lasziv auf der abgeschmackten Couch und nuckelt an seinem Bier. "Nee, hab grad keine Lust. Vielleicht später."

Ich setze mich neben ihn und pule an einer zerschlissenen Stelle seines Wollpullovers. "Du bist ein Arschloch."

"Ich weiß", nickt er.

"Kann ich was dafür, dass Zoe ab und zu mal mit ihrem Freund rumhängen will?"

"Oh Mann, darauf erwartest du doch hoffentlich keine Antwort", schnauft er und zieht mich in seine Arme.

Chili trägt übrigens keine Gipsschiene mehr, sondern nur noch eine Orthese. Die ist erstens nicht so schwer und zweitens ist sein Daumen durch den Gips in eine leichte Fehlstellung geraten, die so korrigiert werden kann. Sicher muss er das Teil aber auch noch ein paar Wochen tragen und danach zur Physiotherapie. Armin hat echt ganze Arbeit geleistet und Chili hätte ihn auf Schmerzensgeld verklagen sollen!

"Warum knutschst du übrigens mit meiner Schwester?"

"Sie hat mir leid getan. Ich wollte bloß nett sein."

"Aha."

"Ehrlich, Valentin, sonst nichts."

"Ich küsse Zoe jedenfalls nicht, um nett zu sein. Ich küsse sie überhaupt nur auf die Wange."

"Sie wird irgendwann mehr wollen", behauptet er.

"Zoe wollte noch nie mehr."

"Dann ist sie entweder blöd oder nicht an dir interessiert. Ich weiß nämlich aus zuverlässiger Quelle, dass man sehr schnell alles mögliche mit dir anstellen will, wenn man die Gelegenheit dazu hat", säuselt er und küsst meinen Nacken.

Ich ignoriere das Kribbeln in meinem Körper. "Wenn sie nicht an mir interessiert ist, warum ist sie dann mit mir zusammen?"

"Vielleicht hat sie einen ähnlichen Grund wie du."

"Was?", bölke ich schrill und rutsche von ihm weg.

"Ich glaube, sie wäre gar nicht mal so geschockt, wenn du ihr die Wahrheit sagen würdest. Also…geschockt wahrscheinlich schon, aber es käme ihr sicher gelegen."

"Hat Madita dir das eingeredet?"

"Nein, ich hab Augen im Kopf. Deine Freundin steht auf Muschis."

"Auf keinen Fall."

"Doch", lacht er, "auf jeden Fall."

Ey, so langsam geht's mir auf den Sender, dass jeder behauptet, meine Freundin sei eine Lesbe. Fehlt eigentlich nur noch, dass Armin damit ankommt.

"Mach dir nix draus. Sei lieber froh, dass es nicht an dir persönlich liegt. Sicher findet sie dich trotzdem nett."

Ich brauche dringend Alkohol und leere gleich Chilis Flasche.

Grinsend streicht er mir eine Ponysträhne aus den Augen und küsst mich. "Mhhh…ich mag es, wenn Jungs beim Küssen nach Bier schmecken. Gehen wir nach oben?"

"Nein", grummele ich.

"Egal. Leg ich dich eben hier flach", erklärt er schulterzuckend und drückt mich ins schmuddelige Polster.

Ich wehre mich…ein bisschen. Chilis Lippen berühren meinen Hals, seine Hand kraucht unter mein Shirt und versucht schließlich meine Hose zu öffnen. Verdammt, der meint das ernst.

"Du meinst das ernst", stelle ich betroffen fest und schiebe seine Hand weg.

"Hast du daran gezweifelt?"

"Ich dachte, du treibst es nicht in lockerer Runde."

"Mit dir treibe ich es überall."

"Könnt ihr nicht nach oben gehen, wenn ihr es treiben wollt?", zischt plötzlich jemand. "Ist ja ekelhaft."

Len, die alte Arschgeige, hat sich neben uns gesetzt und stiert finster geradeaus.

"Sag mal, Valentin Konstantin…deine Schwester heißt doch Madita Roxana, oder?"

"Ja, wieso?"

"Und die hat so kinnlange schwarze Haare mit einer rosa Strähne im Pony, richtig?"

"Kann sein. Wieso?"

Len streckt kurz seine Hand aus. "Die steht da vorne."

"Was?", kreische ich entsetzt.

"Hab mich grad mit ihr unterhalten. Echt süßes Mädel. Würde man gar nicht vermuten…", er mustert mich geringschätzig, "bei dem Bruder."

"Scheiße, ich muss raus hier", rufe ich hastig, springe auf und mache, dass ich weg komme.

Als ich in meinem Zimmer sitze und darauf warte, dass sich mein Pulsschlag normalisiert, packt mich das Grausen. Madita…fuck, wenn die mich gesehen hat!! Warum zur Hölle geht die auf einmal in diesen verfluchten Schuppen? War doch noch nie da. Und wo soll ich mich in Zukunft ungestört mit Chili treffen, wenn meine Schwester gedenkt, von jetzt an öfters dort herumzuhängen? Hab ich nicht, verdammt noch mal, genug Schwierigkeiten?!


Okay, also Madita hat nichts gesagt, deshalb gehe ich davon aus, dass sie mich nicht gesehen hat. Ich bete, dass sie uns nicht gesehen hat. Allerdings bleibt die Frage, wo Chili und ich uns zukünftig treffen sollen? Darauf hoffen, dass meine Schwester bei ihrer Busenfreundin übernachtet, kann's ja nicht sein. Hab mir grad mal eben die Gesichter meiner so genannten Freunde vorgestellt, wenn ich ihnen erzähle, dass ich mit Chili zusammen bin…das hat mich nicht überzeugt, es jemals zu tun. Wir könnten es natürlich auf irgendeinem Parkplatz im Auto machen, oder in eine entfernte Absteige fahren, aber leider bin ich erst siebzehn und hab noch keinen Führerschein. Und selbst wenn, wäre mir das zu abgefuckt. Schlimm genug, dass wir es oben im Zimmer miteinander getrieben haben, während unten Party war und wir von nebenan Fickgeräusche hören konnten.

Armin hat übrigens, im Gegensatz zu Madita, eine ganze Menge gesagt. Er findet, ich könnte mit Zoe zusammen sein und trotzdem noch Weiber nebenher haben…natürlich sehr diskret. Es wäre doch verrückt, wenn man wegen einer Frau alle Angebote ablehnen würde. Immerhin sei er beruhigt, weil er schon den üblen Verdacht hatte, dass Zoe eventuell eine Leckschwester sei. Dass Armin so was denkt ist nicht weiter verwunderlich. Der unterstellt Mädchen, die er nicht rumkriegen kann, gerne mal Lesbisches. Über Madita hat er das auch gesagt. Eigentlich sind für Armin alle Mädchen entweder Schlampen, Zicken oder Lesben. Ich finde das neuerdings ekelhaft. Früher hat's mich nicht weiter gestört, weil…ja, okay, ich hab genauso gedacht. Schlimm, oder? Ich meine, was zum Teufel ist denn mit mir los gewesen? War mein Hirn irgendwie inaktiv?

Dass Zoe so distanziert ist, stört mich zwar nicht, aber seltsam finde ich das eigentlich auch. Wir sehen uns fast jeden Tag, lernen zusammen, reden über unwichtigen Blödsinn, laufen Hand in Hand durch die Gegend und treffen irgendwelche Freunde. Außer Küsschen auf die Wange zur Begrüßung und zum Abschied gibt es jedenfalls keine körperliche Nähe. Wenn man's genau nimmt, ist alles wie vorher, nur dass wir eben jetzt offiziell ein Paar sind und mehr Zeit miteinander verbringen. Zeit, die ich lieber mit Chili verbringen würde. Mann, wann hatten wir das letzte Mal Sex? Ist sicher Wochen her. Mir fehlt aber nicht bloß der Sex. Ich vermisse ihn einfach. Sein süßes Lächeln. Den Geruch seiner Haut. Seine verdammten roten Zottelhaare, die mich beim Küssen manchmal kitzeln. Irgendwie fühle ich mich total einsam ohne ihn, weswegen ich mir total schwul vorkomme.

Punk Love

Ich weiß überhaupt nicht mehr, wie ich mich verhalten soll. Madita ahnt etwas und sie will, dass ich mich verrate. Vielleicht spürt sie sogar, dass ich weiß, dass sie was ahnt. Oder ich bilde mir das alles nur ein. Fuck, wenn sie es einfach sagen würde, dann könnte ich irgendwie reagieren, aber so…eine echt beschissene Situation. Manchmal starrt sie mich mit diesem wissenden Blick an…und sagt nichts. Und erwähnt sie Chili mir gegenüber, belauert sie mich regelrecht. Ich fange an, meine Schwester dafür zu hassen. Ich meine, muss die mich so quälen? Ist das eine Art Rache, weil ich mir ihren Traummann geschnappt habe? Und was wird sie tun, wenn ich es tatsächlich zugebe, was ich natürlich nicht vorhabe, aber möglicherweise passiert das früher oder später. Ich sollte mit ihm Schluss machen. Wäre das Beste. Wieder mit Armin umherziehen und Weiber aufreißen. Zoe würde das vermutlich nicht stören, weil die ja eh immer auf Sexuelles keine Lust hat. Ich habe sehr große Lust auf was Sexuelles, aber denke dabei weder an meine Freundin, noch an andere Weiber. Gott, wieso ist mein Leben denn plötzlich so verfickt kompliziert? Und warum lässt man mich an einem Freitagabend mit meinen fiesen Gedanken allein im Haus? Zoe hat heute Weiberabend, Madita ebenfalls, die pennt bei Toni. Armin hab ich mal lieber nicht gesagt, dass meine Eltern dieses Wochenende nicht da sind, sonst hätte ich eine Party schmeißen müssen und darauf kann ich nun wirklich verzichten. So genannte Freunde, die sich allesamt benehmen wie das letzte Prollpack…saufen, koksen und sich gegenseitig bumsen. Und vor einigen Monaten hat mir das auch noch ultra Spaß gemacht.

Übrigens fällt mir grad auf, dass ich meinen Freund nie erreichen kann. Ins Heim soll ich nicht (würde ich auch nicht), Handy hat er keins, das Partyhaus geht nicht mehr, weil Dita da rumhängen könnte, außerdem ist es eh immer ein Glücksspiel, ob er da ist oder nicht. Von seinen Freunden weiß ich nur, wo Len wohnt…da würde ich aber auch nicht einfach mal eben auftauchen. Heute und morgen hab ich das Haus für mich ganz allein, das wäre doch eine günstige Gelegenheit, mit Chili ein bisschen ungestört zu sein…endlich mal wieder. Aber Herr Schaaf ist nicht zu erreichen. Super! Dabei müsste ich auch dringend mit ihm über Madita reden.

"Pass auf, dass du nicht absäufst!"

"Argh", brülle ich, bekomme vor Schreck fast einen Infarkt und kann mich nur mit Mühe auf der Luftmatratze halten. Befinde mich nämlich momentan in unserem Pool hinterm Haus.

Armin ist nicht der Einzige, der so was hat. Na ja, okay, unserer ist nicht draußen, das ist schon etwas anderes…findet Armin. Ich finde: Pool ist Pool. Meine Eltern haben irgendwann mal diesen Glaskasten anbauen lassen, damit man auch bei Regen, Eis und Schnee im warmen Wasser plantschen kann.

"Pass du lieber auf, dass du nicht nass wirst", entgegne ich und spritze Wasser in Chilis Richtung. "Wer hat dich überhaupt hier rein gelassen?"

"Der Zaun ist nicht besonders anspruchsvoll…jedenfalls wenn man zwei gesunde Hände hat. Heute dauerte es ein bisschen länger und wirkte wahrscheinlich nicht sehr lässig."

"Wir haben eine Alarmanlage, weißt du?" Die schalte ich allerdings nie ein, wenn ich allein bin, weil ich es immer vergesse.

"Dann werden wohl gleich die Bullen aufkreuzen."

"Schon möglich."

"Du siehst grad genauso aus wie die versnobten Bälger reicher Leute, die ich nicht ab kann", grinst er. "Fehlt eigentlich bloß noch das Whiskey-Glas in der Hand und eine Bikini-Schnalle, die's dir gleich besorgt."

"Und du siehst aus, wie der typische Schmuddelfreak, der in U-Bahnhöfen pennt und für den waschen ein Fremdwort ist."

Ernsthaft, er sieht noch abgerissener aus als sonst. Seine enge schwarze Jeans hat Löcher an den Knien, seine hohen Doc's sind nachlässig geschnürt, das Shirt ist ein bedauernswerter Lappen, den man vielleicht noch zum Putzen gebrauchen könnte. Um seinen Hals hat er ein schwarzes, nietenbesetztes Hundehalsband geschlungen, an dem vorne ein kleines Schloss baumelt, das normale Leute an ihre Kellertür hängen würden. Und wie immer sitzt ein breiter Silbergürtel auf seinen Hüften. Meine Güte, was mich neuerdings geil macht ist unglaublich!

"Trägst du deine dings nicht mehr…dein Manschettenteil?"

Chili stellt sich dicht an den Poolrand. "Die Drähte sind seit vorgestern draußen. Geil, oder? Hat geblutet wie sau, obwohl es nur zwei Minischnitte waren. Ist das Wasser warm?"

"Komm doch rein und probier's aus."

Chili mach einen Schritt nach vorn.

"Doch nicht angezogen", lache ich, rutsche von der Matratze und schwimme auf ihn zu.

"Hättest du mir das nicht vorher sagen können?", prustet er.

Ich schlinge meine Arme um seinen Körper. "Sei vorsichtig mit deiner Hand."

"Ah…du bist so süß besorgt um mich, Valentin", giggelt er.

"Ich will nicht, dass du ertrinkst und ich deine Leiche verschwinden lassen muss. Wieso, verdammt, bist du hier?"

"Deine Schwester erwähnte, dass eure Eltern weg sind. Und sie ist heute bei ihrer Freundin. Aaaalso hab ich gedacht…die Gelegenheit ist günstig. Wir sind seit Wochen nicht allein gewesen."

"Zoe hätte da sein können…oder Armin."

"Dann hätte ich halt Madita besuchen wollen. Was ist? Krieg ich keinen Begrüßungskuss?"

"Lieber nicht", reiße ich mich zusammen, "irgendwer könnte sich hier genauso reinschleichen wie du eben."

"Feigling", schmollt er und klettert nach mir aus dem Pool. "Gehen wir halt in dein Zimmer."

Hastig springe ich wenigstens in eine Schlabberhose. Ihm scheint es ziemlich egal zu sein, dass die Klamotten nass an seinem Körper kleben und eine Wasserspur auf dem Boden hinterlassen. Mir ist das alles andere als egal, weil…ich weiß auch nicht…gibt es eigentlich eine Steigerung von totaler Geilheit?

Als wir in meinem Zimmer sind, reiche ich ihm ein Handtuch. Völlig beknackt, Chili ist klatschnass. Na ja, mein Hirn arbeitet nicht richtig. Wird nicht genügend durchblutet oder so, weil sich alles unterhalb der Gürtellinie staut. Möglicherweise funktioniert es wieder, wenn ich mich auf den Kopf stelle? Mache ich natürlich nicht. Stattdessen ärgere ich mich. Weil Chili sehr genau weiß, was er bei mir anrichtet, und weil ich ihm so gnadenlos ausgeliefert bin. Klar, macht er mich scharf. Aber warum muss ich immer dermaßen schnell anspringen? Er braucht einfach nur dazustehen und ein bisschen lässig zu grinsen…das ist doch ekelhaft. Seine nackigen Arme glänzen und aus seinen Haaren tropft Wasser. Ich hab Angst, dass ich aus Versehen explodiere, wenn er mich jetzt anfasst. Aber wenn er mich nicht bald anfasst, krepiere ich. Und er genießt es, mich zu quälen, der kleine Sadist. Sein Blick sagt ganz deutlich: Hey, ich weiß genau, dass du es willst, aber ich bestimme, wann du es bekommst!

Langsam stellt er sich vor mich hin und legt seinen Arm auf meine Schulter. Seine Hand streichelt meinen Nacken. Chilis Zungenspitze berührt meine Lippen, die ich sofort öffne und auf seine presse. Meine Hände grapschen wie bescheuert an ihm rum, während wir uns küssen.

"Sag mal, deine Hand, ist die…ich meine, tut die noch sehr weh, wenn…also musst du noch sehr aufpassen, wenn du…"

Seine gesunde Hand wandert schwer über meine Brust, meinen Bauch und stoppt am Hosenbund, "Du willst, dass ich dich ficke", unterbricht er mein Gestammel.

Ja, verdammt. Aber dieses selbstgefällige Grinsen dabei hätte er sich sparen können.

"Magst gerne passiv sein, mh?"

Mir wird übel vor Peinlichkeit. Chilis Lippen nähern sich meinem Ohr.

"Ist doch nicht schlimm, Valentin. Ich mag dich gerne ficken, das passt doch prima zusammen", kichert er.

Wütend schubse ich ihn weg. "Du bist so ein dämlicher…"

Mit einem Ruck hat er mich an sich gezogen. "Darf ich dir weh tun?"

"Äh…was?", frage ich entsetzt.

"Dich kratzen und beißen und…mmhhh…wilde Sachen mit dir anstellen", wispert er und knabbert an meinem Hals. Eigentlich beißt er ziemlich fest, ich bin kurz davor abzuspritzen.

Heftig schnaufend rollt sich Chili runter von mir. Ich keuche bestimmt nicht weniger. Du lieber Himmel, was war denn bitte das? Mein Herz klopf so laut und schnell, dass es wahrscheinlich gleich aus meiner Brust springt. Zittrig drehe ich mich zu ihm. Er liegt auf dem Rücken und versucht, seine Atmung unter Kontrolle zu kriegen.

"Wow", japst er.

"Ja", japse ich zurück, "wow." Ich begutachte meinen Oberkörper. Der ist übersät mit Kratzern, Bissen und Flecken, die spätestens morgen in einem satten Grüngelbblau erstrahlen werden. Als hätte mich jemand schlimm misshandelt.

"Hübsch", behauptet Chili und streichelt sanft meine geschundene Haut.

"Bist wohl auch noch stolz drauf, wie du mich zugerichtet hast", nörgele ich.

"Absolut", lächelt er zufrieden. "Gib zu, du fandst es geil."

Na ja, leugnen wäre wohl zwecklos. Trotzdem. Ich bin immer noch wütend. Es ist halt nicht einfach, wenn man feststellt, dass man beim Sex eher das "Mädchen" ist.

"Was ist los?"

"Gar nichts", grummele ich.

"Okay, und was ist los?"

"Ich kann nicht darüber reden."

"Aha. Hat es mit dem zu tun, was ich vorhin gesagt habe? Mit diesem Passiv-Scheiß? Valentin, das war ein Scherz."

"Haha."

"Und ich finde das echt nicht schlimm."

"Du vielleicht nicht."

"Dir gefällt es, also wo ist das Problem? Sag's nicht. Lass mich kurz nachdenken…das Hetero-Teufelchen in dir, nennen wir es kurz Armin, flüstert dir zu, dass du eine Pussy bist, wenn du dich ficken lässt, ja?"

"So ungefähr. Ich will nicht, dass du mich für ein Mädchen hältst."

Chili lacht unterdrückt. "Wenn ich dich für ein Mädchen halten würde, hätte ich nichts mit dir angefangen, denn wie du weißt, stehe ich auf Jungs."

"Du weißt genau, was ich meine."

"Es geht. Ich finde es manchmal schwer, mich in eine Heterokerlpsyche reinzufühlen."

"Und ich kann mit meinem Schwulsein noch nicht so locker umgehen."

"Ach was?", lächelt er. "Ist mir noch gar nicht aufgefallen."

"Ich denke in letzter Zeit viel nach…", beginne ich.

"Das ist wohl eine sehr neue Erfahrung, mh?", unterbricht er mich.

Dafür muss ich ihn mal eben zur Strafe heftig durchkitzeln. Und da Chili bloß eine Hand zur Verfügung hat, fällt das Wehren jämmerlich aus. Er hat keine Chance. Und ich hab kein Mitleid.

"Ey", quietscht er, "du solltest dich schämen, die Situation auch noch auszunutzen."

"Dazu sind Situationen da", säusele ich und küsse ihn.

"Wieso trägst du eigentlich so was…hat das eine Bedeutung?"

"Nee", antwortet Chili und lässt sich von mir das Hundehalsband abnehmen, "ich finde das…

schick."

"Also hat das stylische Gründe."

"Schon, ja."

"Ist das nicht ein Widerspruch? Immerhin bist du ein Punk."

"Ich mache und trage, was mir gefällt. Wo ist da der Widerspruch?"

"Aber ich dachte, dass sich Punks extra hässlich machen wollen, um damit irgendeine Haltung auszudrücken."

"Hast du das bei Wikipedia gelesen?", kichert er.

Verdammt!

"Und warum bist du Punk geworden?"

"Als ich zwölf, dreizehn war und mal wieder aus'm Heim abgehauen bin, hab ich in 'nem besetzten Haus gewohnt, mit einigen Punks zusammen. Die haben mich sozusagen infiziert. Ich fand's einfach cool."

"Saufen, kiffen, betteln, im Dreck leben und den ganzen Tag scheiß Staat, scheiß Bullen krakeelen…was ist daran cool?"

"Ich war zwölf, da stellt man keine Fragen nach dem Sinn."

"Aber jetzt bist du älter."

"Eben. Deswegen krakeele ich auch nicht mehr scheiß Staat und scheiß Bullen", grinst er. "Und im Dreck hab ich nie gerne gelebt. Ließ sich halt manchmal nicht vermeiden. Dabei war das Abrisshaus noch um Längen besser, als richtig auf der Straße zu pennen, oder im Heim… oder bei meiner Mutter. Die hat ja immer wieder mal versucht, mich zurückzukriegen, wahrscheinlich ging's ihr hauptsächlich darum, das Kindergeld zu kassieren. Natürlich hat sie das regelmäßig versoffen und verdrogt. Dann kam das Jugendamt und hat das verwahrloste, halb verhungerte Gör mitgenommen. Klingt dramatisch, mh?"

Ich streiche ihm sanft rote Ponysträhnen aus der Stirn. "Klingt, als hättest du eine Menge Scheiße erlebt."

"Ich kenne schlimmere Geschichten. Hatte halt irgendwie immer Glück oder so was. Ich musste mich nie an Kerle verscherbeln und ich bin nicht völlig im Drogensumpf untergegangen."

"Hast du…viel genommen?"

"Eine Zeit lang so ziemlich alles, was ich kriegen konnte."

Wow, ich bin mir nicht sicher, ob ich das jetzt hören will. Andererseits weiß ich so wenig über ihn. Erschreckend wenig, merke ich grad.

"Soll ich lieber nichts mehr erzählen?", fragt er. "Du siehst geschockt aus."

"Nee, es ist nur…das ist alles total fremd für mich."

"Ah ja? Wenn du mit Armin losgezogen bist, habt ihr da nie was eingeworfen? Ein paar lustige Pillen, Alk oder ein bisschen Koks?"

"Armin schon, ich eher nicht."

"Na ja", lächelt er und lässt seine Finger über meinen Oberkörper wandern, "Sex ist eh die geilste Droge. Besonders Sex mit dir."

"Aha. Und bin ich von der Wirkung her eher die Flasche Bier oder eine lustige Pille?"

Chili scheint zu überlegen. "Du bist…wie ein Schuss direkt in die Vene", wispert er und beißt mir ins Ohr. "Es knallt total rein und macht sofort süchtig."

Äh…nee, oder? Ich rücke ein Stück von ihm weg.

"Frag schon", seufzt er, als er meinen entsetzten Blick sieht.

"Also hast du…?"

"Quatsch. Hältst du mich für völlig verblödet?"

Oh, gut…bin froh, dass mein Freund bloß ein Straßenköter ist und kein ehemaliger Junkie.

"Vielleicht hätte ich es ausprobiert", gibt er zu, "wenn ich nicht schon sehr früh mitbekommen hätte, was das verfluchte Zeug aus einem macht. Ein Typ von meiner Mutter hing an der Nadel. Der war so fertig, hat ihn überhaupt nicht gestört, dass ein kleines Kind ihm dabei zugesehen hat."

"Das ist ja ekelhaft", ist alles, was mir dazu einfällt.

"Na ja, die Schnalle vom Jugendamt hat dann schnell dafür gesorgt, dass ich wegkam. Wieder mal."

"Ich liebe dich", sage ich aus versehen. Also gemeint habe ich das schon, aber es war ein Versehen, dass ich es ausgesprochen habe.

"Du solltest Mitleid nicht mit Liebe verwechseln."

"Ein einfaches 'Ich dich auch' hätte gereicht."

"Du gehst davon aus, dass ich dich liebe?"

Mann, was bin ich für ein Idiot. "Nein…ich meine…" Ach, zum Teufel. "Doch, eigentlich schon. Immerhin willst du nicht, dass ich mit Mädchen schlafe."

"Ich will dich halt für mich haben. Außerdem interessieren dich doch eh momentan keine Weiber, oder?"

"Weil du mich schwul gemacht hast."

"Du hättest nach dem ersten Sex auch sagen können…danke, ist nicht meine Welt."

"Du hättest mich ja auch einfach in Ruhe lassen können. Du wusstest doch, dass ich auf Mädchen stehe. Warum hast du mich trotzdem angemacht?"

"Erst war's nur Spaß, dann fand ich interessant, wie nervös du geworden bist und schließlich…"

"Ja?"

"Hast du den Sex ein bisschen zu sehr genossen…für eine Hete. Trotzdem, ich hätte nicht gedacht, dass ich dich tatsächlich rumkriegen würde."

"Das ist doch gelogen, oder? Ich halte dich für eingebildet genug, dass du wahrscheinlich davon ausgehst, jeden rumkriegen zu können."

"Na ja, jeden vielleicht nicht. Dein Freund Armin beispielsweise würde bei mir sicher nicht schwach werden. Ansonsten magst du durchaus recht haben. Möglicherweise hab ich mich nur gewundert, wie schnell das bei dir ging."

"Ey, du bist so ein Arsch", rege ich mich auf und schlage ihm mit der Hand gegen die Stirn.

Chili schlägt mit der gesunden Hand zurück. Ich hab zwei gesunde Hände, was ich sehr ausnutze, mich auf ihn werfe und ihn festhalte.

"Mhhhhh…", schnurrt er, "Sexraufen."

Verdammt, ich muss ihn einfach küssen!

"Sag mal, hast du noch nie Paprika geschnitten?", fragt Chili und lacht sich fast kaputt.

"Natürlich nicht, wir haben eine Haushälterin, die das macht", verteidige ich mein stümperhaftes Herumgehacke auf dem armen Gemüse.

"Na ja, wird schon irgendwie gehen."

Chili bekam mitten in der Nacht plötzlich Hunger und da es für irgendwelche Bringdienste bereits zu spät war, schlug er vor, in die Küche zu gehen und etwas zu kochen. Ich war ein bisschen entsetzt, denn ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht selber gekocht. Chili dagegen…matscht gerade einhändig in einer Schüssel mit Teig rum und behauptet, dass es Pizza gibt. Ich hab, wie gesagt, nicht viel Ahnung davon, wie man Essbares zubereitet, bin mir aber sicher, dass der Teig ausgerollt, oder jedenfalls irgendwie in Form gebracht werden muss. Und höchstwahrscheinlich darf ich das gleich machen, weil Chili mit einer Hand…na ja.

"Mach mal Mehl hier drauf."

Ich kippe.

"Doch nicht so viel, Trottel", zischt er und reibt sich genervt die Wange.

"Du hast Mehl im Gesicht."

"Ja?" Schwupps greift er sich was von dem Zeug und lässt es über mein Haupt rieseln. "Du auch."

Okay, das verlangt nach einer klitzekleinen Mehlschlacht und endet in einer riesigen Sauerei.

Logischerweise sehen wir danach mindestens genauso schlimm aus wie die Küche. Dafür schmeckt die Pizza super lecker. Das gemeinsame Duschen hinterher ist auch nicht schlecht.

Leider zwingt mich Chili schließlich zum Aufräumen, weil er meint, dass die arme Haushälterin nicht dafür zuständig ist, unseren Dreck wegzuputzen. Dass sie dafür Geld bekommt, sage ich lieber nicht, weil Chili das eh nicht als Argument gelten lassen würde.

Der hält mich eh schon für verwöhnt, versnobt und was weiß ich nicht.

Der gesamte Samstag verläuft ungefähr so: essen, schlafen, ficken, knutschen, im Pool plantschen, ficken, knutschen, essen, schlafen.

Sonntagnachmittag ist der Spaß vorbei. Madita kommt bald nach Hause, meine Eltern ebenfalls. Ich wünschte wirklich, ich könnte allen sagen, dass Chili und ich verliebt sind.

Dann könnte er einfach hier bleiben.

Katastrophenballett

"Hey, Pfeifenkopf", grüßt Madita wie üblich als sie mein Zimmer betritt.

"Nebelkrähe", nicke ich.

Danach setzt sie sich in den Hängekorbsessel, schaukelt langsam hin und her und starrt schweigend auf ihre Froschsocken.

"Alles in Ordnung?"

"Kann man irgendwie nicht behaupten."

"Chili?"

Ihr Kopf schnellt nach oben. "Wie kommst du darauf?"

"Geraten."

"Ich frage mich…und zwar schon seit einiger Zeit…"

Schweigen.

"Was denn?"

Ich kann sehen, dass ihre Hände zittern. Ihre Lippen ebenfalls, also ist sie kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ach du Kacke!

"Valentin", beginnt sie und atmet tief durch, "wir sind doch eigentlich…also wir stehen uns doch nah, oder?"

In meinem Mund breitet sich ein übler Geschmack aus.

"Ja."

"Und wir haben uns immer erzählt, wenn sich etwas Gravierendes ereignet hat. Ich meine, ich hab dir erzählt, wann ich zum ersten Mal mit einem Typen geschlafen habe. Das ist was Gravierendes, findest du nicht? Mit einem Typen zu schlafen. Für dich wahrscheinlich noch viel gravierender…"

"Dita", röchele ich hilflos.

Madita reibt sich angestrengt die Augen. "Sag mir bitte, dass es dabei nicht um irgendeinen Scheiß geht, ja? Sag mir bitte, dass du dich, aus welchen Gründen auch immer, verliebt hast und ihn nicht bloß verarschst."

Tapfer schlucke ich den eklig fetten Kloß im Hals runter. "Ich hab mich verliebt."

Sie presst ihre Lippen zusammen, dann kullern auch schon Tränen über ihre Wangen.

Reflexartig stehe ich auf und will sie in den Arm nehmen, aber sie wehrt meine Hände ab.

"Nicht…nicht anfassen", schluchzt sie.

"Es tut mir leid, Dita, wirklich. Keine Ahnung, wie das passieren konnte."

"Chili ist halt toll", lächelt sie bitter. "Ich hab ja gewusst, dass irgendwas mit dir los ist, aber das…gerade du und ausgerechnet mit ihm…"

"Ich wollte dir nicht weh tun, deshalb hab ich nichts gesagt. Na ja, und weil ich ein Feigling bin."

"Und ein verdammter Heuchler. Oder was soll das mit Zoe?"

"Er weiß, warum ich mit ihr zusammen bin."

"Oh, das macht's natürlich besser."

"Nein, aber einfacher. Im Augenblick jedenfalls."

Sie steht auf und zieht geräuschvoll die Nase hoch. "Gott, Valentin, du bist so erbärmlich." Dann knallt sie die Tür hinter sich zu.

Ich kann nicht behaupten, dass ich mich jetzt befreit fühle, weil die Wahrheit endlich raus ist.


"Rosenberg, du siehst aus wie Scheiße", bemerkt Armin am Montag in der Schule.

"Warum verreckst du nicht?", frage ich honigsüß.

"Lässt dich die Traumfrau immer noch nicht ran? Kein Problem. Ich hab uns fürs Wochenende was organisiert."

Das brauche ich gerade ungefähr genauso wie dringend wie Sackratten!

"Kein Interesse."

"Ich hab deine Launen langsam satt, kleine Diva. Hältst du dich für ein Mädchen, oder was? Ich sagte, dass ich was organisiert habe und mir ist verfickt egal, ob du Interesse daran hast oder nicht. Ich will dich dabei haben, also kommst du mit."

"Krieg dich wieder ein", zische ich genervt.

"Und schon ist der Tag endgültig verdorben", faselt er. "Ey, Schwuli, wie ich sehe hast du inzwischen gelernt, geradeaus zu laufen. Was macht die Hand? Ich hoffe, es ist nicht allzu viel kaputt gegangen. Wäre doch schade um die ganzen Schwänze, die du nicht mehr wichsen kannst, mh? Aber du hältst sowieso lieber deinen Arsch hin, hab ich recht?"

Armins Sprüche werden leider immer peinlicher.

Chili kommt ein paar Schritte näher.

"Entschuldige, hast du was gesagt?"

"Allerdings. Ich hoffe, du krepierst an Aids."

"Schon mal was von Kondomen gehört? Die sollen bekanntlich vor vielen Krankheiten schützen. Leider nicht vor Geisteskrankheiten, aber selbst wenn, würde es kaum was nützen, weil bei dir der Zug eh schon lange abgefahren ist."

Chilis Sprüche sind wesentlich lustiger.

"Verpiss dich, du schwule Drecksau!"

"Wieso? Stellst du mir sonst wieder ein Bein, weil du dich nicht gescheit prügeln kannst? Warum ziehst du mir nicht an den Haaren oder kratzt mir die Augen aus, du Mädchen?!"

"An einem Mutanten wie dir mache ich mir die Finger nicht schmutzig", entgegnet Armin lahm.

Chili lächelt mitleidig und geht zu Madita rüber, die das alles mitbekommen hat und mir ultra finstere Blicke zuwirft. Ich hoffe nur, sie tut nichts Unüberlegtes, wie mich vor der gesamten Schule outen. Oder noch schlimmer…vor Armin. Normalerweise traue ich ihr derartige Gemeinheiten nicht zu, aber sie ist sauer auf mich und enttäuscht von mir. Wer weiß schon, wozu sie sich da hinreißen lässt?

"Ich hätte der alten schwulen Sau das Genick brechen sollen", faucht Armin.

"Wird dir das nicht langsam zu dämlich, ihn andauernd anzumachen?", frage ich.

"Oh…", flötet er, "hast du ein Problem damit, dass ich dein Liebchen hasse?"

"Kann ich was dafür, dass ich so gutaussehend bin, dass sich sogar Schwule in mich verknallen?"

Zum Glück kauft Armin mir den beschissenen Scherz ab. Gott, ist der blöde.

"Also, Rosenberg, Samstag, ja?"

"Meinetwegen", nicke ich, weil ich mir soeben einen Plan zurechtgelegt habe. Ich kippe mich einfach dermaßen zu, dass ich zu besoffen bin, um irgendeine Schnalle zu bumsen.


Mittwoch treffe ich mich mit Zoe. Bei mir zuhause. Und es war auch nicht abgemacht, dass ich sie irgendwohin ausführe oder so was, sie hätte sich also gar nicht so aufbrezeln müssen.

Schwarzes Kleid, eng, ausgeschnitten. Hochhackige Schuhe. Ihre Haare sind kunstvoll zusammengesteckt. Ihr teures Parfum weht durch mein Zimmer. Und sie hat eine Flasche Champagner mitgebracht.

"Äh…du siehst toll aus."

"Danke, mein Schatz", lächelt sie und küsst mich…auf den Mund.

Mir wird unheimlich. Zoe küsst mich nie auf den Mund.

"Machst du bitte die Flasche auf? Ich will mit dir anstoßen."

Zittrig gieße ich zwei Gläser voll und reiche ihr eins.

"Worauf trinken wir?"

"Auf uns. Und auf einen schönen Abend."

Nachdem Zoe ihren Champagner runtergekippt hat, löst sie die Spangen aus ihren Haaren und schüttelt ihre rote Mähne. Diese Frau ist mir ein Rätsel. Ehrlich. Hat doch sicher total lange gedauert, die Frisur herzustellen, warum macht sie sie kaputt? Lasziv schlendert Zoe auf mich zu und zupft an meinem Hemd.

"Valentin, ich finde…wir haben lange genug gewartet."

Dann küsst sie mich schon wieder. Und diesmal mit Zunge. Au weia!! Als sie damit fertig ist, kippt sie sich noch ein Glas Champagner hinter die Binde und kramt etwas aus ihrem schwarzen Handtäschchen. Es ist ein Kondom. Ich glaub, ich muss mich übergeben.

"Was…äh…was…", krächze ich.

"Wir sollten es endlich tun."

NEIN!!!

"Bist du…ähem…sicher?"

Sie nickt. Scheiße, wie komme ich denn aus der Nummer raus? Nachdenken, Valentin, es gibt immer eine Lösung. Meistens sogar mehrere. Ich könnte es ihr ausreden. Ihr sagen…ja, was denn? Dass ich keine Lust hab? Auf sie…auf Mädchen generell? Ich könnte mit ihr schlafen und mich dabei so daneben benehmen, dass sie nie wieder Lust drauf hat. Aber dann würde sie sich wahrscheinlich sofort von mir trennen und ich hätte keine Alibifreundin mehr.

Oh je, sie öffnet meine Hemdknöpfe und nuckelt an meinem Hals. Ich fange an zu schwitzen.

Als ich obenrum frei bin, friemelt sie sie hinten an ihrem Kleid. Es fällt zu Boden und Zoe steht in Unterwäsche vor mir. Sie ist wirklich wunderschön und wenn ich mich anstrenge, krieg ich sicher eine Latte. Aber ich will nicht. Ich will nicht mit ihr schlafen und Chili betrügen.

Zoe fackelt nicht lange. Sie schubst mich aufs Bett, zieht elegant ihre Schuhe aus, legt sich auf mich und beginnt, mit mir zu knutschen. Weil ich keine Ahnung habe, was ich sonst machen soll, fasse ich ein bisschen an ihren Brüsten rum. Derweil wandert ihre Hand zu meinem Hosenbund, öffnet Knopf und Reißverschluss. Plötzlich setzt sie sich auf, sieht mich an und schüttelt den Kopf.

"Es tut mir leid…ich kann das nicht."

Fast panikartig springt sie vom Bett, wirft sich in ihr Kleidchen, klaubt Schuhe und Tasche vom Boden und stürmt aus dem Zimmer.

Meinen Zustand völlig durcheinander zu nennen wäre untertrieben. Hab ich das grad eben geträumt oder halluziniert?


Madita redet nicht mit mir, Zoe geht mir aus dem Weg und Armin geht mir auf den Sack. Irgendwie verstehe ich so langsam den Witz nicht mehr. Die einzig normale Person in meinem Umfeld ist Chili. Allerdings sieht er ziemlich durch die Mangel gedreht aus, als wir uns am Freitag treffen. Jetzt, wo Dita, eh alles weiß, kann ich auch wieder ins Partyhaus gehen.

"Deine Schwester findet, du bist ein Arschloch und ich habe keine Selbstachtung."

"Was für Neuigkeiten."

"Sie hat mir aber trotzdem versprochen, die Sache für sich zu behalten."

"Immerhin."

"Außerdem hat sie erzählt, dass deine Freundin vorgestern ziemlich eilig dein Zimmer verlassen hat. Ihr Kleid war übrigens noch offen."

"Weiber", zische ich.

"Bist du über sie hergefallen oder was war los?"

Eigentlich hatte ich nicht vor, die Geschichte zu erwähnen, weil…es ist ja nicht wirklich etwas passiert, aber Madita musste sich natürlich mal wieder einmischen.

"Zoe wollte mich verführen, glaub ich."

Chilis Gesicht wird finster. "Und?"

"Mittendrin hat sie aufgehört und ist weggerannt."

"Okay, verstehe. Was, wenn sie nicht weggerannt wäre?"

"Hä? Was meinst du?"

"Du hättest mit ihr geschlafen."

"Nein", brülle ich entsetzt.

"Ich fasse es nicht. Deine beschissene Tarnung geht soweit, dass du…aber vielleicht wolltest du ja auch. Mal wieder ein richtiger Kerl sein, der ein Mädchen fickt, wie sich das gehört, was?"

"So war es nicht. Zoe hat mich total überrumpelt. Echt, ich konnte gar nichts machen."

"Was würdest du denn sagen, wenn ich aus versehen mit einem Kerl…mit Len schlafen würde, mh?"

"Das ist ja wohl was anderes."

"Findest du?"

"Allerdings."

"Für mich ist deine Scheinbeziehung jedenfalls untragbar geworden. Ich hab keine Lust, mir andauernd den Kopf darüber zu zerbrechen, ob du Zoe bumst oder nicht."

Na fabelhaft!

"Stellst du mir grad so was wie ein Ultimatum?"

"Ja. Sie oder ich."

"Chili, das ist doch scheiße."

"Ich verlange nicht, dass du dich gleich vor all deinen Leuten outest. Ich will nur, dass du mit ihr Schluss machst. Aus welchem Grund, ist mir egal."

"Sie geht mir doch eh schon aus dem Weg."

"Dann schnapp sie dir und sag, dass Schluss ist. Wenn du das getan hast, darfst du gerne wieder herkommen und mich küssen", erklärt er. "Und zwar morgen, da ist nämlich…"

"Morgen bin ich mit Armin unterwegs", murmele ich.

Er blickt mich wütend an. Vielleicht auch traurig. Vielleicht beides.

"Wie passend. Viel Spaß", faucht er, steht auf und verschwindet zwischen den Freaks.

Wieder zuhause schnappe ich mir erstmal meine Tratschtanten-Schwester.

"Würdest du in Zukunft bitte deine verdammte Klappe halten?", frage ich nicht besonders höflich.

"Wie bitte?", entgegnet sie genervt.

"Denkst du, wenn du einen Keil zwischen Chili und mich treibst, treibt er es plötzlich mit dir?"

"Ich möchte nur nicht, dass ihm weh getan wird, das ist alles."

"Schwachsinn. Du möchtest, dass er mich abschießt und sich in deine Arme flüchtet. Darauf kannst du lange warten, Schätzchen. Wenn er nicht mehr mit mir ins Bett geht, tut er es eben mit einem anderen Kerl."

"Bist du fertig? Dann lass mich vorbei. Mir wird schlecht, wenn ich in einem Raum mit dir sein muss."

"Und ihm wird schlecht, wenn er sich vorstellt, mit dir Sex haben zu müssen."

Einen Augenblick sieht es so aus, als würde sie anfangen zu heulen. Aber dann lächelt sie.

"Ich bin wirklich gespannt, was Armin sagen wird, wenn er herausfindet, dass sein bester Freund ein Schwanzlutscher ist. Gute Nacht."

Man sollte ein eifersüchtiges, frustriertes Mädchen nicht unterschätzen. Besonders, wenn es gereizt wird. Momentan traue ich Madita alles zu. Sogar, dass sie zu ihrem Lieblings-Hassobjekt spaziert und über das Intimleben ihres neuen Hassobjekts plaudert. Es wird echt brenzlig und irgendwie wäre es mal wieder das Beste, mich von Chili zu trennen. Ihn einfach auf seinem Ultimatum hocken zu lassen, bis er Schwielen am Arsch hat, und die letzten Monate komplett aus meinem Leben zu streichen. Genau, ich mache mit Chili Schluss und mit Zoe sowieso. Die Tussi ist mir nämlich zu irre. Und Emo will ich auch nicht mehr sein.

Meine Klamotten kommen in die Kleidersammlung, dann bin ich endlich wieder ich selbst!

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